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Der Heilige Stuhl
ENZYKLIKA
LAUDATO SI’
VON
PAPST FRANZISKUS
ÜBER DIE SORGE FÜR DAS GEMEINSAME HAUS
1. “Laudato si’, mi’ Signore Gelobt seist du, mein Herr, sang der heilige Franziskus von Assisi.
In diesem schönen Lobgesang erinnerte er uns daran, dass unser gemeinsames Haus wie eine
Schwester ist, mit der wir das Leben teilen, und wie eine schöne Mutter, die uns in ihre Arme
schließt: “Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns erhält und
lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter.”[1]
2. Diese Schwester schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unverantwortlichen
Gebrauchs und des Missbrauchs der Güter zufügen, die Gott in sie hineingelegt hat. Wir sind in
dem Gedanken aufgewachsen, dass wir ihre Eigentümer und Herrscher seien, berechtigt, sie
auszuplündern. Die Gewalt des von der Sünde verletzten menschlichen Herzens wird auch in den
Krankheitssymptomen deutlich, die wir im Boden, im Wasser, in der Luft und in den Lebewesen
bemerken. Darum befindet sich unter den am meisten verwahrlosten und misshandelten Armen
diese unsere unterdrückte und verwüstete Erde, die „seufzt und in Geburtswehen liegt“ (Röm
8,22). Wir vergessen, dass wir selber Erde sind (vgl. Gen 2,7). Unser eigener Körper ist aus den
Elementen des Planeten gebildet; seine Luft ist es, die uns den Atem gibt, und sein Wasser belebt
und erquickt uns.
Nichts von dieser Welt ist für uns gleichgültig
3. Vor mehr als fünfzig Jahren, als die Welt am Rand eines Nuklearkrieges stand, schrieb der
heilige Papst Johannes XXIII. eine Enzyklika, in der er sich nicht damit begnügte, einen Krieg
abzulehnen, sondern einen Vorschlag für den Frieden unterbreiten wollte. Er richtete seine

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Botschaft Pacem in terris an die gesamte „katholische Welt“, fügte aber hinzu: „und an alle
Menschen guten Willens“. Angesichts der weltweiten Umweltschäden möchte ich mich jetzt an
jeden Menschen wenden, der auf diesem Planeten wohnt. In meinem Apostolischen Schreiben
Evangelii gaudium schrieb ich an die Mitglieder der Kirche, um einen immer noch ausstehenden
Reformprozess in Gang zu setzen. In dieser Enzyklika möchte ich in Bezug auf unser
gemeinsames Haus in besonderer Weise mit allen ins Gespräch kommen.
4. Acht Jahre nach Pacem in terris sprach der selige Papst Paul VI. 1971 die ökologische
Problematik an, indem er sie als eine Krise vorstellte, die „eine dramatische Folge“ der
unkontrollierten Tätigkeit des Menschen ist. „Infolge einer rücksichtslosen Ausbeutung der Natur
läuft er Gefahr, sie zu zerstören und selbst Opfer dieser Zerstörung zu werden.“[2] Auch vor der
FAO sprach er von der Möglichkeit einer „ökologischen Katastrophe als Konsequenz der
Auswirkungen der Industriegesellschaft“ und betonte „die Dringlichkeit und die Notwendigkeit
eines radikalen Wandels im Verhalten der Menschheit“, denn „die außerordentlichsten
wissenschaftlichen Fortschritte, die erstaunlichsten technischen Meisterleistungen, das
wunderbarste Wirtschaftswachstum wenden sich, wenn sie nicht von einem echten sozialen und
moralischen Fortschritt begleitet sind, letztlich gegen den Menschen.“[3]
5. Der heilige Johannes Paul II. widmete sich diesem Thema mit zunehmendem Interesse. In
seiner ersten Enzyklika bemerkte er: „Der Mensch scheint oft keine andere Bedeutung seiner
natürlichen Umwelt wahrzunehmen, als allein jene, die den Zwecken eines unmittelbaren
Gebrauchs und Verbrauchs dient.“[4] Später rief er zu einer weltweiten ökologischen Umkehr
auf.[5] Doch zugleich wies er darauf hin, dass man sich viel zu wenig „für die Wahrung der
moralischen Bedingungen einer glaubwürdigen »Humanökologie«“ engagiert.[6] Die Zerstörung
der menschlichen Umwelt ist etwas sehr Ernstes, denn Gott vertraute dem Menschen nicht nur die
Welt an, sondern sein Leben selbst ist ein Geschenk, das vor verschiedenen Formen des
Niedergangs geschützt werden muss. Alle Bestrebungen, die Welt zu hüten und zu verbessern,
setzen vor allem voraus, „dass sich die Lebensweisen, die Modelle von Produktion und Konsum
und die verfestigten Machtstrukturen [von Grund auf] ändern, die heute die Gesellschaften
beherrschen“.[7] Die echte menschliche Entwicklung ist moralischer Art und setzt die
vollkommene Achtung gegenüber der menschlichen Person voraus, muss aber auch auf die Welt
der Natur achten und „der Natur eines jeden Wesens und seiner Wechselbeziehung in einem
geordneten System […] Rechnung tragen“.[8] Daher muss sich die Fähigkeit des Menschen, die
Wirklichkeit umzugestalten, auf der Grundlage der ersten Ur-Schenkung der Dinge von Seiten
Gottes entwickeln.[9]
6. Mein Vorgänger Benedikt XVI. erneuerte die Aufforderung, „die strukturellen Ursachen der
Fehlfunktionen der Weltwirtschaft zu beseitigen und die Wachstumsmodelle zu korrigieren, die
allem Anschein nach ungeeignet sind, den Respekt vor der Umwelt […] zu garantieren“.[10] Er
erinnerte daran, dass die Welt nicht analysiert werden kann, indem man nur einen ihrer Aspekte
isoliert betrachtet, denn „das Buch der Natur ist eines und unteilbar“ und schließt unter anderem

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3
die Umwelt, das Leben, die Sexualität, die Familie und die sozialen Beziehungen ein. Folglich
hängt „die Beschädigung der Natur […] eng mit der Kultur zusammen, die das menschliche
Zusammenleben gestaltet“.[11] Papst Benedikt XVI. legte uns nahe anzuerkennen, dass die
natürliche Umwelt voller Wunden ist, die durch unser unverantwortliches Verhalten hervorgerufen
sind. Auch die soziale Umwelt hat ihre Verwundungen. Doch sie alle sind letztlich auf dasselbe
Übel zurückzuführen, nämlich auf die Idee, dass es keine unbestreitbaren Wahrheiten gibt, die
unser Leben lenken, und deshalb der menschlichen Freiheit keine Grenzen gesetzt sind. Man
vergisst, dass „der Mensch […] nicht nur sich selbst machende Freiheit [ist]. Der Mensch macht
sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur“.[12] Mit väterlicher Sorge lud er uns
ein zu erkennen, dass die Schöpfung geschädigt wird, „wo wir selbst die letzten Instanzen sind,
wo das Ganze uns einfach gehört und wir es für uns verbrauchen. Und der Verbrauch der
Schöpfung setzt dort ein, wo wir keine Instanz mehr über uns haben, sondern nur noch uns selber
wollen“.[13]
Vereint in ein und derselben Sorge
7. Diese Beiträge der Päpste greifen die Überlegung unzähliger Wissenschaftler, Philosophen,
Theologen und sozialer Organisationen auf, welche das Denken der Kirche über diese Fragen
bereichert haben. Wir dürfen aber nicht übersehen, dass auch außerhalb der katholischen Kirche
andere Kirchen und christliche Gemeinschaften – wie auch andere Religionen – eine weitgehende
Sorge und eine wertvolle Reflexion über diese Themen, die uns alle beunruhigen, entwickelt
haben. Um nur ein bemerkenswertes Beispiel zu bringen, möchte ich kurz einen Teil des Beitrags
des geschätzten Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus aufgreifen, mit dem wir die Hoffnung
auf die volle kirchliche Einheit teilen.
8. Patriarch Bartholomäus hat besonders von der Notwendigkeit gesprochen, dass jeder Einzelne
die eigene Weise, dem Planeten zu schaden, bereut, denn „insofern wir alle kleine ökologische
Schäden verursachen“, sind wir aufgerufen, „unseren kleineren oder größeren Beitrag zur
Verunstaltung und Zerstörung der Schöpfung“[14] anzuerkennen. Zu diesem Punkt hat er sich
wiederholt mit starken und anregenden Worten geäußert und uns aufgefordert, die Sünden gegen
die Schöpfung einzugestehen: „Dass Menschen die biologische Vielfalt in der göttlichen
Schöpfung zerstören; dass Menschen die Unversehrtheit der Erde zerstören, indem sie
Klimawandel verursachen, indem sie die Erde von ihren natürlichen Wäldern entblößen oder ihre
Feuchtgebiete zerstören; dass Menschen anderen Menschen Schaden zufügen und sie krank
machen, indem sie die Gewässer der Erde, ihren Boden und ihre Luft mit giftigen Substanzen
verschmutzen – all das sind Sünden.“[15] Denn „ein Verbrechen gegen die Natur zu begehen, ist
eine Sünde gegen uns selbst und eine Sünde gegen Gott.“ [16]
9. Zugleich machte Bartholomäus auf die ethischen und spirituellen Wurzeln der Umweltprobleme
aufmerksam, die uns auffordern, Lösungen nicht nur in der Technik zu suchen, sondern auch in
einer Veränderung des Menschen, denn andernfalls würden wir nur die Symptome bekämpfen. Er

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schlug uns vor, vom Konsum zum Opfer, von der Habgier zur Freigebigkeit, von der
Verschwendung zur Fähigkeit des Teilens überzugehen, in einer Askese, die „bedeutet, geben zu
lernen und nicht bloß aufzugeben. Es ist eine Weise des Liebens, schrittweise von dem, was ich
möchte, zu dem überzugehen, was Gottes Welt nötig hat. Es ist eine Befreiung von Ängstlichkeit,
Habgier und Zwang“.[17] Wir Christen sind außerdem berufen, „die Welt als ein Sakrament der
Gemeinschaft anzunehmen, als ein Mittel, mit Gott und unserem Nächsten auf globaler Ebene zu
teilen. Es ist unsere bescheidene Überzeugung, dass das Göttliche und das Menschliche einander
begegnen in den kleinsten Details des nahtlosen Gewandes der Schöpfung Gottes, sogar im
winzigsten Staubkorn unseres Planeten.“[18]
Der heilige Franziskus von Assisi
10. Ich möchte diese Enzyklika nicht weiterentwickeln, ohne auf ein schönes Vorbild einzugehen,
das uns anspornen kann. Ich nahm seinen Namen an als eine Art Leitbild und als eine Inspiration
im Moment meiner Wahl zum Bischof von Rom. Ich glaube, dass Franziskus das Beispiel
schlechthin für die Achtsamkeit gegenüber dem Schwachen und für eine froh und authentisch
gelebte ganzheitliche Ökologie ist. Er ist der heilige Patron all derer, die im Bereich der Ökologie
forschen und arbeiten, und wird auch von vielen Nichtchristen geliebt. Er zeigte eine besondere
Aufmerksamkeit gegenüber der Schöpfung Gottes und gegenüber den Ärmsten und den
Einsamsten. Er liebte die Fröhlichkeit und war wegen seines Frohsinns, seiner großzügigen
Hingabe und seines weiten Herzens beliebt. Er war ein Mystiker und ein Pilger, der in Einfachheit
und in einer wunderbaren Harmonie mit Gott, mit den anderen, mit der Natur und mit sich selbst
lebte. An ihm wird man gewahr, bis zu welchem Punkt die Sorge um die Natur, die Gerechtigkeit
gegenüber den Armen, das Engagement für die Gesellschaft und der innere Friede untrennbar
miteinander verbunden sind.
11. Sein Zeugnis zeigt uns auch, dass eine ganzheitliche Ökologie eine Offenheit gegenüber
Kategorien verlangt, die über die Sprache der Mathematik oder der Biologie hinausgehen und uns
mit dem Eigentlichen des Menschen verbinden. Wie es uns geht, wenn wir uns in einen Menschen
verlieben, so war jedes Mal, wenn er die Sonne, den Mond oder die kleinsten Tiere bewunderte,
seine Reaktion die, zu singen und die anderen Geschöpfe in sein Lob einzubeziehen. Er trat mit
der gesamten Schöpfung in Verbindung und predigte sogar den Blumen „und lud sie zum Lob des
Herrn ein, wie wenn sie vernunftbegabte Wesen wären“.[19] Seine Reaktion war weit mehr als
eine intellektuelle Bewertung oder ein wirtschaftliches Kalkül, denn für ihn war jedes Geschöpf
eine Schwester oder ein Bruder, ihm verbunden durch die Bande zärtlicher Liebe. Deshalb fühlte
er sich berufen, alles zu hüten, was existiert. Sein Jünger, der heilige Bonaventura, erzählte:
„Eingedenk dessen, dass alle Geschöpfe ihren letzten Ursprung in Gott haben, war er von noch
überschwänglicherer Zuneigung zu ihnen erfüllt. Auch die kleinsten Geschöpfe nannte er deshalb
Bruder und Schwester.“[20] Diese Überzeugung darf nicht als irrationaler Romantizismus
herabgewürdigt werden, denn sie hat Konsequenzen für die Optionen, die unser Verhalten
bestimmen. Wenn wir uns der Natur und der Umwelt ohne diese Offenheit für das Staunen und

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das Wunder nähern, wenn wir in unserer Beziehung zur Welt nicht mehr die Sprache der
Brüderlichkeit und der Schönheit sprechen, wird unser Verhalten das des Herrschers, des
Konsumenten oder des bloßen Ausbeuters der Ressourcen sein, der unfähig ist, seinen
unmittelbaren Interessen eine Grenze zu setzen. Wenn wir uns hingegen allem, was existiert,
innerlich verbunden fühlen, werden Genügsamkeit und Fürsorge von selbst aufkommen. Die
Armut und die Einfachheit des heiligen Franziskus waren keine bloß äußerliche Askese, sondern
etwas viel Radikaleres: ein Verzicht darauf, die Wirklichkeit in einen bloßen Gebrauchsgegenstand
und ein Objekt der Herrschaft zu verwandeln.
12. Andererseits legt der heilige Franziskus uns in Treue zur Heiligen Schrift nahe, die Natur als
ein prächtiges Buch zu erkennen, in dem Gott zu uns spricht und einen Abglanz seiner Schönheit
und Güte aufscheinen lässt: „Von der Größe und Schönheit der Geschöpfe lässt sich auf ihren
Schöpfer schließen“ (Weish 13,5), und „seine unsichtbare Wirklichkeit [wird] an den Werken der
Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit“ (Röm 1,20).
Deshalb forderte Franziskus, im Konvent immer einen Teil des Gartens unbebaut zu lassen, damit
dort die wilden Kräuter wüchsen und die, welche sie bewunderten, ihren Blick zu Gott, dem
Schöpfer solcher Schönheit erheben könnten.[21] Die Welt ist mehr als ein zu lösendes Problem,
sie ist ein freudiges Geheimnis, das wir mit frohem Lob betrachten.
Mein Aufruf
13. Die dringende Herausforderung, unser gemeinsames Haus zu schützen, schließt die Sorge
ein, die gesamte Menschheitsfamilie in der Suche nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen
Entwicklung zu vereinen, denn wir wissen, dass sich die Dinge ändern können. Der Schöpfer
verlässt uns nicht, niemals macht er in seinem Plan der Liebe einen Rückzieher, noch reut es ihn,
uns erschaffen zu haben. Die Menschheit besitzt noch die Fähigkeit zusammenzuarbeiten, um
unser gemeinsames Haus aufzubauen. Ich möchte allen, die in den verschiedensten Bereichen
menschlichen Handelns daran arbeiten, den Schutz des Hauses, das wir miteinander teilen, zu
gewährleisten, meine Anerkennung, meine Ermutigung und meinen Dank aussprechen.
Besonderen Dank verdienen die, welche mit Nachdruck darum ringen, die dramatischen Folgen
der Umweltzerstörung im Leben der Ärmsten der Welt zu lösen. Die jungen Menschen verlangen
von uns eine Veränderung. Sie fragen sich, wie es möglich ist, den Aufbau einer besseren Zukunft
anzustreben, ohne an die Umweltkrise und an die Leiden der Ausgeschlossenen zu denken.
14. Ich lade dringlich zu einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft
unseres Planeten gestalten. Wir brauchen ein Gespräch, das uns alle zusammenführt, denn die
Herausforderung der Umweltsituation, die wir erleben, und ihre menschlichen Wurzeln
interessieren und betreffen uns alle. Die weltweite ökologische Bewegung hat bereits einen langen
und ereignisreichen Weg zurückgelegt und zahlreiche Bürgerverbände hervorgebracht, die der
Sensibilisierung dienen. Leider pflegen viele Anstrengungen, konkrete Lösungen für die
Umweltkrise zu suchen, vergeblich zu sein, nicht allein wegen der Ablehnung der Machthaber,

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sondern auch wegen der Interessenlosigkeit der anderen. Die Haltungen, welche – selbst unter
den Gläubigen – die Lösungswege blockieren, reichen von der Leugnung des Problems bis zur
Gleichgültigkeit, zur bequemen Resignation oder zum blinden Vertrauen auf die technischen
Lösungen. Wir brauchen eine neue universale Solidarität. Wie die Bischöfe Südafrikas sagten,
„bedarf es der Talente und des Engagements aller, um den durch den menschlichen Missbrauch
der Schöpfung Gottes angerichteten Schaden wieder gutzumachen“.[22] Alle können wir als
Werkzeuge Gottes an der Bewahrung der Schöpfung mitarbeiten, ein jeder von seiner Kultur,
seiner Erfahrung, seinen Initiativen und seinen Fähigkeiten aus.
15. Ich hoffe, dass diese Enzyklika, die sich an die Soziallehre der Kirche anschließt, uns hilft, die
Größe, die Dringlichkeit und die Schönheit der Herausforderung zu erkennen, die vor uns steht.
An erster Stelle werde ich unter bestimmten Aspekten einen kurzen Überblick über die aktuelle
ökologische Krise geben, zu dem Zweck, die besten Ergebnisse des heutigen Stands der
wissenschaftlichen Forschung zu übernehmen, uns davon zutiefst anrühren zu lassen und dem
dann folgenden ethischen und geistlichen Weg eine Basis der Konkretheit zu verleihen. Aus
dieser Perspektive werde ich einige Hinweise aufgreifen, die sich aus der jüdisch-christlichen
Überlieferung ergeben, in der Absicht, unserem Engagement für die Umwelt eine größere
Kohärenz zu verleihen. Dann werde ich versuchen, zu den Wurzeln der gegenwärtigen Situation
vorzudringen, so dass wir nicht nur die Symptome betrachten, sondern auch die tiefsten
Ursachen. Auf diese Weise können wir eine Ökologie vorschlagen, die in ihren verschiedenen
Dimensionen den besonderen Ort des Menschen in dieser Welt und seine Beziehungen zu der ihn
umgebenden Wirklichkeit einbezieht. Im Licht dieser Überlegung möchte ich fortfahren mit einigen
ausführlichen Leitlinien für Dialog und Aktion, die sowohl jeden von uns als auch die internationale
Politik betreffen. Und da ich überzeugt bin, dass für jede Veränderung Beweggründe und ein
erzieherischer Weg nötig sind, werde ich schließlich einige Leitlinien zur menschlichen Reifung
vorschlagen, die von dem Schatz der christlichen spirituellen Erfahrung inspiriert sind.
16. Obwohl jedes Kapitel seine eigene Thematik und eine spezifische Methodologie besitzt, greift
es seinerseits aus neuer Sicht wichtige Fragen wieder auf, die in den vorangegangenen Kapiteln
behandelt wurden. Das betrifft speziell einige Zentralthemen, welche die gesamte Enzyklika
durchziehen. Zum Beispiel: die enge Beziehung zwischen den Armen und der Anfälligkeit des
Planeten; die Überzeugung, dass in der Welt alles miteinander verbunden ist; die Kritik am neuen
Machtmodell und den Formen der Macht, die aus der Technik abgeleitet sind; die Einladung, nach
einem anderen Verständnis von Wirtschaft und Fortschritt zu suchen; der Eigenwert eines jeden
Geschöpfes; der menschliche Sinn der Ökologie; die Notwendigkeit aufrichtiger und ehrlicher
Debatten; die schwere Verantwortung der internationalen und lokalen Politik; die Wegwerfkultur
und der Vorschlag eines neuen Lebensstils. Diese Themen werden weder abgeschlossen noch
aufgegeben, sondern sie werden ständig neu aufgegriffen und angereichert.
ERSTES KAPITEL

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7
WAS UNSEREM HAUS WIDERFÄHRT
17. Die theologischen oder philosophischen Reflexionen über die Situation der Menschheit und
der Welt können wie eine repetitive und abstrakte Botschaft klingen, wenn sie nicht von einer
Gegenüberstellung mit dem aktuellen Kontext her neu vorgebracht werden, im Blick auf das, was
dieser an noch nie Dagewesenem für die Geschichte der Menschheit enthält. Darum schlage ich
vor, dass wir, bevor wir erkennen, wie der Glaube angesichts der Welt, zu der wir gehören, neue
Beweggründe und Erfordernisse beisteuert, kurz bei einer Betrachtung dessen verweilen, was
unserem gemeinsamen Haus widerfährt.
18. Die ständige Beschleunigung in den Veränderungen der Menschheit und des Planeten
verbindet sich heute mit einer Intensivierung der Lebens- und Arbeitsrhythmen zu einem
Phänomen, das einige als „rapidación“ bezeichnen. Wenn auch die Veränderung ein Teil der
Dynamik der komplexen Systeme ist, steht doch die Geschwindigkeit, die das menschliche
Handeln ihr heute aufzwingt, im Gegensatz zu der natürlichen Langsamkeit der biologischen
Evolution. Hinzu kommt das Problem, dass die Ziele dieser schnellen und unablässigen
Veränderung nicht unbedingt auf das Gemeinwohl und eine nachhaltige und ganzheitliche
menschliche Entwicklung ausgerichtet sind. Die Veränderung ist etwas Wünschenswertes, wird
aber beunruhigend, wenn sie sich in eine Verschlechterung der Welt und der Lebensqualität eines
großen Teils der Menschheit verwandelt.
19. Nach einer Zeit irrationalen Vertrauens auf den Fortschritt und das menschliche Können tritt
jetzt ein Teil der Gesellschaft in eine Phase stärkerer Bewusstheit ein. Es ist eine steigende
Sensibilität für die Umwelt und die Pflege der Natur zu beobachten, und es wächst eine ehrliche,
schmerzliche Besorgnis um das, was mit unserem Planeten geschieht. Wir geben einen – wenn
auch sicherlich unvollständigen – Überblick über jene Fragen, die uns heute beunruhigen und die
wir jetzt nicht mehr unter den Teppich kehren können. Das Ziel ist nicht, Informationen zu
sammeln oder unsere Neugier zu befriedigen, sondern das, was der Welt widerfährt, schmerzlich
zur Kenntnis zu nehmen, zu wagen, es in persönliches Leiden zu verwandeln, und so zu
erkennen, welches der Beitrag ist, den jeder Einzelne leisten kann.
I. UMWELTVERSCHMUTZUNG UND KLIMAWANDEL
Verschmutzung, Abfall und Wegwerfkultur
20. Es gibt Formen der Umweltverschmutzung, durch die die Menschen täglich geschädigt
werden. Den Schadstoffen in der Luft ausgesetzt zu sein, erzeugt ein weites Spektrum von
Wirkungen auf die Gesundheit – besonders der Ärmsten – und verursacht Millionen von
vorzeitigen Todesfällen. Sie erkranken zum Beispiel durch das Einatmen erhöhter Dosen an
Rauch von den Brennstoffen, die sie zum Kochen oder zum Heizen verwenden. Dazu kommt die

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8
Verschmutzung, die alle schädigt, aufgrund des Verkehrswesens und durch Industrieabgase,
aufgrund von Deponien, in denen Substanzen gelagert werden, die zur Versauerung von Boden
und Wasser beitragen, aufgrund von Düngemitteln, Insektiziden, Fungiziden, Herbiziden und
Agrotoxiden allgemein. Eine mit dem Finanzwesen verknüpfte Technologie, die behauptet, die
einzige Lösung der Probleme zu sein, ist in der Tat oft nicht fähig, das Geheimnis der vielfältigen
Beziehungen zu sehen, die zwischen den Dingen bestehen, und löst deshalb manchmal ein
Problem, indem sie andere schafft.
21. Wir müssen auch die Verschmutzung in Betracht ziehen, die durch Müll verursacht wird,
einschließlich der gefährlichen Abfälle, die in verschiedenen Gegenden vorhanden sind. Pro Jahr
werden hunderte Millionen Tonnen Müll produziert, von denen viele nicht biologisch abbaubar
sind: Hausmüll und Gewerbeabfälle, Abbruchabfälle, klinische Abfälle, Elektronikschrott und
Industrieabfälle, hochgradig toxische Abfälle und Atommüll. Die Erde, unser Haus, scheint sich
immer mehr in eine unermessliche Mülldeponie zu verwandeln. An vielen Orten des Planeten
trauern die alten Menschen den Landschaften anderer Zeiten nach, die jetzt von Abfällen
überschwemmt werden. Sowohl die Industrieabfälle als auch die in den Städten und in der
Landwirtschaft verwendeten chemischen Produkte können im Organismus der Bewohner der
angrenzenden Gebiete den Effekt einer Bioakkumulation bewirken, der auch dann eintritt, wenn
sich an einem Ort das Vorkommen eines toxischen Elements auf niedrigem Niveau hält. Häufig
werden Maßnahmen erst dann ergriffen, wenn die Auswirkungen auf die Gesundheit der
Menschen bereits irreversibel sind.
22. Diese Probleme sind eng mit der Wegwerfkultur verbunden, die sowohl die ausgeschlossenen
Menschen betrifft als auch die Dinge, die sich rasch in Abfall verwandeln. Machen wir uns zum
Beispiel bewusst, dass der größte Teil des Papiers, das produziert wird, verschwendet und nicht
wiederverwertet wird. Es fällt uns schwer anzuerkennen, dass die Funktionsweise der natürlichen
Ökosysteme vorbildlich ist: Die Pflanzen synthetisieren Nährstoffe für die Pflanzenfresser; diese
ernähren ihrerseits die Fleischfresser, die bedeutende Mengen organischer Abfälle produzieren,
welche Anlass zu neuem Pflanzenwuchs geben. Dagegen hat das Industriesystem am Ende des
Zyklus von Produktion und Konsum keine Fähigkeit zur Übernahme und Wiederverwertung von
Rückständen und Abfällen entwickelt. Noch ist es nicht gelungen, ein auf Kreislauf ausgerichtetes
Produktionsmodell anzunehmen, das Ressourcen für alle und für die kommenden Generationen
gewährleistet und das voraussetzt, den Gebrauch der nicht erneuerbaren Reserven aufs Äußerste
zu beschränken, den Konsum zu mäßigen, die Effizienz der Ressourcennutzung maximal zu
steigern und auf Wiederverwertung und Recycling zu setzen. Die Auseinandersetzung mit dieser
Frage wäre ein Weg, der Wegwerfkultur entgegenzuwirken, die schließlich dem gesamten
Planeten schadet. Wir stellen jedoch fest, dass die Fortschritte in diesem Sinn noch sehr gering
sind.
Das Klima als gemeinsames Gut

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9
23. Das Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen und für alle. Es ist auf globaler Ebene ein
kompliziertes System, das mit vielen wesentlichen Bedingungen für das menschliche Leben
verbunden ist. Es besteht eine sehr starke wissenschaftliche Übereinstimmung darüber, dass wir
uns in einer besorgniserregenden Erwärmung des Klimasystems befinden. In den letzten
Jahrzehnten war diese Erwärmung von dem ständigen Anstieg des Meeresspiegels begleitet, und
außerdem dürfte es schwierig sein, sie nicht mit der Zunahme extremer meteorologischer
Ereignisse in Verbindung zu bringen, abgesehen davon, dass man nicht jedem besonderen
Phänomen eine wissenschaftlich bestimmbare Ursache zuschreiben kann. Die Menschheit ist
aufgerufen, sich der Notwendigkeit bewusst zu werden, Änderungen im Leben, in der Produktion
und im Konsum vorzunehmen, um diese Erwärmung oder zumindest die menschlichen Ursachen,
die sie hervorrufen und verschärfen, zu bekämpfen. Es stimmt, dass es noch andere Faktoren gibt
(z. B. der Vulkanismus, die Änderungen der Erdumlaufbahn und der Erdrotationsachse, der
Solarzyklus), doch zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass der größte Teil der globalen
Erwärmung der letzten Jahrzehnte auf die starke Konzentration von Treibhausgasen
(Kohlendioxid, Methan, Stickstoffoxide und andere) zurückzuführen ist, die vor allem aufgrund des
menschlichen Handelns ausgestoßen werden. Wenn sie sich in der Atmosphäre anreichern,
verhindern sie, dass die durch die Sonnenstrahlen an der Erdoberfläche erzeugte Wärme in den
Weltraum entweicht. Das wird besonders durch das Entwicklungsmodell gesteigert, das auf dem
intensiven Gebrauch fossiler Brennstoffe basiert, auf den das weltweite Energiesystem
ausgerichtet ist. Auch die zunehmende Praxis einer veränderten Bodennutzung hat sich
ausgewirkt, hauptsächlich die Abholzung der Wälder zugunsten der Landwirtschaft.
24. Die Erwärmung beeinflusst ihrerseits den Kohlenstoffkreislauf. Dadurch entsteht ein
Teufelskreis, der die Situation weiter verschärft und der die Verfügbarkeit unerlässlicher
Ressourcen wie das Trinkwasser, die Energie und die Agrarproduktion in den heißesten Zonen
beeinträchtigen und das Aussterben eines Teils der biologischen Vielfalt des Planeten
verursachen wird. Durch das Schmelzen des Polareises und der Schneeflächen in den
Hochgebirgen droht eine sehr gefährliche Freisetzung von Methangas, und die Verwesung der
tiefgefrorenen organischen Stoffe könnte die Ausströmung von Kohlendioxid noch weiter erhöhen.
Das Verschwinden der tropischen Urwälder verschlechtert seinerseits die Lage, denn sie helfen ja,
den Klimawandel abzuschwächen. Die durch das Kohlendioxid verursachte Verschmutzung
erhöht den Säuregehalt der Ozeane und gefährdet die marine Nahrungskette. Wenn die
augenblickliche Tendenz anhält, könnte dieses Jahrhundert Zeuge nie dagewesener klimatischer
Veränderungen und einer beispiellosen Zerstörung der Ökosysteme werden, mit schweren Folgen
für uns alle. Der Anstieg des Meeresspiegels, zum Beispiel, kann Situationen von äußerstem
Ernst schaffen, wenn man bedenkt, dass ein Viertel der Weltbevölkerung unmittelbar oder sehr
nahe am Meer lebt und der größte Teil der Megastädte sich in Küstengebieten befindet.
25. Der Klimawandel ist ein globales Problem mit schwerwiegenden Umwelt-Aspekten und
ernsten sozialen, wirtschaftlichen, distributiven und politischen Dimensionen; sie stellt eine der
wichtigsten aktuellen Herausforderungen an die Menschheit dar. Die schlimmsten Auswirkungen

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10
werden wahrscheinlich in den nächsten Jahrzehnten auf die Entwicklungsländer zukommen. Viele
Arme leben in Gebieten, die besonders von Phänomenen heimgesucht werden, die mit der
Erwärmung verbunden sind, und die Mittel für ihren Lebensunterhalt hängen stark von den
natürlichen Reserven und den ökosystemischen Betrieben wie Landwirtschaft, Fischfang und
Waldbestand ab. Sie betreiben keine anderen Finanzaktivitäten und besitzen keine anderen
Ressourcen, die ihnen erlauben, sich den Klimaeinflüssen anzupassen oder Katastrophen die
Stirn zu bieten, und sie haben kaum Zugang zu Sozialdiensten und Versicherung. So verursachen
die klimatischen Veränderungen zum Beispiel Migrationen von Tieren und Pflanzen, die sich nicht
immer anpassen können, und das schädigt wiederum die Produktionsquellen der Ärmsten, die
sich ebenfalls genötigt sehen abzuwandern, mit großer Ungewissheit im Hinblick auf ihre Zukunft
und die ihrer Kinder. Tragisch ist die Zunahme der Migranten, die vor dem Elend flüchten, das
durch die Umweltzerstörung immer schlimmer wird, und die in den internationalen Abkommen
nicht als Flüchtlinge anerkannt werden; sie tragen die Last ihres Lebens in Verlassenheit und
ohne jeden gesetzlichen Schutz. Leider herrscht eine allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber
diesen Tragödien, die sich gerade jetzt in bestimmten Teilen der Welt zutragen. Der Mangel an
Reaktionen angesichts dieser Dramen unserer Brüder und Schwestern ist ein Zeichen für den
Verlust jenes Verantwortungsgefühls für unsere Mitmenschen, auf das sich jede zivile
Gesellschaft gründet.
26. Viele von denen, die mehr Ressourcen und ökonomische oder politische Macht besitzen,
scheinen sich vor allem darauf zu konzentrieren, die Probleme zu verschleiern oder ihre
Symptome zu verbergen, und sie versuchen nur, einige negative Auswirkungen des Klimawandels
zu reduzieren. Viele Symptome zeigen aber an, dass diese Wirkungen jedes Mal schlimmer sein
können, wenn wir mit den gegenwärtigen Produktionsmodellen und Konsumgewohnheiten
fortfahren. Darum ist es dringend geboten, politische Programme zu entwickeln, um in den
kommenden Jahren den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen stark verunreinigenden Gasen
drastisch zu reduzieren, zum Beispiel indem man den Gebrauch von fossilen Brennstoffen ersetzt
und Quellen erneuerbarer Energie entwickelt. Weltweit sind saubere und erneuerbare Energien
nur in geringem Maß erschlossen. Noch ist es notwendig, angemessene Technologien für die
Speicherung zu entwickeln. Trotzdem sind in einigen Ländern Fortschritte erzielt worden, die
beginnen, von Bedeutung zu sein, auch wenn sie weit davon entfernt sind, eine beachtliche
Proportion zu erreichen. Es gab auch einige Investitionen in Produktionsweisen und
Transportarten, die weniger Energie verbrauchen und geringere Mengen an Rohstoff erfordern,
sowie in Bauformen oder Arten der Bausanierung, um die Energieeffizienz zu verbessern. Doch
diese guten Praktiken haben sich noch lange nicht überall eingebürgert.
II. DIE WASSERFRAGE
27. Andere Anzeichen der aktuellen Situation stehen im Zusammenhang mit der Erschöpfung der
natürlichen Ressourcen. Wir wissen sehr wohl, dass es unmöglich ist, das gegenwärtige
Konsumniveau der am meisten entwickelten Länder und der reichsten Gesellschaftsschichten

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aufrechtzuerhalten, wo die Gewohnheit, zu verbrauchen und wegzuwerfen, eine nie dagewesene
Stufe erreicht hat. Es sind bereits gewisse Höchstgrenzen der Ausbeutung des Planeten
überschritten worden, ohne dass wir das Problem der Armut gelöst haben.
28. Sauberes Trinkwasser ist eine Frage von vorrangiger Bedeutung, denn es ist unentbehrlich für
das menschliche Leben und zur Erhaltung der Ökosysteme von Erde und Wasser. Die
Süßwasserquellen versorgen die Bereiche von Gesundheitswesen, Landwirtschaft und Industrie.
Über lange Zeit blieb der Wasservorrat relativ konstant, jetzt aber übersteigt an vielen Orten die
Nachfrage das nachhaltige Angebot, mit schweren kurz- und langfristigen Folgen. Große Städte,
die von einem bedeutenden Volumen der Wasserspeicherung abhängig sind, erleiden zeitweise
einen Ressourcenrückgang, der in kritischen Momenten nicht immer mit einer angemessenen
Steuerung und mit Unparteilichkeit verwaltet wird. Die Knappheit an Gemeinschaftswasser besteht
besonders in Afrika, wo große Teile der Bevölkerung keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser
haben oder unter Dürreperioden leiden, die die Produktion von Nahrungsmitteln erschweren. In
einigen Ländern gibt es wasserreiche Regionen und zugleich andere, die unter schwerem
Wassermangel leiden.
29. Ein besonders ernstes Problem, das täglich viele Todesopfer fordert, ist die Qualität des
Wassers, das den Armen zur Verfügung steht. Unter den Armen sind Krankheiten im
Zusammenhang mit dem Wasser häufig, einschließlich derer, die durch Mikroorganismen und
chemische Substanzen verursacht werden. Diarrhoe und Cholera, die mit unangemessenen
hygienischen Einrichtungen und mit einem ungeeigneten Wasservorrat zusammenhängen, sind
ein bedeutender Faktor für das Leiden von Kindern und für die Kindersterblichkeit. Das
Grundwasser ist an vielen Orten durch die Verschmutzung bedroht, die von einigen Formen der
Rohstoffgewinnung, von landwirtschaftlichen und von industriellen Betrieben verursacht wird, vor
allem in Ländern, in denen es keine Regelung und keine ausreichenden Kontrollen gibt. Denken
wir nicht nur an die Abfälle der Fabriken. Die Waschmittel und die chemischen Produkte, welche
die Bevölkerung vielerorts in der Welt verwendet, sickern fortlaufend in Flüsse, Seen und Meere.
30. Während die Qualität des verfügbaren Wassers ständig schlechter wird, nimmt an einigen
Orten die Tendenz zu, diese knappe Ressource zu privatisieren; so wird sie in Ware verwandelt
und den Gesetzen des Marktes unterworfen. In Wirklichkeit ist der Zugang zu sicherem
Trinkwasser ein grundlegendes, fundamentales und allgemeines Menschenrecht, weil es für das
Überleben der Menschen ausschlaggebend und daher die Bedingung für die Ausübung der
anderen Menschenrechte ist. Diese Welt lädt eine schwere soziale Schuld gegenüber den Armen
auf sich, die keinen Zugang zum Trinkwasser haben, denn das bedeutet, ihnen das Recht auf
Leben zu verweigern, das in ihrer unveräußerlichen Würde verankert ist. Diese Schuld wird zum
Teil beglichen durch mehr wirtschaftliche Beiträge zur Versorgung der ärmsten Bevölkerung mit
klarem Wasser und Hygiene. Es ist jedoch eine Wasserverschwendung nicht nur in den
Industrieländern zu beobachten, sondern auch in den weniger entwickelten Ländern, die große
Wasserreserven besitzen. Das zeigt, dass das Wasserproblem zum Teil eine Frage der Erziehung

