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Der Heilige Stuhl
Apostolisches Schreiben Seiner Heiligkeit Papst Franziskus
zum Jahr des geweihten Lebens
Liebe Frauen und Männer geweihten Lebens,
ich schreibe an euch als Nachfolger des Apostels Petrus, dem Jesus, der Herr, die Aufgabe
anvertraut hat, die Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32), und ich schreibe an euch als
euer Bruder, der wie ihr Gott geweiht ist.
Danken wir gemeinsam dem Vater, der uns berufen hat, Jesus in vollkommener Ausrichtung nach
seinem Evangelium und im Dienst der Kirche nachzufolgen. Er hat in unsere Herzen den Heiligen
Geist eingegossen, der uns Freude schenkt und uns vor der ganzen Welt seine Liebe und seine
Barmherzigkeit bezeugen lässt.
Anlässlich des fünfzigjährigen Jubiläums der Dogmatischen Konstitution Lumen gentium, die im 6.
Kapitel von den Ordensleuten handelt, wie auch des Dekretes Perfectae caritatis über die
zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens habe ich mich entsprechend dem Wunsch vieler von
euch wie auch der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften
apostolischen Lebens entschlossen, ein Jahr des geweihten Lebens auszurufen. Es wird am
kommenden 30. November, dem ersten Adventssonntag, beginnen und mit dem Fest der
Darstellung Jesu im Tempel am 2. Februar 2016 enden.
Nach Anhörung der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften
apostolischen Lebens habe ich als Ziele dieses Jahres dieselben bestimmt, die der heilige
Johannes Paul II. der Kirche zu Beginn des dritten Jahrtausends vorgeschlagen hatte, und so in
gewisser Weise das wieder aufgenommen, was er bereits in dem Nachsynodalen Apostolischen
Schreiben Vita consecrata empfohlen hatte: » Ihr sollt euch nicht nur einer glanzvollen Geschichte
erinnern und darüber erzählen, sondern ihr habt eine große Geschichte aufzubauen! Blickt in die
Zukunft, in die der Geist euch versetzt, um durch euch noch große Dinge zu vollbringen « (Nr.

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110).
I – Die Ziele für das Jahr des geweihten Lebens
1. Das erste Ziel ist, dankbar auf die Vergangenheit zu schauen. Jedes unserer Institute kommt
aus einer reichen charismatischen Geschichte. An seinem Ursprung steht das Handeln Gottes,
der in seinem Geist einige Menschen in die engere Nachfolge Christi ruft, um das Evangelium in
eine besondere Lebensform zu übertragen, die Zeichen der Zeit mit den Augen des Glaubens zu
lesen und mit Kreativität auf die Bedürfnisse der Kirche zu antworten. Die Anfangserfahrung ist
dann gewachsen und hat sich durch die Einbeziehung weiterer Mitglieder in neuen
geographischen und kulturellen Umfeldern entwickelt. So wurden neue Weisen, das Charisma zu
verwirklichen, ins Leben gerufen und neue Initiativen und Ausdrucksformen apostolischer Liebe
verwirklicht. Das ist wie der Same, der zum Baum wird und seine Zweige ausbreitet.
In diesem Jahr wird es zweckmäßig sein, wenn jede charismatische Familie sich ihrer Anfänge
und ihrer geschichtlichen Entwicklung erinnert, um Gott zu danken, der der Kirche so viele Gaben
geschenkt hat, die ihr Schönheit verleihen und sie für jede Art guter Werke ausrüsten (vgl. Lumen
gentium, 12).
Die eigene Geschichte zu erzählen ist unerlässlich, um die Identität lebendig zu erhalten wie auch
um die Einheit der Familie und das Zugehörigkeitsgefühl ihrer Mitglieder zu festigen. Es geht nicht
darum, Archäologie zu betreiben oder nutzlose Nostalgien zu pflegen, sondern vielmehr darum,
den Weg der vergangenen Generationen nachzugehen, um auf ihm den inspirierenden Funken,
die hohen Bestrebungen, die Pläne und die Werte wahrzunehmen, die sie bewegt haben,
angefangen von den Gründern, den Gründerinnen und den ersten Gemeinschaften. Es ist auch
eine Weise, sich bewusst zu werden, wie das Charisma im Laufe der Geschichte gelebt wurde,
welche Kreativität es freigesetzt hat, welchen Schwierigkeiten es sich stellen musste und wie
diese überwunden wurden. Man wird Widersprüchlichkeiten entdecken können, Frucht der
menschlichen Schwächen, manchmal vielleicht auch das Vergessen wesentlicher Aspekte des
Charismas. Alles ist lehrreich und wird zugleich ein Aufruf zur Umkehr. Die eigene Geschichte zu
erzählen bedeutet, Gott zu loben und ihm zu danken für all seine Gaben.
