[2]
1861 erschüttert mitten in der Nacht ein furchtbarer Schlag das Oratorium. Ein Blitz
schlug ins Zimmer von DB ein. Der Strom fällt aus. Er rennt zu den Buben in den
Schlafsaal und sieht, dass keiner verletzt ist. Er betet mit ihnen die Lauretanische
Litanei. „Habt keine Angst, wir haben im Himmel einen guten Vater und eine gute
Mutter, die über uns wachen.“ Später zeigte sich, dass beinah die ganze Decke des
Schlafsaals eingestürzt wäre. Als man Don Bosco empfahl, einen Blitzableiter aufs
Dach zu montieren, ließ er ganz oben eine Statue der Muttergottes. Sie steht noch
heute oben... Ebenfalls 1861 bricht ein Brand in der Buchbinderei aus, Schaden 100
000 Lire. Don Bosco sagt gelassen: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s
genommen. Er ist der Hausherr!“
Warum hat Don Bosco nie aufgegeben? Er hätte doch allen Grund dazu gehabt!
Warum ist er einen derart schweren Weg gegangen, der geradezu übersät war von
Verleumdungen und Intrigen und Gemeinheiten. Er hätte doch genug Möglichkeiten
gehabt, ein gut bürgerliches Leben zu wählen, Karriere zu machen, ein rundum
versorgter Pfarrherr zu werden. Schon als Neupriester hatte man ihm zwei lukrative
Angebote gemacht. Die eigenen Landsleute in Castelnuovo wollten ihn als Pfarrer
haben. Sie wären sogar bereits gewesen, das Jahresgehalt der Diözese in der Höhe
von 1000 Lire zu verdoppeln, wenn er angenommen hätte. Er hat nicht
angenommen! Er hätte auch Privatkaplan am königlichen Hof werden können. Dieser
Job wäre mit Ansehen, Karriere, erlauchter Gesellschaft und gemütlichem
Tagesablauf verbunden gewesen. Obendrein mit einem satten Gehalt, mit dem er
seiner Mutter einen schönen Lebensabend bereiten hätte können. Auch hier lehnte
er ab. Warum entscheidet sich Don Bosco für die Rotznasen von Valdocco?
Don Boscos Leben in der Gegenwart Gottes
Diese Fragen führen uns zu einer Haltung Don Boscos, die wenig spektakulär ist, die
aber vielleicht die Mitte seines priesterlichen Lebens ausmacht: nämlich sein Leben
in der Gegenwart Gottes, sein Bleiben in Christus, seine ständige Gottverbundenheit.
In Christus bleiben – Bleiben kann nur, wer bereits angekommen ist. Bleiben kann
nur, wer bereits einen Weg gegangen ist. Wenn schon eine Begegnung
stattgefunden hat. Wir haben keinen Anfang zu setzen, sondern an dem
festzuhalten, was Gott in uns begonnen hat,
Die Frohbotschaft des heutigen Tages verweist uns auf diese Mitte gottgeweihter
Menschen. Der entscheidende Satz dieses Abschnittes heißt: „Er rief die Zwölf zu
sich, damit sie bei ihm seien und dass er sie aussende…“ (Mk. 3,14).
Was hier in der Einheitsübersetzung so kraft- und farblos wiedergegeben ist, birgt in
sich die ganze Dynamik eines christlichen Lebensentwurfes. Um diese Dynamik auch
nur zu erahnen, müssen wir uns am griechischen Originaltext orientieren. Es gibt im
Griechischen insgesamt 4 Wörter für Liebe. Die ersten drei kennen wir: philía
(Freundesliebe), eros (leidenschaftliche Liebe) und agape (selbstlose Liebe). Es gibt
aber noch einen vierten Ausdruck für Liebe, und der heißt: einai meth’autou = Mit
jemandem sein! Dies bezeichnet die stärkste Verbindung zwischen zwei Menschen.
Dies ist eine Beziehung, die von keiner Macht der Welt und der Unterwelt gelöst
werden kann. Im Markusevangelium kommt dieser Ausdruck nur an zwei Stellen vor,
nämlich hier im Kontext unseres Abschnittes und beim Verrat des Petrus im Vorhof