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12
und ein kulturelles Problem ist, denn es fehlt das Bewusstsein der Schwere dieses Verhaltens in
einem Kontext großer Ungleichheit.
31. Ein größerer Wassermangel wird einen Anstieg der Nahrungsmittelpreise und der Kosten
bestimmter Produkte verursachen, die vom Wasserverbrauch abhängen. Einige Forscher haben
vor der Möglichkeit eines akuten Wassermangels innerhalb weniger Jahrzehnte gewarnt, wenn
nicht schnell gehandelt wird. Die Umweltbelastungen könnten Milliarden von Menschen schaden,
doch es ist absehbar, dass sich die Kontrolle des Wassers durch große weltweite Unternehmen in
eine der hauptsächlichen Konfliktquellen dieses Jahrhunderts verwandelt.[23]
III. DER VERLUST DER BIOLOGISCHEN VIELFALT
32. Die Ressourcen der Erde werden auch geplündert durch ein Verständnis der Wirtschaft und
der kommerziellen und produktiven Tätigkeit, das ausschließlich das unmittelbare Ergebnis im
Auge hat. Der Verlust von Wildnissen und Wäldern bringt zugleich den Verlust von Arten mit sich,
die in Zukunft äußerst wichtige Ressourcen darstellen könnten, nicht nur für die Ernährung,
sondern auch für die Heilung von Krankheiten und für vielfältige Dienste. Die verschiedenen Arten
enthalten Gene, die Ressourcen mit einer Schlüsselfunktion sein können, um in der Zukunft
irgendeinem menschlichen Bedürfnis abzuhelfen oder um irgendein Umweltproblem zu lösen.
33. Doch es genügt nicht, an die verschiedenen Arten nur als eventuelle nutzbare „Ressourcen“
zu denken und zu vergessen, dass sie einen Eigenwert besitzen. Jedes Jahr verschwinden
Tausende Pflanzen- und Tierarten, die wir nicht mehr kennen können, die unsere Kinder nicht
mehr sehen können, verloren für immer. Die weitaus größte Mehrheit stirbt aus Gründen aus, die
mit irgendeinem menschlichen Tun zusammenhängen. Unseretwegen können bereits Tausende
Arten nicht mehr mit ihrer Existenz Gott verherrlichen, noch uns ihre Botschaft vermitteln. Dazu
haben wir kein Recht.
34. Möglicherweise beunruhigt es uns, vom Aussterben eines Säugetiers oder eines Vogels zu
erfahren, weil sie uns mehr vor Augen sind. Doch für das gute Funktionieren des Ökosystems sind
auch die Pilze, die Algen, die Würmer, die Insekten, die Reptilien und die unzählige Vielfalt von
Mikroorganismen notwendig. Einige zahlenmäßig geringe Arten, die gewöhnlich unbemerkt
bleiben, spielen eine grundlegend entscheidende Rolle, um das Gleichgewicht eines Ortes zu
stabilisieren. Es stimmt, dass der Mensch eingreifen muss, wenn ein Geosystem in ein kritisches
Stadium gerät, doch heute hat das menschliche Eingreifen in eine so komplexe Wirklichkeit wie
die Natur ein solches Maß erreicht, dass die ständigen vom Menschen verursachten Katastrophen
sein erneutes Eingreifen herausfordern, so dass das menschliche Handeln allgegenwärtig wird,
mit allen Risiken, die das in sich birgt. Gewöhnlich entsteht ein Teufelskreis, wo das Eingreifen
des Menschen, um eine Schwierigkeit zu lösen, häufig die Situation weiter verschlimmert. So sind
zum Beispiel viele Vögel und Insekten, die aufgrund der von der Technologie geschaffenen und in
der Landwirtschaft verwendeten Agrotoxide aussterben, für ebendiese Landwirtschaft nützlich,

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13
und ihr Verschwinden muss durch ein weiteres technologisches Eingreifen ersetzt werden, das
möglicherweise neue schädliche Auswirkungen hat. Lobenswert und manchmal bewundernswert
sind die Anstrengungen der Wissenschaftler und Techniker, die versuchen, Lösungen für die vom
Menschen verursachten Probleme zu schaffen. Wenn wir jedoch die Welt betrachten, stellen wir
fest, dass dieses Ausmaß menschlichen Eingreifens, das häufig im Dienst der Finanzen und des
Konsumismus steht, dazu führt, dass die Erde, auf der wir leben, in Wirklichkeit weniger reich und
schön wird, immer begrenzter und trüber, während gleichzeitig die Entwicklung der Technologie
und des Konsumangebots grenzenlos weiter fortschreitet. So hat es den Anschein, dass wir
bestrebt sind, auf diese Weise eine unersetzliche und unwiederbringliche Schönheit
auszutauschen gegen eine andere, die von uns geschaffen wurde.
35. Wenn die Umweltverträglichkeit irgendeines Unternehmens geprüft wird, achtet man
gewöhnlich auf die Auswirkungen auf den Boden, das Wasser und die Luft, doch nicht immer wird
eine sorgfältige Untersuchung über die Wirkung auf die biologische Vielfalt eingeschlossen, als sei
der Verlust einiger Arten oder Gruppen von Tieren oder Pflanzen etwas von geringer Bedeutung.
Schnellstraßen, Neukultivierungen, Drahtzäune, Talsperren und andere Konstruktionen ergreifen
Besitz von den Lebensräumen, und manchmal zersplittern sie diese derart, dass die
Tierpopulationen nicht mehr wandern, noch frei pendeln können, so dass einige Arten vom
Aussterben bedroht sind. Es gibt Alternativen – wie die Schaffung von biologischen Korridoren –,
welche die Wirkung dieser Bauten zumindest abschwächen, doch eine solche Umsicht und
Vorsorge ist nur in wenigen Ländern zu bemerken. Wenn einige Arten kommerziell genutzt
werden, erforscht man nicht immer die Weise ihres Wachstums, um ihre übermäßige Reduzierung
und das daraus resultierende Ungleichgewicht des Ökosystems zu vermeiden.
36. Die Pflege der Ökosysteme setzt einen Blick voraus, der über das Unmittelbare hinausgeht,
denn wenn man nur nach einem schnellen und einfachen wirtschaftlichen Ertrag sucht, ist
niemand wirklich an ihrem Schutz interessiert. Doch der Preis für die Schäden, die durch die
egoistische Fahrlässigkeit verursacht werden, ist sehr viel höher als der wirtschaftliche Vorteil, den
man erzielen kann. Im Fall des Verlustes oder des schweren Schadens an einigen Arten ist von
Werten die Rede, die jedes Kalkül überschreiten. Darum können wir stumme Zeugen schwerster
Ungerechtigkeiten werden, wenn der Anspruch erhoben wird, bedeutende Vorteile zu erzielen,
indem man den Rest der Menschheit von heute und morgen die äußerst hohen Kosten der
Umweltzerstörung bezahlen lässt.
37. Einige Länder haben Fortschritte gemacht im wirksamen Schutz gewisser Orte und Zonen –
auf der Erde und in den Ozeanen –, wo jedes menschliche Eingreifen verboten ist, das ihre
Physiognomie verändern oder ihre ursprüngliche Gegebenheit verfälschen kann. Bei der Pflege
der biologischen Vielfalt beharren die Fachleute auf der Notwendigkeit, den artenreichsten Zonen
mit heimischen, seltenen oder weniger wirksam geschützten Arten besondere Aufmerksamkeit zu
widmen. Es gibt Orte, die einer speziellen Sorgfalt bedürfen wegen ihrer enormen Bedeutung für
das weltweite Ökosystem oder weil sie wichtige Wasserreserven darstellen und so eine Gewähr

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für andere Formen des Lebens sind.
38. Nennen wir zum Beispiel jene an biologischer Vielfalt überreichen Lungen des Planeten, die
das Amazonasgebiet und das Kongobecken darstellen, oder die großen Grundwasservorkommen
und die Gletscher. Wir wissen um die Bedeutung dieser Orte für die Gesamtheit des Planeten und
für die Zukunft der Menschheit ist nicht unbekannt. Die Ökosysteme der tropischen Urwälder
enthalten eine biologische Vielfalt von einer enormen Komplexität, die ganz zu kennen beinahe
unmöglich ist, doch wenn diese Wildnisse niedergebrannt oder eingeebnet werden, um
Bodenbewirtschaftung zu entwickeln, gehen in wenigen Jahren unzählige Arten verloren, wenn die
Gebiete sich nicht sogar in trockene Wüsten verwandeln. Dennoch sieht man sich, sobald man
über diese Orte spricht, zu einem heiklen Balanceakt gezwungen, denn man darf auch nicht die
enormen internationalen wirtschaftlichen Interessen außer Acht lassen, die unter dem Vorwand,
für diese Orte zu sorgen, gegen die Souveränität der betroffenen Nationen verstoßen können.
Tatsächlich existieren „Ideen […] das Amazonasgebiet zu internationalisieren: Solche Ideen
nützen einzig und allein den ökonomischen Interessen der transnationalen Unternehmen“.[24]
Anerkennenswert ist die Aufgabenstellung von internationalen Organisationen und Vereinigungen
der Zivilgesellschaft, welche die Bevölkerungen sensibilisieren und kritisch mitwirken – auch unter
Einsatz legitimer Druckmittel –, damit jede Regierung ihre eigene und nicht delegierbare Pflicht
erfüllt, die Umwelt und die natürlichen Ressourcen ihres Landes zu bewahren, ohne sich an
unehrliche lokale oder internationale Interessen zu verkaufen.
39. Der Ersatz der wilden Flora durch Flächen, die mit Bäumen aufgeforstet werden und im
allgemeinen Monokulturen sind, ist gewöhnlich auch nicht Gegenstand einer angemessenen
Analyse. Denn das kann einer biologischen Vielfalt, die von den neu angepflanzten Arten nicht
angenommen wird, schwer schaden. Auch die Feuchtgebiete, die in Kulturland verwandelt
werden, verlieren die enorme biologische Vielfalt, die sie beherbergen. In einigen Küstenzonen ist
das Verschwinden der durch Mangrovensümpfe gebildeten Ökosysteme besorgniserregend.
40. Die Ozeane enthalten nicht nur den größten Teil des Wassers des Planeten, sondern auch
den größten Teil der umfassenden Vielfalt an Lebewesen, von denen viele uns noch unbekannt
und aus verschiedenen Gründen bedroht sind. Andererseits wird das Leben in den Flüssen, Seen,
Meeren und Ozeanen, das einen großen Teil der Weltbevölkerung ernährt, durch die
unkontrollierte Ausbeutung des Fischbestands geschädigt, die den drastischen Rückgang einiger
Arten verursacht. Dennoch entwickeln sich weiter Formen selektiven Fischfangs, die einen großen
Teil der eingeholten Arten vergeuden. Besonders bedroht sind Meeresorganismen, an die wir gar
nicht denken, wie bestimmte Formen von Plankton, die eine sehr wichtige Komponente in der
marinen Nahrungskette bilden und von denen letztlich Arten abhängen, die uns zur Nahrung
dienen.
41. Wenn wir in die tropischen und subtropischen Meere eindringen, begegnen wir den
Korallenbänken, denen die gleiche Bedeutung der Urwälder der Erde zukommt, denn sie

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beherbergen etwa eine Million Arten, darunter Fische, Krabben, Mollusken, Schwämme, Algen
und andere. Viele der Korallenbänke der Welt sind heute schon steril oder befinden sich in einem
fortwährenden Stadium des Niedergangs: „Wer hat die wunderbare Meereswelt in leb- und
farblose Unterwasser-Friedhöfe verwandelt?“[25] Dieses Phänomen ist großenteils auf die
Verschmutzung zurückzuführen, die ins Meer gelangt als Ergebnis der Entwaldung, der
landwirtschaftlichen Monokulturen, der Industrieabfälle und der destruktiven Methoden des
Fischfangs, besonders derer, die Zyanid und Dynamit benutzen. Es verschärft sich durch den
Temperaturanstieg der Ozeane. All das hilft uns zu bemerken, in welcher Weise jeder beliebige
Eingriff in die Natur Folgen haben kann, die wir auf den ersten Blick nicht wahrnehmen, und dass
gewisse Formen der Ressourcennutzung auf Kosten einer Zerstörung geschehen, die schließlich
sogar den Grund der Ozeane erreicht.
42. Es ist notwendig, viel mehr in die Forschung zu investieren, um das Verhalten der
Ökosysteme besser zu verstehen und die verschiedenen Variablen der Auswirkung jeder
beliebigen wichtigen Veränderung der Umwelt zu analysieren. Da alle Geschöpfe miteinander
verbunden sind, muss jedes mit Liebe und Bewunderung gewürdigt werden, und alle sind wir
aufeinander angewiesen. Jedes Hoheitsgebiet trägt eine Verantwortung für die Pflege dieser
Familie. Es müsste für sie eine sorgfältige Bestandsaufnahme der Arten erstellen, die es
beherbergt, um Programme und Strategien für den Schutz zu entwickeln, und dabei mit
besonderer Sorge auf die Arten zu achten, die im Aussterben begriffen sind.
IV. VERSCHLECHTERUNG DER LEBENSQUALITÄT UND SOZIALER NIEDERGANG
43. Wenn wir berücksichtigen, dass der Mensch auch ein Geschöpf dieser Welt ist, das ein Recht
auf Leben und Glück hat und das außerdem eine ganz besondere Würde besitzt, können wir es
nicht unterlassen, die Auswirkungen der Umweltzerstörung, des aktuellen Entwicklungsmodells
und der Wegwerfkultur auf das menschliche Leben zu betrachten.
44. Heute beobachten wir zum Beispiel das maßlose und ungeordnete Wachsen vieler Städte, die
für das Leben ungesund geworden sind, nicht nur aufgrund der Verschmutzung durch toxische
Emissionen, sondern auch aufgrund des städtischen Chaos, der Verkehrsprobleme und der
visuellen und akustischen Belästigung. Viele Städte sind große unwirtschaftliche Gefüge, die
übermäßig viel Energie und Wasser verbrauchen. Es gibt Stadtviertel, die, obwohl sie erst vor
Kurzem erbaut wurden, verstopft und ungeordnet sind, ohne ausreichende Grünflächen. Es
entspricht nicht dem Wesen der Bewohner dieses Planeten, immer mehr von Zement, Asphalt,
Glas und Metall erdrückt und dem physischen Kontakt mit der Natur entzogen zu leben.
45. In einigen ländlichen und städtischen Zonen hat die Privatisierung von Geländen dazu geführt,
dass der Zugang der Bürger zu Gebieten von besonderer Schönheit schwierig wird. Unter
anderem werden „ökologische“ Wohnanlagen geschaffen, die nur einigen wenigen dienen, wo
man zu vermeiden sucht, dass andere eintreten und die künstliche Ruhe stören. Eine schöne

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Stadt voller gut gepflegter Grünflächen findet man gewöhnlich in einigen „sicheren“ Gebieten,
jedoch kaum in weniger sichtbaren Zonen, wo die von der Gesellschaft Ausgeschlossenen leben.
46. Zu den sozialen Komponenten der globalen Veränderung gehören auch die Auswirkungen
einiger technologischer Neuerungen auf die Arbeit, die soziale Ausschließung, die Ungleichheit in
der Verfügbarkeit und dem Konsum von Energie und anderen Diensten, die gesellschaftliche
Aufsplitterung, die Zunahme der Gewalt und das Aufkommen neuer Formen sozialer
Aggressivität, der Rauschgifthandel und der steigende Drogenkonsum unter den Jüngsten, der
Verlust der Identität. Das sind unter anderem Zeichen, die zeigen, dass das Wachstum der letzten
beiden Jahrhunderte nicht in allen seinen Aspekten einen wahren ganzheitlichen Fortschritt und
eine Besserung der Lebensqualität bedeutet hat. Einige dieser Zeichen sind zugleich Symptome
eines wirklichen sozialen Niedergangs, eines stillschweigenden Bruchs der Bindungen von
sozialer Integration und Gemeinschaft.
47. Dazu kommen die Dynamiken der Medien und der digitalen Welt, die, wenn sie sich in eine
Allgegenwart verwandeln, nicht die Entwicklung einer Fähigkeit zu weisem Leben, tiefgründigem
Denken und großherziger Liebe begünstigen. Die großen Weisen der Vergangenheit würden in
diesem Kontext Gefahr laufen, dass ihre Weisheit inmitten des zerstreuenden Lärms der
Informationen erlischt. Das verlangt von uns eine Anstrengung, damit diese Medien sich in einer
neuen kulturellen Entwicklung der Menschheit niederschlagen und nicht in einem Verfall ihres
innersten Reichtums. Die wirkliche Weisheit, die aus der Reflexion, dem Dialog und der
großherzigen Begegnung zwischen Personen hervorgeht, erlangt man nicht mit einer bloßen
Anhäufung von Daten, die sättigend und benebelnd in einer Art geistiger Umweltverschmutzung
endet. Zugleich besteht die Tendenz, die realen Beziehungen zu den anderen mit allen
Herausforderungen, die sie beinhalten, durch eine Art von Kommunikation zu ersetzen, die per
Internet vermittelt wird. Das erlaubt, die Beziehungen nach unserem Belieben auszuwählen oder
zu eliminieren, und so pflegt sich eine neue Art künstlicher Gefühlsregungen zu bilden, die mehr
mit Apparaturen und Bildschirmen zu tun haben, als mit den Menschen und der Natur. Die
derzeitigen Medien gestatten, dass wir Kenntnisse und Gemütsbewegungen übermitteln und
miteinander teilen. Trotzdem hindern sie uns manchmal auch, mit der Angst, mit dem Schaudern,
mit der Freude des anderen und mit der Komplexität seiner persönlichen Erfahrung in direkten
Kontakt zu kommen. Darum dürfte es nicht verwundern, dass sich gemeinsam mit dem
überwältigenden Angebot dieser Produkte eine tiefe und wehmütige Unzufriedenheit in den
zwischenmenschlichen Beziehungen oder eine schädliche Vereinsamung breitmacht.
V. WELTWEITE SOZIALE UNGERECHTIGKEIT
48. Die menschliche Umwelt und die natürliche Umwelt verschlechtern sich gemeinsam, und wir
werden die Umweltzerstörung nicht sachgemäß angehen können, wenn wir nicht auf Ursachen
achten, die mit dem Niedergang auf menschlicher und sozialer Ebene zusammenhängen.
Tatsächlich schädigen der Verfall der Umwelt und der der Gesellschaft in besonderer Weise die

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Schwächsten des Planeten: „Sowohl die allgemeine Erfahrung des alltäglichen Lebens als auch
die wissenschaftliche Untersuchung zeigen, dass die schwersten Auswirkungen all dieser
Umweltverletzungen von den Ärmsten erlitten werden.“[26] So beeinträchtigt zum Beispiel die
Erschöpfung des Fischbestands speziell diejenigen, die vom handwerklichen Fischfang leben und
nichts besitzen, um ihn zu ersetzen; die Verschmutzung des Wassers trifft besonders die Ärmsten,
die keine Möglichkeit haben, abgefülltes Wasser zu kaufen, und der Anstieg des Meeresspiegels
geht hauptsächlich die verarmte Küstenbevölkerung an, die nichts haben, wohin sie umziehen
können. Die Auswirkung der aktuellen Formen von Unordnung zeigt sich auch im vorzeitigen
Sterben vieler Armer, in den Konflikten, die durch Mangel an Ressourcen hervorgerufen werden,
und in vielen anderen Problemen, die keinen ausreichenden Platz auf der Tagesordnung der Welt
haben.[27]
49. Ich möchte darauf hinweisen, dass man gewöhnlich keine klare Vorstellung von den
Problemen hat, die besonders die Ausgeschlossenen heimsuchen. Sie sind der größte Teil des
Planeten, Milliarden von Menschen. Heute kommen sie in den internationalen politischen und
wirtschaftlichen Debatten vor, doch oft scheint es, dass ihre Probleme gleichsam als ein
Anhängsel angegangen werden, wie eine Frage, die man fast pflichtgemäß oder ganz am Rande
anfügt, wenn man sie nicht als bloßen Kollateralschaden betrachtet. Tatsächlich bleiben sie im
Moment der konkreten Verwirklichung oft auf dem letzten Platz. Das ist zum Teil darauf
zurückzuführen, dass viele Akademiker, Meinungsmacher, Medien- und Machtzentren weit von
ihnen entfernt angesiedelt sind, in abgeschlossenen Stadtbereichen, ohne in direkten Kontakt mit
ihren Problemen zu kommen. Sie leben und denken von der Annehmlichkeit einer
Entwicklungsstufe und einer Lebensqualität aus, die für die Mehrheit der Weltbevölkerung
unerreichbar sind. Dieser Mangel an physischem Kontakt und an Begegnung, der manchmal
durch die Desintegration unserer Städte begünstigt wird, trägt dazu bei, das Gewissen zu
„kauterisieren“ und einen Teil der Realität in tendenziösen Analysen zu ignorieren. Das geht
zuweilen Hand in Hand mit „grünen“ Reden. Wir kommen jedoch heute nicht umhin
anzuerkennen, dass ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz
verwandelt, der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussionen aufnehmen muss, um die Klage der
Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde.
50. Anstatt die Probleme der Armen zu lösen und an eine andere Welt zu denken, haben einige
nichts anderes vorzuschlagen als eine Reduzierung der Geburtenrate. Es fehlt nicht an
internationalem Druck auf die Entwicklungsländer, indem wirtschaftliche Hilfen von gewissen
politischen Entscheidungen zugunsten der „Fortpflanzungsgesundheit“ abhängig gemacht werden.
Doch „wenn es zutrifft, dass die ungleiche Verteilung der Bevölkerung und der verfügbaren
Ressourcen die Entwicklung und den vertretbaren Umgang mit der Umwelt behindern, muss auch
anerkannt werden, dass eine wachsende Bevölkerung mit einer umfassenden und solidarischen
Entwicklung voll und ganz zu vereinbaren ist“.[28] Die Schuld dem Bevölkerungszuwachs und
nicht dem extremen und selektiven Konsumverhalten einiger anzulasten, ist eine Art, sich den
Problemen nicht zu stellen. Es ist der Versuch, auf diese Weise das gegenwärtige Modell der

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Verteilung zu legitimieren, in dem eine Minderheit sich für berechtigt hält, in einem Verhältnis zu
konsumieren, das unmöglich verallgemeinert werden könnte, denn der Planet wäre nicht einmal
imstande, die Abfälle eines solchen Konsums zu fassen. Außerdem wissen wir, dass etwa ein
Drittel der produzierten Lebensmittel verschwendet wird, und dass „Nahrung, die weggeworfen
wird, gleichsam vom Tisch des Armen […] geraubt wird“.[29] Auf jeden Fall steht fest, dass das
Ungleichgewicht in der Verteilung der Bevölkerung über das Territorium sowohl auf nationaler als
auch auf globaler Ebene beachtet werden muss, denn der Anstieg des Konsums würde zu
komplexen regionalen Situationen führen wegen der Kombination von Problemen, die unter
anderem mit der Umweltverschmutzung, dem Verkehrswesen, der Handhabung der Abfälle, dem
Verlust der Ressourcen und der Lebensqualität verbunden sind.
51. Die soziale Ungerechtigkeit geht nicht nur Einzelne an, sondern ganze Länder, und zwingt
dazu, an eine Ethik der internationalen Beziehungen zu denken. Denn es gibt eine wirkliche
„ökologische Schuld“ – besonders zwischen dem Norden und dem Süden – im Zusammenhang
mit Ungleichgewichten im Handel und deren Konsequenzen im ökologischen Bereich wie auch mit
dem im Laufe der Geschichte von einigen Ländern praktizierten unproportionierten Verbrauch der
natürlichen Ressourcen. Der Export einiger Rohstoffe, um die Märkte im industrialisierten Norden
zu befriedigen, hat örtliche Schäden verursacht wie die Quecksilbervergiftung in den Goldminen
oder die Vergiftung mit Schwefeldioxid im Bergbau zur Kupfergewinnung. Besonders muss man
der Tatsache Rechnung tragen, dass der Umweltbereich des gesamten Planeten zur „Entsorgung“
gasförmiger Abfälle gebraucht wird, die sich im Laufe von zwei Jahrhunderten angesammelt und
eine Situation geschaffen haben, die nunmehr alle Länder der Welt in Mitleidenschaft zieht. Die
Erwärmung, die durch den enormen Konsum einiger reicher Länder verursacht wird, hat
Auswirkungen in den ärmsten Zonen der Erde, besonders in Afrika, wo der Temperaturanstieg
vereint mit der Dürre verheerende Folgen für den Ertrag des Ackerbaus hat. Dazu kommen die
Schäden, die durch die Exportierung fester und flüssiger toxischer Abfälle in die
Entwicklungsländer und durch die umweltschädigende Aktivität von Unternehmen verursacht
werden, die in den weniger entwickelten Ländern tun, was sie in den Ländern, die ihnen das
Kapital bringen, nicht tun können: „Wir stellen fest, dass es häufig multinationale Unternehmen
sind, die so handeln und hier tun, was ihnen in den entwickelten Ländern bzw. in der sogenannten
Ersten Welt nicht erlaubt ist. Im Allgemeinen bleiben bei der Einstellung ihrer Aktivitäten und ihrem
Rückzug große Schulden gegenüber Mensch und Umwelt zurück wie Arbeitslosigkeit, Dörfer ohne
Leben, Erschöpfung einiger natürlicher Reserven, Entwaldung, Verarmung der örtlichen
Landwirtschaft und Viehzucht, Krater, eingeebnete Hügel, verseuchte Flüsse und einige wenige
soziale Werke, die nicht mehr unterhalten werden können.“[30]
52. Die Auslandsverschuldung der armen Länder ist zu einem Kontrollinstrument geworden, das
Gleiche gilt aber nicht für die ökologische Schuld. Auf verschiedene Weise versorgen die weniger
entwickelten Völker, wo sich die bedeutendsten Reserven der Biosphäre befinden, weiter die
Entwicklung der reichsten Länder, auf Kosten ihrer eigenen Gegenwart und Zukunft. Der
Erdboden der Armen im Süden ist fruchtbar und wenig umweltgeschädigt, doch in den Besitz

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dieser Güter und Ressourcen zu gelangen, um ihre Lebensbedürfnisse zu befriedigen, ist ihnen
verwehrt durch ein strukturell perverses System von kommerziellen Beziehungen und
Eigentumsverhältnissen. Es ist notwendig, dass die entwickelten Länder zur Lösung dieser Schuld
beitragen, indem sie den Konsum nicht erneuerbarer Energie in bedeutendem Maß einschränken
und Hilfsmittel in die am meisten bedürftigen Länder bringen, um politische Konzepte und
Programme für eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen. Die ärmsten Regionen und Länder
besitzen weniger Möglichkeiten, neue Modelle zur Reduzierung der Umweltbelastung
anzuwenden, denn sie haben nicht die Qualifikation, um die notwendigen Verfahren zu entwickeln,
und können die Kosten nicht abdecken. Darum muss man deutlich im Bewusstsein behalten, dass
es im Klimawandel diversifizierte Verantwortlichkeiten gibt, und sich – wie die Bischöfe der
Vereinigten Staaten sagten – entsprechend „besonders auf die Bedürfnisse der Armen, der
Schwachen und der Verletzlichen konzentrieren, in einer Debatte, die oftmals von den
mächtigeren Interessen beherrscht ist“.[31] Wir müssen uns stärker bewusst machen, dass wir
eine einzige Menschheitsfamilie sind. Es gibt keine politischen oder sozialen Grenzen und
Barrieren, die uns erlauben, uns zu isolieren, und aus ebendiesem Grund auch keinen Raum für
die Globalisierung der Gleichgültigkeit.
VI. DIE SCHWÄCHE DER REAKTIONEN
53. Diese Situationen rufen das Stöhnen der Schwester Erde hervor, die sich dem Stöhnen der
Verlassenen der Welt anschließt, mit einer Klage, die von uns einen Kurswechsel verlangt.
Niemals haben wir unser gemeinsames Haus so schlecht behandelt und verletzt wie in den letzten
beiden Jahrhunderten. Doch wir sind berufen, die Werkzeuge Gottes des Vaters zu sein, damit
unser Planet das sei, was Er sich erträumte, als Er ihn erschuf, und seinem Plan des Friedens,
der Schönheit und der Fülle entspreche. Das Problem ist, dass wir noch nicht über die Kultur
verfügen, die es braucht, um dieser Krise entgegenzutreten. Es ist notwendig, leaderships zu
bilden, die Wege aufzeigen, indem sie versuchen, die Bedürfnisse der gegenwärtigen
Generationen unter Einbeziehung aller zu berücksichtigen, ohne die kommenden Generationen zu
beeinträchtigen. Es wird unerlässlich, ein Rechtssystem zu schaffen, das unüberwindliche
Grenzen enthält und den Schutz der Ökosysteme gewährleistet, bevor die neuen Formen der
Macht, die sich von dem techno-ökonomischen Paradigma herleiten, schließlich nicht nur die
Politik zerstören, sondern sogar die Freiheit und die Gerechtigkeit.
54. Auffallend ist die Schwäche der internationalen politischen Reaktion. Die Unterwerfung der
Politik unter die Technologie und das Finanzwesen zeigt sich in der Erfolglosigkeit der Weltgipfel
über Umweltfragen. Es gibt allzu viele Sonderinteressen, und leicht gelingt es dem wirtschaftlichen
Interesse, die Oberhand über das Gemeinwohl zu gewinnen und die Information zu manipulieren,
um die eigenen Pläne nicht beeinträchtigt zu sehen. In diesem Sinn fordert das Dokument von
Aparecida, „dass bei den Eingriffen in die natürlichen Ressourcen nicht die Interessen von
Wirtschaftskreisen den Vorrang haben dürfen, die […] auf irrationale Weise die Quellen des
Lebens vernichten“.[32] Das Bündnis von Wirtschaft und Technologie klammert am Ende alles

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aus, was nicht zu seinen unmittelbaren Interessen gehört. So könnte man nur einige
oberflächliche Deklamationen, vereinzelte menschenfreundliche Aktionen und sogar
Bemühungen, Sensibilität für die Umwelt zu zeigen, erwarten, wobei in Wirklichkeit jeder beliebige
Versuch der sozialen Organisationen, die Dinge zu ändern, als ein von romantischen Schwärmern
verursachtes Ärgernis oder als Hindernis angesehen wird, das zu umgehen ist.
55. Nach und nach können einige Länder bedeutende Fortschritte, die Entwicklung von
wirksameren Kontrollen und einen aufrichtigeren Kampf gegen die Korruption aufweisen. Es gibt
mehr ökologisches Empfinden in der Bevölkerung, auch wenn es nicht reicht, um die schädlichen
Konsumgewohnheiten zu ändern, die nicht nachzulassen scheinen, sondern sich verbreiten und
entwickeln. Das ist es – um nur ein einfaches Beispiel zu bringen –, was mit dem ständig
zunehmenden Gebrauch und der steigenden Intensität der Klimaanlagen geschieht. Die Märkte,
die davon unmittelbar profitieren, regen die Nachfrage immer noch mehr an. Wenn jemand die
Erdenbewohner von außen beobachten würde, würde er sich über ein solches Verhalten wundern,
das bisweilen selbstmörderisch erscheint.
56. Indessen fahren die Wirtschaftsmächte fort, das aktuelle weltweite System zu rechtfertigen, in
dem eine Spekulation und ein Streben nach finanziellem Ertrag vorherrschen, die dazu neigen,
den gesamten Kontext wie auch die Wirkungen auf die Menschenwürde und die Umwelt zu
ignorieren. So wird deutlich, dass die Verschlechterung der Umweltbedingungen und die
Verschlechterung im menschlichen und ethischen Bereich eng miteinander verbunden sind. Viele
werden sagen, dass sie sich nicht bewusst sind, unmoralisch zu handeln, denn die ständige
Ablenkung nimmt uns den Mut, der Wirklichkeit einer begrenzten und vergänglichen Welt ins Auge
zu schauen. Daher bleibt heute „alles Schwache wie die Umwelt wehrlos gegenüber den
Interessen des vergötterten Marktes, die zur absoluten Regel werden“.[33]
57. Es ist vorhersehbar, dass angesichts der Erschöpfung einiger Ressourcen eine Situation
entsteht, die neue Kriege begünstigt, die als eine Geltendmachung edler Ansprüche getarnt
werden. Der Krieg verursacht immer schwere Schäden für die Umwelt wie für den kulturellen
Reichtum der Bevölkerungen, und die Risiken wachsen ins Ungeheure, wenn man an die
nuklearen und die biologischen Waffen denkt. Denn „obwohl internationale Vereinbarungen den
chemischen, bakteriologischen und biologischen Krieg verbieten, ist es eine Tatsache, dass in den
Laboratorien die Forschung für die Entwicklung neuer Angriffswaffen fortgesetzt wird, die
imstande sind, die natürlichen Gleichgewichte zu verändern“.[34] Von Seiten der Politik ist eine
größere Aufmerksamkeit nötig, um den Situationen, die neue Konflikte verursachen können,
zuvorzukommen und sie zu lösen. Doch die mit dem Finanzwesen verbundene Macht ist das, was
sich am meisten gegen solche Bemühungen sträubt, und die politischen Pläne sind gewöhnlich
nicht weitblickend. Warum möchte man heute eine Macht bewahren, die in die Erinnerung
eingehen wird wegen ihrer Unfähigkeit einzugreifen, als es dringend und notwendig war?
58. In einigen Ländern gibt es positive Beispiele von Erfolgen bei der Umweltverbesserung, wie

3 Pages 21-30

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3.1 Page 21

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21
die Reinigung verschiedener Flüsse, die viele Jahrzehnte lang verseucht waren, oder die
Rückgewinnung von einheimischen Wäldern oder die Verschönerung von Landschaften durch
Umweltsanierung oder architektonische Projekte von großem ästhetischem Wert oder Fortschritte
in der Produktion umweltfreundlicher Energie, in der Verbesserung des öffentlichen Verkehrs und
anderes. Diese Aktionen lösen nicht die globalen Probleme, bestätigen jedoch, dass der Mensch
noch fähig ist, positiv einzuschreiten. Da er erschaffen ist, um zu lieben, keimen inmitten seiner
Begrenztheiten unweigerlich Gesten der Großherzigkeit, der Solidarität und der Fürsorge auf.
59. Zugleich wuchert eine oberflächliche oder scheinbare Ökologie, die eine gewisse Schläfrigkeit
und eine leichtfertige Verantwortungslosigkeit unterstützt. Wie es in Zeiten tiefer Krise, die mutige
Entscheidungen erfordern, zu gehen pflegt, sind wir versucht zu denken, dass ungewiss ist, was
eigentlich geschieht. Wenn wir auf den äußeren Eindruck schauen, hat es, abgesehen von einigen
sichtbaren Zeichen der Verseuchung und des Verfalls, den Anschein, als seien die Dinge nicht so
schlimm und der Planet könne unter den gegenwärtigen Bedingungen noch lange Zeit
fortbestehen. Diese ausweichende Haltung dient uns, unseren Lebensstil und unsere Produktions-
und Konsumgewohnheiten beizubehalten. Es ist die Weise, wie der Mensch sich die Dinge
zurechtlegt, um all die selbstzerstörerischen Laster zu pflegen: Er versucht, sie nicht zu sehen,
kämpft, um sie nicht anzuerkennen, schiebt die wichtigen Entscheidungen auf und handelt, als ob
nichts passieren werde.
VII. DIE UNTERSCHIEDLICHKEIT DER MEINUNGEN
60. Schließlich erkennen wir an, dass sich in Bezug auf die Situation und die möglichen Lösungen
unterschiedliche Sichtweisen und gedankliche Richtungen entwickelt haben. Im einen Extrem
vertreten einige um jeden Preis den Mythos des Fortschritts und behaupten, dass sich die
ökologischen Probleme einfach mit neuen technischen Programmen lösen werden, ohne ethische
Bedenken und grundlegende Änderungen. Im anderen Extrem ist man der Meinung, der Mensch
könne mit jedem seiner Eingriffe nur eine Bedrohung sein und das weltweite Ökosystem
beeinträchtigen. Deshalb sei es angebracht, seine Präsenz auf dem Planeten zu reduzieren und
ihm jede Art von Eingriff zu verbieten. Zwischen diesen beiden Extremen müssten mögliche
zukünftige Szenerien erdacht werden, denn es gibt nicht nur einen einzigen Lösungsweg. Das
würde Anlass zu verschiedenen Beiträgen geben, die in Dialog treten könnten im Hinblick auf
ganzheitliche Antworten.
61. In Bezug auf viele konkrete Fragen ist es nicht Sache der Kirche, endgültige Vorschläge zu
unterbreiten, und sie versteht, dass sie zuhören und die ehrliche Debatte zwischen den
Wissenschaftlern fördern muss, indem sie die Unterschiedlichkeit der Meinungen respektiert. Es
genügt jedoch, aufrichtig die Realität zu betrachten, um zu sehen, dass unser gemeinsames Haus
stark beschädigt ist. Die Hoffnung lädt uns ein zu erkennen, dass es immer einen Ausweg gibt,
dass wir immer den Kurs neu bestimmen können, dass wir immer etwas tun können, um die
Probleme zu lösen. Allerdings sind allem Anschein nach Symptome eines Bruchs zu bemerken,

3.2 Page 22

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aufgrund der großen Geschwindigkeit der Veränderungen und der Verschlechterung. Diese
zeigen sich sowohl in regionalen Naturkatastrophen als auch in Gesellschafts- oder sogar
Finanzkrisen, da die Probleme der Welt isoliert weder analysiert noch erklärt werden können. Es
gibt Regionen, die bereits in besonderer Gefahr sind, und abgesehen von jeglicher
Katastrophenprognose ist sicher, dass das gegenwärtige weltweite System unter verschiedenen
Gesichtspunkten unhaltbar ist, denn wir haben aufgehört, an den Zweck menschlichen Handelns
zu denken: „Wenn wir die verschiedenen Gegenden des Planeten betrachten, erkennen wir
bedauerlicherweise sofort, dass die Menschheit die Erwartungen Gottes enttäuscht hat.“[35]
ZWEITES KAPITEL
DAS EVANGELIUM VON DER SCHÖPFUNG
62. Warum in dieses, an alle Menschen guten Willens gerichtete Dokument ein Kapitel
aufnehmen, das auf Glaubensüberzeugungen bezogen ist? Ich weiß sehr wohl, dass auf dem
Gebiet der Politik und des Denkens einige mit Nachdruck die Idee eines Schöpfers ablehnen oder
sie als irrelevant betrachten, bis zu dem Punkt, den Reichtum, den die Religionen für eine
ganzheitliche Ökologie und eine volle Entwicklung der Menschheit bieten können, in den Bereich
des Irrationalen zu verweisen. In anderen Fällen geht man davon aus, dass die Religionen eine
Subkultur darstellen, die einfach toleriert werden muss. Dennoch können Wissenschaft und
Religion, die sich von unterschiedlichen Ansätzen aus der Realität nähern, in einen intensiven und
für beide Teile produktiven Dialog treten.
I. DAS LICHT, DAS DER GLAUBE BIETET
63. Wenn wir die Komplexität der ökologischen Krise und ihre vielfältigen Ursachen
berücksichtigen, müssten wir zugeben, dass die Lösungen nicht über einen einzigen Weg, die
Wirklichkeit zu interpretieren und zu verwandeln, erreicht werden können. Es ist auch notwendig,
auf die verschiedenen kulturellen Reichtümer der Völker, auf Kunst und Poesie, auf das innerliche
Leben und auf die Spiritualität zurückzugreifen. Wenn wir wirklich eine Ökologie aufbauen wollen,
die uns gestattet, all das zu sanieren, was wir zerstört haben, dann darf kein Wissenschaftszweig
und keine Form der Weisheit beiseitegelassen werden, auch nicht die religiöse mit ihrer eigenen
Sprache. Zudem ist die katholische Kirche offen für den Dialog mit dem philosophischen Denken,
und das gestattet ihr, verschiedene Synthesen zwischen dem Glauben und der Vernunft
herzustellen. Was die sozialen Fragen betrifft, kann man dies an der Entwicklung der Soziallehre
der Kirche feststellen, die berufen ist, aufgrund der neuen Herausforderungen immer reichhaltiger
zu werden.
64. Andererseits möchte ich – obwohl diese Enzyklika sich einem Dialog mit allen öffnet, um