Wir danken ihm in besonderer Weise für diese letzten 50 Jahre, die auf das Zweite Vatikanische
Konzil folgten, das einen „Windstoß“ Heiligen Geistes für die ganze Kirche darstellte. Dank dem
Konzil hat das geweihte Leben einen fruchtbaren Weg der Erneuerung zurückgelegt, der mit
seinen Licht- und seinen Schattenseiten eine Zeit der Gnade war, gekennzeichnet von der
Gegenwart des Geistes.
Möge dieses Jahr des geweihten Lebens auch eine Gelegenheit sein, in Demut und zugleich mit
großem Vertrauen auf den Gott, der die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,8), die eigene Gebrechlichkeit zu
gestehen und sie als Erfahrung der barmherzigem Liebe des Herrn zu leben; eine Gelegenheit,

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der Welt mit Nachdruck zuzurufen und voll Freude zu bezeugen, welche Heiligkeit und
Lebendigkeit in einem großen Teil derer zugegen ist, die berufen wurden, Christus im geweihten
Leben nachzufolgen.
2. Dieses Jahr fordert uns außerdem auf, die Gegenwart mit Leidenschaft zu leben. Die dankbare
Erinnerung an die Vergangenheit drängt uns, im aufmerksamen Hinhören auf das, was der Geist
heute der Kirche sagt, die grundlegenden Aspekte unseres geweihten Lebens immer
tiefgreifender zu verwirklichen.
Vom Beginn des ersten Mönchtums an bis zu den heutigen „neuen Gemeinschaften“ ist jede Form
geweihten Lebens aus dem Ruf des Geistes hervorgegangen, Christus so nachzufolgen, wie es
im Evangelium gelehrt wird (vgl. Perfectae caritatis, 2). Für die Gründer und Gründerinnen war
das Evangelium die Regel schlechthin, jede andere Regel wollte nur ein Ausdruck des
Evangeliums sein und ein Hilfsmittel, es in Fülle zu leben. Ihr Ideal war Christus, sich ganz und
gar ihm zu verbinden bis zu dem Punkt, mit Paulus sagen zu können: » Für mich ist Christus das
Leben und Sterben Gewinn « (Phil 1,21); die Gelübde hatten nur den Sinn, diese ihre
leidenschaftliche Liebe zu verwirklichen.
Die Frage, die wir in diesem Jahr uns zu stellen berufen sind, ist, ob und wie auch wir uns vom
Evangelium hinterfragen lassen; ob es wirklich das „Vademecum“ für das Alltagsleben und für die
Entscheidungen ist, die wir treffen müssen. Es ist anspruchsvoll und erwartet, mit Radikalität und
Aufrichtigkeit gelebt zu werden. Es reicht nicht, es zu lesen (auch wenn Lektüre und Studium
äußerst wichtig bleiben), es reicht nicht, es zu meditieren (und das tun wir mit Freude jeden Tag).
Jesus verlangt von uns, es zu verwirklichen, seine Worte zu leben.
Ist Jesus wirklich die erste und einzige Liebe – müssen wir uns weiter fragen –, wie wir es uns
vorgenommen haben, als wir unsere Gelübde ablegten? Nur wenn er das ist, dürfen und müssen
wir in der Wahrheit und in der Barmherzigkeit jeden Menschen lieben, der uns auf unserem Weg
begegnet, denn wir haben dann von ihm gelernt, was Liebe ist und wie man liebt: Wir werden zu
lieben verstehen, weil wir sein eigenes Herz haben.
Unsere Gründer und Gründerinnen haben in sich das Mitleid verspürt, von dem Jesus ergriffen
wurde, als er die Menschenmenge wie zerstreute Schafe ohne Hirten sah. Wie Jesus, bewegt von
diesem Mitleid, sein Wort geschenkt, die Kranken geheilt, Brot zu essen gegeben, sein eigenes
Leben geopfert hat, so haben sich auch die Gründer in den Dienst der Menschheit begeben, zu
der der Geist sie sandte, und zwar auf verschiedenste Weise: durch die Fürbitte, die
Verkündigung des Evangeliums, die Katechese, das Unterrichten, den Dienst an den Armen, an
den Kranken… Die Fantasie der Liebe kannte keine Grenzen und hat unzählige Wege zu öffnen
verstanden, um den Atem des Evangeliums in die Kulturen und in die unterschiedlichsten sozialen
Bereiche zu tragen.

