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Wenn wir dem Generaloberen Albera glauben, hatte der Salesianer übrigens, min-
destens früher, ein bisschen zu sehr die Tendenz, sich zu begnügen und Aktion mit (unru-
higer) Geschäftigkeit zu verwechseln.
Die Krankheit der Geschäftigkeit, d. h. der ungeordneten Aktivität, bedrohte ihn am
Anfang des Jahrhunderts. Ein Rundbrief von 1911 mahnte ihn ungeschminkt: „Die große
Krankheit vieler, die sich dem Dienst Gottes anheimgegeben haben, ist die Geschäftigkeit
und der übermäßige Eifer, den sie in den äußerlichen Dingen aufbringen. Wie schwierig ist
es, unsere Aktivität in den rechten Grenzen aufrechtzuerhalten! Wenn wir darauf nicht ach-
ten, gehen wir das Risiko ein, der Bewegung der Welt zu folgen, die sich mitreißen lässt
im Wirbel der Geschäfte, als Opfer dieses Übels, das schon der heilige Bernhard als evis-
ceratio mentis oder Ausweidung der Seele bezeichnete. Sie erschöpft im Studium und den
äußerlichen Werken all ihre Fähigkeiten, ihre Intelligenz, ihr Gedächtnis, ihre Vorstel-
lungskraft. Wie es der Weise über den Menschen sagte, der von seinen Beschäftigungen
aufgerieben wird: projecit in vita intima sua8.
„Nie ein Moment um sich zu sammeln, um sich selbst wiederzufinden, um zu wis-
sen wohin man geht. Die Welt glaubt, dass jene mit großen Schritten auf dem Weg des
Guten gehen, aber der heilige Augustinus versichert uns, dass sie außerhalb des rechten
Pfades wandeln: magni passus, sed extra viam (mit großen Schritten, aber außerhalb des
Weges). Sie arbeiten viel, aber ihre Arbeiten haben keinen Wert ad aeternitatem. Oh! dass
die Salesianer fortfahren, das Beispiel des Unternehmungsgeistes, einer großen Aktivität,
zu geben, aber dass es immer und überall das Ergebnis eines rechten Eifers sei, vorsichtig,
beständig und gestützt von einer soliden Frömmigkeit.“9 Lesen wir diese letzten Worte
noch einmal. Don Albera war geprägt vom Werk „L“Ame de tout apostolat“ des Dom
Chautart. Einige Monate vor seinem Tod prangerte er noch das Motto „Aktion für Aktion“
als neues Ideal seines Zeitalters an.10
„Der Salesianer läuft immer“, wiederholte P. Augustin Auffray gern in seinen E-
xerzitienvorträgen, die ich Mitte dieses Jahrhunderts hörte. Es schien, man könne nichts
dagegen einwenden. Aber damit ahmte der Schüler kaum seine Lehrer und Vorbilder nach.
Sprechen wir hier nicht von Don Bosco, dem Heiligen, der natürlicherweise so wenig ge-
drängt war, dass es ihm oft geschah, einen Zug zu verpassen. „Ach was, bemerkte er mit
Philosophie, wir werden den nächsten nehmen.“ Der Salesianer beeilt sich langsam.
Der selige Filippo Rinaldi mit seinem so gutmütigen Aussehen, war sein Leben
lang ein Mann der Tat. Aus seiner Biographie erfahren wir, wie sehr seine Aktivität als
Direktor, dann als Provinzial, danach als Generalpräfekt und schließlich als Generaloberer,
beständig und intensiv war. Betrachten wir ihn hier nur in seiner Zeit als Provinzial in Spa-
nien. Sorgen um das Provinzhaus, Schriftverkehr und Reisen für die Neugründungen, not-
wendige Versetzungen aufgrund seines Amtes, innere Angelegenheiten verschiedener Art,
finanzielle Schwierigkeiten, unmittelbare Sorge um die Häuser und Belange der Töchter
Mariä, Hilfe der Christen. All diese Aufgaben füllten seine Tage mit Beschäftigungen und
Sorgen aus, umso mehr als er niemand hatte, mit dem er seine Verantwortung teilen konn-
te. Eines Tages, Mitte Februar, schrieb er einem seiner Freunde: „Dieses Jahr reicht mir
das Wasser bis zum Hals. Vom ersten Tag des Jahres bis gestern bin ich nicht zur Ruhe
gekommen. Die Arbeit wächst mit dem Laden“ (16. Februar 1895). Ein anderes Mal:
wenn man „Agitation“ nicht politisch akzentuiert versteht. Insofern weichen wir auf den umschreibenden und
doch treffenden Begriff „Geschäftigkeit“ aus.
Francis Desramaut, Einhundert Schlüsselworte der salesianischen Spiritualität,
Art.: „Action“ – „Aktion“