3.3 Page 23

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23
gemeinsame Wege der Befreiung zu suchen – von Anfang an zeigen, wie die Überzeugungen des
Glaubens den Christen und zum Teil auch anderen Glaubenden wichtige Motivationen für die
Pflege der Natur und die Sorge für die schwächsten Brüder und Schwestern bieten. Wenn die
bloße Tatsache, Mensch zu sein, die Menschen bewegt, die Natur zu pflegen, ein Teil derer sie ja
selber sind, stellen „die Christen insbesondere […] fest, dass ihre Aufgaben im Bereich der
Schöpfung, ihre Pflichten gegenüber der Natur und dem Schöpfer Bestandteil ihres Glaubens
sind“.[36] Deshalb ist es ein Nutzen für die Menschheit und für die Welt, dass wir Gläubigen die
ökologischen Verpflichtungen besser erkennen, die aus unseren Überzeugungen hervorgehen.
II. DIE WEISHEIT DER BIBLISCHEN ERZÄHLUNGEN
65. Ohne hier die gesamte Theologie der Schöpfung zu wiederholen, fragen wir uns, was uns die
großen biblischen Erzählungen über die Beziehung des Menschen zur Welt sagen. In der ersten
Schilderung des Schöpfungswerkes im Buch Genesis schließt der Plan Gottes die Erschaffung
der Menschheit ein. Nach der Erschaffung des Menschen heißt es: „Gott sah alles an, was er
gemacht hatte: Es war sehr gut“ (Gen 1,31). Die Bibel lehrt, dass jeder Mensch aus Liebe
erschaffen wurde, als Abbild Gottes und ihm ähnlich (vgl. Gen 1,26). Diese Aussage macht uns
die unermessliche Würde jedes Menschen deutlich; „er ist nicht bloß etwas, sondern jemand. Er
ist imstande, sich zu erkennen, über sich Herr zu sein, sich in Freiheit hinzugeben und in
Gemeinschaft mit anderen Personen zu treten.“[37] Der heilige Johannes Paul II. erinnerte daran,
dass die ganz besondere Liebe, die der Schöpfer zu jedem Menschen hat, ihm eine unendliche
Würde verleiht.[38] Diejenigen, die sich für die Verteidigung der Menschenwürde einsetzen,
können im christlichen Glauben die tiefsten Argumente für diese Aufgabe finden. Was für eine
wunderbare Gewissheit ist es, dass das Leben eines jeden Menschen sich nicht in einem
hoffnungslosen Chaos verliert, in einer Welt, die dem puren Zufall unterliegt oder Zyklen, die sich
sinnlos wiederholen! Der Schöpfer kann zu jedem von uns sagen: „Noch ehe ich dich im
Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen“ (Jer 1,5). Wir wurden im Herzen Gottes „entworfen“,
und darum gilt: „Jeder von uns ist Frucht eines Gedankens Gottes. Jeder ist gewollt, jeder ist
geliebt, jeder ist gebraucht.“[39]
66. Die Schöpfungsberichte im Buch Genesis enthalten in ihrer symbolischen und narrativen
Sprache tiefgründige Lehren über das Menschsein und seine historische Wirklichkeit. Diese
Erzählungen deuten an, dass sich das menschliche Dasein auf drei fundamentale, eng
miteinander verbundene Beziehungen gründet: die Beziehung zu Gott, zum Nächsten und zur
Erde. Der Bibel zufolge sind diese drei lebenswichtigen Beziehungen zerbrochen, nicht nur
äußerlich, sondern auch in unserem Innern. Dieser Bruch ist die Sünde. Die Harmonie zwischen
dem Schöpfer, der Menschheit und der gesamten Schöpfung wurde zerstört durch unsere
Anmaßung, den Platz Gottes einzunehmen, da wir uns geweigert haben anzuerkennen, dass wir
begrenzte Geschöpfe sind. Diese Tatsache verfälschte auch den Auftrag, uns die Erde zu
„unterwerfen“ (vgl. Gen 1,28) und sie zu „bebauen“ und zu „hüten“ (vgl. Gen 2,15). Als Folge
verwandelte sich die ursprünglich harmonische Beziehung zwischen dem Menschen und der

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24
Natur in einen Konflikt (vgl. Gen 3,17-19). Darum ist es bedeutungsvoll, dass die Harmonie, in der
der heilige Franziskus von Assisi mit allen Geschöpfen lebte, als eine Heilung jenes Bruches
interpretiert wurde. Der heilige Bonaventura sagte, dass Franziskus, „da er mit allen Geschöpfen
in Frieden war“, wieder in „den Zustand vor der Ursünde“ gelangte.[40] Weit von diesem Vorbild
entfernt, zeigt sich die Sünde heute mit all ihrer Zerstörungskraft in den Kriegen, in den
verschiedenen Formen von Gewalt und Misshandlung, in der Vernachlässigung der Schwächsten
und in den Angriffen auf die Natur.
67. Wir sind nicht Gott. Die Erde war schon vor uns da und ist uns gegeben worden. Das
gestattet, auf eine Beschuldigung gegenüber dem jüdisch-christlichen Denken zu antworten: Man
hat gesagt, seit dem Bericht der Genesis, der einlädt, sich die Erde zu „unterwerfen“ (vgl. Gen
1,28), werde die wilde Ausbeutung der Natur begünstigt durch die Darstellung des Menschen als
herrschend und destruktiv. Das ist keine korrekte Interpretation der Bibel, wie die Kirche sie
versteht. Wenn es stimmt, dass wir Christen die Schriften manchmal falsch interpretiert haben,
müssen wir heute mit Nachdruck zurückweisen, dass aus der Tatsache, als Abbild Gottes
erschaffen zu sein, und dem Auftrag, die Erde zu beherrschen, eine absolute Herrschaft über die
anderen Geschöpfe gefolgert wird. Es ist wichtig, die biblischen Texte in ihrem Zusammenhang zu
lesen, mit einer geeigneten Hermeneutik, und daran zu erinnern, dass sie uns einladen, den
Garten der Welt zu „bebauen“ und zu „hüten“ (vgl. Gen 2,15). Während „bebauen“ kultivieren,
pflügen oder bewirtschaften bedeutet, ist mit „hüten“ schützen, beaufsichtigen, bewahren,
erhalten, bewachen gemeint. Das schließt eine Beziehung verantwortlicher Wechselseitigkeit
zwischen dem Menschen und der Natur ein. Jede Gemeinschaft darf von der Erde das nehmen,
was sie zu ihrem Überleben braucht, hat aber auch die Pflicht, sie zu schützen und das
Fortbestehen ihrer Fruchtbarkeit für die kommenden Generationen zu gewährleisten. Denn „dem
Herrn gehört die Erde“ (Ps 24,1), ihm gehört letztlich „die Erde und alles, was auf ihr lebt“ (Dtn
10,14). Darum lehnt Gott jeden Anspruch auf absolutes Eigentum ab: „Das Land darf nicht
endgültig verkauft werden; denn das Land gehört mir, und ihr seid nur Fremde und Halbbürger bei
mir“ (Lev 25,23).
68. Diese Verantwortung gegenüber einer Erde, die Gott gehört, beinhaltet, dass der Mensch, der
vernunftbegabt ist, die Gesetze der Natur und die empfindlichen Gleichgewichte unter den
Geschöpfen auf dieser Welt respektiert, „denn er gebot, und sie waren erschaffen. Er stellte sie
hin für immer und ewig, er gab ihnen ein Gesetz, das sie nicht übertreten“ (Ps 148,5b-6). Daher
kommt es, dass die biblische Gesetzessammlung sich damit aufhält, dem Menschen verschiedene
Vorschriften nicht nur in Beziehung zu den anderen Menschen, sondern auch in Beziehung zu den
anderen Lebewesen zu geben: „Du sollst nicht untätig zusehen, wie ein Esel oder ein Ochse
deines Bruders auf dem Weg zusammenbricht. Du sollst dann nicht so tun, als gingen sie dich
nichts an […] Wenn du unterwegs auf einem Baum oder auf der Erde zufällig ein Vogelnest mit
Jungen oder mit Eiern darin findest und die Mutter auf den Jungen oder auf den Eiern sitzt, sollst
du die Mutter nicht zusammen mit den Jungen herausnehmen“ (Dtn 22,4.6). Auf dieser Linie wird
die Ruhe am siebten Tag nicht nur für den Menschen vorgeschrieben, sondern auch, „damit dein

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25
Rind und dein Esel ausruhen“ (Ex 23,12). Auf diese Weise bemerken wir, dass die Bibel keinen
Anlass gibt für einen despotischen Anthropozentrismus, der sich nicht um die anderen Geschöpfe
kümmert.
69. Während wir die Dinge in verantwortlicher Weise gebrauchen dürfen, sind wir zugleich
aufgerufen zu erkennen, dass die anderen Lebewesen vor Gott einen Eigenwert besitzen und ihn
„schon allein durch ihr Dasein preisen und verherrlichen“[41], denn der Herr freut sich seiner
Werke (vgl. Ps 104,31). Gerade wegen seiner einzigartigen Würde und weil er mit Vernunft begabt
ist, ist der Mensch aufgerufen, die Schöpfung mit ihren inneren Gesetzen zu respektieren, denn
„der Herr hat die Erde mit Weisheit gegründet“ (Spr 3,19). Heute sagt die Kirche nicht einfach,
dass die anderen Geschöpfe dem Wohl des Menschen völlig untergeordnet sind, als besäßen sie
in sich selbst keinen Wert und wir könnten willkürlich über sie verfügen. Darum lehren die Bischöfe
Deutschlands: Bei den anderen Geschöpfen „könnte man von einem Vorrang des Seins vor dem
Nützlichsein sprechen.“[42] Der Katechismus erörtert das, was ein fehlgeleiteter
Anthropozentrismus wäre, auf sehr direkte und nachdrückliche Weise: „Jedes Geschöpf besitzt
seine eigene Güte und Vollkommenheit […] Die unterschiedlichen Geschöpfe spiegeln in ihrem
gottgewollten Eigensein, jedes auf seine Art, einen Strahl der unendlichen Weisheit und Güte
Gottes wider. Deswegen muss der Mensch die gute Natur eines jeden Geschöpfes achten und
sich hüten, die Dinge gegen ihre Ordnung zu gebrauchen.“[43]
70. In der Erzählung von Kain und Abel sehen wir, dass die Eifersucht Kain dazu führte, das
extreme Unrecht gegen seinen Bruder zu verüben. Das wiederum verursachte einen Bruch der
Beziehung zwischen Kain und Gott sowie zwischen Kain und dem Land, aus dem er vertrieben
wurde. Diese Textstelle ist in dem dramatischen Gespräch Gottes mit Kain zusammengefasst.
Gott fragt: „Wo ist dein Bruder Abel?“ Kain antwortet, er wisse es nicht, und Gott beharrt: „Was
hast du getan? Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden. So bist du verflucht,
verbannt vom Ackerboden“ (Gen 4,9-11). Die Unachtsamkeit in dem Bemühen, eine
angemessene Beziehung zu meinem Nächsten zu pflegen und zu erhalten, für den ich sorgen und
den ich behüten muss, zerstört meine innere Beziehung zu mir selbst, zu den anderen, zu Gott
und zur Erde. Wenn alle diese Beziehungen vernachlässigt werden, wenn die Gerechtigkeit nicht
mehr im Lande wohnt, dann – sagt uns die Bibel – ist das gesamte Leben in Gefahr. Das ist es,
was uns die Erzählung von Noach lehrt, als Gott droht, die Menschheit zu vernichten wegen ihrer
andauernden Unfähigkeit, entsprechend den Anforderungen von Gerechtigkeit und Frieden zu
leben: „Ich sehe, das Ende aller Wesen aus Fleisch ist da; denn durch sie ist die Erde voller
Gewalttat“ (Gen 6,13). In diesen so alten, an tiefem Symbolismus überreichen Erzählungen war
schon eine heutige Überzeugung enthalten: dass alles aufeinander bezogen ist und dass die
echte Sorge für unser eigenes Leben und unsere Beziehungen zur Natur nicht zu trennen ist von
der Brüderlichkeit, der Gerechtigkeit und der Treue gegenüber den anderen.
71. Obwohl „auf der Erde die Schlechtigkeit des Menschen zunahm“ (Gen 6,5) und es Gott „reute
[…], auf der Erde den Menschen gemacht zu haben“ (Gen 6,6), entschied er doch, über Noach,

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der noch rechtschaffen und gerecht geblieben war, einen Weg zur Rettung zu öffnen. So gab er
der Menschheit die Möglichkeit zu einem neuen Anfang. Ein guter Mensch ist genug, um die
Hoffnung nicht untergehen zu lassen! Die biblische Überlieferung legt deutlich fest, dass diese
Wiederherstellung die Wiederentdeckung und die Achtung der Rhythmen einschließt, die durch
die Hand des Schöpfers in die Natur eingeschrieben sind. Das zeigt sich zum Beispiel im
Sabbatgebot. Am siebten Tag ruhte Gott von all seinen Werken. Gott gebot Israel, jeden siebten
Tag als Ruhetag, als Sabbat, zu begehen (vgl. Gen 2,2-3; Ex 16,23; 20,10). Außerdem wurde alle
sieben Jahre auch ein Sabbatjahr für Israel und sein Land eingerichtet (vgl. Lev 25,1-4), in dem
man dem Land eine völlige Ruhe gewährte; es wurde nicht gesät und nur geerntet, was zum
Leben und um Gastfreundschaft zu bieten unentbehrlich war (vgl. Lev 25,4-6). Und schließlich
wurde nach sieben Jahreswochen, das heißt nach neunundvierzig Jahren, ein Jubiläum gefeiert,
ein Jahr der allgemeinen Vergebung und der „Freiheit für alle Bewohner des Landes“ (Lev 25,10).
Die Entwicklung dieser Gesetzgebung versuchte, das Gleichgewicht und die Gerechtigkeit in den
Beziehungen des Menschen zu den anderen und zu dem Land, in dem er lebte und das er
bewirtschaftete, sicherzustellen. Zugleich war es aber die Anerkennung der Tatsache, dass das
Geschenk der Erde und ihrer Früchte dem ganzen Volk gehört. Diejenigen, die das Land
bebauten und hüteten, mussten seinen Ertrag teilen, besonders mit den Armen, den Witwen, den
Waisen und den Fremden: „Wenn ihr die Ernte eures Landes einbringt, sollt ihr das Feld nicht bis
zum äußersten Rand abernten. Du sollst keine Nachlese von deiner Ernte halten. In deinem
Weinberg sollst du keine Nachlese halten und die abgefallenen Beeren nicht einsammeln. Du
sollst sie dem Armen und dem Fremden überlassen“ (Lev 19,9-10).
72. Die Psalmen laden den Menschen häufig ein, Gott, den Schöpfer zu preisen, „der die Erde
über den Wassern gegründet hat, denn seine Huld währt ewig“ (Ps 136,6). Doch sie laden auch
die anderen Geschöpfe ein, ihn zu preisen: „Lobt ihn, Sonne und Mond, lobt ihn, all ihr
leuchtenden Sterne; lobt ihn, alle Himmel und ihr Wasser über dem Himmel! Loben sollen sie den
Namen des Herrn; denn er gebot, und sie waren erschaffen“ (Ps 148,3-5). Wir existieren nicht nur
durch die Macht Gottes, sondern vor ihm und vereint mit ihm. Darum beten wir ihn an.
73. Die Schriften der Propheten laden dazu ein, in schwierigen Momenten die Seelenstärke
wiederzuerlangen, indem man den mächtigen Gott betrachtet, der das Universum erschuf. Die
unendliche Macht Gottes führt uns nicht dazu, vor seiner väterlichen Zärtlichkeit zu fliehen, denn
in ihm sind liebevolle Zuneigung und Kraft miteinander verbunden. Tatsächlich beinhaltet jede
gesunde Spiritualität, die göttliche Liebe aufzunehmen und den Herrn zugleich wegen seiner
unendlichen Macht vertrauensvoll anzubeten. In der Bibel ist der Gott, der befreit und rettet,
derselbe, der das Universum erschuf, und diese beiden göttlichen Handlungsweisen sind zutiefst
und untrennbar miteinander verbunden: „Ach, mein Herr und Gott! Du hast Himmel und Erde
erschaffen durch deine große Kraft und deinen hoch erhobenen Arm. Nichts ist dir unmöglich […]
Du hast dein Volk Israel unter Zeichen und Wundern […] aus Ägypten herausgeführt“ (Jer
32,17.21). „Der Herr ist ein ewiger Gott, der die weite Erde erschuf. Er wird nicht müde und matt,
unergründlich ist seine Einsicht. Er gibt dem Müden Kraft, dem Kraftlosen verleiht er große Stärke“

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(Jes 40,28b-29).
74. Die Erfahrung der babylonischen Gefangenschaft verursachte eine geistliche Krise, die eine
Vertiefung des Glaubens an Gott auslöste, indem sie dessen schöpferische Allmacht
verdeutlichte, um das Volk aufzufordern, inmitten seiner unglücklichen Situation die Hoffnung
wiederzugewinnen. Jahrhunderte später, in einem anderen Moment der Prüfung und Verfolgung,
als das römische Reich versuchte, eine absolute Herrschaft durchzusetzen, fanden die Gläubigen
wieder Trost und Hoffnung, indem sie ihr Vertrauen auf den allmächtigen Gott stärkten und
sangen: „Groß und wunderbar sind deine Taten, Herr, Gott und Herrscher über die ganze
Schöpfung. Gerecht und zuverlässig sind deine Wege, du König der Völker!“ (Offb 15,3). Wenn er
das Universum aus dem Nichts erschaffen konnte, kann er auch in dieser Welt eingreifen und jede
Form des Bösen überwinden. Unter solchen Umständen ist das Unrecht nicht unbesiegbar.
75. Wir können nicht eine Spiritualität vertreten, die Gott als den Allmächtigen und den Schöpfer
vergisst. Auf diese Weise würden wir schließlich andere Mächte der Welt anbeten oder uns an die
Stelle des Herrn setzen und uns sogar anmaßen, die von ihm geschaffene Wirklichkeit unbegrenzt
mit Füßen zu treten. Die beste Art, den Menschen auf seinen Platz zu verweisen und seinem
Anspruch, ein absoluter Herrscher über die Erde zu sein, ein Ende zu setzen, besteht darin, ihm
wieder die Figur eines Vaters vor Augen zu stellen, der Schöpfer und einziger Eigentümer der
Welt ist. Denn andernfalls wird der Mensch immer dazu neigen, der Wirklichkeit seine eigenen
Gesetze und Interessen aufzuzwingen.
III. DAS GEHEIMNIS DES UNIVERSUMS
76. Von „Schöpfung“ zu sprechen ist für die jüdisch-christliche Überlieferung mehr als von Natur
zu sprechen, denn es hat mit einem Plan der Liebe Gottes zu tun, wo jedes Geschöpf einen Wert
und eine Bedeutung besitzt. Die Natur wird gewöhnlich als ein System verstanden, das man
analysiert, versteht und handhabt, doch die Schöpfung kann nur als ein Geschenk begriffen
werden, das aus der offenen Hand des Vaters aller Dinge hervorgeht, als eine Wirklichkeit, die
durch die Liebe erleuchtet wird, die uns zu einer allumfassenden Gemeinschaft zusammenruft.
77. „Durch das Wort des Herrn wurden die Himmel geschaffen“ (Ps 33,6). So wird uns gezeigt,
dass die Welt aus einer Entscheidung hervorging, nicht aus dem Chaos oder der Zufallswirkung,
und das verleiht ihr noch mehr Würde. Es gibt eine freie Entscheidung, die in dem schöpferischen
Wort ausgedrückt ist. Das Universum entstand nicht als Ergebnis einer willkürlichen Allmacht,
einer Demonstration von Kraft oder eines Wunsches nach Selbstbestätigung. Die Schöpfung ist in
der Ordnung der Liebe angesiedelt. Die Liebe Gottes ist der fundamentale Beweggrund der
gesamten Schöpfung: „Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du
gemacht hast; denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen“ (Weish 11,24).
Jedes Geschöpf ist also Gegenstand der Zärtlichkeit des Vaters, der ihm einen Platz in der Welt
zuweist. Sogar das vergängliche Leben des unbedeutendsten Wesens ist Objekt seiner Liebe,

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28
und in diesen wenigen Sekunden seiner Existenz umgibt er es mit seinem Wohlwollen. Der heilige
Basilius der Große sagte, dass der Schöpfer auch „die unerschöpfliche Güte“[44] ist, und Dante
Alighieri sprach von der „Liebe, welche die Sonne und die Sterne bewegt“.[45] Daher steigt man
von den geschaffenen Werken Gottes auf „zu seiner liebevollen Barmherzigkeit“.[46]
78. Zugleich entmythologisierte das jüdisch-christliche Denken die Natur. Ohne aufzuhören, sie
wegen ihrer Pracht und ihrer Unermesslichkeit zu bewundern, schrieb es ihr keinen göttlichen
Charakter mehr zu. Auf diese Weise wird unsere Verpflichtung ihr gegenüber noch mehr betont.
Eine Rückkehr zur Natur darf nicht auf Kosten der Freiheit und der Verantwortung des Menschen
geschehen, der ein Teil der Welt ist mit der Pflicht, seine eigenen Fähigkeiten auszubauen, um die
Welt zu schützen und ihre Potenzialitäten zu entfalten. Wenn wir den Wert und die
Zerbrechlichkeit der Natur erkennen und zugleich die Fähigkeiten, die der Schöpfer uns verliehen
hat, gestattet uns das, heute mit dem modernen Mythos vom unbegrenzten materiellen Fortschritt
Schluss zu machen. Eine zerbrechliche Welt mit einem Menschen, dem Gott sie zur Obhut
anvertraut, appelliert an unsere Vernunft, um zu erkennen, wie wir unsere Macht orientieren,
ausüben und beschränken müssten.
79. In diesem Universum, das aus offenen Systemen gebildet ist, die miteinander in
Kommunikation treten, können wir unzählige Formen von Beziehung und Beteiligung entdecken.
Das führt zu dem Gedanken, dass auch die Gesamtheit offen ist für die Transzendenz Gottes, in
der sie sich entfaltet. Der Glaube gestattet uns, den Sinn und die geheimnisvolle Schönheit des
Geschehens zu interpretieren. Die menschliche Freiheit kann ihren klugen Beitrag zu einer
positiven Entwicklung liefern, aber sie kann auch neue Übel, neue Ursachen von Leiden und
wirkliche Rückschritte hinzufügen. Das veranlasst die spannende und dramatische menschliche
Geschichte, die imstande ist, sich in eine Entfaltung von Freiheit, Wachstum, Erlösung und Liebe
oder in einen Weg des Verfalls und der gegenseitigen Zerstörung zu verwandeln. Darum
beabsichtigt die Kirche mit ihrem Tun, nicht nur an die Pflicht zu erinnern, die Natur zu hüten,
sondern „sie muss vor allem den Menschen gegen seine Selbstzerstörung schützen“.[47]
80. Trotzdem ist Gott, der gemeinsam mit uns handeln und auf unsere Mitarbeit zählen möchte,
auch imstande, manches Gute aus den Übeln zu ziehen, die wir vollbringen, weil „der Heilige
Geist eine unendliche Einfallskraft besitzt, die dem Denken Gottes eigen ist, der auch die
Schwierigkeiten der kompliziertesten und undurchdringlichsten menschlichen Schicksale zu lösen
weiß“.[48] In gewisser Weise wollte er sich selbst beschränken, als er eine Welt schuf, die der
Entwicklung bedarf, wo viele Dinge, die wir als Übel, Gefahren oder Quellen des Leidens
ansehen, in Wirklichkeit Teil der „Geburtswehen“ sind, die uns anregen, mit dem Schöpfer
zusammenzuarbeiten.[49] Er ist im Innersten aller Dinge zugegen, ohne die Autonomie seines
Geschöpfes zu beeinträchtigen, und das gibt auch Anlass zu der legitimen Autonomie der
irdischen Wirklichkeiten.[50] Diese göttliche Gegenwart, die das Fortbestehen und die Entwicklung
allen Seins sicherstellt, „ist die Fortsetzung des Schöpfungsaktes“.[51] Der Geist Gottes erfüllte
das Universum mit Wirkkräften, die gestatten, dass aus dem Innern der Dinge selbst immer etwas

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29
Neues entspringen kann: „Die Natur ist nichts anderes als die Vernunft einer gewissen Kunst,
nämlich der göttlichen, die den Dingen eingeschrieben ist und durch die die Dinge sich auf ein
bestimmtes Ziel zubewegen: so, als könne der Schiffsbauer dem Holz gewähren, dass es sich von
selbst dahin bewegt, die Form des Schiffes anzunehmen.“[52]
81. Obwohl auch der Mensch Entwicklungsprozesse voraussetzt, schließt er etwas Neues ein, das
von der Entwicklung anderer offener Systeme her nicht gänzlich erklärbar ist. Jeder von uns
besitzt in sich eine persönliche Identität, die fähig ist, mit den anderen und mit Gott selbst in Dialog
zu treten. Die Fähigkeit zu Reflexion, Beweisführung, Kreativität, Interpretation und künstlerischem
Schaffen sowie andere, völlig neue Fähigkeiten zeigen eine Besonderheit, die den physischen und
biologischen Bereich überschreitet. Die qualitative Neuheit, die darin besteht, dass im materiellen
Universum ein Wesen auftaucht, das Person ist, setzt ein direktes Handeln Gottes voraus, einen
besonderen Ruf ins Leben und in die Beziehung eines Du zu einem anderen Du. Von den
biblischen Erzählungen her betrachten wir den Menschen als ein Subjekt, das niemals in die
Kategorie des Objektes herabgesetzt werden kann.
82. Doch es wäre auch irrig zu denken, dass die anderen Lebewesen als bloße Objekte
angesehen werden müssen, die der willkürlichen Herrschaft des Menschen unterworfen sind.
Wenn die Natur einzig als Gegenstand des Profits und der Interessen gesehen wird, hat das auch
ernste Folgen in der Gesellschaft. Die Sichtweise, welche die Willkür des Stärksten unterstützt,
hat für die Mehrheit der Menschheit zu unermesslich viel Ungleichheit, Ungerechtigkeit und
Gewalt geführt, denn die Ressourcen gehen dann in den Besitz dessen über, der zuerst ankommt
oder der mächtiger ist: Der Sieger nimmt alles mit. Das Ideal von Harmonie, Gerechtigkeit,
Brüderlichkeit und Frieden, das Jesus vorschlägt, liegt im Gegensatz zu einem solchen Modell,
und so drückte er es im Hinblick auf die Machthaber seiner Zeit aus: „Ihr wisst, dass die Herrscher
ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei
euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein“ (Mt
20,25-26).
83. Das Ziel des Laufs des Universum liegt in der Fülle Gottes, die durch den auferstandenen
Christus – den Angelpunkt des universalen Reifungsprozesses – schon erreicht worden ist.[53] So
fügen wir ein weiteres Argument hinzu, um jede despotische und verantwortungslose Herrschaft
des Menschen über die anderen Geschöpfe abzulehnen. Der letzte Zweck der anderen
Geschöpfe sind nicht wir. Doch alle gehen mit uns und durch uns voran auf das gemeinsame Ziel
zu, das Gott ist, in einer transzendenten Fülle, wo der auferstandene Christus alles umgreift und
erleuchtet. Denn der Mensch, der mit Intelligenz und Liebe begabt ist und durch die Fülle Christi
angezogen wird, ist berufen, alle Geschöpfe zu ihrem Schöpfer zurückzuführen.
IV. DIE BOTSCHAFT EINES JEDEN GESCHÖPFES IN DER HARMONIE DER GESAMTEN
SCHÖPFUNG

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30
84. Wenn wir auf der Aussage bestehen, dass der Mensch ein Abbild Gottes ist, dürfte uns das
nicht vergessen lassen, dass jedes Geschöpf eine Funktion besitzt und keines überflüssig ist. Das
ganze materielle Universum ist ein Ausdruck der Liebe Gottes, seiner grenzenlosen Zärtlichkeit
uns gegenüber. Der Erdboden, das Wasser, die Berge – alles ist eine Liebkosung Gottes. Die
Geschichte der eigenen Freundschaft mit Gott entwickelt sich immer in einem geographischen
Raum, der sich in ein ganz persönliches Zeichen verwandelt, und jeder von uns bewahrt in seinem
Gedächtnis Orte, deren Erinnerung ihm sehr gut tut. Wer in den Bergen aufgewachsen ist oder
wer sich als Kind zum Trinken am Bach niedergesetzt hat oder wer auf dem Platz in seinem
Wohnviertel gespielt hat, fühlt sich, wenn er an diese Orte zurückkehrt, gerufen, seine eigene
Identität wiederzuerlangen.
85. Gott hat ein kostbares Buch geschrieben, dessen „Buchstaben von der Vielzahl der im
Universum vertretenen Geschöpfe gebildet werden“.[54] Gut haben die Bischöfe von Kanada zum
Ausdruck gebracht, dass kein Geschöpf von diesem Sich-Kundtun Gottes ausgeschlossen ist:
„Von den weitesten Panoramablicken bis zur winzigsten Lebensform ist die Natur eine ständige
Quelle für Verwunderung und Ehrfurcht. Sie ist auch eine fortwährende Offenbarung des
Göttlichen.“[55] Die Bischöfe von Japan äußerten ihrerseits einen sehr reizvollen Gedanken:
„Wahrzunehmen, wie jedes Geschöpf den Hymnus seiner Existenz singt, bedeutet, freudig in der
Liebe Gottes und in der Hoffnung zu leben.“[56] Diese Betrachtung der Schöpfung erlaubt uns,
durch jedes Ding irgendeine Lehre zu entdecken, die Gott uns übermitteln möchte, denn „die
Schöpfung zu betrachten bedeutet für den Gläubigen auch, eine Botschaft zu hören, eine
paradoxe und lautlose Stimme wahrzunehmen“.[57] So können wir sagen: „Neben der
eigentlichen, in der Heiligen Schrift enthaltenen Offenbarung tut sich Gott auch im Strahlen der
Sonne und im Anbruch der Nacht kund.“[58] Wenn der Mensch auf dieses Sich-Kundtun achtet,
lernt er, in der Beziehung zu den anderen Geschöpfen sich selbst zu erkennen: „Ich drücke mich
selbst aus, indem ich die Welt zum Ausdruck bringe; ich erkunde meine eigene Sakralität, indem
ich die der Welt zu entschlüsseln suche.“[59]
86. Die Gesamtheit des Universums mit seinen vielfältigen Beziehungen zeigt am besten den
unerschöpflichen Reichtum Gottes. Der heilige Thomas von Aquin hob weise hervor, dass die
Vielfalt und die Verschiedenheit „aus der Absicht des Erstwirkenden“ entspringen, der wollte, dass
„das, was dem einen zur Darstellung der göttlichen Güte fehlt, ersetzt werde durch das
andere“[60], weil seine Güte „durch ein einziges Geschöpf nicht ausreichend dargestellt werden
kann“.[61] Deshalb müssen wir die Verschiedenheit der Dinge in ihren vielfältigen Beziehungen
wahrnehmen.[62] Man versteht also die Bedeutung und den Sinn irgendeines Geschöpfes besser,
wenn man es in der Gesamtheit des Planes Gottes betrachtet. So lehrt der Katechismus: „Die
gegenseitige Abhängigkeit der Geschöpfe ist gottgewollt. Die Sonne und der Mond, die Zeder und
die Feldblume, der Adler und der Sperling – all die unzähligen Verschiedenheiten und
Ungleichheiten besagen, dass kein Geschöpf sich selbst genügt, dass die Geschöpfe nur in
Abhängigkeit voneinander existieren, um sich im Dienst aneinander gegenseitig zu ergänzen.“[63]

4 Pages 31-40

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4.1 Page 31

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31
87. Wenn wir uns bewusst werden, dass in allem, was existiert, der Widerschein Gottes
vorhanden ist, verspüren wir zuinnerst den Wunsch, den Herrn für alle seine Geschöpfe und
gemeinsam mit ihnen anzubeten, wie es in dem wunderschönen Hymnus des heiligen Franziskus
von Assisi zum Ausdruck kommt:
„Gelobt seist du, mein Herr,
mit allen deinen Geschöpfen,
zumal dem Herrn Bruder Sonne*,
welcher der Tag ist und durch den du uns leuchtest.
Und schön ist er und strahlend mit großem Glanz:
von dir, Höchster, ein Sinnbild.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch** Schwester Mond und die Sterne;
am Himmel hast du sie gebildet,
klar und kostbar und schön.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken
und heiteres und jegliches Wetter,
durch das du deinen Geschöpfen Unterhalt gibst.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Wasser,
gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Feuer,
durch das du die Nacht erleuchtest;
und schön ist es und fröhlich und kraftvoll und stark.[64]
88. Die Bischöfe von Brasilien haben betont, dass die gesamte Natur Gott nicht nur kundtut,
sondern auch Ort seiner Gegenwart ist. In jedem Geschöpf wohnt sein lebenspendender Geist,
der uns in eine Beziehung zu ihm ruft.[65] Die Entdeckung dieser Gegenwart regt in uns die
Entwicklung der „ökologischen Tugenden“ an.[66] Doch wenn wir dies sagen, vergessen wir nicht,
dass auch ein unendlicher Abstand besteht und dass die Dinge dieser Welt nicht die Fülle Gottes
besitzen. Andernfalls würden wir den Geschöpfen auch keinen Gefallen tun, denn wir würden
ihnen nicht ihren eigentlichen und wahren Ort zuerkennen und letztlich zu Unrecht von ihnen
erwarten, was sie uns in ihrer Kleinheit nicht geben können.
V. EINE UNIVERSALE GEMEINSCHAFT

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89. Die Geschöpfe dieser Welt können nicht als ein herrenloses Gut betrachtet werden: Alles ist
dein Eigentum, Herr, du Freund des Lebens (vgl. Weish 11,26). Das gibt Anlass zu der
Überzeugung, dass sämtliche Geschöpfe des Universums, da sie von ein und demselben Vater
erschaffen wurden, durch unsichtbare Bande verbunden sind und wir alle miteinander eine Art
universale Familie bilden, eine sublime Gemeinschaft, die uns zu einem heiligen, liebevollen und
demütigen Respekt bewegt. Ich möchte daran erinnern, dass „Gott uns so eng mit der Welt, die
uns umgibt, verbunden [hat], dass die Desertifikation des Bodens so etwas wie eine Krankheit für
jeden Einzelnen ist, und wir […] das Aussterben einer Art beklagen [können], als wäre es eine
Verstümmelung“.[67]
90. Das bedeutet nicht, alle Lebewesen gleichzustellen und dem Menschen jenen besonderen
Wert zu nehmen, der zugleich eine unermessliche Verantwortung mit sich bringt. Es setzt ebenso
wenig eine Vergötterung der Erde voraus, die uns die Berufung entziehen würde, mit ihr
zusammenzuarbeiten und ihre Schwäche zu schützen. Diese Auffassungen würden letztlich neue
Missverhältnisse schaffen, um der Realität zu entfliehen, die uns unmittelbar angeht.[68]
Manchmal bemerkt man eine Versessenheit, dem Menschen jeden Vorrang abzusprechen, und es
wird für andere Arten ein Kampf entfacht, wie wir ihn nicht entwickeln, um die gleiche Würde unter
den Menschen zu verteidigen. Es stimmt, dass wir uns darum kümmern müssen, dass andere
Lebewesen nicht verantwortungslos behandelt werden. Doch in besonderer Weise müssten uns
die Ungerechtigkeiten in Wut versetzen, die unter uns bestehen, denn wir dulden weiterhin, dass
einige sich für würdiger halten als andere. Wir bemerken nicht mehr, dass einige sich in einem
erniedrigenden Elend dahinschleppen ohne wirkliche Möglichkeiten, es zu überwinden, während
andere nicht einmal wissen, was sie mit ihrem Besitz anfangen sollen, voll Eitelkeit eine
vorgebliche Überlegenheit zur Schau stellen und ein Ausmaß an Verschwendung hinter sich
zurücklassen, das unmöglich verallgemeinert werden könnte, ohne den Planeten zu zerstören. Wir
lassen in der Praxis weiterhin zu, dass einige meinen, mehr Mensch zu sein als andere, als wären
sie mit größeren Rechten geboren.
91. Ein Empfinden inniger Verbundenheit mit den anderen Wesen in der Natur kann nicht echt
sein, wenn nicht zugleich im Herzen eine Zärtlichkeit, ein Mitleid und eine Sorge um die Menschen
vorhanden ist. Die Ungereimtheit dessen, der gegen den Handel mit vom Aussterben bedrohten
Tieren kämpft, aber angesichts des Menschenhandels völlig gleichgültig bleibt, die Armen nicht
beachtet oder darauf beharrt, andere Menschen zu ruinieren, die ihm missfallen, ist offensichtlich.
Das bringt den Sinn des Kampfes für die Umwelt in Gefahr. Es ist kein Zufall, dass der heilige
Franziskus in dem Hymnus, in dem er Gott durch dessen Geschöpfe preist, hinzufügt: „Gelobt
seist du, mein Herr, durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen.“ Alles ist miteinander
verbunden. Darum ist eine Sorge für die Umwelt gefordert, die mit einer echten Liebe zu den
Menschen und einem ständigen Engagement angesichts der Probleme der Gesellschaft
verbunden ist.
92. Wenn andererseits das Herz wirklich offen ist für eine universale Gemeinschaft, dann ist nichts

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und niemand aus dieser Geschwisterlichkeit ausgeschlossen. Folglich ist es auch wahr, dass die
Gleichgültigkeit oder die Grausamkeit gegenüber den anderen Geschöpfen dieser Welt sich
letztlich immer irgendwie auf die Weise übertragen, wie wir die anderen Menschen behandeln.
Das Herz ist nur eines, und die gleiche Erbärmlichkeit, die dazu führt, ein Tier zu misshandeln,
zeigt sich unverzüglich auch in der Beziehung zu anderen Menschen. Jegliche Grausamkeit
gegenüber irgendeinem Geschöpf „widerspricht der Würde des Menschen“.[69] Wir können uns
nicht als große Liebende betrachten, wenn wir irgendeinen Teil der Wirklichkeit aus unseren
Interessen ausschließen. „Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung sind drei absolut
miteinander verbundene Themen, die nicht getrennt und einzeln behandelt werden können, ohne
erneut in Reduktionismus zu fallen.“[70] Alles ist aufeinander bezogen, und alle Menschen sind als
Brüder und Schwestern gemeinsam auf einer wunderbaren Pilgerschaft, miteinander verflochten
durch die Liebe, die Gott für jedes seiner Geschöpfe hegt und die uns auch in zärtlicher Liebe mit
„Bruder Sonne“, „Schwester Mond“, Bruder Fluss und Mutter Erde vereint.
VI. DIE GEMEINSAME BESTIMMUNG DER GÜTER
93. Heute sind wir uns unter Gläubigen und Nichtgläubigen darüber einig, dass die Erde im
Wesentlichen ein gemeinsames Erbe ist, dessen Früchte allen zugutekommen müssen. Für die
Gläubigen verwandelt sich das in eine Frage der Treue gegenüber dem Schöpfer, denn Gott hat
die Welt für alle erschaffen. Folglich muss der gesamte ökologische Ansatz eine soziale
Perspektive einbeziehen, welche die Grundrechte derer berücksichtigt, die am meisten
übergangen werden. Das Prinzip der Unterordnung des Privatbesitzes unter die allgemeine
Bestimmung der Güter und daher das allgemeine Anrecht auf seinen Gebrauch ist eine „goldene
Regel“ des sozialen Verhaltens und das „Grundprinzip der ganzen sozialethischen Ordnung“.[71]
Die christliche Tradition hat das Recht auf Privatbesitz niemals als absolut und unveräußerlich
anerkannt und die soziale Funktion jeder Form von Privatbesitz betont. Der heilige Johannes Paul
II. hat mit großem Nachdruck an diese Lehre erinnert und gesagt: „Gott hat die Erde dem ganzen
Menschengeschlecht geschenkt, ohne jemanden auszuschließen oder zu bevorzugen, auf dass
sie alle seine Mitglieder ernähre.“[72] Das sind inhaltsschwere und starke Worte. Er hob hervor,
dass „ein Entwicklungstyp nicht wirklich des Menschen würdig wäre, der nicht auch die
persönlichen und gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Menschenrechte, die Rechte
der Nationen und Völker eingeschlossen, achten und fördern würde“.[73] In aller Deutlichkeit
erklärte er: „Die Kirche verteidigt zwar den berechtigten Anspruch auf Privateigentum, lehrt jedoch
ebenso unmissverständlich, dass jedes Privateigentum immer mit einer »sozialen Hypothek«
belastet ist, damit alle Güter der allgemeinen Bestimmung dienen, die Gott ihnen zugeteilt
hat.“[74] Und er bekräftigte: Es ist also „nicht der Absicht Gottes entsprechend, diese Gabe in
einer Weise zu verwalten, dass ihre Wohltaten nur einigen zugutekommen“.[75] Das stellt die
ungerechten Gewohnheiten eines Teils der Menschheit ernsthaft in Frage.[76]
94. Der Reiche und der Arme besitzen die gleiche Würde, denn „der Herr hat sie alle erschaffen“
(Spr 22,2), „er hat Klein und Groß erschaffen“ (Weish 6,7) und „lässt seine Sonne aufgehen über