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Das Jahr des geweihten Lebens befragt uns nach der Treue zu der Sendung, die uns anvertraut
worden ist. Entsprechen unsere Dienste, unsere Werke, unser Zugegensein dem, was der Geist
von unseren Gründern verlangt hat; sind sie geeignet, dessen Ziele in der Gesellschaft und der
Kirche von heute zu verfolgen? Gibt es etwas, das wir ändern müssen? Haben wir die gleiche
Leidenschaft für unsere Leute, sind wir ihnen so nahe, dass wir ihre Freuden und ihre Leiden
teilen, sodass wir wirklich ihre Bedürfnisse verstehen und unseren Beitrag leisten können, um
darauf einzugehen? » Die gleiche Großherzigkeit und Opferbereitschaft, von denen die Gründer
getrieben waren «, verlangte bereits Johannes Paul II., » sollen auch euch, ihre geistigen Söhne
und Töchter, bewegen, die Charismen lebendig zu erhalten. Mit der Kraft des Geistes selbst, der
sie erweckt hat, nehmen sie an Reichtum zu und passen sich an, ohne ihren ursprünglichen
Charakter zu verlieren, um sich in den Dienst der Kirche zu stellen und die Errichtung des
Gottesreiches zur Vollendung zu führen. «[1]
Beim Gedenken an die Ursprünge kommt eine weitere Komponente des Projekts des geweihten
Lebens ans Licht. Gründer und Gründerinnen waren fasziniert von der Einheit der Zwölf, die Jesus
umgaben, von der Communio, welche die Urgemeinde von Jerusalem auszeichnete. Als sie ihre
eigene Gemeinschaft ins Leben riefen, wollte jeder und jede von ihnen jene Modelle des
Evangeliums nachbilden: ein Herz und eine Seele zu sein und sich der Gegenwart des Herrn zu
erfreuen (vgl. Perfectae caritatis, 15).
Die Gegenwart mit Leidenschaft zu leben bedeutet, » Experten des gemeinschaftlichen Lebens «
zu werden, » Zeugen und Baumeister im Sinne jenes göttlichen Planes für Gemeinschaft […], der
die Geschichte der Menschen krönen soll «[2]. In einer Gesellschaft der Auseinandersetzung, des
schwierigen Zusammenlebens zwischen verschiedenen Kulturen, der Übergriffe auf die
Schwächsten und der Ungleichheiten sind wir berufen, ein konkretes Vorbild von Gemeinschaft zu
bieten, in der es möglich ist, durch die Anerkennung der Würde jedes Menschen und der
Gemeinsamkeit der Gabe, die jeder mitbringt, in brüderlichen Beziehungen zu leben.
Seid also Frauen und Männer der Communio, seid mutig zugegen, wo es Uneinigkeiten und
Spannungen gibt, und seid ein glaubwürdiges Zeichen der Gegenwart des Geistes, der den
Herzen die Leidenschaft einflößt, damit alle eins seien (vgl. Joh 17,21). Lebt die Mystik der
Begegnung: » die Fähigkeit zu hören, anderen Menschen zuzuhören. Die Fähigkeit, gemeinsam
den Weg, die Methode […] zu suchen «[3]. Und lasst euch dabei erleuchten von der Beziehung
der Liebe zwischen den drei göttlichen Personen (vgl. 1 Joh 4,8), als Vorbild für alle
zwischenmenschlichen Beziehungen.
3. Die Zukunft voll Hoffnung ergreifen will das dritte Ziel dieses Jahres sein. Die Schwierigkeiten,
denen das geweihte Leben in seinen verschiedenen Formen entgegengeht, sind uns bekannt: das
Nachlassen der Berufungen und die Überalterung, vor allem in der westlichen Welt, die
finanziellen Probleme infolge der schweren weltweiten Finanzkrise, die Herausforderungen der
Internationalität und der Globalisierung, die verborgene Gefahr des Relativismus, die

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gesellschaftliche Ausgrenzung und Irrelevanz… Gerade in diesen Unsicherheiten, die wir mit
vielen unserer Zeitgenossen teilen, verwirklicht sich unsere Hoffnung, eine Frucht des Glaubens
an den Herrn der Geschichte, der uns immer neu zuspricht: » Fürchte dich nicht […] denn ich bin
mit dir « (Jer 1,8).
Die Hoffnung, von der wir sprechen, gründet sich nicht auf die Zahlen oder auf die Werke, sondern
auf denjenigen, auf den wir unsere Hoffnung gesetzt haben (vgl. 2 Tim 1,12) und für den » nichts
unmöglich « ist (Lk 1,37). Das ist die Hoffnung, die nicht enttäuscht und die dem geweihten Leben
erlauben wird, in der Zukunft weiter eine bedeutende Geschichte zu schreiben. Auf die Zukunft
müssen wir unseren Blick richten, in dem Bewusstsein, dass der Geist uns auf sie zutreibt, um
weiterhin Großes mit uns zu vollbringen.
Gebt nicht der Versuchung der Zahlen und der Leistungsfähigkeit nach und noch weniger der, auf
die eigenen Kräfte zu vertrauen. Erforscht die Horizonte eures Lebens und des gegenwärtigen
Augenblicks in aufmerksamer Wachsamkeit. Mit Benedikt XVI. wiederhole ich euch: » Schließt
euch nicht den Unheilpropheten an, die das Ende oder die Sinnlosigkeit des geweihten Lebens in
der Kirche unserer Tage verkünden; bekleidet euch vielmehr mit Jesus Christus und legt die
Waffen des Lichts an, wie der hl. Paulus mahnt (vgl. Röm 13,11–14), indem ihr wach bleibt und
wachsam seid. «[4] Setzen wir unseren Weg fort und nehmen wir ihn immer neu auf im Vertrauen
auf den Herrn.
