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Die den Nationalsozialismus tragende Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
(NSDAP) formierte sich um 1920 in Deutschland als eine „Bewegung“, die verschiedene
Strömungen (Sozialdarwinismus, Antijudaismus, Nationalismus) aufnahm und sich um den
»Führer« Adolf Hitler sammelte, um die bestehende politische Ordnung zu überwinden. Die
durch die Weltwirtschaftskrise um sich greifende Unzufriedenheit breiter Schichten machte
die Partei bei den Wahlen zum Deutschen Reichstag am 31.07.1932 mit 37,3 % zur stärks-
ten Partei. Die Berufung Hitlers zum Reichskanzler am 30.01.1933 und ein erneuter Wahl-
sieg der Partei am 05.03.1933 setzte die »Machtergreifung« der Partei in Gang, die in kurzer
Zeit eine Diktatur entwickelte. Die folgende »Gleichschaltung« aller gesellschaftlichen Berei-
che und Organe betraf auch die Kirchen in allen ihren Gliederungen und Einrichtungen.
Nachdem 1934 deutlich wurde, dass eine Indienstnahme der Kirchen für politische Zwecke
nicht möglich war, „sollten sie organisatorisch verkümmern, aus dem öffentlichen Leben ver-
drängt und in das Ghetto einer rein privaten Religionsausübung verwiesen werden.“2 Zu-
nächst erfolgte ein Prozess der „Entpolitisierung kirchlichen Lebens“: Die Kirchen wurden
aus allen gesellschaftlichen Positionen verdrängt,
„in denen sie nicht unmittelbar ihre Aufgabe der Wortverkündigung und
Sakramentverwaltung erfüllten. Zum Teil geschah dies, wie etwa bei der DAF (Deutsche Ar-
beitsfront), der HJ (Hitlerjugend) und dem NSLB (Nationalsozialistischen Lehrerbund), durch
das Verbot der Doppelmitgliedschaft in Verbänden der Kirche einerseits und den Zwangsor-
ganisationen des Staates oder der Partei andererseits, zum anderen Teil durch staatspolizei-
liche Zwangsauflösung oder durch Betätigungsverbote und Konzessionsentziehung. So hat
die Kirche nach und nach ihre Gewerkschaften, ihre berufsständischen Organisationen, ihre
Jugendformationen, ihre Studentenverbindungen und Altherrenschaften, den größten Teil ih-
rer Caritasorganisation, ihre Privatschulen, den Teil ihrer Presse und ihres Schrifttums, der
über den Bereich des unmittelbaren kirchlichen Lebens hinausragte und ihre wissenschaftli-
chen Vereinigungen aufgeben müssen. Weiter wurde ihr Volksbüchereiwesen zurückge-
drängt und ihre mannigfachen geselligen Veranstaltungen zum Erliegen gebracht.“3
Etwa ab 1936 folgte ein Prozess der „Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens“, ein
Vorgang, der die Orden und Kongregationen hart taf:
„Die Beseitigung der Konfessionsschulen und des Schulgottesdienstes und die Zurück-
drängung des Religionsunterrichts sowie der Anstaltsseelsorge, die Bagatellisierung der ka-
tholischen Fakultäten innerhalb des Hochschulwesens, die Umbildung des kirchlichen in ein
kommunales Friedhofswesen, die Ausschaltung der Kirchen von Staatsakten, Staatsbegräb-
nissen u.ä., die Überführung der kirchlichen Wohlfahrts- und Krankenpflege auf weltliche Or-
ganisationen, die Relativierung der kirchlichen Feiertage, die Fernhaltung der Kirchen von
Rundfunk und Presse, die Nichtberücksichtigung kirchlicher Bedürfnisse bei neuen Sied-
lungsvorhaben, die Schaffung einer neuen amtlichen Kategorie nichtkirchlicher Gottgläubig-
keit, das Verbot der Bekanntgabe von Kirchenaustritten und nicht zuletzt der fortschreitende
Abbau der staatlichen und gemeindlichen Zuschüsse an die Kirchen sowie der hergebrach-
ten Privilegien der Kirchen überhaupt.“4
Da die religiösen Gemeinschaften (Orden, Kongregationen) als der „militante Arm der Kir-
che“ gesehen wurden, sollten sie „zurückgedrängt, eingeengt und schließlich vernichtet“
werden.5 Man wollte das mit Vorsicht tun und propagandistisch vorbereiten. Man strebte ge-
gen sie zunächst Devisen- und Sittlichkeitsprozesse an, um die Öffentlichkeit gegen sie auf-
zubringen.6 Der Erlass der „Verordnung über die Musterung und Aushebung“ von Soldaten
2 RINNERTHALER, Alfred: Die Orden als Feindbilder des NS-Staates. In: Staat und Kirche in
der „Ostmark“. Hrsg. von Maximilian Liebmann, Hans Paarhammer und Alfred Rinnerthaler. Frankfurt
am Main u.a.: (Peter Lang) 1998, S. 351-394; hier S. 354.
3 WEBER, Werner: Die staatskirchenrechtliche Entwicklung des nationalsozialistischen Re-
gimes in zeitgenössischer Betrachtung. In: Rechtsprobleme in Staat und Kirche. Jg. 1952, S. 365-386;
hier 371.
4 WEBER, Die staatskirchenrechtliche Entwicklung…, 1952, S. 373.
5 Vgl. BOBERACH, Heinz: Berichte des SD und der Gestapo über Kirchen und Kirchenvolk in
Deutschland. 1934-1944. Mainz: (Grünewald) 1971, S. 912.
6 Vgl. RINNERTHALER, Die Orden als Feindbilder…, 1998, S. 356.