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Bösen und Guten“ (Mt 5,45). Das hat praktische Konsequenzen wie die, welche die Bischöfe von
Paraguay darlegten: „Jeder Campesino hat ein natürliches Recht darauf, ein angemessenes Stück
Land zu besitzen, wo er seine Wohnstätte errichten, für den Lebensunterhalt seiner Familie
arbeiten und existentielle Sicherheit haben kann. Dieses Recht muss garantiert werden, damit es
keine Illusion bleibt, sondern konkret angewendet wird. Das bedeutet, dass der Campesino außer
dem Eigentumszertifikat sich auf Mittel technischer Schulung, Kredite, Versicherungen und
Vermarktung verlassen muss.“[77]
95. Die Umwelt ist ein kollektives Gut, ein Erbe der gesamten Menschheit und eine Verantwortung
für alle. Wenn sich jemand etwas aneignet, dann nur, um es zum Wohl aller zu verwalten. Wenn
wir das nicht tun, belasten wir unser Gewissen damit, die Existenz der anderen zu leugnen.
Deshalb haben die Bischöfe von Neuseeland sich gefragt, was das Gebot „du sollst nicht töten“
bedeutet, wenn „zwanzig Prozent der Weltbevölkerung Ressourcen in solchem Maß verbrauchen,
dass sie den armen Nationen und den kommenden Generationen das rauben, was diese zum
Überleben brauchen“.[78]
VII. DER BLICK JESU
96. Jesus übernimmt den biblischen Glauben an den Schöpfergott und betont etwas
Grundlegendes: Gott ist Vater (vgl. Mt 11,25). In den Gesprächen mit seinen Jüngern forderte
Jesus sie auf, die väterliche Beziehung zu erkennen, die Gott zu allen Geschöpfen hat, und
erinnerte sie mit einer rührenden Zärtlichkeit daran, wie jedes von ihnen in seinen Augen wichtig
ist: „Verkauft man nicht fünf Spatzen für ein paar Pfennig? Und doch vergisst Gott nicht einen von
ihnen“ (Lk 12,6). „Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und
sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie“ (Mt 6,26).
97. Der Herr konnte andere auffordern, auf die Schönheit zu achten, die es in der Welt gibt, denn
er selbst war in ständigem Kontakt mit der Natur und widmete ihr eine von Liebe und Staunen
erfüllte Aufmerksamkeit. Wenn er jeden Winkel seines Landes durchstreifte, verweilte er dabei, die
von seinem Vater ausgesäte Schönheit zu betrachten, und lud seine Jünger ein, in den Dingen
eine göttliche Botschaft zu erkennen: „Blickt umher und seht, dass die Felder weiß sind, reif zur
Ernte“ (Joh 4,35). „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn, das ein Mann auf seinen
Acker säte. Es ist das kleinste von allen Samenkörnern; sobald es aber hochgewachsen ist, ist es
größer als die anderen Gewächse und wird zu einem Baum“. (Mt 13,31-32).
98. Jesus lebte in vollkommener Harmonie mit der Schöpfung, und die anderen wunderten sich:
„Was ist das für ein Mensch, dass ihm sogar die Winde und der See gehorchen?“ (Mt 8,27). Er
erschien nicht wie ein weltfremder und den angenehmen Dingen des Lebens feindlich gesonnener
Asket. In Bezug auf sich selbst sagte er: „Der Menschensohn ist gekommen, er isst und trinkt;
darauf sagen sie: Dieser Fresser und Säufer“ (Mt 11,19). Er war weit entfernt von den
Philosophien, die den Leib, die Materie und die Dinge dieser Welt verachteten. Dennoch haben

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diese ungesunden Dualismen im Laufe der Geschichte einen bedeutenden Einfluss auf einige
christliche Denker ausüben können und das Evangelium entstellt. Jesus arbeitete mit seinen
Händen und hatte täglich Kontakt mit der von Gott geschaffenen Materie, um sie mit seinem
handwerklichen Geschick zu gestalten. Es ist auffallend, dass der größte Teil seines Lebens
dieser Aufgabe gewidmet war, in einem einfachen Leben, das keinerlei Bewunderung erregte: „Ist
das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria?“ (Mk 6,3). So heiligte er die Arbeit und verlieh ihr
einen besonderen Wert für unsere Reifung. Der heilige Johannes Paul II. lehrte: „Indem der
Mensch die Mühsal der Arbeit in Einheit mit dem für uns gekreuzigten Herrn erträgt, wirkt er mit
dem Gottessohn an der Erlösung der Menschheit auf seine Weise mit.“[79]
99. Nach dem christlichen Verständnis der Wirklichkeit geht die Bestimmung der gesamten
Schöpfung über das Christusmysterium, das vom Anfang aller Dinge an gegenwärtig ist: „Alles ist
durch ihn und auf ihn hin geschaffen“ (Kol 1,16).[80] Der Prolog des Johannesevangeliums (1,1-
18) zeigt das schöpferische Handeln Christi als des göttlichen Wortes (Lógos). Doch dieser Prolog
überrascht durch seine Behauptung, dass dieses Wort „Fleisch geworden“ ist (Joh 1,14). Eine
Person der Trinität hat sich in den geschaffenen Kosmos eingefügt und ihr Geschick mit ihm
durchlaufen bis zum Kreuz. Vom Anbeginn der Welt, in besonderer Weise jedoch seit der
Inkarnation, wirkt das Christusmysterium geheimnisvoll in der Gesamtheit der natürlichen
Wirklichkeit, ohne deswegen dessen Autonomie zu beeinträchtigen.
100. Das Neue Testament spricht zu uns nicht nur vom irdischen Jesus und seiner so konkreten
und liebevollen Beziehung zur Welt. Es zeigt ihn auch als den Auferstandenen und Verherrlichten,
der mit seiner allumfassenden Herrschaft in der gesamten Schöpfung gegenwärtig ist: „Gott wollte
mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf
Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut.“ (Kol 1,19-
20). Das versetzt uns ans Ende der Zeiten, wenn der Sohn dem Vater alles übergibt und Gott alles
in allem ist (vgl. 1 Kor 15,28). Auf diese Weise erscheinen uns die Geschöpfe dieser Welt nicht
mehr als eine bloß natürliche Wirklichkeit, denn geheimnisvoll umschließt sie der Auferstandene
und richtet sie auf eine Bestimmung der Fülle aus. Die gleichen Blumen des Feldes und die Vögel,
die er mit seinen menschlichen Augen voll Bewunderung betrachtete, sind jetzt erfüllt von seiner
strahlenden Gegenwart.
DRITTES KAPITEL
DIE MENSCHLICHE WURZEL DER ÖKOLOGISCHEN KRISE
101. Es wird uns nicht nützen, die Symptome zu beschreiben, wenn wir nicht die menschliche
Wurzel der ökologischen Krise erkennen. Es gibt ein Verständnis des menschlichen Lebens und
Handelns, das fehlgeleitet ist und der Wirklichkeit widerspricht bis zu dem Punkt, ihr zu schaden.
Warum sollen wir nicht innehalten, um darüber nachzudenken? Bei dieser Überlegung schlage ich

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vor, dass wir uns auf das vorherrschende technokratische Paradigma konzentrieren und auf die
Stellung des Menschen und seines Handelns in der Welt.
I. DIE TECHNOLOGIE: KREATIVITÄT UND MACHT
102. Die Menschheit ist in eine neue Ära eingetreten, in der uns die Macht der Technologie vor
einen Scheideweg stellt. Wir sind die Erben von zwei Jahrhunderten enormer
Veränderungswellen: die Dampfmaschine, die Eisenbahn, der Telegraph, die Elektrizität, das
Automobil, das Flugzeug, die chemischen Industrien, die moderne Medizin, die Informatik und
jüngst die digitale Revolution, die Robotertechnik, die Biotechnologien und die Nanotechnologien.
Es ist recht, sich über diese Fortschritte zu freuen und angesichts der umfangreichen
Möglichkeiten, die uns diese stetigen Neuerungen eröffnen, in Begeisterung zu geraten, da
„Wissenschaft und Technologie ein großartiges Produkt gottgeschenkter Kreativität“[81] sind. Die
Umgestaltung der Natur zu Nützlichkeitszwecken ist für die Menschheit seit ihren Anfängen
charakteristisch, und daher ist die Technik „Ausdruck der Spannung des menschlichen Geistes
auf die schrittweise Überwindung gewisser materieller Bedingtheiten hin“.[82] Die Technologie hat
unzähligen Übeln, die dem Menschen schadeten und ihn einschränkten, Abhilfe geschaffen. Wir
können den technischen Fortschritt nur schätzen und dafür danken, vor allem in der Medizin, in
der Ingenieurwissenschaft und im Kommunikationswesen. Und wie sollte man nicht die
Bemühungen vieler Wissenschaftler und Techniker anerkennen, die Alternativen für eine
nachhaltige Entwicklung beigesteuert haben?
103. Die gut ausgerichtete Technoscience kann nicht nur wirklich wertvolle Dinge produzieren, um
die Lebensqualität des Menschen zu verbessern, von Gebrauchsgegenständen im Haushalt bis zu
wichtigen Verkehrsmitteln, Brücken, Gebäuden, öffentlichen Orten. Sie ist ebenso in der Lage, das
Schöne hervorzubringen und den in die materielle Welt eingetauchten Menschen in die Sphäre
der Schönheit „springen“ zu lassen. Kann man denn die Schönheit eines Flugzeuges oder
mancher Wolkenkratzer leugnen? Es gibt wunderschöne Werke der Malerei und der Musik, die
durch die Verwendung neuer technischer Mittel erzielt wurden. So vollzieht sich bei der Suche des
technischen Erzeugers nach Schönheit und im Betrachter dieser Schönheit ein Sprung in eine
gewisse echt menschliche Fülle.
104. Wir können aber nicht unbeachtet lassen, dass die Nuklearenergie, die Biotechnologie, die
Informatik, die Kenntnis unserer eigenen DNA und andere Fähigkeiten, die wir erworben haben,
uns eine gewaltige Macht verleihen. Besser gesagt, sie geben denen, welche die Kenntnis und vor
allem die wirtschaftliche Macht besitzen, sie einzusetzen, eine beeindruckende Gewalt über die
gesamte Menschheit und die ganze Welt. Nie hatte die Menschheit so viel Macht über sich selbst,
und nichts kann garantieren, dass sie diese gut gebrauchen wird, vor allem wenn man bedenkt, in
welcher Weise sie sich gerade jetzt ihrer bedient. Es genügt, an die Atombomben zu erinnern, die
mitten im 20. Jahrhundert abgeworfen wurden, sowie an den großen technologischen Aufwand,
den der Nationalsozialismus, der Kommunismus und andere totalitäre Regime zur Vernichtung

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von Millionen von Menschen betrieben haben – ohne hierbei zu vergessen, dass heute der Krieg
über immer perfektere todbringende Mittel verfügt. In welchen Händen liegt so viel Macht, und in
welche Hände kann sie gelangen? Es ist überaus gefährlich, dass sie bei einem kleinen Teil der
Menschheit liegt.
105. Man neigt zu der Ansicht, „jede Zunahme an Macht sei einfachhin »Fortschritt«; Erhöhung
von Sicherheit, Nutzen, Wohlfahrt, Lebenskraft, Wertsättigung“[83], als gingen die Wirklichkeit,
das Gute und die Wahrheit spontan aus der technologischen und wirtschaftlichen Macht selbst
hervor. Tatsache ist, dass „der moderne Mensch nicht zum richtigen Gebrauch der Macht erzogen
wird“[84], denn das enorme technologische Wachstum ging nicht mit einer Entwicklung des
Menschen in Verantwortlichkeit, Werten und Gewissen einher. Jede Zeit neigt dazu, eine dürftige
Selbsterkenntnis in Bezug auf die eigenen Grenzen zu entwickeln. Aus diesem Grund ist es
möglich, dass die Menschheit heute nicht den Ernst der Herausforderungen, die sich ihr stellen,
wahrnimmt. „Die Möglichkeit, der Mensch werde die Macht falsch gebrauchen, [wächst]
beständig“, wenn „keine Freiheitsnormen, sondern nur angebliche Notwendigkeiten des Nutzens
und der Sicherheit bestehen“[85]. Der Mensch ist nicht völlig autonom. Seine Freiheit wird krank,
wenn sie sich den blinden Kräften des Unbewussten, der unmittelbaren Bedürfnisse, des
Egoismus und der Gewalt überlässt. In diesem Sinne ist er seiner eigenen Macht, die weiter
wächst, ungeschützt ausgesetzt, ohne die Mittel zu haben, sie zu kontrollieren. Er mag über
oberflächliche Mechanismen verfügen, doch wir können feststellen, dass er heute keine solide
Ethik, keine Kultur und Spiritualität besitzt, die ihm wirklich Grenzen setzen und ihn in einer klaren
Selbstbeschränkung zügeln.
II. DIE GLOBALISIERUNG DES TECHNOKRATISCHEN PARADIGMAS
106. Das Grundproblem ist ein anderes, noch tieferes, nämlich die Art und Weise, wie die
Menschheit tatsächlich die Technologie und ihre Entwicklung zusammen mit einem homogenen
und eindimensionalen Paradigma angenommen hat. Nach diesem Paradigma tritt eine Auffassung
des Subjekts hervor, das im Verlauf des logisch-rationalen Prozesses das außen liegende Objekt
allmählich umfasst und es so besitzt. Dieses Subjekt entfaltet sich, indem es die wissenschaftliche
Methode mit ihren Versuchen aufstellt, die schon explizit eine Technik des Besitzens, des
Beherrschens und des Umgestaltens ist. Es ist, als ob das Subjekt sich dem Formlosen
gegenüber befände, das seiner Manipulation völlig zur Verfügung steht. Es kam schon immer vor,
dass der Mensch in die Natur eingegriffen hat. Aber für lange Zeit lag das Merkmal darin, zu
begleiten, sich den von den Dingen selbst angebotenen Möglichkeiten zu fügen. Es ging darum,
zu empfangen, was die Wirklichkeit der Natur von sich aus anbietet, gleichsam die Hand reichend.
Jetzt hingegen ist das Interesse darauf ausgerichtet, alles, was irgend möglich ist, aus den Dingen
zu gewinnen durch den Eingriff des Menschen, der dazu neigt, die Wirklichkeit dessen, was er vor
sich hat, zu ignorieren oder zu vergessen. Deswegen haben der Mensch und die Dinge aufgehört,
sich freundschaftlich die Hand zu reichen, und sind dazu übergegangen, feindselig einander
gegenüber zu stehen. Von da aus gelangt man leicht zur Idee eines unendlichen und

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grenzenlosen Wachstums, das die Ökonomen, Finanzexperten und Technologen so sehr
begeisterte. Dieses Wachstum setzt aber die Lüge bezüglich der unbegrenzten Verfügbarkeit der
Güter des Planeten voraus, die dazu führt, ihn bis zur Grenze und darüber hinaus „auszupressen“.
Es handelt sich um die irrige Annahme, „dass man über eine unbegrenzte Menge von Energie und
Ressourcen verfügen könne, dass diese sofort erneuerbar und dass die negativen Auswirkungen
der Manipulationen der natürlichen Ordnung problemlos zu beheben seien“.[86]
107. Wir können daher sagen, dass am Beginn vieler Schwierigkeiten der gegenwärtigen Welt vor
allem die – nicht immer bewusste – Neigung steht, die Methodologie und die Zielsetzungen der
Techno-Wissenschaft in ein Verständnismuster zu fassen, welches das Leben der Menschen und
das Funktionieren der Gesellschaft bedingt. Die Auswirkungen der Anwendung dieses Modells auf
die gesamte menschliche und soziale Wirklichkeit können in der Umweltschädigung festgestellt
werden, die allerdings nur ein Zeichen des Reduktionismus ist, der das Leben des Menschen und
die Gesellschaft in allen ihren Dimensionen in Mitleidenschaft zieht. Man muss anerkennen, dass
die von der Technik erzeugten Produkte nicht neutral sind, denn sie schaffen ein Netz, das
schließlich die Lebensstile konditioniert, und lenken die sozialen Möglichkeiten in die Richtung der
Interessen bestimmter Machtgruppen. Gewisse Entscheidungen, die rein sachbezogen
erscheinen, sind in Wirklichkeit Entscheidungen im Hinblick auf die Fortentwicklung des sozialen
Lebens.
108. Es ist nicht an die Möglichkeit zu denken, ein anderes kulturelles Paradigma zu vertreten und
sich der Technik als eines bloßen Instruments zu bedienen. Das technokratische Paradigma ist
nämlich heute so dominant geworden, dass es sehr schwierig ist, auf seine Mittel zu verzichten,
und noch schwieriger, sie zu gebrauchen, ohne von ihrer Logik beherrscht zu werden. Es ist
„kulturwidrig“ geworden, wieder einen Lebensstil mit Zielen zu wählen, die zumindest teilweise von
der Technik, von ihren Kosten und ihrer globalisierenden und vermassenden Macht unabhängig
sein können. In der Tat neigt die Technik dazu, zu versuchen, dass nichts außerhalb ihrer harten
Logik bleibt, und „der Mensch, der sie trägt, weiß, dass es in der Technik letztlich weder um
Nutzen noch um Wohlfahrt geht, sondern um Herrschaft; um eine Herrschaft im äußersten Sinn
des Wortes“.[87] „Er greift“ daher „nach den Elementen der Natur, wie nach denen des
Menschendaseins.“[88] Die Entscheidungsfähigkeit, die ganz authentische Freiheit und der Raum
für die eigenständige Kreativität der Einzelnen nehmen ab.
109. Das technokratische Paradigma tendiert auch dazu, die Wirtschaft und die Politik zu
beherrschen. Die Wirtschaft nimmt jede technologische Entwicklung im Hinblick auf den Ertrag an,
ohne auf mögliche negative Auswirkungen für den Menschen zu achten. Die Finanzen ersticken
die Realwirtschaft. Man hat die Lektionen der weltweiten Finanzkrise nicht gelernt, und nur sehr
langsam lernt man die Lektionen der Umweltschädigung. In manchen Kreisen meint man, dass die
jetzige Wirtschaft und die Technologie alle Umweltprobleme lösen werden, ebenso wie man in
nicht akademischer Ausdrucksweise behauptet, dass die Probleme des Hungers und das Elend in
der Welt sich einfach mit dem Wachstum des Marktes lösen werden. Es handelt sich nicht um

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eine Frage von Wirtschaftstheorien, die vielleicht heute keiner zu verteidigen wagt, sondern um
deren Einbindung in die tatsächliche Entwicklung der Wirtschaft. Auch wer sie zwar nicht in Worte
fasst, unterstützt sie aber doch mit seinen Taten, wenn ein rechtes Ausmaß der Produktion, eine
bessere Verteilung des Reichtums, ein verantwortungsvoller Umgang mit der Natur oder die
Rechte der zukünftigen Generationen ihn nicht zu kümmern scheinen. Mit seinem Verhalten bringt
er zum Ausdruck, dass für ihn das Ziel der Gewinnmaximierung ausreicht. Der Markt von sich aus
gewährleistet aber nicht die ganzheitliche Entwicklung des Menschen und die soziale Inklusion.
[89] Unterdessen verzeichnen wir „eine Art verschwenderische und konsumorientierte
Überentwicklung, die in unannehmbarem Kontrast zu anhaltenden Situationen
entmenschlichenden Elends steht“ [90], und es werden nicht schnell genug wirtschaftliche
Einrichtungen und soziale Programme erarbeitet, die den Ärmsten einen regulären Zugang zu den
Grundressourcen ermöglichen. Man wird nie genug darauf hinweisen können, welches die tiefsten
Wurzeln des gegenwärtigen Ungleichgewichts sind, die mit der Ausrichtung, den Zielen, dem Sinn
und dem sozialen Kontext des technologischen und wirtschaftlichen Wachstums zu tun haben.
110. Die der Technologie eigene Spezialisierung bringt eine große Schwierigkeit mit sich, das
Ganze in den Blick zu nehmen. Die Aufsplitterung des Wissens erfüllt ihre Funktion, wenn sie
konkrete Anwendungen erzielt, führt aber gewöhnlich dazu, den Sinn für die Gesamtheit, für die
zwischen den Dingen bestehenden Beziehungen, für den weiten Horizont zu verlieren, der
irrelevant wird. Genau dies hindert daran, passende Wege zu finden, um die komplexeren
Probleme der gegenwärtigen Welt – vor allem die, welche die Umwelt und die Armen betreffen –
zu lösen, die man nicht von einem einzigen Gesichtspunkt oder von einer einzigen Art des
Interesses aus angehen kann. Eine Wissenschaft, die angeblich Lösungen für die großen Belange
anbietet, müsste notwendigerweise alles aufgreifen, was die Erkenntnis in anderen
Wissensbereichen hervorgebracht hat, einschließlich der Philosophie und der Sozialethik. Das ist
aber eine Leistung, die heutzutage nur schwer erbracht werden kann. Deshalb kann man auch
keine wirklichen ethischen Horizonte erkennen, auf die man sich beziehen könnte. Das Leben
geht dahin, sich den Umständen zu überlassen, die von der Technik geprägt werden, die ihrerseits
als die wesentliche Quelle zur Deutung der Existenz verstanden wird. In der konkreten
Wirklichkeit, die uns entgegentritt, werden verschiedene Symptome sichtbar, die den Irrtum
aufzeigen – wie zum Beispiel die Umweltverschmutzung, die Angst und der Verlust des Lebens-
und Gemeinschaftssinns. So zeigt sich einmal mehr: „Die Wirklichkeit steht über der Idee.“[91]
111. Die ökologische Kultur kann nicht reduziert werden auf eine Serie von dringenden
Teilantworten auf die Probleme, die bezüglich der Umweltschäden, der Erschöpfung der
natürlichen Ressourcen und der Verschmutzung auftreten. Es müsste einen anderen Blick geben,
ein Denken, eine Politik, ein Erziehungsprogramm, einen Lebensstil und eine Spiritualität, die
einen Widerstand gegen den Vormarsch des technokratischen Paradigmas bilden. Andernfalls
können auch die besten ökologischen Initiativen schließlich in derselben globalisierten Logik
stecken bleiben. Einfach nur eine technische Lösung für jedes auftretende Umweltproblem zu
suchen bedeutet, Dinge zu isolieren, die in der Wirklichkeit miteinander verknüpft sind, und die

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wahren und tiefsten Probleme des weltweiten Systems zu verbergen.
112. Es ist jedoch möglich, den Blick wieder zu weiten. Die menschliche Freiheit ist in der Lage,
die Technik zu beschränken, sie zu lenken und in den Dienst einer anderen Art des Fortschritts zu
stellen, der gesünder, menschlicher, sozialer und ganzheitlicher ist. Die Befreiung vom
herrschenden technokratischen Paradigma geschieht tatsächlich in manchen Situationen, zum
Beispiel wenn Gemeinschaften von Kleinproduzenten sich für weniger verschmutzende
Produktionssysteme entscheiden und dabei ein Modell des Lebens, des Wohlbefindens und des
nicht konsumorientierten Miteinanders vertreten; oder wenn die Technik sich vorrangig darauf
ausrichtet, die konkreten Probleme der anderen zu lösen, in dem Wunsch, ihnen zu helfen, in
größerer Würde und in weniger Leid zu leben; oder auch wenn der Wille, Schönes zu schaffen,
und die Betrachtung des Schönen bewirken, dass die Macht, die das Gegenüber nur als Objekt
wahrnimmt, überwunden wird in einer Art Erlösung, die sich im Schönen und in seinem Betrachter
vollzieht. Die echte Menschlichkeit, die zu einer neuen Synthese einlädt, scheint inmitten der
technologischen Zivilisation zu leben – gleichsam unmerklich, wie der Nebel, der unter der
geschlossenen Tür hindurchdringt. Wird sie trotz allem eine fortwährende Verheißung sein, die
wie ein zäher Widerstand des Echten hervorsprießt?
113. Andererseits scheinen die Menschen nicht mehr an eine glückliche Zukunft zu glauben, sie
vertrauen nicht blind auf ein besseres Morgen von der aktuellen Lage der Welt und den
technischen Fähigkeiten her. Sie werden sich der Tatsache bewusst, dass der Fortschritt der
Wissenschaft und der Technik nicht dem Fortschritt der Menschheit und der Geschichte
entspricht, und ahnen, dass die grundlegenden Wege für eine glückliche Zukunft andere sind.
Dennoch denkt man ebenso wenig daran, auf die Möglichkeiten, die die Technik bietet, zu
verzichten. Die Menschheit hat sich tiefgreifend verändert, und die Fülle an ständigen Neuerungen
heiligt eine Flüchtigkeit, die uns über die Oberfläche in eine einzige Richtung mitreißt. Es wird
schwierig für uns, innezuhalten, um die Tiefe des Lebens wiederzugewinnen. Wenn die
Architektur den Geist einer Epoche widerspiegelt, dann bringen die Megabauten und die
serienmäßigen Häuser den Geist der globalisierten Technik zum Ausdruck, in dem sich die
dauernde Neuheit der Produkte mit einer lastenden Langeweile verbindet. Wir wollen uns damit
nicht abfinden und nicht darauf verzichten, uns über den Zweck und den Sinn von allem zu fragen.
Andernfalls würden wir nur die herrschende Situation legitimieren und mehr Surrogate brauchen,
um die Leere auszuhalten.
114. Was gerade vor sich geht, stellt uns vor die Dringlichkeit, in einer mutigen kulturellen
Revolution voranzuschreiten. Wissenschaft und Technologie sind nicht neutral, sondern können
vom Anfang bis zum Ende eines Prozesses verschiedene Absichten und Möglichkeiten enthalten
und sich auf verschiedene Weise gestalten. Niemand verlangt, in die Zeit der Höhlenmenschen
zurückzukehren, es ist aber unerlässlich, einen kleineren Gang einzulegen, um die Wirklichkeit auf
andere Weise zu betrachten, die positiven und nachhaltigen Fortschritte zu sammeln und zugleich
die Werte und die großen Ziele wiederzugewinnen, die durch einen hemmungslosen Größenwahn

5 Pages 41-50

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5.1 Page 41

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41
vernichtet wurden.
III. KRISE UND AUSWIRKUNGEN DES MODERNEN ANTHROPOZENTRISMUS
115. Der moderne Anthropozentrismus hat schließlich paradoxerweise die technische Vernunft
über die Wirklichkeit gestellt, denn „dieser Mensch empfindet die Natur weder als gültige Norm,
noch als lebendige Bergung. Er sieht sie voraussetzungslos, sachlich, als Raum und Stoff für ein
Werk, in das alles hineingeworfen wird, gleichgültig, was damit geschieht.“[92] Auf diese Weise
wird der Wert, den die Welt in sich selbst hat, gemindert. Wenn aber der Mensch seinen wahren
Platz nicht wiederentdeckt, missversteht er sich selbst und widerspricht am Ende seiner eigenen
Wirklichkeit. „Nicht allein die Erde ist von Gott dem Menschen gegeben worden, dass er von ihr
unter Beachtung der ursprünglichen Zielsetzung des Gutes, das ihm geschenkt wurde, Gebrauch
machen soll. Sondern der Mensch ist sich selbst von Gott geschenkt worden; darum muss er die
natürliche und moralische Struktur, mit der er ausgestattet wurde, respektieren.“[93]
116. In der Moderne gab es eine große anthropozentrische Maßlosigkeit, die unter anderer
Gestalt heute weiterhin jeden gemeinsamen Bezug und jeden Versuch, die sozialen Bande zu
stärken, schädigt. Deswegen ist der Moment gekommen, der Wirklichkeit mit den Grenzen, die sie
auferlegt und die ihrerseits die Möglichkeit zu einer gesünderen und fruchtbareren menschlichen
und sozialen Entwicklung bilden, wieder Aufmerksamkeit zu schenken. Eine unangemessene
Darstellung der christlichen Anthropologie konnte dazu führen, eine falsche Auffassung der
Beziehung des Menschen zur Welt zu unterstützen. Häufig wurde ein prometheischer Traum der
Herrschaft über die Welt vermittelt, der den Eindruck erweckte, dass die Sorge für die Natur eine
Sache der Schwachen sei. Die rechte Weise, das Konzept des Menschen als „Herr“ des
Universums zu deuten, besteht hingegen darin, ihn als verantwortlichen Verwalter zu
verstehen.[94]
117. Die mangelnde Sorge, den Schaden an der Natur und die ökologische Auswirkung der
Entscheidungen abzuwägen, spiegelt nur sehr deutlich ein Desinteresse wider, die Botschaft zu
erkennen, die der Natur in ihre eigenen Strukturen eingeschrieben ist. Wenn man schon in der
eigenen Wirklichkeit den Wert eines Armen, eines menschlichen Embryos, einer Person mit
Behinderung – um nur einige Beispiele anzuführen – nicht erkennt, wird man schwerlich die
Schreie der Natur selbst hören. Alles ist miteinander verbunden. Wenn sich der Mensch für
unabhängig von der Wirklichkeit erklärt und als absoluter Herrscher auftritt, bricht seine
Existenzgrundlage selbst zusammen, denn „statt seine Aufgabe als Mitarbeiter Gottes am
Schöpfungswerk zu verwirklichen, setzt sich der Mensch an die Stelle Gottes und ruft dadurch
schließlich die Auflehnung der Natur hervor“.[95]
118. Diese Situation führt uns in eine beständige Schizophrenie, die von der Verherrlichung der
Technokratie, die den anderen Lebewesen keinen Eigenwert zuerkennt, bis zur Reaktion geht,
dem Menschen jeglichen besonderen Wert abzusprechen. Man kann aber nicht von der

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Menschheit absehen. Es wird keine neue Beziehung zur Natur geben ohne einen neuen
Menschen. Es gibt keine Ökologie ohne eine angemessene Anthropologie. Wenn der Mensch
bloß für ein Wesen unter anderen gehalten wird, das aus einem Spiel des Zufalls oder einem
Determinismus der Natur hervorgeht, dann „[droht] in den Gewissen der Menschen das
Verantwortungsbewusstsein abzunehmen“.[96] Ein fehlgeleiteter Anthropozentrismus darf nicht
notwendigerweise einem „Biozentrismus“ den Vortritt lassen, denn dies würde bedeuten, ein
neues Missverhältnis einzubringen, das nicht nur die Probleme nicht lösen, sondern auch andere
hinzufügen würde. Man kann vom Menschen nicht einen respektvollen Einsatz gegenüber der
Welt verlangen, wenn man nicht zugleich seine besonderen Fähigkeiten der Erkenntnis, des
Willens, der Freiheit und der Verantwortlichkeit anerkennt und zur Geltung bringt.
119. Die Kritik am fehlgeleiteten Anthropozentrismus sollte ebenso wenig die Bedeutung der
zwischenmenschlichen Beziehungen in den Hintergrund rücken. Wenn die ökologische Krise ein
Aufbrechen oder ein Sichtbarwerden der ethischen, kulturellen und spirituellen Krise der Moderne
bedeutet, können wir nicht beanspruchen, unsere Beziehung zur Natur und zur Umwelt zu heilen,
ohne alle grundlegenden Beziehungen des Menschen zu heilen. Wenn das christliche Denken
einen besonderen Wert für den Menschen gegenüber den anderen Geschöpfen einfordert, gibt es
Anlass zur Wertschätzung jeder menschlichen Person und fördert so die Anerkennung des
anderen. Die Offenheit auf ein „Du“ hin mit der Fähigkeit, zu erkennen, zu lieben und miteinander
zu sprechen, ist weiterhin der große Adel des Menschen. Deshalb ist es nicht nötig, für eine
angemessene Beziehung zur Schöpfung die soziale Dimension des Menschen abzuschwächen
und ebenso wenig seine transzendente Dimension, seine Offenheit auf das göttliche „Du“ hin.
Denn man kann nicht eine Beziehung zur Umwelt geltend machen, die von den Beziehungen zu
den anderen Menschen und zu Gott isoliert ist. Es wäre ein als ökologische Schönheit getarnter
romantischer Individualismus und ein stickiges Eingeschlossensein in der Immanenz.
120. Da alles in Beziehung steht, ist die Verteidigung der Natur auch nicht mit der Rechtfertigung
der Abtreibung vereinbar. Ein erzieherischer Weg, die Schwachen anzunehmen, die uns umgeben
und die uns manchmal lästig oder ungelegen sind, scheint nicht machbar, wenn man nicht einen
menschlichen Embryo schützt, selbst wenn seine Geburt Grund für Unannehmlichkeiten und
Schwierigkeiten sein sollte: „Wenn der persönliche und gesellschaftliche Sinn für die Annahme
eines neuen Lebens verloren geht, verdorren auch andere, für das gesellschaftliche Leben
hilfreiche Formen der Annahme.“[97]
121. Es steht die Entwicklung einer neuen Synthese aus, welche die falschen Dialektiken der
letzten Jahrhunderte überwindet. Das Christentum selbst denkt in Treue zu seiner Identität und
zum Schatz der Wahrheit, den es von Jesus Christus empfangen hat, stets neu über sich nach
und bringt sich immer wieder im Dialog mit den neuen geschichtlichen Gegebenheiten zum
Ausdruck. So lässt es seine ewige Neuheit erblühen.[98]
Der praktische Relativismus

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122. Ein fehlgeleiteter Anthropozentrismus gibt Anlass zu einem fehlgeleiteten Lebensstil. Im
Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium habe ich auf den praktischen Relativismus Bezug
genommen, der unsere Zeit kennzeichnet und „der noch gefährlicher ist als der, welcher die Lehre
betrifft“.[99] Wenn der Mensch sich selbst ins Zentrum stellt, gibt er am Ende seinen durch die
Umstände bedingten Vorteilen absoluten Vorrang, und alles Übrige wird relativ. Daher dürfte es
nicht verwundern, dass sich mit der Allgegenwart des technokratischen Paradigmas und der
Verherrlichung der grenzenlosen menschlichen Macht in den Menschen dieser Relativismus
entwickelt, bei dem alles irrelevant wird, wenn es nicht den unmittelbaren eigenen Interessen
dient. Darin liegt eine Logik, die uns verstehen lässt, wie sich verschiedene Haltungen gegenseitig
bekräftigen, die zugleich die Schädigung der Umwelt und die der Gesellschaft verursachen.
123. Die Kultur des Relativismus ist die gleiche Krankheit, die einen Menschen dazu treibt, einen
anderen auszunutzen und ihn als ein bloßes Objekt zu behandeln, indem er ihn zu Zwangsarbeit
nötigt oder wegen Schulden zu einem Sklaven macht. Es ist die gleiche Denkweise, die dazu
führt, Kinder sexuell auszubeuten oder alte Menschen, die den eigenen Interessen nicht dienen,
sich selbst zu überlassen. Es ist auch die innere Logik dessen, der sagt: Lassen wir die
unsichtbare Hand des Marktes die Wirtschaft regulieren, da ihre Auswirkungen auf die
Gesellschaft und auf die Natur ein unvermeidbarer Schaden sind. Wenn es weder objektive
Wahrheiten noch feste Grundsätze gibt außer der Befriedigung der eigenen Pläne und der
eigenen unmittelbaren Bedürfnisse – welche Grenzen können dann der Menschenhandel, die
organisierte Kriminalität, der Rauschgifthandel, der Handel mit Blutdiamanten und Fellen von
Tieren, die vom Aussterben bedroht sind, haben? Ist es nicht dieselbe relativistische Denkweise,
die den Erwerb von Organen von Armen rechtfertigt, um sie zu verkaufen oder für Versuche zu
verwenden, oder das „Wegwerfen“ von Kindern, weil sie nicht den Wünschen ihrer Eltern
entsprechen? Es handelt sich um die gleiche Logik des „Einweggebrauchs“, der so viele Abfälle
produziert, nur wegen des ungezügelten Wunsches, mehr zu konsumieren, als man tatsächlich
braucht. Da können wir nicht meinen, dass die politischen Pläne oder die Kraft des Gesetzes
ausreichen werden, um Verhaltensweisen zu vermeiden, die die Umwelt in Mitleidenschaft ziehen.
Denn wenn die Kultur verfällt und man keine objektive Wahrheit oder keine allgemein gültigen
Prinzipien mehr anerkennt, werden die Gesetze nur als willkürlicher Zwang und als Hindernisse
angesehen, die es zu umgehen gilt.
Die Notwendigkeit, die Arbeit zu schützen
124. Bei jedem Ansatz zu einer ganzheitlichen Ökologie, die den Menschen nicht ausschließen
darf, ist es unerlässlich, den Wert der Arbeit einzubeziehen, der vom heiligen Johannes Paul II. in
seiner Enzyklika Laborem exercens sehr klug dargelegt wurde. Erinnern wir uns, dass nach dem
biblischen Schöpfungsbericht Gott den Menschen in den gerade erschaffenen Garten setzte (vgl.
Gen 2,15), nicht nur um das Vorhandene zu bewahren (hüten), sondern um es so zu bearbeiten,
dass es Frucht bringe (bebauen). Auf diese Weise unterstützen die Arbeiter und Handwerker die
ewige Schöpfung (vgl. Sir 38,34 LXX). In der Tat ist das Eingreifen des Menschen, das für die

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vernünftige Entwicklung der Schöpfung sorgt, die angemessene Form, sie zu hüten. Dies schließt
nämlich mit ein, als Werkzeug Gottes seinen Platz einzunehmen, um zu helfen, dass sich die
Möglichkeiten, die Gott selbst in die Dinge hineingelegt hat, entfalten: „Gott bringt aus der Erde
Heilmittel hervor, der Einsichtige verschmähe sie nicht“ (Sir 38,4).
125. Wenn wir darüber nachdenken wollen, welches die angemessenen Beziehungen des
Menschen zu der ihn umgebenden Welt sind, dann ergibt sich die Notwendigkeit, eine richtige
Auffassung von der Arbeit zu haben. Denn wenn wir von der Beziehung des Menschen zu den
Dingen sprechen, taucht die Frage nach dem Sinn und Zweck des menschlichen Handelns an der
Wirklichkeit auf. Wir sprechen nicht nur von der manuellen Arbeit oder der Arbeit mit der Erde,
sondern über jede Tätigkeit, die irgendeine Veränderung des Vorhandenen mit sich bringt, von der
Erstellung eines sozialen Gutachtens bis zur Planung einer technologischen Entwicklung. Jede
Form von Arbeit setzt eine Vorstellung über die Beziehung voraus, die der Mensch mit dem
anderen aufnehmen kann und muss. Die christliche Spiritualität hat zusammen mit dem
betrachtenden Staunen über die Geschöpfe, wie wir es beim heiligen Franziskus von Assisi
finden, auch ein tiefes gesundes Verständnis der Arbeit entwickelt, wie wir es zum Beispiel im
Leben des seligen Charles de Foucauld und seiner Jünger antreffen können.
126. Auch aus der langen monastischen Tradition können wir etwas aufnehmen. Anfangs
begünstigte sie in gewisser Weise die Weltflucht mit der Absicht, der städtischen Dekadenz zu
entfliehen. Daher suchten die Mönche die Wüste, weil sie überzeugt waren, dass dies der
angemessene Ort sei, Gottes Gegenwart zu erkennen. Später empfahl der heilige Benedikt von
Nursia, dass seine Mönche in Gemeinschaften wohnen und dabei das Gebet und das Studium mit
der manuellen Arbeit verbinden sollten („ora et labora“). Diese Einführung der manuellen Arbeit,
die von geistlichem Sinn erfüllt ist, erwies sich als revolutionär. Man lernte, die Reife und Heiligung
in der wechselseitigen Durchdringung von Sammlung und Arbeit zu suchen. Diese Art und Weise,
die Arbeit zu leben, macht uns behutsamer und respektvoller gegenüber der Umwelt und erfüllt
unsere Beziehung zur Welt mit einer gesunden Nüchternheit.
127. Wir sagen, dass „der Mensch Urheber, Mittelpunkt und Ziel allen wirtschaftlichen und
sozialen Lebens“[100] ist. Wenn jedoch im Menschen die Fähigkeit zu betrachten und zu achten
beeinträchtigt wird, entstehen die Voraussetzungen dafür, dass der Sinn der Arbeit entstellt
wird.[101] Es ist nützlich, immer daran zu erinnern, dass der Mensch „fähig“ ist, „in eigener
Verantwortung sein materielles Wohl, seinen sittlichen Fortschritt, seine geistige Entfaltung in die
Hand zu nehmen“.[102] Die Arbeit sollte der Bereich dieser vielseitigen persönlichen Entfaltung
sein, wo viele Dimensionen des Lebens ins Spiel kommen: die Kreativität, die Planung der
Zukunft, die Entwicklung der Fähigkeiten, die Ausübung der Werte, die Kommunikation mit den
anderen, eine Haltung der Anbetung. In der weltweiten sozialen Wirklichkeit von heute ist es daher
über die begrenzten Interessen der Unternehmen und einer fragwürdigen wirtschaftlichen
Rationalität hinaus notwendig, „dass als Priorität weiterhin das Ziel verfolgt wird, allen Zugang zur
Arbeit zu verschaffen“.[103]