Ich wende mich vor allem an euch junge Menschen. Ihr seid die Gegenwart, denn ihr lebt bereits
aktiv im Innern eurer Ordensinstitute und leistet einen entscheidenden Beitrag mit der Frische und
der Großherzigkeit eurer Entscheidung. Zugleich seid ihr die Zukunft eurer Gemeinschaften, denn
bald werdet ihr berufen sein, die Leitung des geistlichen Lebens, der Bildung, des Dienstes, der
Sendung in die Hand zu nehmen. In diesem Jahr werdet ihr die Protagonisten im Dialog mit der
Generation sein, die euch vorangeht. In brüderlichem Miteinander könnt ihr euch an ihrer
Erfahrung und Weisheit bereichern, und zugleich könnt ihr ihr erneut die Spiritualität vor Augen
stellen, von der sie an ihrem Anfang beseelt waren, und den Schwung und die Frische eurer
Begeisterung schenken, sodass ihr gemeinsam neue Weisen, das Evangelium zu leben, und
immer geeignetere Antworten auf die Anforderungen des Zeugnisses und der Verkündigung
erarbeitet.
Es hat mich gefreut, als ich erfuhr, dass ihr Gelegenheiten haben werdet, euch unter euch
Jugendlichen verschiedener Institute zu versammeln. Möge die Begegnung ein üblicher Weg des
Miteinanders, der gegenseitigen Unterstützung und der Einheit werden.
II – Die Erwartungen für das Jahr des geweihten Lebens
Was erwarte ich mir im Besonderen von diesem Gnadenjahr des geweihten Lebens?

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1. Dass immer gilt, was ich einmal gesagt habe: » Wo Ordensleute sind, da ist Freude «. Wir sind
gerufen, zu erfahren und zu zeigen, dass Gott fähig ist, unser Herz zu erfüllen und uns glücklich
zu machen, ohne dass wir anderswo unsere Glückseligkeit zu suchen brauchen; dass die echte
Geschwisterlichkeit, die wir in unseren Gemeinschaften leben, unsere Freude nährt; dass unsere
Ganzhingabe im Dienst der Kirche, an den Familien, den Jugendlichen, den Alten, den Armen uns
als Menschen verwirklicht und unser Leben erfüllt.
Dass man unter uns keine traurigen Gesichter sieht, keine unzufriedenen und unbefriedigten
Menschen, denn „eine Nachfolge in Traurigkeit ist ein Trauerzug“. Wie alle anderen Menschen
erleben wir Schwierigkeiten, dunkle Nächte des Geistes, Enttäuschungen, Krankheiten, das
altersbedingte Schwinden der Kräfte. Genau darin sollten wir unsere „vollkommene Freude“
finden: lernen, das Antlitz Christi zu erkennen, der uns in allem ähnlich geworden ist, und so die
Freude zu verspüren, uns ihm ähnlich zu wissen, der aus Liebe zu uns es nicht zurückgewiesen
hat, das Kreuz zu erleiden.
In einer Gesellschaft, die den Kult der Leistungsfähigkeit, eines übertriebenen
Gesundheitsbewusstseins und des Erfolgs zur Schau stellt, während sie die Armen ausgrenzt und
die „Verlierer“ ausschließt, können wir durch unser Leben die Wahrheit der Worte der Schrift
bezeugen: »Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark« (2 Kor 12,10).
Auf das geweihte Leben können wir gut anwenden, was ich im Apostolischen Schreiben Evangelii
gaudium mit Hinweis auf eine Predigt Benedikts XVI. geschrieben habe: » Die Kirche wächst nicht
durch Proselytismus, sondern durch Anziehung « (Nr. 14). Ja, das geweihte Leben erfährt keinen
Zuwachs, wenn wir schöne Berufungskampagnen organisieren, sondern wenn die jungen
Menschen, die uns begegnen, sich von uns angezogen fühlen, wenn sie uns als glückliche
Männer und Frauen sehen! Ebenso hängt seine apostolische Wirksamkeit nicht von der Effizienz
und der Kraft seiner Mittel ab. Euer Leben ist es, das sprechen muss – ein Leben, das die Freude
und die Schönheit, das Evangelium zu leben und Christus nachzufolgen, zum Ausdruck bringt.
Auch zu euch sage ich, was ich bei der vergangenen Pfingstvigil den kirchlichen Bewegungen
gesagt habe: » Der Wert der Kirche ist grundsätzlich, das Evangelium zu leben und Zeugnis für
unseren Glauben zu geben. Die Kirche ist Salz der Erde, ist Licht der Welt, sie ist berufen, in der
Gesellschaft den Sauerteig des Gottesreiches zu vergegenwärtigen, und das tut sie vor allem mit
ihrem Zeugnis, dem Zeugnis der Bruderliebe, der Solidarität, des Teilens« (18. Mai 2014).
2. Ich erwarte, dass ihr „die Welt aufweckt“, denn das Merkmal, das das geweihte Leben
kennzeichnet, ist die Prophetie. Wie ich zu den Ordensoberen gesagt habe, » gehört die
evangeliumsgemäße Radikalität nicht nur den Ordensleuten, sie wird von allen verlangt. Aber die
Ordensleute folgen dem Herrn auf besondere Art, auf prophetische Weise «. Das ist die Priorität,
die jetzt verlangt wird: » Propheten sein, die Zeugnis geben, wie Jesus auf dieser Erde gelebt hat.
