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hat. Gleich im 1. Kapitel, das überschrieben ist mit „Von der Anstrengung, ein
Heiliger zu werden“ legt er ausführlich dar, dass Don Bosco zahlreiche
charakterliche Schwächen gehabt hat, die ihm oft zu schaffen machten. Er war nicht
der geduldige, gütige und liebenswerte Junge, als der er oft beschrieben wird. Von
den beiden Söhnen der Mamma Margarita, von Giuseppe und Giovanni, wird
gesagt, dass der Erste viel eher das Zeug zum Salesianer gehabt hätte als der Zweite.
Giuseppe wird uns als hilfsbereit, gütig und ausgeglichen geschildert, Giovanni
hingegen als ernst, wortkarg, beinahe misstrauisch. Mit Menschen außerhalb der
Familie pflegte er keinen vertrauten Umgang, ließ sich nicht streicheln, sprach wenig,
war aber ein aufmerksamer Beobachter. In seinen „Erinnerungen“ schreibt er selbst:
„Als ich noch ziemlich klein war, studierte ich schon den Charakter meiner
Kameraden. Ich fixierte ihr Gesicht und wollte wissen, was in ihrem Herzen vor sich
geht.“ Giovanni hatte auch eine große Abscheu gegen den Gehorsam, konnte sich
schwer unterordnen und verteidigte mit Vehemenz seine Standpunkte.
Freilich hatte er auch seine guten Anlagen und Charakterzüge: so seine
Willensstärke, seine hohe Intelligenz, sein bewundernswertes Gedächtnis, seine
körperliche Kraft. In seinen „Erinnerungen“ schreibt er: „Von allen meinen
Kameraden, auch von den größeren und älteren, war ich gefürchtet wegen meines
Mutes und wegen meiner Stärke.“
In den zahlreichen Befragungen seiner Zeitgenossen, die in den
Heiligsprechungsakten niedergelegt sind, finden wir über Don Bosco auch kritische
Bemerkungen. Sein Heimatpfarrer Cinzano nennt ihn „extravagant, verrückt“
(„stravagante“) und „starrsinnig“, „dickköpfig“, „stur“ („testardo“). Kardinal
Cagliero beschreibt sein Temperament als „ungestüm“ („focoso“) und „hochmütig“
(„altero“), sosehr dass er keine Widerstände ertragen konnte. Sein Mitschüler Don
Giacomelli bemerkt: „Wenn man Giovanni Bosco gesehen hat, verstand man, wie
man sich ohne Tugend von der Wut und vom Zorn übermannen lassen konnte.
Keiner unserer Kameraden, und wir waren viele, neigte sosehr zu üblen
Gewohnheiten wir er.“ Der Moraltheologe im Priesterseminar von Turin Mons.
Bertagna (er wurde später Erzbischof in Claudiopoli) bezeugt, dass Don Bosco sehr
schnell auf 180 war, stur sein konnte und größte Schwierigkeiten hatte, gute
Ratschläge anzunehmen, wenn diese gegen seinen Willen waren.“
Auch Don Francesco Cerrutti (1844-1917), ein Salesianer der 1. Stunde, der seit 1885
dem Obernrat angehörte bescheinigt Don Bosco „einen großen Hang zum Zorn, der
ihn bisweilen überheblich erscheinen ließ. Don Cafasso bestätigte bei Don Bosco
einen Hang zur Eigensinnigkeit, Rechthaberei und seine liebe Not, Ratschläge
anderer anzunehmen. Nach seinen Aussagen beschrieb ihn auch Gräfin Barolo als
„dickköpfig, eigensinnig und stolz“ („cocciuto, ostinato, superbo“). Der Arzt
Giuseppe Alberttoti, der Don Bosco von 1872 bis zu seinem Tod betreute, bescheint
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