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128. Seit unserer Erschaffung sind wir zur Arbeit berufen. Man darf nicht danach trachten, dass
der technologische Fortschritt immer mehr die menschliche Arbeit verdränge, womit die
Menschheit sich selbst schädigen würde. Die Arbeit ist eine Notwendigkeit, sie ist Teil des Sinns
des Lebens auf dieser Erde, Weg der Reifung, der menschlichen Entwicklung und der
persönlichen Verwirklichung. Den Armen mit Geld zu helfen muss in diesem Sinn immer eine
provisorische Lösung sein, um den Dringlichkeiten abzuhelfen. Das große Ziel muss immer sein,
ihnen mittels Arbeit ein würdiges Leben zu ermöglichen. Die Ausrichtung der Wirtschaft hat jedoch
eine Art technologischen Fortschritts begünstigt, die darauf abzielt, die Produktionskosten infolge
der Verringerung der Arbeitsplätze, die durch Maschinen ersetzt werden, zu senken. Es ist eine
weitere Weise, wie das Handeln des Menschen sich gegen ihn selbst wenden kann. Die
Reduzierung der Arbeitsplätze wirkt sich „auch auf wirtschaftlicher Ebene […] negativ aus: durch
fortschreitende Abtragung des »Gesellschaftskapitals« bzw. durch Untergrabung jener Gesamtheit
von Beziehungen, die auf Vertrauen, Zuverlässigkeit und Einhaltung der Regeln gründen und die
unverzichtbar sind für jedes bürgerliche Zusammenleben“.[104] Schließlich: „Der menschliche
Preis ist immer auch ein wirtschaftlicher Preis, und die wirtschaftlichen Missstände fordern immer
auch einen menschlichen Preis.“[105] Aufzuhören, in die Menschen zu investieren, um einen
größeren Sofortertrag zu erzielen, ist ein schlechtes Geschäft für die Gesellschaft.
129. Damit es weiterhin möglich ist, Arbeitsplätze anzubieten, ist es dringend, eine Wirtschaft zu
fördern, welche die Produktionsvielfalt und die Unternehmerkreativität begünstigt. Es gibt zum
Beispiel eine große Mannigfaltigkeit an kleinbäuerlichen Systemen für die Erzeugung von
Lebensmitteln, die weiterhin den Großteil der Weltbevölkerung ernährt, während sie einen
verhältnismäßig niedrigen Anteil des Bodens und des Wassers braucht und weniger Abfälle
produziert, sei es auf kleinen landwirtschaftlichen Flächen oder in Gärten, sei es durch Jagd,
Sammeln von Waldprodukten oder kleingewerbliche Fischerei. Die Größenvorteile, besonders im
Agrarsektor, führen schließlich dazu, dass die kleinen Landwirte gezwungen sind, ihr Land zu
verkaufen oder ihre herkömmlichen Produktionsweisen aufzugeben. Die Versuche einiger von
ihnen, auf andere diversifiziertere Produktionsformen überzugehen, stellen sich am Ende als
nutzlos heraus aufgrund der Schwierigkeit, mit den regionalen oder globalen Märkten in
Verbindung zu kommen, oder weil die Infrastruktur für Verkauf und Transport den großen
Unternehmen zur Verfügung steht. Die Verantwortungsträger haben das Recht und die Pflicht,
Maßnahmen zu ergreifen, um die Kleinproduzenten und die Produktionsvielfalt klar und
nachdrücklich zu unterstützen. Damit es eine wirtschaftliche Freiheit gibt, von der alle effektiv
profitieren, kann es manchmal notwenig sein, denen Grenzen zu setzen, die größere Ressourcen
und finanzielle Macht besitzen. Eine rein theoretische wirtschaftliche Freiheit, bei der aber die
realen Bedingungen verhindern, dass viele sie wirklich erlangen können, und bei der sich der
Zugang zur Arbeit verschlechtert, wird für die Politik zu einem widersprüchlichen Thema, das ihr
nicht zur Ehre gereicht. Die Unternehmertätigkeit, die eine edle Berufung darstellt und darauf
ausgerichtet ist, Wohlstand zu erzeugen und die Welt für alle zu verbessern, kann eine sehr
fruchtbringende Art und Weise sein, die Region zu fördern, in der sie ihre Betriebe errichtet, vor
allem wenn sie versteht, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen ein unausweichlicher Teil ihres

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Dienstes am Gemeinwohl ist.
Die von der Forschung ausgehende biologische Innovation
130. In der philosophischen und theologischen Sicht der Schöpfung, die ich darzulegen versucht
habe, wird klar, dass die menschliche Person mit der Besonderheit ihrer Vernunft und ihrer
Wissenschaft nicht ein äußerer Faktor ist, der völlig ausgeschlossen werden darf. Obschon der
Mensch in die Pflanzen- und Tierwelt eingreifen und sich ihrer bedienen kann, wenn es für sein
Leben notwendig ist, lehrt der Katechismus, dass Tierversuche nur dann legitim sind, „wenn sie in
vernünftigen Grenzen bleiben und dazu beitragen, menschliches Leben zu heilen und zu
retten“.[106] Er erinnert mit Nachdruck daran, dass die menschliche Macht Grenzen hat: „Es
widerspricht der Würde des Menschen, Tiere nutzlos leiden zu lassen und zu töten.“[107] Jede
Nutzung und jedes Experiment „verlangt Ehrfurcht vor der Unversehrtheit der Schöpfung“.[108]
131. Hier möchte ich die ausgeglichene Position des heiligen Johannes Paul II. ergreifen. Er hob
die Vorteile der wissenschaftlichen und technologischen Fortschritte hervor, die „zeigen [..], wie
edel die Berufung des Menschen ist, verantwortlich am schöpferischen Wirken Gottes […]
teilzunehmen“, erinnerte jedoch zugleich daran, „wie kein Eingriff in einen Bereich des
Ökosystems davon absehen kann, seine Folgen in anderen Bereichen […] mit zu bedenken“.[109]
Er erklärte, dass die Kirche den Beitrag schätze, „der sich aus dem Studium und der Anwendung
der Molekularbiologie ergibt […], die durch andere Disziplinen wie die Genetik und ihre
technologische Anwendung in der Landwirtschaft und Industrie […] ergänzt wird“,[110] sagte aber
auch, dass dies nicht einer „undifferenzierte[n] genetische[n] Manipulation“[111] Raum geben darf,
welche die negativen Auswirkungen dieser Eingriffe leugnet. Es ist nicht möglich, die menschliche
Kreativität zurückzuhalten. Wenn man einem Künstler nicht verbieten kann, seine kreative
Fähigkeit zu entfalten, so kann man ebenso wenig diejenigen hindern, die besondere Gaben für
die wissenschaftliche und technologische Entwicklung besitzen und deren Fähigkeiten von Gott
zum Dienst an den anderen geschenkt worden sind. Gleichzeitig kommt man nicht umhin, die
Zielsetzungen, die Auswirkungen, den Kontext und die ethischen Grenzen dieser menschlichen
Tätigkeit, die eine Form von Macht mit hohen Risiken darstellt, noch einmal zu überdenken.
132. In diesem Rahmen sollte jede Überlegung in Bezug auf das menschliche Eingreifen in die
Pflanzen- und Tierwelt – der heute von der Biotechnologie erzeugte genetische Veränderungen
mit einschließt – stattfinden, um die Möglichkeiten zu nutzen, die in der materiellen Wirklichkeit
vorhanden sind. Der Respekt des Glaubens gegenüber der Vernunft impliziert, all dem
Aufmerksamkeit zu schenken, was die unabhängig gegenüber wirtschaftlichen Interessen
entwickelte biologische Wissenschaft selbst im Hinblick auf die biologischen Strukturen und deren
Möglichkeiten und Veränderungen lehren kann. Auf jeden Fall ist jenes Eingreifen legitim, das auf
die Natur einwirkt, „um ihr bei der Entfaltung ihrer selbst behilflich zu sein, ihrer selbst als einem
von Gott gewollten Geschöpf“.[112]

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133. Es ist schwierig, ein allgemeines Urteil über die Entwicklungen von gentechnisch veränderten
Pflanzen oder Tieren (GMO) im Bereich der Medizin oder der Weide- und Landwirtschaft zu fällen,
da sie untereinander sehr verschieden sein können und unterschiedliche Betrachtungen erfordern.
Andererseits beziehen sich die Risiken nicht immer auf die Technik selbst, sondern auf ihre
unangemessene oder exzessive Anwendung. In der Tat wurden und werden die genetischen
Veränderungen oft von der Natur selbst hervorgebracht. Nicht einmal die durch menschliches
Eingreifen verursachten sind ein modernes Phänomen. Die Domestizierung von Tieren, die
Kreuzung von Arten und andere alte und allgemein anerkannte Praktiken können in diese
Betrachtungen eingeschlossen werden. Man mag daran erinnern, dass am Beginn der
wissenschaftlichen Entwicklungen von gentechnisch verändertem Getreide die Beobachtung eines
Bakteriums stand, das auf natürliche Weise und von selbst eine Veränderung im Genom einer
Pflanze hervorbrachte. In der Natur aber verlaufen diese Prozesse in einem langsamen
Rhythmus, der nicht vergleichbar ist mit der Geschwindigkeit, die von den aktuellen
technologischen Fortschritten auferlegt wird, auch wenn diese auf einer jahrhundertelangen
wissenschaftlichen Entwicklung basieren.
134. Obgleich wir nicht über handfeste Beweise verfügen hinsichtlich des Schadens, den
gentechnisch veränderte Getreidesorten an den Menschen verursachen können – und in einigen
Regionen hat ihre Verwendung ein wirtschaftliches Wachstum hervorgerufen, das die Probleme
zu lösen half –, gibt es bedeutende Schwierigkeiten, die nicht relativiert werden dürfen. An vielen
Orten ist nach der Einführung dieses Anbaus festzustellen, dass der fruchtbare Boden in den
Händen einiger weniger konzentriert ist, bedingt durch das „allmähliche Verschwinden der kleinen
Produzenten, die sich infolge des Verlustes des bewirtschafteten Bodens gezwungen sahen, sich
aus der direkten Produktion zurückzuziehen“.[113] Die Schwächsten werden zu Arbeitern im
Prekariat, und viele Landarbeiter ziehen schließlich in elende Siedlungen in den Städten. Die
Ausdehnung der Reichweite dieses Anbaus zerstört das komplexe Netz der Ökosysteme,
vermindert die Produktionsvielfalt und beeinträchtigt die Gegenwart und die Zukunft der jeweiligen
regionalen Wirtschaft. In verschiedenen Ländern ist eine Tendenz zur Bildung von Oligopolen in
der Produktion von Getreide und anderen für seinen Anbau notwendigen Produkten festzustellen.
Die Abhängigkeit verschärft sich, wenn man an die Produktion von sterilem Getreide denkt, was
am Ende die Bauern dazu zwingt, Getreide bei den Produktionsunternehmen zu kaufen.
135. Ohne Zweifel ist eine ständige Aufmerksamkeit nötig, die alle implizierten ethischen Aspekte
berücksichtigen lässt. Aus diesem Grund muss eine verantwortungsbewusste und breite
wissenschaftliche und gesellschaftliche Debatte gewährleistet werden, die in der Lage ist, alle
verfügbaren Informationen in Betracht zu ziehen und die Dinge beim Namen zu nennen. Mitunter
wird nicht die gesamte Information auf den Tisch gelegt, sondern den eigenen Interessen
entsprechend – seien sie politischer, wirtschaftlicher oder ideologischer Natur – selektioniert. Dies
macht es schwierig, ein ausgewogenes und kluges Urteil über die verschiedenen Fragen zu fällen,
das alle Variablen im jeweiligen Zusammenhang berücksichtigt. Es braucht Raum für Diskussion,
wo alle, die auf irgendeine Weise direkt oder indirekt betroffen sein mögen (Landwirte,

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48
Konsumenten, Verantwortungsträger, Wissenschaftler, Saatgutproduzenten, Menschen in
unmittelbarer Nachbarschaft von pestizidbehandelten Feldern und andere), ihre Schwierigkeiten
zum Ausdruck bringen oder Zugang zu breiten und zuverlässigen Informationen haben können,
um Entscheidungen im Hinblick auf das gegenwärtige und zukünftige Gemeinwohl zu treffen. Es
handelt sich um eine Umweltfrage komplexer Natur, für deren Behandlung ein Blick erforderlich
ist, der all ihre Aspekte umfasst. Und dies würde zumindest eine größere Anstrengung verlangen,
um verschiedene Wege unabhängiger und interdisziplinärer Untersuchung zu finanzieren, die
neues Licht darauf werfen können.
136. Andererseits ist es besorgniserregend, dass einige ökologische Bewegungen, wenn sie die
Unversehrtheit der Umwelt verteidigen und zu Recht gewisse Grenzen für die wissenschaftliche
Forschung fordern, bisweilen dieselben Prinzipien nicht für das menschliche Leben anwenden.
Für gewöhnlich wird das Überschreiten aller Grenzen gerechtfertigt, wenn mit lebenden
menschlichen Embryonen Experimente durchgeführt werden. Man vergisst, dass der
unveräußerliche Wert eines Menschen jenseits seiner Entwicklungsstufe liegt. Auf die gleiche
Weise wird die Technik, wenn sie die großen ethischen Prinzipien verleugnet, schließlich jegliche
Praxis für legitim halten. Wie wir in diesem Kapitel gesehen haben, wird eine von der Ethik
abgekoppelte Technik schwerlich in der Lage sein, ihre Macht selbst zu beschränken.
VIERTES KAPITEL
EINE GANZHEITLICHE ÖKOLOGIE
137. Angesichts der Tatsache, dass alles eng aufeinander bezogen ist und dass die aktuellen
Probleme eine Perspektive erfordern, die alle Aspekte der weltweiten Krise berücksichtigt, schlage
ich vor, dass wir uns nun mit den verschiedenen Elementen einer ganzheitlichen Ökologie
befassen, welche die menschliche und soziale Dimension klar mit einbezieht.
I. UMWELT-, WIRTSCHAFTS- UND SOZIALÖKOLOGIE
138. Die Ökologie untersucht die Beziehungen zwischen den lebenden Organismen und der
Umwelt, in der sie sich entwickeln. Das erfordert auch darüber nachzudenken und zu diskutieren,
was die Lebens- oder Überlebensbedingungen einer Gesellschaft sind, und dabei die Ehrlichkeit
zu besitzen, Modelle der Entwicklung, der Produktion und des Konsums in Zweifel zu ziehen. Es
ist nicht überflüssig zu betonen, dass alles miteinander verbunden ist. Die Zeit und der Raum sind
nicht voneinander unabhängig, und nicht einmal die Atome und die Elementarteilchen können als
voneinander getrennt betrachtet werden. Wie die verschiedenen physikalischen, chemischen und
biologischen Bestandteile des Planeten untereinander in Beziehung stehen, so bilden auch die
Arten der Lebewesen ein Netz, das wir nie endgültig erkennen und verstehen. Einen guten Teil

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49
unserer genetischen Information haben wir mit vielen Lebewesen gemeinsam. Aus diesem Grund
können die bruchstückhaften und isolierten Kenntnisse zu einer Art von Ignoranz werden, wenn
sie sich nicht in eine umfassendere Sicht der Wirklichkeit einfügen lassen.
139. Wenn man von „Umwelt“ spricht, weist man insbesondere auf die gegebene Beziehung
zwischen der Natur und der Gesellschaft hin, die sie bewohnt. Das hindert uns daran, die Natur
als etwas von uns Verschiedenes oder als einen schlichten Rahmen unseres Lebens zu
verstehen. Wir sind in sie eingeschlossen, sind ein Teil von ihr und leben mit ihr in wechselseitiger
Durchdringung. Um die Ursachen der Umweltschädigung eines Ortes zu finden, ist unter anderem
eine Analyse der Funktionsweise der Gesellschaft, ihrer Wirtschaft, ihrer Verhaltensmuster und
ihres Wirklichkeitsverständnisses erforderlich. Angesichts des Ausmaßes der Veränderungen ist
es nicht mehr möglich, eine spezifische und unabhängige Lösung für jeden Teilbereich des
Problems zu finden. Entscheidend ist es, ganzheitliche Lösungen zu suchen, welche die
Wechselwirkungen der Natursysteme untereinander und mit den Sozialsystemen berücksichtigen.
Es gibt nicht zwei Krisen nebeneinander, eine der Umwelt und eine der Gesellschaft, sondern eine
einzige und komplexe sozio-ökologische Krise. Die Wege zur Lösung erfordern einen
ganzheitlichen Zugang, um die Armut zu bekämpfen, den Ausgeschlossenen ihre Würde
zurückzugeben und sich zugleich um die Natur zu kümmern.
140. Aufgrund der großen Zahl und der Vielfalt der Elemente, die zu berücksichtigen sind, wird es
bei der Ermittlung der Umweltverträglichkeit einer konkreten Unternehmenstätigkeit unverzichtbar,
den Forschern eine maßgebliche Rolle zu übertragen und ihre Zusammenarbeit mit beträchtlicher
akademischer Freiheit zu fördern. Diese stetige Forschung müsste auch zu der Erkenntnis führen,
wie sich die einzelnen Lebewesen zueinander verhalten und die größeren Einheiten bilden, die wir
heute „Ökosysteme“ nennen. Wir ziehen sie nicht nur zur Ermittlung ihrer vernünftigen Nutzung in
Betracht, sondern auch weil sie einen eigenständigen Wert besitzen, der von dieser Nutzung
unabhängig ist. Wie jeder Organismus in sich selber gut und bewundernswert ist, weil er eine
Schöpfung Gottes ist, so gilt das Gleiche für das harmonische Miteinander verschiedener
Organismen in einem bestimmten Raum, das als System funktioniert. Auch wenn es uns nicht
bewusst ist, hängen wir für unsere eigene Existenz von einem solchen Miteinander ab. Man muss
sich vor Augen halten, dass die Ökosysteme auf die Umwandlung von Kohlendioxid, auf die
Reinigung des Wassers, auf die Kontrolle von Krankheiten und Plagen, auf die Zusammensetzung
des Bodens, auf die Zersetzung der Rückstände und auf viele andere Bereiche einwirken, die wir
nicht bedenken oder nicht kennen. Vielen Menschen wird, wenn sie das merken, bewusst, dass
wir auf der Grundlage einer Wirklichkeit leben und handeln, die uns zuvor geschenkt wurde und
die unserem Können und unserer Existenz vorausgeht. Wenn man deshalb von einem
„nachhaltigen Gebrauch“ spricht, muss man immer eine Erwägung über die Fähigkeit zur
Regeneration jedes Ökosystems in seinen verschiedenen Bereichen und Aspekten mit
einbeziehen.
141. Auf der anderen Seite neigt das Wirtschaftswachstum dazu, Automatismen zu erzeugen und

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zu „homogenisieren“, mit dem Zweck, Abläufe zu vereinfachen und Kosten zu verringern. Daher
ist eine Wirtschaftsökologie notwendig, die in der Lage ist, zu einer umfassenderen Betrachtung
der Wirklichkeit zu verpflichten. Denn „damit eine nachhaltige Entwicklung zustande kommt, muss
der Umweltschutz Bestandteil des Entwicklungsprozesses sein und darf nicht von diesem getrennt
betrachtet werden“[114]. Doch zugleich wird die dringende Notwendigkeit des Humanismus
aktuell, der von sich aus die verschiedenen Wissensgebiete – auch das wirtschaftliche –
zusammenführt, um eine umfassendere wie integrierendere Perspektive zu erhalten. Heute ist die
Analyse der Umweltprobleme nicht zu trennen von einer Prüfung des menschlichen Umfelds, des
familiären Kontextes, der Arbeitsbedingungen und der urbanen Verhältnisse sowie der Beziehung
jedes Menschen zu sich selbst, welche die Weise bestimmt, wie er mit den anderen und mit der
Umwelt in Beziehung tritt. Es gibt eine Wechselwirkung zwischen den Ökosystemen und den
verschiedenen sozialen Bezugswelten, und auf diese Weise zeigt sich ein weiteres Mal, dass das
Ganze dem Teil übergeordnet ist[115].
142. Wenn zwischen allen Dingen Beziehungen bestehen, bringt auch der Gesundheitszustand
der Institutionen einer Gesellschaft Folgen für die Umwelt und die menschliche Lebensqualität mit
sich: „Jede Verletzung der bürgerlichen Solidarität und Freundschaft ruft Umweltschäden
hervor“[116]. In diesem Sinne bezieht sich die Sozialökologie notwendigerweise auf die
Institutionen und erreicht fortschreitend die verschiedenen Ebenen, angefangen von der
elementaren sozialen Zelle der Familie über die Ortsgemeinde und das Land bis zum
internationalen Leben. Innerhalb einer jeden sozialen Ebene und zwischen ihnen entwickeln sich
die Institutionen, die die menschlichen Beziehungen regeln. Alles, was diese Institutionen
beschädigt, hat schädliche Auswirkungen: sei es der Verlust der Freiheit oder seien es die
Ungerechtigkeit und die Gewalt. Die Regierung verschiedener Länder stützt sich auf eine instabile
institutionelle Basis, auf Kosten der leidenden Bevölkerung und zum Vorteil jener, die von diesem
Stand der Dinge profitieren. Sowohl innerhalb der staatlichen Verwaltung als auch in den
verschiedenen Bereichen der Zivilgesellschaft oder den Beziehungen der Einwohner
untereinander sind übermäßig oft Verhaltensweisen zu registrieren, die weit entfernt sind von den
Gesetzen. Diese mögen auf korrekte Weise abgefasst worden sein, pflegen aber toter Buchstabe
zu bleiben. Kann man unter solchen Umständen darauf hoffen, dass die Gesetzgebung und die
Rechtsvorschriften, die mit der Umwelt zu tun haben, wirklich effizient sind? Wir wissen zum
Beispiel, dass Länder, die über eine klare Gesetzgebung zum Schutz der Wälder verfügen,
weiterhin stumme Zeugen einer häufigen Verletzung dieser Gesetze sind. Zudem übt das, was in
einer Region passiert, direkt oder indirekt auch Einfluss auf andere Gebiete aus. So führt der
Drogenkonsum in den Wohlstandsgesellschaften zu einer ständigen oder zunehmenden
Nachfrage von Produkten, die aus verarmten Regionen kommen, wo die Verhaltensweisen
korrumpieren, Menschenleben vernichtet werden und schließlich die Umwelt zerstört wird.
II. DIE KULTURÖKOLOGIE
143. Neben dem natürlichen Erbe gibt es ein historisches, künstlerisches und kulturelles Erbe,

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51
das gleichfalls bedroht ist. Es ist Teil der gemeinsamen Identität eines Ortes und Grundlage für
den Aufbau einer bewohnbaren Stadt. Es geht nicht darum, etwas zu zerstören und neue,
angeblich umweltfreundlichere Städte zu bauen, in denen zu wohnen nicht immer wünschenswert
ist. Die Geschichte, die Kultur und die Architektur eines Ortes müssen eingegliedert werden, so
dass seine ursprüngliche Identität bewahrt bleibt. Deshalb setzt die Ökologie auch die Pflege der
kulturellen Reichtümer der Menschheit im weitesten Sinn voraus. In direkterer Hinsicht ist
gefordert, dass bei der Analyse von Fragen, die mit der Ökologie verbunden sind, den örtlichen
Kulturen Aufmerksamkeit geschenkt wird, indem man die wissenschaftlich-technische Sprache in
einen Dialog mit der Sprache des Volkes bringt. Wenn die Beziehung des Menschen zur Umwelt
bedacht wird, darf die Kultur nicht ausgeschlossen werden, und zwar nicht nur im Hinblick auf die
Denkmäler der Vergangenheit, sondern ganz besonders in ihrem lebendigen, dynamischen und
partizipativen Sinn.
144. Die konsumistische Sicht des Menschen, die durch das Räderwerk der aktuellen
globalisierten Wirtschaft angetrieben wird, neigt dazu, die Kulturen gleichförmig zu machen und
die große kulturelle Vielfalt, die einen Schatz für die Menschheit darstellt, zu schwächen. Deshalb
führt das Bestreben, alle Schwierigkeiten durch einheitliche gesetzliche Regelungen oder
technische Eingriffe zu lösen, dazu, die Vielschichtigkeit der örtlichen Problematiken zu
übersehen, die ein aktives Einschreiten der Bewohner notwendig machen. Die neuen in
Entwicklung befindlichen Prozesse können nicht immer in Schemata eingefügt werden, die von
außen festgelegt werden. Sie müssen vielmehr aus der eigenen lokalen Kultur erwachsen. Weil
das Leben und die Welt dynamisch sind, muss auch die Weise, wie man für die Dinge Sorge trägt,
flexibel und dynamisch sein. Die rein technischen Lösungen laufen Gefahr, Symptome zu
behandeln, die nicht den eigentlichen Problematiken entsprechen. Es ist nötig, sich die
Perspektive der Rechte der Völker und der Kulturen anzueignen, und auf diese Weise zu
verstehen, dass die Entwicklung einer sozialen Gruppe einen historischen Prozess im Innern
eines bestimmten kulturellen Zusammenhangs voraussetzt und dabei verlangt, dass die lokalen
sozialen Akteure ausgehend von ihrer eigenen Kultur ständig ihren zentralen Part übernehmen.
Nicht einmal den Grundbegriff der Lebensqualität kann man vorschreiben, sondern muss ihn aus
dem Innern der Welt der Symbole und Gewohnheiten, die einer bestimmten Menschengruppe
eigen sind, verstehen.
145. Viele höchst konzentrierte Formen der Ausbeutung und der Schädigung der Umwelt können
nicht nur die lokalen Mittel des Fortbestands erschöpfen, sondern auch die sozialen Fähigkeiten
zunichte machen, die eine Lebensweise ermöglicht haben, die über lange Zeit eine kulturelle
Identität sowie einen Sinn der Existenz und des Zusammenlebens gewährt hat. Das
Verschwinden einer Kultur kann genauso schwerwiegend sein wie das Verschwinden einer Tier-
oder Pflanzenart, oder sogar noch gravierender. Die Durchsetzung eines vorherrschenden
Lebensstils, der an eine bestimmte Produktionsweise gebunden ist, kann genauso schädlich sein
wie die Beeinträchtigung der Ökosysteme.

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52
146. In diesem Sinne ist es unumgänglich, den Gemeinschaften der Ureinwohner mit ihren
kulturellen Traditionen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Sie sind nicht eine einfache
Minderheit unter anderen, sie müssen vielmehr die wesentlichen Ansprechpartner werden, vor
allem wenn man mit großen Projekten vordringt, die ihre Gebiete einbeziehen. Denn für sie ist das
Land nicht ein Wirtschaftsgut, sondern eine Gabe Gottes und der Vorfahren, die in ihm ruhen; ein
heiliger Raum, mit dem sie in Wechselbeziehung stehen müssen, um ihre Identität und ihre Werte
zu erhalten. Wenn sie in ihren Territorien bleiben, sind es gerade sie, die am besten für sie
sorgen. In verschiedenen Teilen der Erde stehen sie jedoch unter Druck, ihr Land aufzugeben, um
es für Bergbauprojekte bzw. land- und viehwirtschaftliche Pläne frei zu lassen, die nicht auf die
Schädigung der Natur und der Kultur achten.
III. DIE ÖKOLOGIE DES ALLTAGSLEBENS
147. Um von einer echten Entwicklung sprechen zu können, ist sicherzustellen, dass eine
ganzheitliche Verbesserung der menschlichen Lebensqualität erbracht wird; und das bedeutet,
dass man den Raum untersucht, wo sich das Dasein der Menschen abspielt. Die Szenerien, die
uns umgeben, beeinflussen die Weise, wie wir das Leben sehen, wie wir empfinden und wie wir
handeln. Zugleich machen wir in unserem Zimmer, in unserem Haus, an unserem Arbeitsplatz und
in unserem Stadtbezirk von der Umwelt Gebrauch, um unsere Identität auszudrücken. Wir
strengen uns an, uns an die Umwelt anzupassen, und wenn eine Umgebung unordentlich,
chaotisch oder mit visueller und akustischer Belästigung überladen ist, fordert uns dieses
Übermaß an Reizen heraus zu versuchen, eine integrierte und glückliche Identität aufzubauen.
148. Bewundernswert sind die Kreativität und die Großherzigkeit von Personen und Gruppen, die
fähig sind, die Einschränkungen der Umwelt aufzuheben, indem sie die ungünstigen Wirkungen
der Konditionierungen verändern und lernen, ihr Leben inmitten der Unordnung und der
Unsicherheit einzurichten. So gibt es zum Beispiel in einigen Orten, wo die Fassaden der Häuser
sehr heruntergekommen sind, Menschen, die mit großer Würde das Innere ihrer Wohnungen
pflegen, oder sie fühlen sich wohl wegen der Herzlichkeit und der Freundschaft der Leute. Das
positive und wohltuende soziale Leben der Bewohner verbreitet Licht in einer scheinbar
ungünstigen Umgebung. Manchmal ist die Humanökologie, die die Armen inmitten so vieler
Begrenzungen zu entwickeln vermögen, lobenswert. Dem Gefühl der Beklemmung, das die
Zusammenballung in Wohnhäusern und Räumen mit hoher Bevölkerungsdichte erzeugt, wird
entgegengewirkt, wenn sich menschliche Beziehungen entwickeln, die sich durch Nähe und
Herzenswärme auszeichnen, wenn sich Gemeinschaften bilden, wenn die Umweltbegrenzungen
im Innern einer jeden Person, die sich in ein Netz von Gemeinschaft und Zugehörigkeit
aufgenommen fühlt, kompensiert werden. Auf diese Weise hört jeder beliebige Ort auf, eine Hölle
zu sein, und wird zum Umfeld eines würdigen Lebens.
149. Ebenso ist klar, dass die extreme Entbehrung, die in manchen Situationen erfahren wird, wo
Harmonie, Platz und Möglichkeiten der Eingliederung fehlen, das Aufkommen von inhumanen

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Verhaltensweisen und die Manipulation der Menschen durch kriminelle Organisationen begünstigt.
Für die Bewohner von sehr problematischen Wohnquartieren kann der tägliche Gang vom
Gedränge zur sozialen Anonymität, den man in den großen Städten erfährt, ein Gefühl der
Entwurzelung hervorrufen, das asoziale und gewaltbereite Verhaltensweisen fördert. Dennoch will
ich betonen, dass die Liebe stärker ist. Viele Menschen in diesen Lebensumständen sind in der
Lage, Bande der Zugehörigkeit und des Zusammenlebens zu knüpfen, die das Gedränge in eine
Gemeinschaftserfahrung verwandeln, wo die Wände des Ichs durchbrochen und die Schranken
des Egoismus überwunden werden. Diese Erfahrung gemeinschaftlichen Heils ist das, was
gewöhnlich kreative Reaktionen auslöst, um ein Gebäude oder ein Wohnquartier zu
verschönern[117].
150. Wenn man von der Wechselwirkung zwischen dem Raum und dem menschlichen Verhalten
ausgeht, benötigen diejenigen, die Gebäude, Stadtviertel, öffentliche Räume und Städte planen,
den Beitrag verschiedener Fachgebiete, die es ermöglichen, die Vorgänge, die Symbolwelt und
das Verhalten der Menschen zu verstehen. Es genügt nicht, die Schönheit in der Gestaltung
anzustreben, weil es noch wertvoller ist, einer anderen Art von Schönheit zu dienen: der
Lebensqualität der Menschen, ihrer Anpassung an die Umwelt, der Begegnung und der
gegenseitigen Hilfe. Auch aus diesem Grund ist es so wichtig, dass die Ansichten der betroffenen
Bevölkerung immer die Analysen der Städteplanung ergänzen.
151. Es ist erforderlich, dass die öffentlichen Plätze, das Panorama und die urbanen
Bezugspunkte gepflegt werden. Denn sie lassen in uns den Sinn der Zugehörigkeit, das Gefühl
der Verwurzelung und den Eindruck wachsen, „zu Hause zu sein“ innerhalb der Stadt, die uns
umschließt und zusammenführt. Wichtig ist, dass die verschiedenen Teile einer Stadt gut integriert
sind und die Bewohner ein Gesamtbild haben können, statt sich in Wohnquartieren abzukapseln
und darauf zu verzichten, die ganze Stadt als einen eigenen, gemeinsam mit den anderen
genutzten Raum zu erfahren. Jeglicher Eingriff in die städtische oder ländliche Landschaft müsste
die Tatsache berücksichtigen, dass die verschiedenen Elemente des Ortes ein Ganzes bilden, das
die Bewohner als ein kohärentes Bild mit seinem Reichtum an Bedeutungen wahrnehmen. Auf
diese Weise sind die anderen nicht mehr Fremde und können als Teil eines „Wir“ empfunden
werden, das wir gemeinsam aufbauen. Aus demselben Grund ist es sowohl für das städtische als
auch für das ländliche Umfeld angebracht, einige Orte zu bewahren, in denen menschliche
Eingriffe, die sie ständig verändern, vermieden werden.
152. Die Wohnungsnot ist ein großes Problem in vielen Teilen der Welt, in den ländlichen
Gebieten wie in den großen Städten, auch weil die Staatshaushalte nur einem kleinen Teil der
Nachfrage entsprechen können. Nicht nur die Armen, sondern ein Großteil der Gesellschaft leidet
unter ernsten Schwierigkeiten, eine eigene Wohnung zu erlangen. Der Besitz einer Wohnung hat
viel mit der Würde der Personen und der Entfaltung der Familien zu tun. Es handelt sich um eine
zentrale Frage der Humanökologie. Wenn sich an einem bestimmten Ort schon chaotische
Ansammlungen von baufälligen Häusern gebildet haben, geht es vor allem darum, diese Quartiere

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zu urbanisieren und nicht ihre Bewohner zu entwurzeln und zu vertreiben. Wenn die Armen in
verschmutzten Vorstädten oder in gefährlichen Massenbehausungen leben und man ihre
Umsiedlung in die Wege leiten muss, dann ist es, „um nicht Leid auf Leid zu häufen […]
erforderlich, im Vorfeld für eine angemessene Information zu sorgen, menschenwürdige
Wohnalternativen anzubieten und die Betroffenen direkt einzubinden“.[118] Zugleich müsste die
Kreativität dazu führen, die problematischen Quartiere in eine gastfreundliche Stadt einzufügen.
„Wie schön sind die Städte, die das krankhafte Misstrauen überwinden, die anderen mit ihrer
Verschiedenheit eingliedern und aus dieser Integration einen Entwicklungsfaktor machen! Wie
schön sind die Städte, die auch in ihrer architektonischen Planung reich sind an Räumen, die
verbinden, in Beziehung setzen und die Anerkennung des anderen begünstigen!“[119]
153. Die Lebensqualität in den Städten hat viel mit den Verkehrsverhältnissen zu tun, die oft
Grund für große Leiden der Bewohner sind. In den Städten fahren viele Autos umher mit nur
einem oder zwei Insassen. Dadurch wird der Verkehrsfluss erschwert, der Grad der
Verschmutzung ist hoch, es werden enorme Mengen von nicht erneuerbarer Energie verbraucht,
und es wird notwendig, weitere Autobahnen und Parkplätze zu bauen, die das städtische Gefüge
beeinträchtigen. Viele Fachleute stimmen darin überein, dass man den öffentlichen
Verkehrsmitteln den Vorrang geben muss. Doch werden einige notwendige Maßnahmen nur
schwerlich in friedfertiger Weise akzeptiert werden ohne eine wesentliche Verbesserung dieser
Verkehrsmittel, die in vielen Städten aufgrund der Menschenmenge, der Unbequemlichkeit oder
der geringen Häufigkeit des verfügbaren Nahverkehrs und der Unsicherheit eine unwürdige
Behandlung der Passagiere darstellen.
154. Die Anerkennung der besonderen Würde der Person steht häufig im Kontrast zum
chaotischen Leben, das die Menschen in unseren Städten führen müssen. Das dürfte aber nicht
dazu führen, den Zustand der Vernachlässigung und der Nichtbeachtung zu vergessen, unter dem
auch manche Bewohner ländlicher Gebiete leiden, wo wesentliche Dienstleistungen nicht
hingelangen und wo es Arbeiter gibt, die erniedrigt sind in Situationen der Versklavung ohne
Rechte und ohne Aussichten auf ein würdigeres Leben.
155. Die Humanökologie beinhaltet auch einen sehr tiefgründigen Aspekt: die notwendige
Beziehung des Lebens des Menschen zu dem moralischen Gesetz, das in seine eigene Natur
eingeschrieben ist. Diese Beziehung ist unerlässlich, um eine würdigere Umgebung gestalten zu
können. Papst Benedikt XVI. sagte, dass es eine „Ökologie des Menschen“ gibt, denn „auch der
Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann“.[120] Auf
dieser Linie muss man anerkennen, dass unser Körper uns in eine direkte Beziehung zu der
Umwelt und den anderen Lebewesen stellt. Das Akzeptieren des eigenen Körpers als Gabe
Gottes ist notwendig, um die ganze Welt als Geschenk des himmlischen Vaters und als
gemeinsames Haus zu empfangen und zu akzeptieren, während eine Logik der Herrschaft über
den eigenen Körper sich in eine manchmal subtile Logik der Herrschaft über die Schöpfung
verwandelt. Zu lernen, den eigenen Körper anzunehmen, ihn zu pflegen und seine vielschichtige