… Nie darf ein Ordensangehöriger der Prophetie entsagen« (29. November 2013).

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Der Prophet empfängt von Gott die Fähigkeit, die Geschichte, in der er lebt, zu beobachten und
die Ereignisse zu deuten: Er ist wie ein Wächter, der in der Nacht wacht und weiß, wann der
Morgen kommt (vgl. Jes 21,11-12). Er kennt Gott, und er kennt die Menschen, seine Brüder und
Schwestern. Er ist fähig, zu unterscheiden und das Übel der Sünde und die Ungerechtigkeiten
öffentlich anzuklagen, weil er frei ist, weil er sich keinem anderen Herrn verantworten muss außer
Gott, keine anderen Interessen hat als die Gottes. Der Prophet steht gewöhnlich auf der Seite der
Armen und Wehrlosen, weil er weiß, dass Gott selbst auf ihrer Seite steht.
Ich erwarte mir also nicht, dass ihr „Utopien“ am Leben erhaltet, sondern dass ihr „andere Orte“ zu
schaffen versteht, wo die Logik des Evangeliums gelebt wird, die Logik der Hingabe, der
Brüderlichkeit, der Annahme der Verschiedenheit, der gegenseitigen Liebe. Klöster,
Gemeinschaften, Spiritualitätszentren, Zitadellen [d. h. Dorfgemeinschaften einer religiösen
Bewegung, (Anm. d. Übers.)], Schulen, Krankenhäuser, Häuser zur Aufnahme von Familien und
all jene Orte, die dank der Nächstenliebe und der charismatischen Kreativität entstanden sind und
künftig durch weitere Kreativität entstehen werden, müssen immer mehr zum Sauerteig für eine
Gesellschaft werden, die sich am Evangelium inspiriert, zur „Stadt auf dem Berg“, welche die
Wahrheit und die Kraft der Worte Jesu ausdrückt.
Wie bei Elija und Jona kann mitunter die Versuchung kommen, zu fliehen, sich der Aufgabe eines
Propheten zu entziehen, weil sie zu viel verlangt, weil man müde ist, enttäuscht von den
Ergebnissen. Doch der Prophet weiß, dass er nie allein ist. Wie dem Jeremia versichert Gott auch
uns: » Fürchte dich nicht … denn ich bin mit dir, um dich zu retten « (Jer 1,8).
3. Die Ordensmänner und Ordensfrauen, so wie alle anderen geweihten Personen, sind berufen,
„Experten der Communio“ zu sein. Ich erwarte daher, dass die „Spiritualität der Gemeinschaft“, auf
die der heilige Johannes Paul II. hingewiesen hat, Wirklichkeit wird und dass ihr in vorderster Linie
steht, um » die große Herausforderung « zu ergreifen, die in diesem neuen Jahrtausend vor uns
liegt: » die Kirche zum Haus und zur Schule der Gemeinschaft [zu] machen «[5]. Ich bin mir
sicher, dass ihr in diesem Jahr ernsthaft arbeiten werdet, damit das Ideal der Geschwisterlichkeit,
das die Gründer und Gründerinnen verfolgt haben, auf den verschiedensten Ebenen wie in
konzentrischen Kreisen wächst.
Das gemeinschaftliche Miteinander wird zunächst innerhalb der jeweiligen Hausgemeinschaften
des Instituts praktiziert. Diesbezüglich lade ich euch ein, meine häufigen Bemerkungen zu diesem
Thema zu lesen, in denen ich nicht müde werde zu wiederholen, dass Kritiksucht, Tratsch, Neid,
Eifersucht, Antagonismen Haltungen sind, die in euren Häusern nichts verloren haben. Unter
dieser Voraussetzung aber ist der Weg der Nächstenliebe, der sich vor uns auftut, gleichsam
unendlich, denn es geht darum, nach gegenseitiger Annahme und Aufmerksamkeit zu streben, die
Gemeinschaft der materiellen und geistlichen Güter, die correctio fraterna, den Respekt
gegenüber den Schwächsten zu praktizieren … Es ist » die „Mystik“ […], die darin liegt,
zusammen zu leben « und die aus unserem Leben eine »heilige Wallfahrt«[6] macht. Wir müssen

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uns auch nach der Beziehung zwischen den Menschen unterschiedlicher Kulturen fragen, in
Anbetracht der Tatsache, dass unsere Gemeinschaften immer internationaler werden. Wie kann
man es möglich machen, dass jeder sich äußert, mit seinen besonderen Gaben angenommen
wird, voll und ganz Mitverantwortung erhält?