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Bedeutung zu respektieren, ist für eine wahrhaftige Humanökologie wesentlich. Ebenso ist die
Wertschätzung des eigenen Körpers in seiner Weiblichkeit oder Männlichkeit notwendig, um in der
Begegnung mit dem anderen Geschlecht sich selbst zu erkennen. Auf diese Weise ist es möglich,
freudig die besondere Gabe des anderen oder der anderen als Werk Gottes des Schöpfers
anzunehmen und sich gegenseitig zu bereichern. Eben deswegen ist die Einstellung dessen nicht
gesund, der den Anspruch erhebt, „den Unterschied zwischen den Geschlechtern auszulöschen,
weil er sich nicht mehr damit auseinanderzusetzen versteht“.[121]
IV. DAS PRINZIP DES GEMEINWOHLS
156. Die ganzheitliche Ökologie ist nicht von dem Begriff des Gemeinwohls zu trennen, einem
Prinzip, das eine zentrale und Einheit schaffende Rolle in der Sozialethik spielt. Es ist „die
Gesamtheit jener Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens, die sowohl den Gruppen als auch
deren einzelnen Gliedern ein volleres und leichteres Erreichen der eigenen Vollendung
ermöglichen“.[122]
157. Das Gemeinwohl geht vom Respekt der menschlichen Person als solcher aus mit
grundlegenden und unveräußerlichen Rechten im Hinblick auf ihre ganzheitliche Entwicklung. Es
verlangt auch das soziale Wohl und die Entfaltung der verschiedenen intermediären Gruppen,
indem es das Prinzip der Subsidiarität anwendet. Unter diesen ragt besonders die Familie als
Grundzelle der Gesellschaft heraus. Schließlich erfordert das Gemeinwohl den sozialen Frieden,
das heißt die Stabilität und die Sicherheit einer bestimmten Ordnung, die ohne eine spezielle
Aufmerksamkeit gegenüber der distributiven Gerechtigkeit nicht zu verwirklichen ist, denn die
Verletzung dieser Gerechtigkeit erzeugt immer Gewalt. Die gesamte Gesellschaft – und in ihr in
besonderer Weise der Staat – hat die Pflicht, das Gemeinwohl zu verteidigen und zu fördern.
158. In der gegenwärtigen Situation der globalen Gesellschaft, in der es so viel soziale
Ungerechtigkeit gibt und immer mehr Menschen ausgeschlossen und ihrer grundlegenden
Menschenrechte beraubt werden, verwandelt sich das Prinzip des Gemeinwohls als logische und
unvermeidliche Konsequenz unmittelbar in einen Appell zur Solidarität und in eine vorrangige
Option für die Ärmsten. Diese Option bedeutet, die Konsequenzen aus der gemeinsamen
Bestimmung der Güter der Erde zu ziehen, doch – wie ich im Apostolischen Schreiben Evangelii
gaudium [123] auszuführen versuchte – verlangt sie vor allem, sich die unermessliche Würde des
Armen im Licht der tiefsten Glaubensüberzeugungen vor Augen zu führen. Es genügt, die
Wirklichkeit anzuschauen, um zu verstehen, dass diese Option heute ein grundlegender ethischer
Anspruch für eine effektive Verwirklichung des Gemeinwohls ist.
V. DIE GENERATIONSÜBERGREIFENDE GERECHTIGKEIT
159. Der Begriff des Gemeinwohls bezieht auch die zukünftigen Generationen mit ein. Die
internationalen Wirtschaftskrisen haben in aller Härte die schädlichen Auswirkungen gezeigt,

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welche die Verkennung eines gemeinsamen Schicksals mit sich bringt, aus dem jene, die nach
uns kommen, nicht ausgeschlossen werden können. Ohne eine Solidarität zwischen den
Generationen kann von nachhaltiger Entwicklung keine Rede mehr sein. Wenn wir an die
Situation denken, in der der Planet den kommenden Generationen hinterlassen wird, treten wir in
eine andere Logik ein, in die des freien Geschenks, das wir empfangen und weitergeben. Wenn
die Erde uns geschenkt ist, dann können wir nicht mehr von einem utilitaristischen Kriterium der
Effizienz und der Produktivität für den individuellen Nutzen her denken. Wir reden hier nicht von
einer optionalen Haltung, sondern von einer grundlegenden Frage der Gerechtigkeit, da die Erde,
die wir empfangen haben, auch jenen gehört, die erst noch kommen. Die Bischöfe Portugals
haben dazu aufgefordert, diese Pflicht der Gerechtigkeit zu übernehmen: „Die Umwelt ist in der
Logik des Empfangens angesiedelt. Sie ist eine Leihgabe, die jede Generation empfängt und an
die nächste Generation weitergeben muss.“[124] Eine integrale Ökologie hat diese weite
Perspektive.
160. Welche Art von Welt wollen wir denen überlassen, die nach uns kommen, den Kindern, die
gerade aufwachsen? Diese Frage betrifft nicht nur die Umwelt in isolierter Weise, denn es ist
unmöglich, das Problem fragmentarisch anzugehen. Wenn wir uns bezüglich der Welt, die wir
hinterlassen wollen, Fragen stellen, meinen wir vor allem ihre allgemeine Ausrichtung, ihren Sinn,
ihre Werte. Wenn diese grundlegende Frage nicht lebendig mitschwingt, glaube ich nicht, dass
unsere ökologischen Bemühungen bedeutende Wirkungen erzielen können. Wird sie aber mutig
gestellt, führt sie uns unweigerlich zu weiteren, sehr direkten Fragestellungen: Wozu gehen wir
durch diese Welt, wozu sind wir in dieses Leben gekommen, wozu arbeiten wir und mühen uns
ab, wozu braucht uns diese Erde? Darum reicht es nicht mehr zu sagen, dass wir uns um die
zukünftigen Generationen sorgen müssen. Wir müssen uns bewusst werden, dass unsere eigene
Würde auf dem Spiel steht. Wir sind die Ersten, die daran interessiert sind, der Menschheit, die
nach uns kommen wird, einen bewohnbaren Planeten zu hinterlassen. Das ist ein Drama für uns
selbst, denn dies beleuchtet kritisch den Sinn unseres eigenen Lebensweges auf dieser Erde.
161. Die verhängnisvollen Prognosen dürfen nicht mehr mit Geringschätzung und Ironie betrachtet
werden. Wir könnten den nächsten Generationen zu viel Schutt, Wüsten und Schmutz
hinterlassen. Der Rhythmus des Konsums, der Verschwendung und der Veränderung der Umwelt
hat die Kapazität des Planeten derart überschritten, dass der gegenwärtige Lebensstil, da er
unhaltbar ist, nur in Katastrophen enden kann, wie es bereits periodisch in verschiedenen
Regionen geschieht. Die Abschwächung der Auswirkungen des derzeitigen Ungleichgewichts
hängt davon ab, was wir jetzt tun, vor allem, wenn wir an die Verantwortung denken, die uns von
denen zugewiesen wird, die die schlimmsten Folgen zu tragen haben.
162. Die Schwierigkeit, diese Herausforderung ernst zu nehmen, hängt mit dem ethischen und
kulturellen Verfall zusammen, der den ökologischen begleitet. Der postmoderne Mensch läuft
ständig Gefahr, zutiefst individualistisch zu werden, und viele soziale Probleme sind mit dem
gegenwärtigen egoistischen Immediatismus verbunden, mit den Krisen der familiären und sozialen

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Bindungen, mit den Schwierigkeiten, den Mitmenschen anzuerkennen. Oft wird ein unmittelbarer
und übertriebener Konsum der Eltern den eigenen Kindern zum Schaden, die es immer schwerer
haben, ein eigenes Haus zu erwerben und eine Familie zu gründen. Unsere Unfähigkeit, ernsthaft
an die zukünftigen Generationen zu denken, geht überdies mit unserer Unfähigkeit einher, die
aktuellen Interessen auszuweiten und an jene zu denken, die von der Entwicklung
ausgeschlossen bleiben. Denken wir nicht nur an die Armen der Zukunft. Es genügt schon, an die
Armen von heute zu denken, die nur wenige Lebensjahre auf dieser Erde verbringen und nicht
mehr warten können. Daher muss „neben einer aufrichtigen Generationen übergreifenden
Solidarität […] die dringende moralische Notwendigkeit einer erneuerten Solidarität innerhalb einer
Generation betont werden“[125].
FÜNFTES KAPITEL
EINIGE LEITLINIEN FÜR ORIENTIERUNG UND HANDLUNG
163. Ich habe versucht, die aktuelle Situation der Menschheit zu analysieren, und zwar sowohl in
den Brüchen, die wir auf dem Planeten beobachten, den wir bewohnen, als auch in den zutiefst
menschlichen Ursachen der Umweltzerstörung. Obwohl diese Betrachtung der Realität bereits von
sich aus auf die Notwendigkeit eines Kurswechsels hinweist und uns einige Maßnahmen nahelegt,
wollen wir jetzt allgemeine Wege für den Dialog skizzieren, die uns helfen sollen, aus der Spirale
der Selbstzerstörung herauszukommen, in der wir untergehen.
I. DER UMWELTDIALOG IN DER INTERNATIONALEN POLITIK
164. Seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts und nach Überwindung vieler Schwierigkeiten
hat sich allmählich die Tendenz durchgesetzt, den Planeten als Heimat zu begreifen und die
Menschheit als ein Volk, das ein gemeinsames Haus bewohnt. Eine interdependente Welt
bedeutet nicht einzig und allein, zu verstehen, dass die schädlichen Konsequenzen von
Lebensstil, Produktionsweise und Konsumverhalten alle betreffen, sondern es bedeutet in erster
Linie, dafür zu sorgen, dass die Lösungen von einer globalen Perspektive aus vorgeschlagen
werden und nicht nur der Verteidigung der Interessen einiger Länder dienen. Die Interdependenz
verpflichtet uns, an eine einzige Welt, an einen gemeinsamen Plan zu denken. Doch die gleiche
Intelligenz, die für eine enorme technische Entwicklung verwendet wurde, schafft es nicht,
wirksame Formen internationalen leaderships zu finden, um die schwerwiegenden
Umweltprobleme und die ernsten sozialen Schwierigkeiten zu lösen. Um die Grundfragen in
Angriff zu nehmen, die nicht durch Maßnahmen einzelner Länder gelöst werden können, ist ein
weltweiter Konsens unerlässlich, der zum Beispiel dazu führt, eine nachhaltige und vielgestaltige
Landwirtschaft zu planen, erneuerbare und möglichst umweltfreundliche Energieformen zu
entwickeln, eine größere Energieeffizienz zu fördern, eine angemessenere Verwaltung der

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Ressourcen aus Wald und Meer voranzutreiben und allen den Zugang zu Trinkwasser zu sichern.
165. Wir wissen, dass die Technologie, die auf den sehr umweltschädlichen fossilen Brennstoffen
– vor allem von Kohle, aber auch von Erdöl und, in geringerem Maße, Gas – basiert, fortschreitend
und unverzüglich ersetzt werden muss. Solange es keine weit reichende Entwicklung
erneuerbarer Energien gibt, die bereits im Gang sein müsste, ist es legitim, für die am wenigsten
schädliche Alternative zu optieren oder auf Übergangslösungen zurückzugreifen. Dennoch werden
in der internationalen Gemeinschaft keine ausreichenden Vereinbarungen über die Verantwortung
derer erreicht, die die Kosten für die Energieumstellung tragen müssen. In den letzten
Jahrzehnten haben die Umweltfragen eine große öffentliche Debatte hervorgerufen, die in der
Zivilgesellschaft Raum geschaffen hat für einen starken Einsatz und ein großherziges
Engagement. Politik und Unternehmertum reagieren langsam, weit davon entfernt, den weltweiten
Herausforderungen gewachsen zu sein. In diesem Sinn kann man sagen: Während die
Menschheit des post-industriellen Zeitalters vielleicht als eine der verantwortungslosesten der
Geschichte in der Erinnerung bleiben wird, ist zu hoffen, dass die Menschheit vom Anfang des 21.
Jahrhunderts in die Erinnerung eingehen kann, weil sie großherzig ihre schwerwiegende
Verantwortung auf sich genommen hat.
166. Die weltweite Ökologiebewegung hat bereits einen langen Weg zurückgelegt, bereichert
durch die Bemühungen vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen. Es ist nicht möglich, sie hier
alle zu nennen, noch die Geschichte ihrer Beiträge durchzugehen. Doch dank eines solchen
Engagements sind die Umweltfragen immer stärker in die öffentliche Tagesordnung eingegangen
und haben sich in eine ständige Einladung verwandelt, langfristig zu denken. Trotzdem haben die
Umwelt-Gipfeltreffen der letzten Jahre nicht den Erwartungen entsprochen, denn aus Mangel an
politischer Entscheidung haben sie keine wirklich bedeutungsvollen und wirksamen globalen
Umweltvereinbarungen erreicht.
167. Hervorzuheben ist der 1992 in Rio de Janeiro abgehaltene Erdgipfel. Dort wurde erklärt: „Die
Menschen stehen im Mittelpunkt der Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung.“[126] In
Anknüpfung an die Inhalte der Erklärung von Stockholm (1972) wurden feierliche Zusagen
gemacht über die internationale Zusammenarbeit zur Pflege des Ökosystems der gesamten Erde;
über die Verpflichtung dessen, der Umweltverschmutzung verursacht, finanziell dafür
aufzukommen; über die Pflicht, die Umweltverträglichkeit eines jeden Werkes oder Projektes zu
prüfen. Es wurde das Ziel vorgeschlagen, die höchstzulässige Konzentration von Treibhausgas in
der Atmosphäre festzulegen, um die Tendenz zur globalen Erderwärmung umzukehren. Es
wurden auch eine Agenda mit einem Aktionsplan und ein Abkommen über die biologische Vielfalt
erarbeitet sowie eine Grundsatzerklärung hinsichtlich des Waldes abgegeben. Obwohl dieses
Gipfeltreffen alle Erwartungen übertraf und für seine Zeit wirklich prophetisch war, erfuhren die
getroffenen Vereinbarungen nur ein geringes Maß an praktischer Umsetzung, weil keine
geeigneten Mechanismen zur Kontrolle, zur periodischen Überprüfung und zur Bestrafung der
Zuwiderhandlungen eingerichtet wurden. Die formulierten Grundsätze fordern weiterhin wirksame

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und schnelle Wege der konkreten Verwirklichung.
168. Unter den positiven Erfahrungen können zum Beispiel die Basler Konvention über die
gefährlichen Abfälle mit einem System von Bekanntmachung, Standardnormen und Kontrollen wie
auch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen genannt werden, das den internationalen
Handel von bedrohten Tier- und Pflanzenarten regelt und Einsätze zur Überprüfung der effektiven
Einhaltung einschließt. Dank dem Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht sowie
seiner Umsetzung durch das Montrealer Protokoll und dessen Korrekturen scheint man auf dem
Weg zu sein, das Problem der Verringerung dieser Schicht zu lösen.
169. In Bezug auf die Bewahrung der biologischen Vielfalt und im Zusammenhang mit der
Wüstenbildung waren die Fortschritte von viel geringerer Bedeutung. Was den Klimawandel
betrifft, sind die Fortschritte leider sehr spärlich. Die Reduzierung von Treibhausgas verlangt
Ehrlichkeit, Mut und Verantwortlichkeit vor allem der Länder, die am mächtigsten sind und am
stärksten die Umwelt verschmutzen. Die 2012 in Rio de Janeiro abgehaltene Konferenz der
Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung, kurz „Rio+20“ genannt, gab eine
weitschweifende und unwirksame Abschlusserklärung heraus. Die internationalen Verhandlungen
können keine namhaften Fortschritte machen aufgrund der Positionen der Länder, die es
vorziehen, ihre nationalen Interessen über das globale Gemeinwohl zu setzen. Diejenigen, welche
unter den Folgen leiden werden, die wir zu überspielen suchen, werden an diesen Mangel an
Gewissen und an Verantwortlichkeit erinnern. Während diese Enzyklika erarbeitet wurde, hat die
Debatte eine besondere Intensität erlangt. Wir Gläubigen dürfen nicht aufhören, Gott um das
positive Vorankommen in den aktuellen Diskussionen zu bitten, damit die kommenden
Generationen nicht unter den Konsequenzen fahrlässiger Verzögerungen leiden müssen.
170. Einige der Strategien für den niedrigen Ausstoß umweltschädlicher Gase streben die
Internationalisierung der Umweltkosten an, was mit der Gefahr verbunden ist, dass den Ländern,
die über weniger Mittel verfügen, schwerwiegende Verpflichtungen zur Reduzierung der
Emissionen aufgebürdet werden, die denen der am stärksten industrialisierten Länder
vergleichbar sind. Die Auferlegung dieser Maßnahmen beeinträchtigt die Länder, die am meisten
der Entwicklung bedürfen. Auf diese Weise kommt im Gewand des Umweltschutzes eine neue
Ungerechtigkeit hinzu. Wie immer trifft es die Schwächsten. Da die Wirkungen des Klimawandels
sich selbst dann über lange Zeit hin bemerkbar machen werden, wenn jetzt strenge Maßnahmen
ergriffen werden, werden einige Länder, die nur über beschränkte Mittel verfügen, Hilfe benötigen,
um sich den Auswirkungen anzupassen, die schon jetzt eintreten und die ihre Ökonomien
schädigen. Nach wie vor gilt, dass es gemeinsame, aber differenzierte Verantwortlichkeiten gibt,
einfach weil – wie die Bischöfe von Bolivien gesagt haben – „die Länder, welche auf Kosten einer
enormen Emission von Treibhausgas von einem hohen Grad an Industrialisierung profitiert haben,
stärker dafür verantwortlich sind, zur Lösung der Probleme beizutragen, die sie verursacht
haben“.[127]

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171. Die Strategie eines An- und Verkaufs von „Emissionszertifikaten“ kann Anlass zu einer neuen
Form von Spekulation geben und wäre einer Reduzierung der globalen Ausstoßung von
umweltschädlichen Gasen nicht dienlich. Dieses System scheint eine schnelle und einfache
Lösung zu sein, die den Anschein eines gewissen Umweltengagements besitzt, jedoch in keiner
Weise eine radikale Veränderung mit sich bringt, die den Umständen gewachsen ist. Vielmehr
kann es sich in einen Behelf verwandeln, der vom Eigentlichen ablenkt und erlaubt, den
übermäßigen Konsum einiger Länder und Bereiche zu unterstützen.
172. Die armen Länder müssen notwendig der Ausrottung des Elends und der sozialen
Entwicklung ihrer Bewohner den Vorrang einräumen; gleichwohl müssen sie das skandalöse
Konsumniveau einiger privilegierter Bevölkerungsgruppen analysieren und die Korruption besser
kontrollieren. Es trifft ebenfalls zu, dass sie Formen der Energiegewinnung entwickeln müssen, die
weniger umweltschädlich sind, doch dafür ist es erforderlich, dass sie die Hilfe jener Länder
einplanen können, die auf Kosten der aktuellen Verschmutzung des Planeten ein starkes
Wachstum verzeichnen konnten. Die direkte Nutzung der reichlich vorhandenen Sonnenenergie
setzt voraus, dass Mechanismen und Beihilfen eingeführt werden, so dass die Entwicklungsländer
Zugang erhalten zur Übertragung von Technologien, zu technischer Assistenz und zu
Finanzhilfen, wobei allerdings immer auf die konkreten Verhältnisse geachtet werden muss, denn
„nicht immer wird die Kompatibilität der Anlagen mit dem Kontext, für den sie geplant sind,
angemessen bewertet“.[128] Die Kosten wären gering, wenn man sie mit den Risiken des
Klimawandels vergleicht. In jedem Fall ist es vor allem eine ethische Entscheidung, die sich auf
die Solidarität aller Völker gründet.
173. Dringend bedarf es internationaler Vereinbarungen, die umgesetzt werden, da die lokalen
Instanzen zu schwach sind, um wirksam einzugreifen. Die Beziehungen zwischen den Staaten
müssen die Souveränität eines jeden Landes bewahren, aber auch miteinander abgestimmte
Wege festlegen, um lokale Katastrophen zu vermeiden, die letztlich allen schaden würden. Es
fehlen globale Rahmenbestimmungen, die Verpflichtungen auferlegen und unannehmbare
Handlungen wie z. B. die Tatsache, dass Unternehmen oder mächtige Länder schwer
umweltschädigende Abfälle und Industrien in andere Länder abschieben, verhindern.
174. Auch das System der Verwaltung der Ozeane ist zu erwähnen. Denn obwohl es
verschiedene internationale und regionale Vereinbarungen gegeben hat, werden durch die
Aufsplitterung und durch das Fehlen strenger Mechanismen zur Reglementierung, Kontrolle und
Sanktionierung schließlich alle Anstrengungen untergraben. Das wachsende Problem der Abfälle
im Meer und der Schutz der Meeresgebiete jenseits der nationalen Grenzen stellt weiterhin eine
besondere Herausforderung dar. Wir brauchen also letztlich eine Vereinbarung über die
Regelungen der Ordnungs- und Strukturpolitik für den gesamten Bereich des sogenannten
„globalen Gemeinwohls“.
175. Die gleiche Logik, die es erschwert, drastische Entscheidungen zur Umkehrung der Tendenz

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zur Erderwärmung zu treffen, unterbindet auch die Verwirklichung des Ziels, die Armut
auszurotten. Wir brauchen eine verantwortlichere weltweite Reaktion, die darin besteht,
gleichzeitig sowohl die Reduzierung der Umweltverschmutzung als auch die Entwicklung der
armen Länder und Regionen in Angriff zu nehmen. Während das 21. Jahrhundert ein
Regierungssystem vergangener Zeiten beibehält, ist es Schauplatz eines Machtschwunds der
Nationalstaaten, vor allem weil die Dimension von Wirtschaft und Finanzen, die transnationalen
Charakter besitzt, tendenziell die Vorherrschaft über die Politik gewinnt. In diesem Kontext wird es
unerlässlich, stärkere und wirkkräftig organisierte internationale Institutionen zu entwickeln, die
Befugnisse haben, die durch Vereinbarung unter den nationalen Regierungen gerecht bestimmt
werden, und mit der Macht ausgestattet sind, Sanktionen zu verhängen. Auf der Linie dessen, was
bereits von der Soziallehre der Kirche entwickelt wurde, hat Benedikt XVI. bekräftigt: „Um die
Weltwirtschaft zu steuern, die von der Krise betroffenen Wirtschaften zu sanieren, einer
Verschlimmerung der Krise und sich daraus ergebenden Ungleichgewichten vorzubeugen, um
eine geeignete vollständige Abrüstung zu verwirklichen, sowie Ernährungssicherheit und Frieden
zu verwirklichen, den Umweltschutz zu gewährleisten und die Migrationsströme zu regulieren, ist
das Vorhandensein einer echten politischen Weltautorität, wie sie schon von meinem Vorgänger,
dem [heiligen] Papst Johannes XXIII., angesprochen wurde, dringend nötig.“[129] Aus dieser
Perspektive gewinnt die Diplomatie eine völlig neue Bedeutung hinsichtlich der Förderung
internationaler Strategien, welche den schwerwiegendsten Problemen zuvorkommen, die
letztendlich alle schädigen.
II. DER DIALOG IM HINBLICK AUF NEUE NATIONALE UND LOKALE POLITISCHE KONZEPTE
176. Gewinner und Verlierer gibt es nicht nur unter den verschiedenen Ländern, sondern auch
innerhalb der armen Länder, wo unterschiedliche Verantwortlichkeiten ausgemacht werden
müssen. Darum können die mit der Umwelt und der Wirtschaftsentwicklung verbundenen Fragen
nicht mehr nur von den Unterschieden unter den Ländern her aufgerollt werden, sondern erfordern
die Beachtung der nationalen und lokalen politischen Programme.
177. Angesichts der Möglichkeit einer verantwortungslosen Nutzung der menschlichen
Fähigkeiten gehört es zu den unaufschiebbaren Funktionen eines jeden Staates, innerhalb des
eigenen Territoriums zu planen, zu koordinieren, zu überwachen und zu bestrafen. Wie regelt und
beaufsichtigt eine Gesellschaft ihre Entwicklung in einem Kontext ständiger technischer
Neuerungen? Ein Faktor, der als ordnende Kraft wirkt, ist das Recht, das unter Berücksichtigung
des Gemeinwohls die Regeln für das zulässige Verhalten aufstellt. Die Grenzen, die eine
gesunde, reife und souveräne Gesellschaft setzen muss, sind verknüpft mit: Vorausschau und
Umsicht, angemessenen Reglementierungen, Überwachung der Anwendung der Vorschriften,
Bekämpfung der Korruption, Aktionen wirksamer Kontrolle der unerwünschten Wirkungen der
Produktionsprozesse und zweckmäßigem Eingreifen angesichts ungewisser oder möglicher
Risiken. Die Rechtsprechung ist in zunehmendem Maß darauf ausgerichtet, die Verschmutzungen
durch unternehmerische Aktivitäten zu verringern. Doch der politische und institutionelle Rahmen

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existiert nicht nur, um Missstände zu vermeiden, sondern um die besten Verhaltensweisen zu
fördern und die Kreativität anzuregen, die neue Wege sucht, um die persönlichen und kollektiven
Initiativen zu erleichtern.
178. Das Drama der auf unmittelbare Ergebnisse ausgerichteten politischen Planung, die auch
von Konsumgesellschaften vertreten wird, führt zu der Notwendigkeit, kurzfristig Wachstum zu
erzeugen. Mit Rücksicht auf die Wahlen setzen die Regierungen sich nicht leicht der Gefahr aus,
die Bevölkerung mit Maßnahmen zu verärgern, die dem Konsumniveau schaden oder
Auslandsinvestitionen gefährden können. Die Kurzsichtigkeit beim Aufbau der Macht bremst die
Aufnahme eines Umweltprogramms mit weiter Perspektive in die öffentliche Tagesordnung der
Regierungen. So vergisst man, dass „die Zeit mehr wert ist als der Raum“[130]; dass wir immer
dann fruchtbarer sind, wenn wir uns mehr darum kümmern, Prozesse auszulösen, als Räume der
Macht zu beherrschen. Die politische Größe zeigt sich, wenn man in schwierigen Momenten nach
bedeutenden Grundsätzen handelt und dabei an das langfristige Gemeinwohl denkt. Diese Pflicht
in einem Projekt der Nation auf sich zu nehmen, kostet die politische Macht einen hohen Preis.
179. An einigen Orten werden Kooperativen für die Nutzung erneuerbarer Energien entwickelt,
welche die lokale Selbstversorgung einschließlich des Verkaufs der überschüssigen Produktion
ermöglichen. Dieses einfache Beispiel zeigt: Während die existierende Weltordnung sich als
unfähig erweist, Verantwortungen zu übernehmen, kann die örtliche Instanz einen Unterschied
machen. Denn dort können sich in der Weise, wie man an das denkt, was man seinen Kindern
und Enkeln hinterlässt, eine größere Verantwortlichkeit, ein starker Gemeinschaftssinn, eine
besondere Fähigkeit zur Umsicht, eine großherzigere Kreativität und eine herzliche Liebe für das
eigene Land bilden. Diese Werte sind in der einheimischen Bevölkerung sehr tief verwurzelt. Da
sich das Recht aufgrund der Korruption manchmal als ungenügend erweist, ist eine politische
Entscheidung auf Druck der Bevölkerung erforderlich. Über Nichtregierungsorganisationen und
intermediäre Verbände muss die Gesellschaft die Regierungen verpflichten, rigorosere
Vorschriften, Vorgehensweisen und Kontrollen zu entwickeln. Wenn die Bürger die nationale,
regionale und kommunale politische Macht nicht kontrollieren, ist auch keine Kontrolle der
Umweltschäden möglich. Andererseits können die Gesetze der Gemeinden wirksamer sein, wenn
Vereinbarungen zwischen benachbarten Ortschaften bestehen, um die gleiche Umweltpolitik zu
unterstützen.
180. An einheitliche Lösungsvorschläge ist nicht zu denken, denn jedes Land oder jede Region
hat spezifische Probleme und Grenzen. Es ist auch wahr, dass der politische Realismus
Übergangsmaßnahmen und -technologien erfordern kann, die allerdings immer von der Planung
und der Annahme bindender stufenweiser Verpflichtungen begleitet sein sollen. Doch in den
nationalen und lokalen Bereichen gibt es immer viel zu tun auf dem Gebiet der Förderung von
Formen der Energieersparnis. Das schließt ein, industrielle Produktion mit maximaler
Energieeffizienz und geringerer Menge an Rohstoffen zu begünstigen, indem man die Produkte
vom Markt nimmt, die unter energetischem Aspekt wenig rationell oder die stärker

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umweltbelastend sind. Wir können auch eine gute Verwaltung des Verkehrswesens erwähnen
oder Formen der Konstruktion und Sanierung von Gebäuden, durch die ihr Energieverbrauch und
ihr Maß an Verunreinigung reduziert wird. Andererseits kann sich das kommunalpolitische
Handeln auf die Mäßigung des Konsums ausrichten, auf die Entwicklung einer Entsorgungs- und
Wiederverwertungswirtschaft, auf den Artenschutz und auf die Planung einer diversifizierten
Landwirtschaft mit Fruchtwechsel. Es ist möglich, eine landwirtschaftliche Verbesserung der
armen Regionen zu fördern durch Investitionen in ländliche Infrastrukturen, in die Organisation
des lokalen oder nationalen Marktes, in Bewässerungsanlagen, in die Entwicklung nachhaltiger
Agrartechniken und anderes. Man kann Formen der Zusammenarbeit oder der gemeinschaftlichen
Organisation erleichtern, welche die Interessen der kleinen Erzeuger schützen und die örtlichen
Ökosysteme vor der Plünderung bewahren. Es gibt so vieles, was man tun kann!
181. Unerlässlich ist die Kontinuität, denn man kann nicht mit jedem Regierungswechsel die mit
dem Klimawandel und dem Umweltschutz verbundene Politik ändern. Die Ergebnisse erfordern
viel Zeit und setzen unmittelbare Kosten voraus mit Wirkungen, die nicht innerhalb einer laufenden
Regierungsperiode nachgewiesen werden können. Darum wird es ohne den Druck der
Bevölkerung und der Institutionen immer Widerstand geben einzugreifen, sogar noch mehr, wenn
es Notfälle zu lösen gilt. Dass ein Politiker diese Verantwortungen mit den dazugehörigen Kosten
übernimmt, entspricht nicht der auf Effizienz und Unmittelbarkeit ausgerichteten Logik der
aktuellen Wirtschaft und Politik, doch wenn er es zu tun wagt, wird er wieder die Würde erkennen,
die Gott ihm als Menschen verliehen hat, und nach seinem Weg durch diese Geschichte ein
Zeugnis großzügiger Verantwortlichkeit hinterlassen. Man muss einer soliden Politik den Vorrang
geben, die die Institutionen zu reformieren und zu koordinieren vermag und die auch deren
Betrieb ohne Pressionen und lasterhafte Trägheit gewährleistet. Freilich ist hinzuzufügen, dass die
besten Vorkehrungen letztlich scheitern werden, wenn die großen Ziele, die Werte und eine
humanistische, sinnerfüllte Auffassung fehlen, die jeder Gesellschaft eine edle und großherzige
Orientierung verleihen.
III. DIALOG UND TRANSPARENZ IN DEN ENTSCHEIDUNGSPROZESSEN
182. Die Prognose der Umweltverträglichkeit der Unternehmen und Projekte erfordert
transparente politische Prozesse, die dem Dialog unterworfen sind, während die Korruption,
welche die wirkliche Umweltbelastung eines Projektes um gewisser Vergünstigungen willen
verheimlicht, gewöhnlich zu unlauteren Vereinbarungen führt, die sich Auskünften und
eingehenden Erörterungen entziehen.
183. Eine Untersuchung der Umweltverträglichkeit dürfte nicht im Anschluss an die Erarbeitung
eines Produktionsplanes oder irgendeiner Politik, einer Planung oder eines Programms
stattfinden, die es zu entwickeln gilt. Sie muss von Anfang an einbezogen und
bereichsübergreifend, transparent und unabhängig von jedem wirtschaftlichen oder politischen
Druck ausgearbeitet werden. Sie muss mit einer Analyse der Arbeitsbedingungen und der

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möglichen Auswirkungen – zum Beispiel auf die physische und geistige Gesundheit der
Menschen, auf die lokale Wirtschaft, auf die Sicherheit – verbunden sein. So kann man auf
realistischere Weise Rückschlüsse auf die wirtschaftlichen Ergebnisse ziehen, indem man
mögliche Szenerien berücksichtigt und eventuell der Notwendigkeit einer größeren Investition zur
Lösung unerwünschter und korrigierbarer Wirkungen zuvorkommt. Immer ist es notwendig, den
Konsens unter den verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren einzuholen, die unterschiedliche
Perspektiven, Lösungen und Alternativen beisteuern können. Einen privilegierten Platz in der
Diskussion müssen jedoch die Einwohner vor Ort haben, die sich fragen, was sie für sich und für
ihre Kinder wollen, und die auch Ziele in Betracht ziehen können, die das unmittelbare
wirtschaftliche Interesse übersteigen. Man muss den Gedanken an „Eingriffe“ in die Umwelt
aufgeben, um zu einer von allen betroffenen Parteien durchdachten und diskutierten Politik zu
kommen. Die Beteiligung verlangt, dass alle über die verschiedenen Aspekte sowie über die
unterschiedlichen Risiken und Möglichkeiten angemessen informiert sind und dass sie nicht auf
die Anfangsentscheidung über ein Projekt reduziert wird, sondern auch Maßnahmen zur Kontrolle
oder der ständigen Überwachung einschließt. Es braucht Aufrichtigkeit und Wahrheit in den
wissenschaftlichen und politischen Diskussionen, ohne sich darauf zu beschränken abzuwägen,
was gesetzlich erlaubt ist oder nicht.
184. Wenn eventuelle Risiken für die Umwelt erscheinen, die das gegenwärtige oder zukünftige
Gemeinwohl betreffen, verlangt die Situation, „dass alle Entscheidungen auf der Grundlage einer
Gegenüberstellung der Risiken und der Vorteile jeder in Frage kommenden Alternative getroffen
werden“.[131] Das gilt vor allem, wenn ein Projekt einen erhöhten Verbrauch natürlicher
Ressourcen, eine Zunahme von Emissionen oder Abfallprodukten, die Erzeugung von
Rückständen oder eine bedeutende Veränderung der Landschaft, des Lebensraums geschützter
Arten oder eines öffentlichen Raums verursachen kann. Einige nicht ausreichend analysierte
Projekte können zutiefst die Lebensqualität eines Ortes schädigen aufgrund von so verschiedenen
Fragen wie zum Beispiel eine nicht vorhergesehene Lärmbelästigung, die Beschränkung der
Sichtweite, der Verlust kultureller Werte, die Auswirkungen des Gebrauchs von Nuklearenergie.
Die Konsum-Kultur, die der Kurzfristigkeit und dem Privatinteresse den Vorrang gibt, kann allzu
schnelle Instanzenwege fördern oder die Verschleierung der Information zulassen.
185. Um zu erkennen, ob ein Unternehmen zu einer wahren ganzheitlichen Entwicklung beiträgt,
müssten in der gesamten Diskussion die folgenden Fragestellungen bedacht werden: Wozu?
Weshalb? Wo? Wann? In welcher Weise? Für wen? Welches sind die Risiken? Zu welchem
Preis? Wer kommt für die Kosten auf, und wie wird er das tun? In dieser Prüfung gibt es Fragen,
die den Vorrang haben müssen. Wir wissen zum Beispiel, dass das Wasser eine beschränkte und
unerlässliche Ressource ist, und zudem ist es ein Grundrecht, das die Ausübung anderer
Menschenrechte bedingt. Das steht außer Zweifel und stellt jede Analyse der Umweltschädigung
einer Region in den Schatten.
186. In der Rio-Erklärung von 1992 heißt es: „Drohen schwerwiegende oder bleibende Schäden,

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so darf ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewissheit kein Grund dafür sein,
kostenwirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Umweltverschlechterungen
aufzuschieben.“[132] Dieses Prinzip der Vorbeugung gestattet den Schutz der Schwächsten, die
kaum über Mittel verfügen, sich zu verteidigen und unumstößliche Nachweise zu erbringen. Wenn
die objektive Information einen schweren und irreversiblen Schaden voraussehen lässt, müsste
jedes Projekt, auch wenn es keine unbestreitbare Bestätigung gibt, gestoppt oder modifiziert
werden. So wird die Beweislast umgekehrt, da in diesen Fällen ein objektiver und schlagender
Nachweis dafür erbracht werden muss, dass das Vorhaben keine schweren Schäden für die
Umwelt und ihre Bewohner verursachen wird.
187. Das bedeutet nicht, sich jeglicher technischen Neuerung zu widersetzen, die eine
Verbesserung der Lebensqualität einer Bevölkerung gestattet. Doch in jedem Fall muss der
Grundsatz erhalten bleiben, dass die Rentabilität nicht das einzige Kriterium sein darf, das
berücksichtigt wird, und dass in dem Moment, in dem mit wachsendem Kenntnisstand neue
Elemente zur Beurteilung auftauchen, eine neue Bewertung unter Teilnahme aller betroffenen
Parteien stattfinden müsste. Das Ergebnis der Diskussion könnte die Entscheidung sein, ein
Projekt nicht weiterzuführen, es könnte aber auch dessen Veränderung oder die Entwicklung von
Alternativvorschlägen sein.
188. Es gibt Diskussionen über Umweltfragen, in denen es schwierig ist, einen Konsens zu
erreichen. Noch einmal betone ich, dass die Kirche nicht beansprucht, die wissenschaftlichen
Fragen zu lösen, noch die Politik zu ersetzen, doch ich fordere zu einer ehrlichen und
transparenten Debatte auf, damit Sonderbedürfnisse oder Ideologien nicht das Gemeinwohl
schädigen.
IV. POLITIK UND WIRTSCHAFT IM DIALOG FÜR DIE VOLLE MENSCHLICHE ENTFALTUNG
189. Die Politik darf sich nicht der Wirtschaft unterwerfen, und diese darf sich nicht dem Diktat und
dem effizienzorientierten Paradigma der Technokratie unterwerfen. Im Hinblick auf das
Gemeinwohl besteht für uns heute die dringende Notwendigkeit, dass Politik und Wirtschaft sich
im Dialog entschieden in den Dienst des Lebens stellen, besonders in den des menschlichen
Lebens. Die Rettung der Banken um jeden Preis, indem man die Kosten dafür der Bevölkerung
aufbürdet, ohne den festen Entschluss, das gesamte System zu überprüfen und zu reformieren,
unterstützt eine absolute Herrschaft der Finanzen, die keine Zukunft besitzt und nach einer
langwierigen, kostspieligen und scheinbaren Heilung nur neue Krisen hervorrufen kann. Die
Finanzkrise von 2007-2008 war eine Gelegenheit für die Entwicklung einer neuen, gegenüber den
ethischen Grundsätzen aufmerksameren Wirtschaft und für eine Regelung der spekulativen
Finanzaktivität und des fiktiven Reichtums. Doch es gab keine Reaktion, die dazu führte, die
veralteten Kriterien zu überdenken, die weiterhin die Welt regieren. Die Produktion ist nicht immer
rational und pflegt an wirtschaftliche Variablen gebunden zu sein, die den Produkten einen Wert
zuschreiben, der nicht ihrem wirklichen Wert entspricht. Das führt oft zu einer Überproduktion

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einiger Waren, mit einer unnötigen Umweltbelastung, die zugleich viele regionale
Wirtschaftszweige beeinträchtigt.[133] Die Finanzblase pflegt auch eine Produktionsblase zu sein.
Letztlich ist das, was nicht energisch in Angriff genommen wird, das Problem der Realökonomie,
die es möglich macht, dass die Produktion vielseitig gestaltet und verbessert wird, dass die
Unternehmen angemessen funktionieren, dass die kleinen und mittleren Betriebe sich entwickeln
und Arbeitsplätze schaffen.
190. In diesem Zusammenhang muss immer daran erinnert werden , dass „der Umweltschutz […]
nicht nur auf der Grundlage einer finanziellen Kostennutzenrechnung gewährleistet werden [kann].
Die Umwelt ist eines jener Güter, die die Mechanismen des Markts nicht in der angemessenen
Form schützen oder fördern können.“[134] Wieder einmal ist es gut, eine magische Auffassung
des Marktes zu vermeiden, die zu der Vorstellung neigt, dass sich die Probleme allein mit dem
Anstieg der Gewinne der Betriebe oder der Einzelpersonen lösen. Ist es realistisch zu hoffen, dass
derjenige, der auf den Maximalgewinn fixiert ist, sich mit dem Gedanken an die
Umweltauswirkungen aufhält, die er den kommenden Generationen hinterlässt? Innerhalb des
Schemas der Rendite ist kein Platz für Gedanken an die Rhythmen der Natur, an ihre Zeiten des
Verfalls und der Regenerierung und an die Kompliziertheit der Ökosysteme, die durch das
menschliche Eingreifen gravierend verändert werden können. Außerdem wird, wenn von
biologischer Vielfalt die Rede ist, diese letztlich als ein Reservoir wirtschaftlicher Ressourcen
betrachtet, das ausgebeutet werden könnte, doch man erwägt nicht ernstlich den realen Wert der
Dinge, ihre Bedeutung für die Menschen und die Kulturen, die Interessen und Bedürfnisse der
Armen.
191. Wenn diese Fragen aufgeworfen werden, reagieren einige mit der Anschuldigung, man wolle
gegen alle Vernunft den Fortschritt und die menschliche Entwicklung aufhalten. Wir müssen uns
jedoch davon überzeugen, dass die Verlangsamung eines gewissen Rhythmus von Produktion
und Konsum Anlass zu einer anderen Art von Fortschritt und Entwicklung geben kann. Die
Anstrengungen für eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen sind kein nutzloser
Aufwand, sondern eine Investition, die mittelfristig andere wirtschaftliche Gewinne bieten kann.
Wenn wir nicht engstirnig sind, können wir entdecken, dass die vielseitige Gestaltung einer mehr
innovativen und weniger umweltschädlichen Produktion rentabler sein kann. Es geht darum, den
Weg für andere Möglichkeiten zu öffnen, die nicht etwa bedeuten, die Kreativität des Menschen
und seinen Sinn für Fortschritt zu bremsen, sondern diese Energie auf neue Anliegen hin
auszurichten.
192. Ein kreativerer und besser ausgerichteter Weg der Produktionsentwicklung könnte zum
Beispiel die Tatsache korrigieren, dass es einen übertriebenen technologischen Einsatz für den
Konsum gibt und einen geringen, um die unerledigten Probleme der Menschheit zu lösen; er
könnte kluge und rentable Formen von Wiederverwertung, Umfunktionierung und Recycling
schaffen; er könnte die Energieeffizienz der Städte verbessern und vieles mehr. Die breite
Auffächerung der Produktion bietet der menschlichen Intelligenz äußerst vielfältige Möglichkeiten,