Ferner erwarte ich mir, dass die Gemeinschaft zwischen den Mitgliedern der verschiedenen
Institute wächst. Könnte dieses Jahr nicht die Gelegenheit dazu sein, mutiger über die Grenzen
des eigenen Instituts hinauszugehen, um auf lokaler und globaler Ebene zusammen gemeinsame
Projekte für die Bildung, die Evangelisierung und für soziale Maßnahmen zu erarbeiten? Auf diese
Weise kann ein wirkliches prophetisches Zeugnis wirksamer gegeben werden. Die Gemeinschaft
und die Begegnung zwischen unterschiedlichen Charismen und Berufungen ist ein Weg der
Hoffnung. Niemand baut die Zukunft auf, indem er sich absondert, noch allein aus eigenen
Kräften, sondern indem er sich mit der Wahrheit einer Gemeinschaft identifiziert, die sich immer
öffnet für die Begegnung, den Dialog, das Zuhören, die gegenseitige Hilfe und die uns vor der
Krankheit der Selbstbezogenheit bewahrt.
Zugleich ist das geweihte Leben berufen, eine aufrichtige Synergie zwischen allen Berufungen in
der Kirche anzustreben, angefangen von den Priestern und den Laien, um so » die Spiritualität der
Gemeinschaft vor allem innerhalb der eigenen Gemeinschaft und dann in der kirchlichen
Gemeinschaft und über deren Grenzen hinaus […] zu stärken «[7].
4. Weiter erwarte ich von euch, worum ich alle Glieder der Kirche bitte: aus sich herauszugehen,
um zu den existenziellen Peripherien zu gehen. » Geht hinaus in die ganze Welt «, war das letzte
Wort, das Jesus an die Seinen richtete und das er heute immer noch an uns alle richtet (vgl. Mk
16,15). Da ist eine ganze Menschheit, die wartet: Menschen, die jede Hoffnung verloren haben;
Familien in Not; sich selbst überlassene Kinder; Jugendliche, denen jede Zukunft versperrt ist;
Kranke und verlassene Alte; Reiche, die satt sind an Gütern und im Herzen eine Leere haben,
Männer und Frauen auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, dürstend nach dem Göttlichen…
Zieht euch nicht in euch selbst zurück, lasst euch nicht von den kleinen Streitereien zu Hause
belästigen, bleibt nicht Gefangene eurer Probleme. Diese lösen sich, wenn ihr hinausgeht, um den
anderen zu helfen, ihre Probleme zu lösen, und um die gute Nachricht zu verkünden. Ihr werdet
das Leben finden, wenn ihr das Leben hingebt, die Hoffnung, wenn ihr Hoffnung gebt, die Liebe,
wenn ihr liebt.
Ich erwarte von euch konkrete Taten der Aufnahme von Flüchtlingen, der Nähe zu den Armen und
der Kreativität in der Katechese, in der Verkündigung des Evangeliums, in der Einführung in das
Gebetsleben. Folglich erhoffe ich eine Verschlankung der Strukturen, die Wiederverwendung der
großen Häuser für Werke, die den gegenwärtigen Erfordernissen der Evangelisierung und der
Nächstenliebe mehr entsprechen, und die Anpassung der Werke an die neuen Bedürfnisse.

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5. Ich erwarte mir, dass sich jede Form des geweihten Lebens fragt, was Gott und die Menschheit
heute verlangen.
Die Klöster und Gruppen kontemplativer Ausrichtung könnten sich untereinander treffen oder sich
auf verschiedenste Weise in Verbindung setzen, um ihre Erfahrungen bezüglich des
Gebetslebens auszutauschen, um sich darüber auszutauschen, wie man in der Gemeinschaft mit
der ganzen Kirche wachsen und wie man den verfolgten Christen helfen kann, wie man die
Menschen, die auf der Suche nach einem intensiveren geistlichen Leben sind oder moralische
bzw. materielle Unterstützung brauchen, aufnehmen und begleiten kann.
Das Gleiche können die karitativen Institute tun, die Institute, die sich dem Unterricht, der
Förderung der Kultur widmen, die Institute, die sich für die Verkündigung des Evangeliums
einsetzen oder besondere pastorale Dienste ausüben, die Säkularinstitute mit ihrer vielfachen
Präsenz in den gesellschaftlichen Strukturen. Die Fantasie des Heiligen Geistes hat so
verschiedene Arten des Lebens und der Werke hervorgebracht, dass wir sie nicht leicht
katalogisieren oder in vorgefertigte Schablonen einordnen können. Es ist mir daher nicht möglich,
auf jede einzelne Form von Charismen Bezug zu nehmen. Trotzdem sollte in diesem Jahr sich
niemand einer ernsthaften Überprüfung seiner Präsenz im Leben der Kirche entziehen wie auch
seiner Art und Weise, auf die ständigen und neuen Fragen, die sich um uns herum erheben, und
auf den Schrei der Armen zu antworten.
Nur in dieser Aufmerksamkeit gegenüber den Bedürfnissen der Welt und im folgsamen Hinhören
auf die Eingaben des Heiligen Geistes wird dieses Jahr des geweihten Lebens zu einem echten
kairòs werden, zu einer Zeit Gottes, reich an Gnaden und Verwandlung.