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zu gestalten und zu erneuern, während sie zugleich die Umwelt schützt und mehr Arbeitsplätze
schafft. Das wäre eine Kreativität, die fähig ist, den eigentlichen Adel des Menschen neu erblühen
zu lassen, denn es ist würdiger, mutig und verantwortungsvoll die Intelligenz einzusetzen, um im
Rahmen eines weiteren Verständnisses dessen, was die Lebensqualität ausmacht, Formen
nachhaltiger und gerechter Entwicklung zu finden. Umgekehrt ist es eher unwürdig, oberflächlich
und weniger kreativ, auf der Schaffung von Formen der Ausplünderung der Natur zu beharren, nur
um neue Möglichkeiten des Konsums und der unmittelbaren Rendite zu bieten.
193. Wenn in einigen Fällen die nachhaltige Entwicklung neue Formen des Wachstums mit sich
bringen wird, muss man immerhin in anderen Fällen angesichts des unersättlichen und
unverantwortlichen Wachstums, das jahrzehntelang stattgefunden hat, auch daran denken, die
Gangart ein wenig zu verlangsamen, indem man einige vernünftige Grenzen setzt und sogar
umkehrt, bevor es zu spät ist. Wir wissen, dass das Verhalten derer, die mehr und mehr
konsumieren und zerstören, während andere noch nicht entsprechend ihrer Menschenwürde
leben können, unvertretbar ist. Darum ist die Stunde gekommen, in einigen Teilen der Welt einen
gewissen Wachstumsrückgang zu akzeptieren und Hilfen zu geben, damit in anderen Teilen ein
gesunder Aufschwung stattfinden kann. Benedikt XVI. hat gesagt, dass „die technologisch
fortgeschrittenen Gesellschaften bereit sein [müssen], Verhaltensweisen zu fördern, die von einem
Maßhalten geprägt sind, indem sie den eigenen Energiebedarf reduzieren und die
Nutzungsbedingungen verbessern“.[135]
194. Damit neue Leitbilder für den Fortschritt aufkommen, müssen wir „das Modell globaler
Entwicklung in eine [andere] Richtung … lenken“[136], was einschließt, „über den Sinn der
Wirtschaft und über ihre Ziele nachzudenken, um Missstände und Verzerrungen zu
korrigieren“.[137] Es genügt nicht, die Pflege der Natur mit dem finanziellen Ertrag oder die
Bewahrung der Umwelt mit dem Fortschritt in einem Mittelweg zu vereinbaren. In diesem
Zusammenhang sind die Mittelwege nur eine kleine Verzögerung des Zusammenbruchs. Es geht
schlicht darum, den Fortschritt neu zu definieren. Eine technologische und wirtschaftliche
Entwicklung, die nicht eine bessere Welt und eine im Ganzen höhere Lebensqualität hinterlässt,
kann nicht als Fortschritt betrachtet werden. Andererseits nimmt oft die wirkliche Lebensqualität
der Menschen im Zusammenhang mit einem Wirtschaftswachstum ab, und zwar wegen der
Zerstörung der Umwelt, wegen der niedrigen Qualität der eigenen Nahrungsmittel oder durch die
Erschöpfung einiger Ressourcen. In diesem Rahmen pflegt sich die Rede vom nachhaltigen
Wachstum in eine ablenkende und rechtfertigende Gegenrede zu verwandeln, die Werte der
ökologischen Überlegung in Anspruch nimmt und in die Logik des Finanzwesens und der
Technokratie eingliedert, und die soziale wie umweltbezogene Verantwortlichkeit der
Unternehmen wird dann gewöhnlich auf eine Reihe von Aktionen zur Verbraucherforschung und
Image-Pflege reduziert.
195. Das Prinzip der Gewinnmaximierung, das dazu neigt, sich von jeder anderen
Betrachtungsweise abzukapseln, ist eine Verzerrung des Wirtschaftsbegriffs: Wenn die Produktion

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steigt, kümmert es wenig, dass man auf Kosten der zukünftigen Ressourcen oder der Gesundheit
der Umwelt produziert; wenn die Abholzung eines Waldes die Produktion erhöht, wägt niemand in
diesem Kalkül den Verlust ab, der in der Verwüstung eines Territoriums, in der Beschädigung der
biologischen Vielfalt oder in der Erhöhung der Umweltverschmutzung liegt. Das bedeutet, dass die
Unternehmen Gewinne machen, indem sie einen verschwindend kleinen Teil der Kosten
einkalkulieren und tragen. Als ethisch könnte nur ein Verhalten betrachtet werden, in dem „die
wirtschaftlichen und sozialen Kosten für die Benutzung der allgemeinen Umweltressourcen offen
dargelegt sowie von den Nutznießern voll getragen werden und nicht von anderen Völkern oder
zukünftigen Generationen“.[138] Die zweckgebundene Rationalität, die nur eine statische Analyse
der Wirklichkeit im Hinblick auf die aktuellen Bedürfnisse liefert, ist sowohl im Spiel, wenn es der
Markt ist, der die Mittel zuteilt, als auch wenn dies ein planwirtschaftlich geführter Staat tut.
196. Was geschieht mit der Politik? Wir erinnern an das Prinzip der Subsidiarität, das auf allen
Ebenen Freiheit für die Entwicklung der vorhandenen Fähigkeiten gewährt, zugleich aber von
dem, der mehr Macht besitzt, mehr Verantwortlichkeit für das Gemeinwohl fordert. Es ist wahr,
dass heute einige Wirtschaftszweige mehr Macht ausüben, als die Staaten selbst. Man kann aber
nicht eine Wirtschaft ohne Politik rechtfertigen – sie wäre unfähig, eine andere Logik zu
begünstigen, die die verschiedenen Aspekte der gegenwärtigen Krise lenken könnte. Die Logik,
von der man keine aufrichtige Sorge um die Umwelt erwarten kann, lässt auch nicht erwarten,
dass sie besorgt ist, die Schwächsten einzubeziehen, denn „in dem geltenden »privatrechtlichen«
Erfolgsmodell scheint es wenig sinnvoll, zu investieren, damit diejenigen, die auf der Strecke
geblieben sind, die Schwachen oder die weniger Begabten es im Leben zu etwas bringen
können“.[139]
197. Wir brauchen eine Politik, deren Denken einen weiten Horizont umfasst und die einem
neuen, ganzheitlichen Ansatz zum Durchbruch verhilft, indem sie die verschiedenen Aspekte der
Krise in einen interdisziplinären Dialog aufnimmt. Oft ist die Politik selbst für den Verlust ihres
Ansehens verantwortlich, aufgrund von Korruption oder wegen des Mangels an guter öffentlicher
Politik. Wenn der Staat in einer Region seine Rolle nicht erfüllt, können einige Wirtschaftsgruppen
als Wohltäter auftreten und unrechtmäßig die reale Macht übernehmen, indem sie sich
bevollmächtigt fühlen, gewisse Normen nicht einzuhalten, und sogar Anlass geben zu
verschiedenen Formen organisierter Kriminalität, zu Menschenhandel, Drogenhandel und Gewalt
– Übel, die sehr schwer auszurotten sind. Wenn die Politik nicht imstande ist, eine perverse Logik
zu durchbrechen, und wenn auch sie nicht über armselige Reden hinauskommt, werden wir
weitermachen, ohne die großen Probleme der Menschheit in Angriff zu nehmen. Eine Strategie für
eine wirkliche Veränderung verlangt, die Gesamtheit der Vorgänge zu überdenken, denn es reicht
nicht, oberflächliche ökologische Überlegungen einzubeziehen, während man nicht die Logik
infrage stellt, die der gegenwärtigen Kultur zugrunde liegt. Eine gesunde Politik müsste fähig sein,
diese Herausforderung anzunehmen.
198. Die Politik und die Wirtschaft neigen dazu, sich in Sachen Armut und Umweltzerstörung

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gegenseitig die Schuld zuzuschieben. Was man jedoch erwartet, ist, dass sie ihre eigenen Fehler
erkennen und Formen des Zusammenwirkens finden, die auf das Gemeinwohl ausgerichtet sind.
Während die einen nur verzweifelt nach wirtschaftlicher Rendite streben und die anderen nur
besessen darauf sind, die Macht zu bewahren oder zu steigern, haben wir als Ergebnis Kriege
oder unlautere Vereinbarungen, bei denen es beiden Teilen am wenigsten darum geht, die
Umwelt zu schützen und für die Schwächsten zu sorgen. Auch hier gilt: „Die Einheit steht über
dem Konflikt.“[140]
V. DIE RELIGIONEN IM DIALOG MIT DEN WISSENSCHAFTEN
199. Man kann nicht behaupten, dass die empirischen Wissenschaften das Leben, die
Verflechtung aller Geschöpfe und das Ganze der Wirklichkeit völlig erklären. Das hieße, ihre
engen methodologischen Grenzen ungebührlich zu überschreiten. Wenn man in diesem
geschlossenen Rahmen denkt, verschwinden das ästhetische Empfinden, die Poesie und sogar
die Fähigkeit der Vernunft, den Sinn und den Zweck der Dinge zu erkennen.[141] Ich möchte
daran erinnern, dass „die klassischen religiösen Texte für alle Zeiten von Bedeutung sein können
und eine motivierende Kraft besitzen, die immer neue Horizonte öffnet […] Ist es vernünftig und
intelligent, sie in die Verborgenheit zu verbannen, nur weil sie im Kontext einer religiösen
Überzeugung entstanden sind?“[142] Eigentlich ist es naiv zu meinen, die ethischen Grundsätze
könnten völlig abstrakt und aus ihrem gesamten Kontext herausgelöst dargelegt werden; die
Tatsache, dass sie in einer religiösen Sprache erscheinen, mindert in keiner Weise ihren Wert in
der öffentlichen Debatte. Die ethischen Grundsätze, die der Verstand wahrzunehmen vermag,
können immer wieder in einem anderen Gewand auftreten und in verschiedenen Sprachen
ausgedrückt werden, einschließlich der religiösen.
200. Andererseits wird jede technische Lösung, die die Wissenschaften beisteuern wollen,
machtlos sein, die schweren Probleme der Welt zu lösen, wenn die Menschheit von ihrem Kurs
abkommt, wenn die großen Beweggründe, die das Zusammenleben, das Opfer und die Güte
möglich machen, in Vergessenheit geraten. In jedem Fall wird man an die Glaubenden appellieren
müssen, in Übereinstimmung mit ihrem Glauben zu leben und ihm nicht mit ihrem Tun zu
widersprechen; man wird sie ermahnen müssen, sich wieder der Gnade Gottes zu öffnen und
zutiefst aus den eigenen Überzeugungen von Liebe, Gerechtigkeit und Frieden zu schöpfen.
Wenn ein falsches Verständnis unserer eigenen Grundsätze uns auch manchmal dazu geführt
hat, die schlechte Behandlung der Natur oder die despotische Herrschaft des Menschen über die
Schöpfung oder die Kriege, die Ungerechtigkeit und die Gewalt zu rechtfertigen, können wir
Glaubenden erkennen, dass wir auf diese Weise dem Schatz an Weisheit, den wir hätten hüten
müssen, untreu gewesen sind. Oftmals haben die kulturellen Grenzen verschiedener Zeiten
dieses Bewusstsein des eigenen ethischen und geistlichen Erbes beeinträchtigt, doch gerade der
Rückgriff auf dessen Quellen gestattet den Religionen, besser auf die gegenwärtigen Bedürfnisse
zu reagieren.

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201. Der größte Teil der Bewohner des Planeten bezeichnet sich als Glaubende, und das müsste
die Religionen veranlassen, einen Dialog miteinander aufzunehmen, der auf die Schonung der
Natur, die Verteidigung der Armen und den Aufbau eines Netzes der gegenseitigen Achtung und
der Geschwisterlichkeit ausgerichtet ist. Dringend ist auch ein Dialog unter den Wissenschaften
selbst, denn jede von ihnen pflegt sich in die Grenzen ihrer eigenen Sprache zurückzuziehen, und
die Spezialisierung neigt dazu, sich in Abschottung und in eine Verabsolutierung des eigenen
Wissens zu verwandeln. Das verhindert, die Umweltprobleme in geeigneter Weise anzugehen.
Ebenfalls wird ein offener und freundlicher Dialog zwischen den verschiedenen
Ökologiebewegungen notwendig, wo es nicht an ideologischen Kämpfen fehlt. Die Schwere der
ökologischen Krise verlangt von uns allen, an das Gemeinwohl zu denken und auf einem Weg des
Dialogs voranzugehen, der Geduld, Askese und Großherzigkeit erfordert, immer eingedenk des
Grundsatzes: „Die Wirklichkeit steht über der Idee.“[143]
SECHSTES KAPITEL
ÖKOLOGISCHE ERZIEHUNG UND SPIRITUALITÄT
202. Viele Dinge müssen ihren Lauf neu orientieren, vor allem aber muss die Menschheit sich
ändern. Es fehlt das Bewusstsein des gemeinsamen Ursprungs, einer wechselseitigen
Zugehörigkeit und einer von allen geteilten Zukunft. Dieses Grundbewusstsein würde die
Entwicklung neuer Überzeugungen, Verhaltensweisen und Lebensformen erlauben. So zeichnet
sich eine große kulturelle, spirituelle und erzieherische Herausforderung ab, die langwierige
Regenerationsprozesse beinhalten wird.
I. AUF EINEN ANDEREN LEBENSSTIL SETZEN
203. Da der Markt dazu neigt, einen unwiderstehlichen Konsum-Mechanismus zu schaffen, um
seine Produkte abzusetzen, versinken die Menschen schließlich in einem Strudel von unnötigen
Anschaffungen und Ausgaben. Der zwanghafte Konsumismus ist das subjektive Spiegelbild des
techno-ökonomischen Paradigmas. Es geschieht das, worauf schon Romano Guardini
hingewiesen hat: Der Mensch „nimmt […] Gebrauchsdinge und Lebensformen an, wie sie ihm von
der rationalen Planung und den genormten Maschinenprodukten aufgenötigt werden, und tut dies
im Großen und Ganzen mit dem Gefühl, so sei es vernünftig und richtig“.[144] Dieses Modell wiegt
alle in dem Glauben, frei zu sein, solange sie eine vermeintliche Konsumfreiheit haben, während
in Wirklichkeit jene Minderheit die Freiheit besitzt, welche die wirtschaftliche und finanzielle Macht
innehat. In dieser Unklarheit hat die postmoderne Menschheit kein neues Selbstverständnis
gefunden, das sie orientieren kann, und dieser Mangel an Identität wird mit Angst erfahren. Wir
haben allzu viele Mittel für einige dürftige und magere Ziele.
204. Die gegenwärtige Situation der Welt „schafft ein Gefühl der Ungewissheit und der

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71
Unsicherheit, das seinerseits Formen von kollektivem Egoismus […] begünstigt“.[145] Wenn die
Menschen selbstbezogen werden und sich in ihrem eigenen Gewissen isolieren, werden sie
immer unersättlicher. Während das Herz des Menschen immer leerer wird, braucht er immer
nötiger Dinge, die er kaufen, besitzen und konsumieren kann. In diesem Kontext scheint es
unmöglich, dass irgendjemand akzeptiert, dass die Wirklichkeit ihm Grenzen setzt. Ebenso wenig
existiert in diesem Gesichtskreis ein wirkliches Gemeinwohl. Wenn dieser Menschentyp in einer
Gesellschaft tendenziell der vorherrschende ist, werden die Normen nur in dem Maß respektiert
werden, wie sie nicht den eigenen Bedürfnissen zuwiderlaufen. Deshalb denken wir nicht nur an
die Möglichkeit schrecklicher klimatischer Phänomene oder an große Naturkatastrophen, sondern
auch an Katastrophen, die aus sozialen Krisen hervorgehen, denn die Versessenheit auf einen
konsumorientierten Lebensstil kann – vor allem, wenn nur einige wenige ihn pflegen können – nur
Gewalt und gegenseitige Zerstörung auslösen.
205. Trotzdem ist nicht alles verloren, denn die Menschen, die fähig sind, sich bis zum Äußersten
herabzuwürdigen, können sich auch beherrschen, sich wieder für das Gute entscheiden und sich
bessern, über alle geistigen und sozialen Konditionierungen hinweg, die sich ihnen aufdrängen.
Sie sind fähig, sich selbst ehrlich zu betrachten, ihren eigenen Überdruss aufzudecken und neue
Wege zur wahren Freiheit einzuschlagen. Es gibt keine Systeme, die die Offenheit für das Gute,
die Wahrheit und die Schönheit vollkommen zunichte machen und die Fähigkeit aufheben, dem zu
entsprechen. Diese Fähigkeit ist es ja, der Gott von der Tiefe des menschlichen Herzens aus
fortwährend Antrieb verleiht. Jeden Menschen dieser Welt bitte ich, diese seine Würde nicht zu
vergessen; niemand hat das Recht, sie ihm zu nehmen.
206. Eine Änderung der Lebensstile könnte dazu führen, einen heilsamen Druck auf diejenigen
auszuüben, die politische, wirtschaftliche und soziale Macht besitzen. Das ist es, was die
Verbraucherbewegungen erreichen, die durch den Boykott gewisser Produkte auf das Verhalten
der Unternehmen ändernd einwirken und sie zwingen, die Umweltbelastung und die
Produktionsmuster zu überdenken. Es ist eine Tatsache, dass die Unternehmen, wenn die
Gewohnheiten der Gesellschaft ihre Rendite gefährden, sich genötigt sehen, ihre
Produktionsweise zu ändern. Das erinnert uns an die soziale Verantwortung der Verbraucher.
„Das Kaufen [ist] nicht nur ein wirtschaftlicher Akt, sondern immer auch eine moralische
Handlung.“[146] Daher ruft heute „das Thema der Umweltverschmutzung das Verhalten eines
jeden von uns […] zur Rechenschaft“.[147]
207. Die Erd-Charta lud uns alle ein, eine Zeit der Selbstzerstörung hinter uns zu lassen und neu
anzufangen, doch wir haben noch kein universales Bewusstsein entwickelt, das dies möglich
macht. Deshalb wage ich, jene wertvolle Herausforderung erneut vorzubringen: „Wie nie zuvor in
der Geschichte der Menschheit fordert uns unser gemeinsames Schicksal dazu auf, einen neuen
Anfang zu wagen […] Lasst uns unsere Zeit so gestalten, dass man sich an sie erinnern wird als
eine Zeit, in der eine neue Ehrfurcht vor dem Leben erwachte, als eine Zeit, in der nachhaltige
Entwicklung entschlossen auf den Weg gebracht wurde, als eine Zeit, in der das Streben nach

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Gerechtigkeit und Frieden neuen Auftrieb bekam, und als eine Zeit der freudigen Feier des
Lebens.“[148]
208. Immer ist es möglich, wieder die Fähigkeit zu entwickeln, aus sich heraus- und auf den
anderen zuzugehen. Ohne sie erkennt man die anderen Geschöpfe nicht in ihrem Eigenwert, ist
nicht daran interessiert, etwas für die anderen zu tun, und ist nicht imstande, sich Grenzen zu
setzen, um das Leiden oder die Schädigung unserer Umgebung zu vermeiden. Die Grundhaltung
des Sich-selbst-Überschreitens, indem man das abgeschottete Bewusstsein und die
Selbstbezogenheit durchbricht, ist die Wurzel aller Achtsamkeit gegenüber den anderen und der
Umwelt. Und sie ist es auch, die die moralische Reaktion hervorbringt, die Wirkung zu erwägen,
die jedes Tun und jede persönliche Entscheidung außerhalb des eigenen Selbst auslöst. Wenn wir
fähig sind, den Individualismus zu überwinden, kann sich wirklich ein alternativer Lebensstil
entwickeln, und eine bedeutende Veränderung in der Gesellschaft wird möglich.
II. ERZIEHUNG ZUM BÜNDNIS ZWISCHEN DER MENSCHHEIT UND DER UMWELT
209. Das Bewusstsein der Ernsthaftigkeit der kulturellen und ökologischen Krise muss in neuen
Gewohnheiten zum Ausdruck kommen. Viele wissen, dass der gegenwärtige Fortschritt und die
bloße Häufung von Gegenständen und Vergnügen nicht ausreichen, um dem menschlichen
Herzen Sinn zu verleihen und Freude zu schenken, doch sie fühlen sich nicht fähig, auf das zu
verzichten, was der Markt ihnen bietet. In den Ländern, welche die größten Änderungen der
Konsumgewohnheiten erbringen müssten, haben die Jugendlichen ein neues ökologisches
Empfinden und eine großzügige Gesinnung, und einige von ihnen kämpfen in bewundernswerter
Weise für den Umweltschutz, doch sie sind in einem Kontext außerordentlich hohen Konsums und
Wohlstands aufgewachsen, der die Entwicklung anderer Gewohnheiten erschwert. Darum stehen
wir vor einer erzieherischen Herausforderung.
210. Die Umwelterziehung hat ihre Ziele erweitert. Wenn sie anfangs die wissenschaftliche
Information sowie die Bewusstmachung und Vermeidung von Umweltgefahren sehr in den
Mittelpunkt stellte, neigt sie jetzt dazu, eine Kritik an den auf der instrumentellen Vernunft
beruhenden „Mythen“ der Moderne (Individualismus, undefinierter Fortschritt, Konkurrenz,
Konsumismus, regelloser Markt) einzuschließen und auch die verschiedenen Ebenen des
ökologischen Gleichgewichts zurückzugewinnen: das innere Gleichgewicht mit sich selbst, das
solidarische mit den anderen, das natürliche mit allen Lebewesen und das geistliche mit Gott. Die
Umwelterziehung müsste uns darauf vorbereiten, diesen Sprung in Richtung auf das Mysterium zu
vollziehen, von dem aus eine ökologische Ethik ihren tiefsten Sinn erlangt. Andererseits gibt es
Erzieher, die fähig sind, pädagogische Wege einer ökologischen Ethik neu zu entwerfen, so dass
sie tatsächlich helfen, in der Solidarität, der Verantwortlichkeit und der auf dem Mitgefühl
beruhenden Achtsamkeit zu wachsen.
211. Dennoch beschränkt sich diese Erziehung, die berufen ist, ein „ökologisches Bürgertum“ zu

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73
schaffen, manchmal darauf zu informieren und erreicht es nicht, Gewohnheiten zu entwickeln. Die
Existenz von Gesetzen und Regeln reicht auf lange Sicht nicht aus, um die schlechten
Verhaltensweisen einzuschränken, selbst wenn eine wirksame Kontrolle vorhanden ist. Damit die
Rechtsnorm bedeutende und dauerhafte Wirkungen hervorbringt, ist es notwendig, dass der
größte Teil der Mitglieder der Gesellschaft sie aufgrund von geeigneten Motivierungen akzeptiert
hat und aus einer persönlichen Verwandlung heraus reagiert. Nur von der Pflege solider
Tugenden aus ist eine Selbsthingabe in einem ökologischen Engagement möglich. Wenn jemand,
obwohl seine wirtschaftlichen Verhältnisse ihm erlauben, mehr zu verbrauchen und auszugeben,
sich gewohnheitsgemäß etwas wärmer anzieht, anstatt die Heizung anzuzünden, bedeutet das,
dass er Überzeugungen und eine Gesinnung angenommen hat, die den Umweltschutz
begünstigen. Es ist sehr nobel, es sich zur Pflicht zu machen, mit kleinen alltäglichen Handlungen
für die Schöpfung zu sorgen, und es ist wunderbar, wenn die Erziehung imstande ist, dazu
anzuregen, bis es zum Lebensstil wird. Die Erziehung zur Umweltverantwortung kann
verschiedene Verhaltensweisen fördern, die einen unmittelbaren und bedeutenden Einfluss auf
den Umweltschutz haben, wie die Vermeidung des Gebrauchs von Plastik und Papier, die
Einschränkung des Wasserverbrauchs, die Trennung der Abfälle, nur so viel zu kochen, wie man
vernünftigerweise essen kann, die anderen Lebewesen sorgsam zu behandeln, öffentliche
Verkehrsmittel zu benutzen oder ein Fahrzeug mit mehreren Personen zu teilen, Bäume zu
pflanzen, unnötige Lampen auszuschalten. All das gehört zu einer großherzigen und würdigen
Kreativität, die das Beste des Menschen an den Tag legt. Etwas aus tiefen Beweggründen
wiederzuverwerten, anstatt es schnell wegzuwerfen, kann eine Handlung der Liebe sein, die
unsere eigene Würde zum Ausdruck bringt.
212. Man soll nicht meinen, dass diese Bemühungen die Welt nicht verändern. Diese Handlungen
verbreiten Gutes in der Gesellschaft, das über das Feststellbare hinaus immer Früchte trägt, denn
sie verursachen im Schoß dieser Erde etwas Gutes, das stets dazu neigt, sich auszubreiten,
manchmal unsichtbar. Außerdem gibt uns ein solches Verhalten das Gefühl der eigenen Würde
zurück, führt uns zu einer größeren Lebenstiefe und schenkt uns die Erfahrung, dass das Leben in
dieser Welt lebenswert ist.
213. Die Bereiche, in denen die Erziehung stattfindet, sind verschieden: die Schule, die Familie,
die Kommunikationsmittel, die Katechese und andere. Eine gute schulische Erziehung in jungen
Jahren sät etwas aus, das ein Leben lang Auswirkungen haben kann. Ich möchte jedoch die
zentrale Bedeutung der Familie hervorheben, denn „sie ist der Ort, an dem das Leben, Gabe
Gottes, in angemessener Weise angenommen und gegen die vielfältigen Angriffe, denen es
ausgesetzt ist, geschützt wird und wo es sich entsprechend den Forderungen eines echten
menschlichen Wachstums entfalten kann. Gegen die sogenannte Kultur des Todes stellt die
Familie den Sitz der Kultur des Lebens dar.“[149] In der Familie werden die ersten Gewohnheiten
der Liebe und Sorge für das Leben gehegt, wie zum Beispiel der rechte Gebrauch der Dinge,
Ordnung und Sauberkeit, die Achtung des örtlichen Ökosystems und der Schutz aller
erschaffenen Wesen. Die Familie ist der Ort der ganzheitlichen Erziehung, wo sich die

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verschiedenen Momente der persönlichen Reifung ausformen, die eng miteinander verbunden
sind. In der Familie lernt man, um Erlaubnis zu bitten, ohne andere zu überfahren, „danke“ zu
sagen als Ausdruck einer aufrichtigen Wertschätzung dessen, was wir empfangen, Aggressivität
oder Unersättlichkeit zu beherrschen und um Verzeihung zu bitten, wenn wir irgendeinen Schaden
angerichtet haben. Diese kleinen Gesten ehrlicher Höflichkeit helfen, eine Kultur des
Zusammenlebens und der Achtung gegenüber unserer Umgebung aufzubauen.
214. Es ist Sache der Politik und der verschiedenen Vereinigungen, sich um eine Sensibilisierung
der Bevölkerung zu bemühen. Auch der Kirche kommt diese Aufgabe zu. Alle christlichen
Gemeinschaften haben bei dieser Erziehung eine wichtige Rolle zu erfüllen. Ich hoffe auch, dass
in unseren Seminaren und den Ausbildungsstätten der Orden zu einer verantwortlichen
Genügsamkeit, zur dankerfüllten Betrachtung der Welt und zur Achtsamkeit gegenüber der
Schwäche der Armen und der Umwelt erzogen wird. Da viel auf dem Spiel steht, sind nicht nur
Institutionen notwendig, die die Macht besitzen, Sanktionen gegen Umweltattacken zu verhängen,
sondern ebenso notwendig ist es, dass auch wir uns gegenseitig kontrollieren und erziehen.
215. In diesem Zusammenhang „darf die Beziehung, die zwischen einer angemessenen
ästhetischen Erziehung und der Erhaltung einer gesunden Umwelt besteht, nicht vernachlässigt
werden“.[150] Auf die Schönheit zu achten und sie zu lieben hilft uns, aus dem utilitaristischen
Pragmatismus herauszukommen. Wenn jemand nicht lernt innezuhalten, um das Schöne
wahrzunehmen und zu würdigen, ist es nicht verwunderlich, dass sich für ihn alles in einen
Gegenstand verwandelt, den er gebrauchen oder skrupellos missbrauchen kann. Zugleich muss
man, wenn man tiefgreifende Veränderungen erzielen will, berücksichtigen, dass die Denkmuster
wirklich die Verhaltensweisen beeinflussen. Die Erziehung wird unwirksam, und ihre
Anstrengungen werden unfruchtbar sein, wenn sie nicht auch dafür sorgt, ein neues Bild vom
Menschen, vom Leben, von der Gesellschaft und von der Beziehung zur Natur zu verbreiten.
Andernfalls wird das auf Konsum ausgerichtete Modell, das durch die Kommunikationsmittel und
über die wirkungsvollen Räderwerke des Marktes übermittelt wird, weiter fortschreiten.
III. DIE ÖKOLOGISCHE UMKEHR
216. Der große Reichtum der christlichen Spiritualität, der im Laufe von zwanzig Jahrhunderten
aus persönlichen und gemeinschaftlichen Erfahrungen hervorgegangen ist, bietet einen schönen
Beitrag zu dem Versuch, die Menschheit zu erneuern. Ich möchte den Christen einige Leitlinien
ökologischer Spiritualität vorschlagen, die aus den Überzeugungen unseres Glaubens
entspringen, denn was das Evangelium uns lehrt, hat Konsequenzen für unsere Art zu denken, zu
empfinden und zu leben. Es geht darum, nicht so sehr über Ideen, sondern vor allem über die
Beweggründe zu sprechen, die sich aus der Spiritualität ergeben, um eine Leidenschaft für den
Umweltschutz zu fördern. Denn es wird nicht möglich sein, sich für große Dinge zu engagieren
allein mit Lehren, ohne eine „Mystik“, die uns beseelt, ohne „innere Beweggründe, die das
persönliche und gemeinschaftliche Handeln anspornen, motivieren, ermutigen und ihm Sinn

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75
verleihen“.[151] Wir müssen zugeben, dass wir Christen den Reichtum, den Gott der Kirche
geschenkt hat, nicht immer aufgenommen und weiterentwickelt haben – ein Reichtum, in dem die
Spiritualität nicht von der Leiblichkeit, noch von der Natur oder den Wirklichkeiten dieser Welt
getrennt ist, sondern damit und darin gelebt wird, in Gemeinschaft mit allem, was uns umgibt.
217. Wenn „die äußeren Wüsten […] in der Welt [wachsen], weil die inneren Wüsten so groß
geworden sind“,[152] ist die Umweltkrise ein Aufruf zu einer tiefgreifenden inneren Umkehr. Doch
wir müssen auch zugeben, dass einige engagierte und betende Christen unter dem Vorwand von
Realismus und Pragmatismus gewöhnlich die Umweltsorgen bespötteln. Andere sind passiv,
entschließen sich nicht dazu, ihre Gewohnheiten zu ändern, und werden inkohärent. Es fehlt ihnen
also eine ökologische Umkehr, die beinhaltet, alles, was ihnen aus ihrer Begegnung mit Jesus
Christus erwachsen ist, in ihren Beziehungen zu der Welt, die sie umgibt, zur Blüte zu bringen. Die
Berufung, Beschützer des Werkes Gottes zu sein, praktisch umzusetzen gehört wesentlich zu
einem tugendhaften Leben; sie ist nicht etwas Fakultatives, noch ein sekundärer Aspekt der
christlichen Erfahrung.
218. Wir erinnern an das Vorbild des heiligen Franziskus von Assisi, um eine gesunde Beziehung
zur Schöpfung als eine Dimension der vollständigen Umkehr des Menschen vorzuschlagen. Das
schließt auch ein, die eigenen Fehler, Sünden, Laster oder Nachlässigkeiten einzugestehen und
sie von Herzen zu bereuen, sich von innen her zu ändern. Die australischen Bischöfe haben die
Umkehr im Sinn einer Versöhnung mit der Schöpfung ausgedrückt: „Um diese Versöhnung zu
verwirklichen, müssen wir unser Leben prüfen und erkennen, auf welche Weise wir die Schöpfung
Gottes durch unser Handeln und durch unsere Unfähigkeit zu handeln geschädigt haben. Wir
müssen eine Umkehr bzw. einen Wandel des Herzens erfahren.“[153]
219. Allerdings ist es zur Lösung einer so komplexen Situation wie der, mit der sich die Welt von
heute auseinandersetzen muss, nicht genug, dass jeder Einzelne sich bessert. Die isolierten
Einzelpersonen können ihre Fähigkeit und ihre Freiheit verlieren, die Logik der instrumentellen
Vernunft zu überwinden, und sind schließlich einem Konsumismus ohne Ethik und ohne soziales
und umweltbezogenes Empfinden ausgeliefert. Auf soziale Probleme muss mit Netzen der
Gemeinschaft reagiert werden, nicht mit der bloßen Summe individueller positiver Beiträge: „Die
Anforderungen dieses Werkes werden so ungeheuer sein, dass sie aus den Möglichkeiten der
individuellen Initiative und des Zusammenschlusses individualistisch geformter Einzelner nicht zu
lösen sind. Es wird einer Sammlung der Kräfte und einer Einheit der Leistung bedürfen.“[154] Die
ökologische Umkehr, die gefordert ist, um eine Dynamik nachhaltiger Veränderung zu schaffen, ist
auch eine gemeinschaftliche Umkehr.
220. Diese Umkehr setzt verschiedene Grundeinstellungen voraus, die sich miteinander
verbinden, um ein großherziges und von Zärtlichkeit erfülltes Umweltengagement in Gang zu
bringen. An erster Stelle schließt es Dankbarkeit und Unentgeltlichkeit ein, das heißt ein Erkennen
der Welt als ein von der Liebe des himmlischen Vaters erhaltenes Geschenk. Daraus folgt, dass

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man Verzicht übt, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, und großzügig handelt, auch wenn
niemand es sieht oder anerkennt: „Deine linke Hand [soll] nicht wissen, was deine rechte tut […]
und dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten“ (Mt 6,3-4). Es schließt auch
das liebevolle Bewusstsein ein, nicht von den anderen Geschöpfen getrennt zu sein, sondern mit
den anderen Wesen des Universums eine wertvolle allumfassende Gemeinschaft zu bilden. Der
Glaubende betrachtet die Welt nicht von außen, sondern von innen her und erkennt die Bande,
durch die der himmlische Vater uns mit allen Wesen verbunden hat. Da die ökologische Umkehr
die besonderen Fähigkeiten, die Gott ihm verliehen hat, wachsen lässt, bringt sie den Glaubenden
außerdem dazu, seine Kreativität zu entfalten und seine Begeisterung zu steigern, um die Dramen
der Welt zu lösen und sich selbst „als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott
gefällt“ (Röm 12,1). Er versteht seine Überlegenheit nicht als Anlass für persönlichen Ruhm oder
als Beweggrund für eine unverantwortliche Herrschaft, sondern als eine andere Fähigkeit, die ihm
ihrerseits eine schwere Verantwortung auferlegt, die seinem Glauben entspringt.
221. Einige Überzeugungen unseres Glaubens, die zu Beginn dieser Enzyklika dargelegt wurden
– wie das Bewusstsein, dass jedes Geschöpf etwas von Gott widerspiegelt und eine Botschaft hat,
die uns etwas lehren kann, oder die Gewissheit, dass Christus diese materielle Welt in sich
aufgenommen hat und jetzt als Auferstandener im Innersten eines jeden Wesens wohnt, es mit
seiner Liebe umhüllt und mit seinem Licht durchdringt – helfen uns, diese Umkehr mit reichem
Sinn zu erfüllen. Das Gleiche gilt für die Erkenntnis, dass Gott die Welt erschaffen und in sie eine
Ordnung und eine Dynamik hineingelegt hat, die der Mensch nicht ignorieren darf. Wenn jemand
im Evangelium liest, dass Jesus von den Vögeln spricht und sagt, dass „Gott nicht einen von
ihnen vergisst“ (Lk 12,6), wird er dann fähig sein, sie schlecht zu behandeln oder ihnen Schaden
zuzufügen? Ich lade alle Christen ein, diese Dimension ihrer Umkehr zu verdeutlichen, indem sie
zulassen, dass die Kraft und das Licht der empfangenen Gnade sich auch auf ihre Beziehung zu
den anderen Geschöpfen und zu der Welt, die sie umgibt, erstrecken und jene sublime
Geschwisterlichkeit mit der gesamten Schöpfung hervorrufen, die der heilige Franziskus in so
leuchtender Weise lebte.
IV. FREUDE UND FRIEDEN
222. Die christliche Spiritualität schlägt ein anderes Verständnis von Lebensqualität vor und
ermutigt zu einem prophetischen und kontemplativen Lebensstil, der fähig ist, sich zutiefst zu
freuen, ohne auf Konsum versessen zu sein. Es ist wichtig, eine alte Lehre anzunehmen, die in
verschiedenen religiösen Traditionen und auch in der Bibel vorhanden ist. Es handelt sich um die
Überzeugung, dass „weniger mehr ist“. Die ständige Anhäufung von Möglichkeiten zum Konsum
lenkt das Herz ab und verhindert, jedes Ding und jeden Moment zu würdigen. Dagegen öffnet das
gelassene Sich-Einfinden vor jeder Realität, und sei sie noch so klein, uns viel mehr Möglichkeiten
des Verstehens und der persönlichen Verwirklichung. Die christliche Spiritualität regt zu einem
Wachstum mit Mäßigkeit an und zu einer Fähigkeit, mit dem Wenigen froh zu sein. Es ist eine
Rückkehr zu der Einfachheit, die uns erlaubt innezuhalten, um das Kleine zu würdigen, dankbar