III – Die Horizonte des Jahres des geweihten Lebens
1. Mit diesem meinem Schreiben wende ich mich, über die geweihten Personen hinaus, an die
Laien, die mit ihnen die Ideale, den Geist und die Sendung teilen. Einige Ordensinstitute haben
diesbezüglich eine alte Tradition, andere eine jüngere Erfahrung. Tatsächlich gibt es im Umkreis
jeder Ordensfamilie wie auch der Gesellschaften apostolischen Lebens und selbst der
Säkularinstitute eine größere Familie, die „charismatische Familie“. Diese umfasst mehrere
Institute, die das gleiche Charisma haben, und vor allem christliche Laien, die sich berufen fühlen,
gerade in ihrem Laienstand an derselben charismatischen Wirklichkeit teilzuhaben.
Ich ermutige auch euch Laien, dieses Jahr des geweihten Lebens als eine Gnade zu erleben, die
euch die empfangene Gabe mehr zu Bewusstsein führen kann. Feiert es mit der ganzen „Familie“,
um gemeinsam zu wachsen und auf die Rufe des Geistes in der heutigen Gesellschaft zu
antworten. Bei einigen Gelegenheiten, wenn die geweihten Mitglieder verschiedener Orden sich in
diesem Jahr untereinander treffen, richtet es so ein, dass auch ihr zugegen seid als Ausdruck der
einen Gabe Gottes. So werdet ihr die Erfahrungen der anderen charismatischen Familien und der

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anderen Laiengruppen kennen lernen und euch gegenseitig bereichern und unterstützen.
2. Das Jahr des geweihten Lebens betrifft nicht nur die geweihten Personen, sondern die gesamte
Kirche. So wende ich mich an das ganze Volk Gottes, dass es sich des Geschenkes immer
bewusster werde, das in der Gegenwart vieler Ordensfrauen und -männer besteht; sie sind die
Erben großer Heiliger, welche die Geschichte des Christentums bestimmt haben. Was wäre die
Kirche ohne den heiligen Benedikt und den heiligen Basilius, ohne den heiligen Augustinus und
den heiligen Bernhard, ohne den heiligen Franziskus und den heiligen Dominikus, ohne den
heiligen Ignatius von Loyola und die heilige Teresa von Avila, ohne die heilige Angela Merici und
den heiligen Vinzenz von Paul? Man könnte die Aufzählung fast unbegrenzt fortsetzen, bis zum
heiligen Johannes Bosco und der seligen Teresa von Kalkutta. Zu Recht betonte der selige Papst
Paul VI.: » Ohne dieses konkrete Zeichen bestünde die Gefahr, dass die Liebe, welche die Kirche
beseelt, erkaltet, das heilbringende Paradox des Evangeliums entschärft wird, das „Salz“ des
Glaubens sich auflöst in einer Welt, die immer mehr der Säkularisierung verfällt « (Evangelica
testificatio, 3).
Ich lade also alle christlichen Gemeinden ein, dieses Jahr vor allem als einen Dank an den Herrn
zu leben und dankbar der Gaben zu gedenken, die wir durch die Heiligkeit der Gründer und
Gründerinnen und durch die Treue so vieler Ordensleute zu ihrem Charisma erhalten haben und
immer noch erhalten. Ich lade euch alle ein, euch um die geweihten Personen zu scharen, euch
mit ihnen zu freuen, ihre Schwierigkeiten zu teilen und im Rahmen des Möglichen mit ihnen
zusammenzuarbeiten für die Fortsetzung ihres Dienstes und ihres Werkes, die letztlich der
ganzen Kirche gehören. Lasst sie die Liebe und die Herzlichkeit des ganzen christlichen Volkes
spüren.
Ich preise den Herrn für das glückliche Zusammentreffen des Jahres des geweihten Lebens mit
der Synode über die Familie. Familie und geweihtes Leben sind Berufungen, die Reichtum und
Gnade für alle bringen, Räume der Humanisierung im Aufbau lebendiger Beziehungen, Orte der
Evangelisierung. Man kann sich gegenseitig helfen.
3. Mit diesem meinem Schreiben wage ich, mich auch an die geweihten Personen und an die
Mitglieder von Bruderschaften und Gemeinschaften zu wenden, die Kirchen mit Traditionen
angehören, die sich von der der katholischen Tradition unterscheiden. Das Mönchtum ist ein Erbe
der ungeteilten Kirche, das sowohl in den orthodoxen Kirchen als auch in der katholischen Kirche
noch sehr lebendig ist. An ihm wie an anderen späteren Erfahrungen aus der Zeit, in der die
Kirche des Westens noch vereint war, orientieren sich analoge Initiativen, die im Bereich der
kirchlichen Gemeinschaften der Reform entstanden sind; diese haben dann in ihrem Innern
weitere Formen von Gemeinschaften der Brüderlichkeit und des Dienstes hervorgebracht.
Die Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen
Lebens hat Initiativen geplant, um Begegnungen von Mitgliedern herbeizuführen, die der Praxis

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des geweihten und brüderlichen Lebens der verschiedenen Kirchen angehören. Zu diesen
Begegnungen ermutige ich nachdrücklich, damit man einander besser kennen und schätzen lernt
und die wechselseitige Zusammenarbeit zunimmt, so dass die Ökumene des geweihten Lebens
hilfreich sei für den umfassenderen Weg zur Einheit unter allen Kirchen.
4. Wir dürfen außerdem nicht vergessen, dass das Phänomen des Mönchtums und anderer
Formen religiöser Brüderlichkeit in allen großen Religionen vorhanden ist. Es fehlt nicht an
Erfahrungen auch fundierten inter-monastischen Dialogs zwischen der katholischen Kirche und
einigen der großen religiösen Traditionen. Ich wünsche mir, dass das Jahr des geweihten Lebens
die Gelegenheit sei, um den zurückgelegten Weg zu beurteilen, um die geweihten Personen auf
diesem Gebiet zu sensibilisieren und um uns zu fragen, welche weiteren Schritte zu unternehmen
sind für eine immer gründlichere gegenseitige Kenntnis und für eine Zusammenarbeit in vielen
allgemeinen Bereichen des Dienstes am menschlichen Leben.
Gemeinsam gehen ist immer eine Bereicherung und kann neue Wege öffnen zu Beziehungen
zwischen Völkern und Kulturen – Beziehungen, die in dieser Zeit mit Schwierigkeiten überhäuft zu
sein scheinen.
5. Schließlich wende ich mich in besonderer Weise an meine Mitbrüder im Bischofsamt. Möge
dieses Jahr eine Gelegenheit sein, das geweihte Leben von Herzen und mit Freuden
aufzunehmen als ein geistliches Kapital, das reiche Hilfen bietet zum Besten des ganzen Leibes
Christi und nicht nur zu dem der Ordensfamilien (vgl. Lumen gentium, 43). » Das geweihte Leben
ist ein Geschenk an die Kirche, es entsteht in der Kirche, wächst in der Kirche und ist ganz und
gar auf die Kirche hin ausgerichtet «.[8] Als Geschenk an die Kirche ist es darum keine isolierte
Randerscheinung, sondern ist ihr zuinnerst verbunden. Es steht im Mittelpunkt der Kirche selbst
als entscheidendes Element ihrer Sendung, insofern es das innerste Wesen der christlichen
Berufung und das Streben der gesamten Kirche als Braut zur Vereinigung mit dem einzigen
Bräutigam ausdrückt: Es » gehört […] unerschütterlich zu ihrem Leben und ihrer Heiligkeit «
(Lumen gentium, 44).
In diesem Zusammenhang lade ich euch Hirten der Teilkirchen ein, mit besonderem Eifer die
verschiedenen Charismen – sowohl die historischen als auch die neuen – in euren
Gemeinschaften zu fördern, indem ihr sie unterstützt, anregt, bei der Unterscheidung helft; indem
ihr in Situationen des Leidens und der Schwäche, in denen manch geweihte Person sich befinden
kann, zärtlich liebevolle Nähe zeigt und vor allem indem ihr mit eurer Verkündigung das Volk
Gottes über den Wert des geweihten Lebens aufklärt, so dass ihr dessen Schönheit und Heiligkeit
in der Kirche erstrahlen lasst.
Maria, der hörenden und betrachtenden Jungfrau, der ersten Jüngerin ihres geliebten Sohnes,
vertraue ich dieses Jahr des geweihten Lebens an. Auf sie, die bevorzugte Tochter des
himmlischen Vaters, die mit allen Gnadengaben erfüllt ist, schauen wir als das unübertreffliche

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Vorbild der Nachfolge in der Liebe zu Gott und im Dienst am Nächsten.
Schon jetzt mit euch allen im Dank verbunden für die Geschenke an Gnade und Licht, mit denen
der Herr uns bereichern wird, begleite ich euch alle mit dem Apostolischen Segen.
Aus dem Vatikan, am 21. November 2014, dem Fest der Darstellung der Allerseligsten Jungfrau
Maria
Franziskus
[1] Apostolisches Schreiben Los caminos del Evangelio, an die Ordensleute Lateinamerikas
anlässlich des 500. Jubiläums der Evangelisierung der Neuen Welt (29. Juni 1990), 26.
[2] Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, Das Ordensleben und die Förderung
des Menschen (12. August 1980), 24 (ital. Text: L’Osservatore Romano, Suppl. 12. Nov. 1980, S.
I-VIII).
[3] Papst Franziskus, Ansprache an die Rektoren und Alumnen der päpstlichen Kollegien und
Konvikte in Rom (12. Mai 2014).
[4] Predigt am Fest der Darstellung des Herrn im Tempel (2. Februar 2013).
[5] Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), 43.
[6] Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 87.
[7] Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata (25. März 1996), 51.
[8] Erzbischof J. M. Bergoglio, Beitrag auf der Synode über das geweihte Leben und seine
Sendung in der Kirche und in der Welt, 16. Generalkongregation, 13. Oktober 1994.
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