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zu sein für die Möglichkeiten, die das Leben bietet, ohne uns an das zu hängen, was wir haben,
noch uns über das zu grämen, was wir nicht haben. Das setzt voraus, die Dynamik der Herrschaft
und der bloßen Anhäufung von Vergnügungen zu meiden.
223. Die Genügsamkeit, die unbefangen und bewusst gelebt wird, ist befreiend. Sie bedeutet nicht
weniger Leben, sie bedeutet nicht geringere Intensität, sondern ganz das Gegenteil. In Wirklichkeit
kosten diejenigen jeden einzelnen Moment mehr aus und erleben ihn besser, die aufhören, auf
der ständigen Suche nach dem, was sie nicht haben, hier und da und dort etwas aufzupicken: Sie
sind es, die erfahren, was es bedeutet, jeden Menschen und jedes Ding zu würdigen, und die
lernen, mit den einfachsten Dingen in Berührung zu kommen und sich daran zu freuen. So sind
sie fähig, die unbefriedigten Bedürfnisse abzubauen, und reduzieren die Ermüdung und das
versessene Streben. Man kann wenig benötigen und erfüllt leben, vor allem, wenn man fähig ist,
das Gefallen an anderen Dingen zu entwickeln und in den geschwisterlichen Begegnungen, im
Dienen, in der Entfaltung der eigenen Charismen, in Musik und Kunst, im Kontakt mit der Natur
und im Gebet Erfüllung zu finden. Das Glück erfordert, dass wir verstehen, einige Bedürfnisse, die
uns betäuben, einzuschränken, und so ansprechbar bleiben für die vielen Möglichkeiten, die das
Leben bietet.
224. Genügsamkeit und Demut haben im letzten Jahrhundert keine Wertschätzung erfahren.
Wenn jedoch die Übung irgendeiner Tugend im persönlichen und im gesellschaftlichen Leben
allgemein nachlässt, dann verursacht das schließlich viele Unausgeglichenheiten, auch in der
Umwelt. Darum reicht es nicht mehr, nur von der Unversehrtheit der Ökosysteme zu sprechen.
Man muss auch wagen, von der Unversehrtheit des menschlichen Lebens zu sprechen, von der
Notwendigkeit, alle großen Werte zu fördern und miteinander zu verbinden. Das Verschwinden
der Demut in einem Menschen, der maßlos begeistert ist von der Möglichkeit, alles ohne jede
Einschränkung zu beherrschen, kann letztlich der Gesellschaft und der Umwelt nur schaden. Es
ist nicht leicht, diese gesunde Demut und eine zufriedene Genügsamkeit zu entwickeln, wenn wir
eigenständig werden, wenn wir Gott aus unserem Leben ausschließen und unser Ich seinen Platz
einnimmt, wenn wir glauben, es sei unserer Subjektivität anheimgestellt zu bestimmen, was gut
und was böse ist.
225. Andererseits kann kein Mensch in einer zufriedenen Genügsamkeit reifen, wenn er nicht im
Frieden mit sich selber lebt. Ein rechtes Verständnis der Spiritualität besteht zum Teil darin,
unseren Begriff von Frieden zu erweitern, der viel mehr ist, als das Nichtvorhandensein von Krieg.
Der innere Friede der Menschen hat viel zu tun mit der Pflege der Ökologie und mit dem
Gemeinwohl, denn wenn er authentisch gelebt wird, spiegelt er sich in einem ausgeglichenen
Lebensstil wider, verbunden mit einer Fähigkeit zum Staunen, die zur Vertiefung des Lebens führt.
Die Natur ist voll von Worten der Liebe. Doch wie können wir sie hören mitten im ständigen Lärm,
in der fortdauernden und begierigen Zerstreuung oder im Kult der äußeren Erscheinung? Viele
Menschen spüren eine tiefe Unausgeglichenheit, die sie dazu bewegt, alles in
Höchstgeschwindigkeit zu erledigen, um sich beschäftigt zu fühlen, in einer ständigen Hast, die sie

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wiederum dazu führt, alles um sich herum zu überfahren. Das wirkt sich aus auf die Art, die
Umwelt zu behandeln. Eine ganzheitliche Ökologie beinhaltet auch, sich etwas Zeit zu nehmen,
um den ruhigen Einklang mit der Schöpfung wiederzugewinnen, um über unseren Lebensstil und
unsere Ideale nachzudenken, um den Schöpfer zu betrachten, der unter uns und in unserer
Umgebung lebt und dessen Gegenwart „nicht hergestellt, sondern entdeckt, enthüllt werden“
muss.[155]
226. Wir sprechen von einer Haltung des Herzens, das alles mit gelassener Aufmerksamkeit
erlebt; das versteht, jemandem gegenüber ganz da zu sein, ohne schon an das zu denken, was
danach kommt; das sich jedem Moment widmet wie einem göttlichen Geschenk, das voll und ganz
erlebt werden muss. Jesus lehrte uns diese Haltung, als er uns einlud, die Lilien des Feldes und
die Vögel des Himmels zu betrachten, oder als er in der Gegenwart eines unruhigen Mannes
diesen ansah und ihn liebte (vgl. Mk 10,21). Ja, er war jedem Menschen und jedem Geschöpf
gegenüber ganz da, und so zeigte er uns einen Weg, die krankhafte Ängstlichkeit zu überwunden,
die uns oberflächlich, aggressiv und zu hemmungslosen Konsumenten werden lässt.
227. Ein Ausdruck dieser Haltung ist, vor und nach den Mahlzeiten innezuhalten, um Gott Dank zu
sagen. Ich schlage den Gläubigen vor, diese wertvolle Gewohnheit wieder aufzunehmen und sie
mit Innigkeit zu leben. Dieser Moment des Segensspruchs erinnert uns, selbst wenn er ganz kurz
ist, an unsere Abhängigkeit von Gott für unser Leben, unterstützt unser Empfinden der
Dankbarkeit für die Gaben der Schöpfung, erkennt jene an, die mit ihrer Arbeit diese Güter
besorgen, und stärkt die Solidarität mit denen, die am meisten bedürftig sind.
V. LIEBE IM ZIVILEN UND POLITISCHEN BEREICH
228. Die Pflege der Natur ist Teil eines Lebensstils, der die Fähigkeit zum Zusammenleben und
zur Gemeinschaft einschließt. Jesus erinnerte uns daran, dass Gott unser gemeinsamer Vater ist
und dass dies uns zu Brüdern und Schwestern macht. Die Bruderliebe kann nur
gegenleistungsfrei sein und darf niemals eine Bezahlung sein für das, was ein anderer
verwirklicht, noch ein Vorschuss für das, was wir uns von ihm erhoffen. Darum ist es möglich, die
Feinde zu lieben. Diese gleiche Uneigennützigkeit führt uns dazu, den Wind, die Sonne und die
Wolken zu lieben und zu akzeptieren, obwohl sie sich nicht unserer Kontrolle unterwerfen. Darum
können wir von einer universalen Geschwisterlichkeit sprechen.
229. Wir müssen wieder spüren, dass wir einander brauchen, dass wir eine Verantwortung für die
anderen und für die Welt haben und dass es sich lohnt, gut und ehrlich zu sein. Wir haben schon
sehr viel Zeit moralischen Verfalls verstreichen lassen, indem wir die Ethik, die Güte, den Glauben
und die Ehrlichkeit bespöttelt haben, und es ist der Moment gekommen zu merken, dass diese
fröhliche Oberflächlichkeit uns wenig genützt hat. Diese Zerstörung jeder Grundlage des
Gesellschaftslebens bringt uns schließlich um der Wahrung der jeweils eigenen Interessen willen
gegeneinander auf, lässt neue Formen von Gewalt und Grausamkeit aufkommen und verhindert

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die Entwicklung einer wahren Kultur des Umweltschutzes.
230. Das Beispiel der heiligen Therese von Lisieux lädt uns ein, den „kleinen Weg“ der Liebe zu
beschreiten, keine Gelegenheit für ein freundliches Wort, für ein Lächeln, für irgendeine kleine
Geste zu verpassen, die Frieden und Freundschaft verbreitet. Eine ganzheitliche Ökologie ist auch
aus einfachen alltäglichen Gesten gemacht, die die Logik der Gewalt, der Ausnutzung, des
Egoismus durchbrechen. Indessen ist die Welt des wütenden Konsums zugleich die Welt, in der
das Leben in all seinen Formen schlecht behandelt wird.
231. Die Liebe voller kleiner Gesten gegenseitiger Achtsamkeit betrifft auch das bürgerliche und
das politische Leben und zeigt sich bei allen Gelegenheiten, die zum Aufbau einer besseren Welt
beitragen. Die Liebe zur Gesellschaft und das Engagement für das Gemeinwohl sind ein
hervorragender Ausdruck der Nächstenliebe, die nicht nur die Beziehungen zwischen den
einzelnen Menschen angeht, sondern auch die „Makro-Beziehungen – in gesellschaftlichen,
wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen“.[156] Darum schlug die Kirche der Welt das
Ideal der „Kultur der Liebe“[157] vor. Die Liebe im sozialen Bereich ist der Schlüssel zu einer
authentischen Entwicklung: „Um die Gesellschaft menschlicher, der menschlichen Person
würdiger zu machen, muss die Liebe im sozialen Leben – auf politischer, wirtschaftlicher und
kultureller Ebene – neu bewertet und zur beständigen obersten Norm des Handelns erhoben
werden.“[158] In diesem Rahmen bewegt uns die Liebe im gesellschaftlichen Bereich, neben der
Bedeutung der kleinen täglichen Gesten an große Strategien zu denken, welche die
Umweltzerstörung wirksam aufhalten und eine Kultur der Achtsamkeit fördern, die die gesamte
Gesellschaft erfüllt. Wenn jemand den Ruf Gottes erkennt, gemeinsam mit den anderen in diese
gesellschaftlichen Dynamiken einzugreifen, soll er sich daran erinnern, dass dies ein Teil seiner
Spiritualität ist, dass es Ausübung der Nächstenliebe ist und dass er auf diese Weise reift und sich
heiligt.
232. Nicht alle sind berufen, direkt in der Politik zu arbeiten, doch im Schoß der Gesellschaft keimt
eine zahllose Vielfalt von Vereinigungen auf, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, indem sie die
natürliche und städtische Umwelt schützen. Sie kümmern sich zum Beispiel um ein öffentliches
Objekt (ein Bauwerk, einen Brunnen, ein verwahrlostes Denkmal, eine Landschaft, einen Platz),
um etwas, das allen gehört, zu schützen, zu sanieren, zu verbessern oder zu verschönern. In ihrer
Umgebung entwickeln sich Bindungen oder werden solche zurückgewonnen, und es entsteht ein
neues örtliches soziales Gewebe. So befreit sich eine Gemeinschaft von der konsumorientierten
Gleichgültigkeit. Das schließt die Bildung einer gemeinsamen Identität ein, einer Geschichte, die
bleibt und weitergegeben wird. Auf diese Weise wird für die Welt und für die Lebensqualität der
Ärmsten gesorgt, mit einem solidarischen Empfinden, das zugleich das Bewusstsein ist, in einem
gemeinsamen Haus zu wohnen, das Gott uns anvertraut hat. Diese gemeinschaftlichen Aktionen
können, wenn sie Ausdruck einer hingebungsvollen Liebe sind, zu intensiven spirituellen
Erfahrungen werden.

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VI. SAKRAMENTALE ZEICHEN UND DIE FEIERTAGSRUHE
233. Das Universum entfaltet sich in Gott, der es ganz und gar erfüllt. So liegt also Mystik in einem
Blütenblatt, in einem Weg, im morgendlichen Tau, im Gesicht des Armen.[159] Das Ideal ist nicht
nur, vom Äußeren zum Inneren überzugehen, um das Handeln Gottes in der Seele zu entdecken,
sondern auch, dahin zu gelangen, ihm in allen Dingen zu begegnen, wie der heilige Bonaventura
lehrte: „Die Kontemplation ist umso vollkommener, je mehr der Mensch die Wirkung der göttlichen
Gnade in sich verspürt, oder auch je besser er versteht, Gott in den äußeren Geschöpfen zu
begegnen.“[160]
234. Der heilige Johannes vom Kreuz lehrte, dass alles Gute, das es in den Dingen und
Erfahrungen der Welt gibt, „auf unendlich vorzügliche Weise in Gott ist, oder, besser gesagt, jedes
dieser großen Dinge, die genannt werden, ist Gott“.[161] Nicht, weil die begrenzten Dinge der Welt
wirklich göttlich wären, sondern weil der Mystiker die innige Verbindung erfährt, die zwischen Gott
und allen Wesen besteht, und so empfindet: Alle Dinge – das ist Gott.[162] Wenn er die Größe
eines Berges bestaunt, kann er ihn nicht von Gott trennen und nimmt wahr, dass dieses innere
Staunen, das er erlebt, auf den Herrn bezogen werden muss. „Die Gebirge haben Höhenzüge,
sind reichhaltig, weit, schön, reizvoll, blumenübersät und dufterfüllt. Diese Gebirge – das ist mein
Geliebter für mich. Die abgelegenen Täler sind ruhig, lieblich, kühl, schattig, voll süßer Gewässer;
mit der Vielfalt ihres Baumbewuchses und dem zarten Gesang der Vögel verschaffen sie dem
Reich der Sinne tiefe Erholung und Wonne und bieten in ihrer Einsamkeit und Stille Erfrischung
und Ruhe. Diese Täler – das ist mein Geliebter für mich.“[163]
235. Die Sakramente sind eine bevorzugte Weise, in der die Natur von Gott angenommen wird
und sich in Vermittlung des übernatürlichen Lebens verwandelt. Über das kultische Geschehen
sind wir eingeladen, die Welt auf einer anderen Ebene zu umarmen. Das Wasser, das Öl, das
Feuer und die Farben werden mit ihrer ganzen Symbolkraft aufgenommen und in den Lobpreis
eingegliedert. Die segnende Hand ist ein Werkzeug der Liebe Gottes und Widerschein der Nähe
Jesu Christi, der gekommen ist, um uns auf unserem Lebensweg zu begleiten. Das Wasser, das
sich über den Körper des Kindes ergießt, das getauft wird, ist ein Zeichen neuen Lebens. Wir
entfliehen nicht der Welt, noch verleugnen wir die Natur, wenn wir Gott begegnen möchten. Das
kann man besonders in der östlichen christlichen Spiritualität erkennen: „Die Schönheit, die im
Orient eine der beliebtesten Bezeichnungen für die göttliche Harmonie und Vorbild der verklärten
Menschheit ist, tritt überall zutage: in Gestalt und Ausstattung der Kirchen, in den Klängen, in den
Farben, in der Beleuchtung, in den Düften.“[164] Für die christliche Erfahrung finden alle
Geschöpfe des materiellen Universums ihren wahren Sinn im menschgewordenen Wort, denn der
Sohn Gottes hat in seine Person einen Teil des materiellen Universums aufgenommen, in den er
einen Keim der endgültigen Verwandlung hineingelegt hat: „Das Christentum verwirft nicht die
Materie, die Leiblichkeit, ja sie wertet sie im liturgischen Akt sogar vollständig auf, in dem der
menschliche Leib sein tiefstes Wesen als Tempel des Geistes zeigt und sich mit dem Herrn Jesus
vereinigt, der um der Rettung der Welt willen auch einen Leib angenommen hat.“[165]

9 Pages 81-90

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9.1 Page 81

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81
236. In der Eucharistie findet die Schöpfung ihre größte Erhöhung. Die Gnade, die dazu neigt, sich
spürbar zu zeigen, erreicht einen erstaunlichen Ausdruck, wenn der menschgewordene Gott
selbst so weit geht, sich von seinem Geschöpf verzehren zu lassen. Auf dem Höhepunkt des
Geheimnisses der Inkarnation wollte der Herr durch ein Stückchen Materie in unser Innerstes
gelangen. Nicht von oben herab, sondern von innen her, damit wir ihm in unserer eigenen Welt
begegnen könnten. In der Eucharistie ist die Fülle bereits verwirklicht, und sie ist das
Lebenszentrum des Universums, der überquellende Ausgangspunkt von Liebe und
unerschöpflichem Leben. Vereint mit dem in der Eucharistie gegenwärtigen inkarnierten Sohn sagt
der gesamte Kosmos Gott Dank. Tatsächlich ist die Eucharistie von sich aus ein Akt der
kosmischen Liebe: „Ja, kosmisch! Denn auch dann, wenn man die Eucharistie auf dem kleinen
Altar einer Dorfkirche feiert, feiert man sie immer in einem gewissen Sinn auf dem Altar der
Welt.“[166] Die Eucharistie vereint Himmel und Erde, umfasst und durchdringt die gesamte
Schöpfung. Die Welt, die aus den Händen Gottes hervorging, kehrt zu ihm zurück in seliger und
vollkommener Anbetung: Im eucharistischen Brot „ist die Schöpfung auf die Vergöttlichung, auf die
heilige Hochzeit, auf die Vereinigung mit dem Schöpfer selbst ausgerichtet“.[167] Darum ist die
Eucharistie auch eine Quelle des Lichts und der Motivation für unsere Sorgen um die Umwelt und
richtet uns darauf aus, Hüter der gesamten Schöpfung zu sein.
237. Am Sonntag hat die Teilnahme an der Eucharistie eine besondere Bedeutung. Dieser Tag
wird wie der jüdische Sabbat als ein Tag der Heilung der Beziehungen des Menschen zu Gott, zu
sich selbst, zu den anderen und zur Welt gewährt. Der Sonntag ist der Tag der Auferstehung, der
„erste Tag“ der neuen Schöpfung, deren Erstlingsfrucht die auferstandene Menschheit des Herrn
ist, ein Unterpfand für die endgültige Verklärung der gesamten erschaffenen Wirklichkeit.
Außerdem kündet dieser Tag „die ewige Ruhe des Menschen in Gott“ an.[168] In dieser Weise
bezieht die christliche Spiritualität den Wert der Muße und des Festes ein. Der Mensch neigt dazu,
die kontemplative Ruhe auf den Bereich des Unfruchtbaren und Unnötigen herabzusetzen und
vergisst dabei, dass man so dem Werk, das man vollbringt, das Wichtigste nimmt: seinen Sinn.
Wir sind berufen, in unser Handeln eine Dimension der Empfänglichkeit und der Unentgeltlichkeit
einzubeziehen, die etwas anderes ist als ein bloßes Nichtstun. Es handelt sich um eine andere Art
des Tuns, die einen Teil unseres Wesens ausmacht. Auf diese Weise wird das menschliche
Handeln nicht allein vor dem leeren Aktivismus bewahrt, sondern auch vor der zügellosen
Unersättlichkeit und dem abgeschotteten Bewusstsein, das dazu führt, nur den eigenen Vorteil zu
verfolgen. Das Gesetz der wöchentlichen Ruhe schrieb vor, am siebten Tag keine Arbeit zu tun,
„damit dein Rind und dein Esel ausruhen und der Sohn deiner Sklavin und der Fremde zu Atem
kommen“ (Ex 23,12). Die Ruhe ist eine Ausweitung des Blickfeldes, die erlaubt, wieder die Rechte
der anderen zu erkennen. So strahlt der Tag der Ruhe, dessen Mittelpunkt die Eucharistie ist, sein
Licht über die ganze Woche aus und motiviert uns, uns die Sorge für die Natur und die Armen zu
Eigen zu machen.
VII. DIE TRINITÄT UND DIE BEZIEHUNG ZWISCHEN DEN GESCHÖPFEN

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238. Der Vater ist der letzte Ursprung von allem, der liebevolle und verbindende Grund von allem,
was existiert. Der Sohn, der ihn widerspiegelt und durch den alles erschaffen wurde, hat sich mit
dieser Erde verbunden, als er im Schoß Marias menschliche Gestalt annahm. Der Geist, das
unendliche Band der Liebe, ist zutiefst im Herzen des Universums zugegen, indem er neue Wege
anregt und auslöst. Die Welt wurde durch die drei Personen, den einen göttlichen Ursprung,
geschaffen, doch jede von ihnen verwirklicht das gemeinsame Werk gemäß ihrer persönlichen
Eigenheit. „Wenn wir also voller Bewunderung das Universum in seiner Größe und Schönheit
betrachten, müssen wir die ganze Dreifaltigkeit loben.“[169]
239. Für die Christen führt der Glaube an den einen Gott, der trinitarische Communio ist, zu dem
Gedanken, dass die gesamte Wirklichkeit in ihrem Innern eine eigentlich trinitarische Prägung
besitzt. Der heilige Bonaventura ging so weit zu sagen, dass der Mensch vor der Sünde
entdecken konnte, wie jedes Geschöpf „bezeugt, dass Gott dreifaltig ist“. Den Abglanz der
Dreifaltigkeit konnte man in der Natur erkennen, „als dieses Buch dem Menschen nicht
undurchschaubar war und das Auge des Menschen sich nicht eingetrübt hatte“.[170] Der heilige
Franziskaner lehrt uns, dass jedes Geschöpf eine typisch trinitarische Struktur in sich trägt, die so
real ist, dass sie spontan betrachtet werden könnte, wenn der Blick des Menschen nicht begrenzt,
getrübt und schwach wäre. So weist er uns auf die Herausforderung hin, zu versuchen, die
Wirklichkeit unter trinitarischem Gesichtspunkt zu entschlüsseln.
240. Die göttlichen Personen sind subsistente Beziehungen, und die Welt, die nach göttlichem
Bild erschaffen ist, ist ein Gewebe von Beziehungen. Die Geschöpfe streben auf Gott zu, und
jedes Lebewesen hat seinerseits die Eigenschaft, auf etwas anderes zuzustreben, so dass wir
innerhalb des Universums eine Vielzahl von ständigen Beziehungen finden können, die auf
geheimnisvolle Weise ineinandergreifen.[171] Das lädt uns nicht nur ein, die vielfältigen
Verbindungen zu bewundern, die unter den Geschöpfen bestehen, sondern führt uns dahin, einen
Schlüssel zu unserer eigenen Verwirklichung zu entdecken. Denn die menschliche Person
wächst, reift und heiligt sich zunehmend in dem Maß, in dem sie in Beziehung tritt, wenn sie aus
sich selbst herausgeht, um in Gemeinschaft mit Gott, mit den anderen und mit allen Geschöpfen
zu leben. So übernimmt sie in ihr eigenes Dasein jene trinitarische Dynamik, die Gott dem
Menschen seit seiner Erschaffung eingeprägt hat. Alles ist miteinander verbunden, und das lädt
uns ein, eine Spiritualität der globalen Solidarität heranreifen zu lassen, die aus dem Geheimnis
der Dreifaltigkeit entspringt.
VIII. DIE KÖNIGIN DER GANZEN SCHÖPFUNG
241. Maria, die Mutter, die für Jesus sorgte, sorgt jetzt mit mütterlicher Liebe und mit Schmerz für
diese verletzte Welt. Wie sie mit durchbohrtem Herzen den Tod Jesu beweinte, so fühlt sie jetzt
Mitleid mit den Armen an ihren Kreuzen und mit den durch menschliche Macht zugrunde
gerichteten Geschöpfen. Sie lebt mit Jesus in völliger Verklärung, und alle Geschöpfe besingen
ihre Schönheit. Sie ist die Frau „mit der Sonne bekleidet; der Mond […] unter ihren Füßen und ein

9.3 Page 83

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Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt“ (Offb 12,1). In den Himmel erhoben, ist sie Mutter und
Königin der ganzen Schöpfung. In ihrem verherrlichten Leib, vereint mit dem auferstandenen
Christus, hat ein Teil der Schöpfung die ganze Fülle ihrer Schönheit erreicht. Sie schaut in ihrem
Herzen nicht nur auf das ganze Leben Jesu, das sie dort sorgsam bewahrte (vgl. Lk 2,19.51),
sondern versteht jetzt auch den Sinn von allem. Darum können wir sie bitten, dass sie uns hilft,
diese Welt mit weiseren Augen zu betrachten.
242. Gemeinsam mit ihr tritt in der Heiligen Familie von Nazareth die Gestalt des heiligen Josef
hervor. Er behütete und beschützte Maria und Jesus mit seiner Arbeit und seiner großherzigen
Gegenwart und befreite sie aus der Gewalt der Ungerechten, indem er sie nach Ägypten brachte.
Im Evangelium erscheint er als ein gerechter, arbeitsamer und starker Mann. Doch seine Gestalt
lässt auch eine große Zärtlichkeit erkennen, die nicht eine Eigenschaft der Schwachen, sondern
der wirklich Starken ist, die achtsam gegenüber der Realität sind, um demütig zu lieben und zu
dienen. Darum wurde er zum Schutzpatron der gesamten Kirche erklärt. Auch er kann uns lehren
zu behüten, kann uns motivieren, mit Großmut und Zärtlichkeit zu arbeiten, um diese Welt zu
beschützen, die Gott uns anvertraut hat.
IX. JENSEITS DER SONNE
243. Am Ende werden wir der unendlichen Schönheit Gottes von Angesicht zu Angesicht
begegnen (vgl. 1 Kor 13,12) und können mit seliger Bewunderung das Geheimnis des Universums
verstehen, das mit uns an der Fülle ohne Ende teilhaben wird. Ja, wir sind unterwegs zum Sabbat
der Ewigkeit, zum neuen Jerusalem, zum gemeinsamen Haus des Himmels. Jesus sagt uns: „Ich
mache alles neu“ (Offb 21,5). Das ewige Leben wird ein miteinander erlebtes Staunen sein, wo
jedes Geschöpf in leuchtender Verklärung seinen Platz einnehmen und etwas haben wird, um es
den endgültig befreiten Armen zu bringen.
244. Inzwischen vereinigen wir uns, um uns dieses Hauses anzunehmen, das uns anvertraut
wurde, da wir wissen, dass all das Gute, das es darin gibt, einst in das himmlische Fest
aufgenommen wird. Gemeinsam mit allen Geschöpfen gehen wir unseren Weg in dieser Welt –
auf der Suche nach Gott, denn „wenn die Welt einen Ursprung hat und erschaffen worden ist,
dann suche nach dem, der sie erschaffen hat, suche nach dem, der ihr den Anfang gegeben hat,
nach dem, der ihr Schöpfer ist!“[172] Gehen wir singend voran! Mögen unsere Kämpfe und unsere
Sorgen um diesen Planeten uns nicht die Freude und die Hoffnung nehmen.
245. Gott, der uns zur großzügigen und völligen Hingabe zusammenruft, schenkt uns die Kräfte
und das Licht, die wir benötigen, um voranzugehen. Im Herzen dieser Welt ist der Herr des
Lebens, der uns so sehr liebt, weiter gegenwärtig. Er verlässt uns nicht, er lässt uns nicht allein,
denn er hat sich endgültig mit unserer Erde verbunden, und seine Liebe führt uns immer dazu,
neue Wege zu finden. Er sei gelobt.

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***
246. Nach dieser langen frohen und zugleich dramatischen Überlegung schlage ich zwei Gebete
vor: eines, das wir mit allen teilen können, die an einen Gott glauben, der allmächtiger Schöpfer
ist, und ein anderes, damit wir Christen die Verpflichtungen gegenüber der Schöpfung
übernehmen können, die uns das Evangelium Jesu vorstellt.
Gebet für unsere Erde
Allmächtiger Gott,
der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist
und im kleinsten deiner Geschöpfe,
der du alles, was existiert,
mit deiner Zärtlichkeit umschließt,
gieße uns die Kraft deiner Liebe ein,
damit wir das Leben und die Schönheit hüten.
Überflute uns mit Frieden,
damit wir als Brüder und Schwestern leben
und niemandem schaden.
Gott der Armen,
hilf uns,
die Verlassenen und Vergessenen dieser Erde,
die so wertvoll sind in deinen Augen,
zu retten.
Heile unser Leben,
damit wir Beschützer der Welt sind
und nicht Räuber,
damit wir Schönheit säen
und nicht Verseuchung und Zerstörung.
Rühre die Herzen derer an,
die nur Gewinn suchen
auf Kosten der Armen und der Erde.
Lehre uns,
den Wert von allen Dingen zu entdecken
und voll Bewunderung zu betrachten;
zu erkennen, dass wir zutiefst verbunden sind
mit allen Geschöpfen
auf unserem Weg zu deinem unendlichen Licht.
Danke, dass du alle Tage bei uns bist.
Ermutige uns bitte in unserem Kampf
für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden.

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Christliches Gebet mit der Schöpfung
Wir preisen dich, Vater, mit allen Geschöpfen,
die aus deiner machtvollen Hand
hervorgegangen sind.
Dein sind sie
und erfüllt von deiner Gegenwart und Zärtlichkeit.
Gelobt seist du.
Sohn Gottes, Jesus,
durch dich wurde alles erschaffen.
In Marias Mutterschoß
nahmst du menschliche Gestalt an;
du wurdest Teil dieser Erde
und sahst diese Welt mit menschlichen Augen.
Jetzt lebst du in jedem Geschöpf
mit deiner Herrlichkeit als Auferstandener.
Gelobt seist du.
Heiliger Geist, mit deinem Licht
wendest du diese Welt der Liebe des Vaters zu
und begleitest die Wehklage der Schöpfung;
du lebst auch in unseren Herzen,
um uns zum Guten anzutreiben.
Gelobt seist du.
O Gott, dreifaltig Einer,
du kostbare Gemeinschaft unendlicher Liebe,
lehre uns, dich zu betrachten
in der Schönheit des Universums,
wo uns alles von dir spricht.
Erwecke unseren Lobpreis und unseren Dank
für jedes Wesen, das du erschaffen hast.
Schenke uns die Gnade, uns innig vereint zu fühlen
mit allem, was ist.
Gott der Liebe,
zeige uns unseren Platz in dieser Welt
als Werkzeuge deiner Liebe
zu allen Wesen dieser Erde,
denn keines von ihnen wird von dir vergessen.

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86
Erleuchte, die Macht und Reichtum besitzen,
damit sie sich hüten vor der Sünde der Gleichgültigkeit,
das Gemeinwohl lieben, die Schwachen fördern
und für diese Welt sorgen, die wir bewohnen.
Die Armen und die Erde flehen,
Herr, ergreife uns mit deiner Macht
und deinem Licht,
um alles Leben zu schützen,
um eine bessere Zukunft vorzubereiten,
damit dein Reich komme,
das Reich der Gerechtigkeit, des Friedens,
der Liebe und der Schönheit.
Gelobt seist du.
Amen.
Gegeben zu Rom, Sankt Peter, am 24. Mai, dem Hochfest von Pfingsten im Jahr 2015, dem
dritten meines Pontifikats.
Franziskus
[1] Sonnengesang: Fonti Francescane (FF) 263 (dt. Ausg.: Franziskus-Quellen, Kevelaer 2009,
S. 40-41).
[2] Apostolisches Schreiben Octogesima adveniens (14. Mai 1971), 21: AAS 63 (1971), S. 416-
417.
[3] Ansprache an die FAO anlässlich ihres 25-jährigen Jubiläums (16. November 1970), 4: AAS 62
(1970), S. 833.
[4] Enzyklika Redemptor hominis (4. März 1979), 15: AAS 71 (1979), S. 287.
[5] Vgl. Generalaudienz (17. Januar 2001), 4: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 31, Nr. 4
(26. Januar 2001), S. 2; Insegnamenti 24/1 (2001), S. 179.
[6] Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), 38: AAS 83 (1991), S. 841.
[7] Ebd., 58: AAS 83 (1991), S. 863.
[8] Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), 34: AAS 80 (1988),

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S. 559.
[9] Vgl. Ders., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), 37: AAS 83 (1991), S. 840.
[10] Ansprache an das beim Heiligen Stuhl akkreditierte Diplomatische Corps (8. Januar 2007):
AAS 99 (2007), S. 73.
[11] Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 51: AAS 101 (2009), S. 687.
[12] Ansprache an den Deutschen Bundestag in Berlin (22. September 2011): L’Osservatore
Romano (dt.) Jg. 41, Nr. 39 (30. September 20011), S. 5; AAS 103 (2011), S. 664.
[13] Begegnung mit dem Klerus der Diözese Bozen-Brixen (6. August 2008): AAS 100 (2008),
S. 634.
[14] Message upon the World Day of Prayer for the Protection of Creation (1. September 2012).
[15] Ansprache an das Umwelt-Symposium, Santa Barbara, Kalifornien (8. November 1997); Vgl.
auch John Chryssavgis, On Earth as in Heaven: Ecological Vision and Initiatives of Ecumenical
Patriarch Batholomew, Bronx, New York 2012.
[16] Ebd.
[17] Vortrag im Kloster von Utstein, Norwegen (23. Juni 2003).
[18] Bartholomäus, Ansprache beim Halki Summit I, Global Responsibility and Ecological
Sustainability: Closing Remarks, Istanbul (20. Juni 2012).
[19] Thomas von Celano, Erste Lebensbeschreibung des hl. Franziskus, I. Buch, XXIX, 81: FF 460
(dt. Ausg.: Franziskusquellen, Kevelaer 2009, S. 248).
[20] Legenda Maior, VIII, 6: FF 1145 (dt. Ausg: ebd., S. 736).
[21] Vgl. Thomas von Celano, Zweite Lebensbeschreibung des hl. Franziskus, CXXIV, 165: FF
750 (dt. Ausg.: Franziskusquellen, Kevelaer 2009, S. 390).
[22] Konferenz der katholischen Bischöfe Südafrikas, Pastoral Statement on the Environmental
Crisis (5. September 1999).
[23] Vgl. Grußwort an das Personal der FAO (20. November 2014): AAS 106 (2014), S. 985.
[24] V. Generalversammlung des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik, Dokument von

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Aparecida (29. Juni 2007), 86.
[25] Konferenz der Katholischen Bischöfe der Philippinen, Hirtenbrief What is Happening to our
Beautiful Land? (29. Januar 1988).
[26] Bolivianische Bischofskonferenz, Hirtenbrief über Umwelt und menschliche Entwicklung in
Bolivien El universo, don de Dios para la vida (2012), 17.
[27] Vgl. Deutsche Bischofskonferenz, Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen Der
Klimawandel: Brennpunkt globaler, intergenerationeller und ökologischer Gerechtigkeit
(September 2006), 28-30.
[28] Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Kompendium der Soziallehre der Kirche,
Freiburg 2006, 483.
[29] Generalaudienz (5. Juni 2013): L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 43, Nr. 24 (14. Juni 2013), S.
2; Insegnamenti 1/1 (2013), S. 280.
[30] Bischöfe der Region Patagonia-Comahue (Argentinien), Weihnachtsbotschaft (Dezember
2009), 2.
[31] Konferenz der Katholischen Bischöfe der Vereinigten Staaten, Global Climate Change: A Plea
for Dialogue, Prudence and the Common Good (15. Juni 2001).
[32] V. Generalversammlung des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik, Dokument von
Aparecida (29. Juni 2007), 471.
[33] Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 56: AAS 105 (2013),
S. 1043.
[34] Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag 1990, 12: L‘Osservatore Romano (dt.),
Jg.19, Nr. 50 (15. Dezember 1989), S. 7; AAS 82 (1990), S. 154.
[35] Ders., Generalaudienz (17. Januar 2001), 3: L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 31, Nr. 4 (26.
Januar 2001), S. 2; Insegnamenti 24/1 (2001), S. 178.
[36] Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag 1990, 15: L‘Osservatore Romano (dt.),
Jg.19, Nr. 50 (15. Dezember 1989), S. 8; AAS 82 (1990), S. 156.
[37] Katechismus der Katholischen Kirche, 357.

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[38] Vgl. Botschaft an die Behinderten, Apostolische Reise in die Bundesrepublik Deutschland,
Angelus (16. November 1980): L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 10, Nr. 47 (21. November 1980),
S. 10; Insegnamenti 3/2 (1980), S. 1232.
[39] Benedikt XVI., Homilie zur feierlichen Amtseinführung (24. April 2005): L’Osservatore
Romano (dt.) Jg. 35, Nr. 17 (29. April 2005), S. 3; AAS 97 (2005), S. 711.
[40] Legenda Maior, VIII, 1: FF 1134 (dt. Ausg.: Franziskusquellen, Kevelaer 2009, S. 733).
[41] Katechismus der Katholischen Kirche, 2416.
[42] Deutsche Bischofskonferenz, Zukunft der Schöpfung – Zukunft der Menschheit. Erklärung der
Deutschen Bischofskonferenz zu Fragen der Umwelt und der Energieversorgung (1980), II, 2.
[43] Katechismus der Katholischen Kirche, 339.
[44] Hom. in Hexaemeron, 1, 2, 10: PG 29, Sp. 9.
[45] Divina Commedia. Paradiso, 33. Gesang, 145.
[46] Benedikt XVI., Generalaudienz (9. November 2005), 3: L‘Osservatore Romano (dt.), Jg. 35,
Nr. 46 (18. November 2005), S. 2; Insegnamenti 1 (2005), S. 768.
[47] Ders., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 51: AAS 101 (2009), S. 687.
[48] Johannes Paul II., Generalaudienz (24. April 1991), 6: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 21, Nr.
18 (3. Mai 1991), S. 2; Insegnamenti 14/1 (1991) S. 856.
[49] Der Katechismus erklärt, dass Gott eine Welt erschaffen wollte, die auf dem Weg zu ihrer
letzten Vollkommenheit ist, und dass dies das Vorhandensein der Unvollkommenheit und des
physischen Übels mit sich bringt: vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 310.
[50] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Past. Konst. Gaudium et spes über die Kirche in der Welt
von heute, 36.
[51] Thomas von Aquin, Summa Theologiae I, q. 104, art. 1, ad 4.
[52] Ders., In octo libros Physicorum Aristotelis expositio, Lib. II, lectio 14, n. 8.
[53] Auf dieser Linie liegt auch der entsprechende Beitrag von Pierre Teilhard de Chardin SJ: vgl.
Paul VI., Ansprache beim Besuch der chemisch-pharmazeutischen Fabrik I.C.A.R. (24. Februar
1966): Insegnamenti 4 (1966), S. 992-993; Johannes Paul II., Brief an P. George V. Coyne (1.

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Juni 1988): Insegnamenti 11/2 (1988), S. 1715; Benedikt XVI., Homilie in der Feier der Vesper in
der Kathedrale von Aosta (24. Juli 2009): L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 39, Nr. 31/32 (31. Juli
2009), S. 7; Insegnamenti 5/2 (2009), S. 60.
[54] Johannes Paul II., Generalaudienz (30. Januar 2002), 6: L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 32,
Nr. 6 (8. Februar 2002), S. 2; Insegnamenti 25/1 (2002), S. 1240.
[55] Katholische Bischofskonferenz von Kanada. Kommission für soziale
Angelegenheiten, Hirtenbrief „You Love All That Exists … All Things Are Yours, God, Lover of
Life“ (4. Oktober 2003), 1.
[56] Konferenz der Katholischen Bischöfe Japans, Reverence for Life. A Message for the Twenty-
First Century (1. Januar 2001), 89.
[57] Johannes Paul II., Generalaudienz (26. Januar 2000), 5: L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 30,
Nr. 5 (4. Februar 2000), S. 2; Insegnamenti 23/1 (2000), S. 123.
[58] Ders., Generalaudienz (2. August 2000), 3: L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 30, Nr. 32/33 (11.
August 2000), S. 2; Insegnamenti 23/2 (2000), S. 112.
[59] Paul Ricœur, Philosophie della volonté. 2. Finitude et Culpabilité, Paris 2009, S. 216.
[60] Summa Theologiae I, q.47, art. 1.
[61] Ebd.
[62] Vgl. ebd., art. 2, ad 1; art. 3.
[63] Katechismus der Katholischen Kirche, 340.
* Im Italienischen ist die Sonne (“frate Sole”) männlich und der Mond („sora Luna“) weiblich (Anm.
d. Übers.).
** Das hier mit “durch” übersetzte italienische “per” ist vielschichtig zu verstehen und bedeutet
zugleich „wegen“ und „für“ (Anm. d. Übers.).
[64] Sonnengesang: FF 263 (dt. Ausg.: Franziskusquellen, Kevelaer 2009, S. 40-41).
[65] Vgl. Nationale Konferenz der Bischöfe Brasiliens, A Igreja e a questão ecológica (1992), 53-
54.
[66] Ebd., 61.

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91
[67] Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 215: AAS 105 (2013),
S. 1109.
[68] Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 14: AAS 101 (2009), S. 650.
[69] Katechismus der Katholischen Kirche, 2418.
[70] Konferenz des Dominikanischen Episkopats, Carta pastoral sobre la relación del hombre con
la naturaleza (21. Januar 1987).
[71] Johannes Paul II., Enzyklika Laborem exercens (14. September 1981), 19: AAS 73 (1981),
S. 626.
[72] Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), 31: AAS 83 (1991), S. 831.
[73] Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), 33: AAS 80 (1988), S. 557.
[74] Ansprache an die Indios und Campesinos, Cuilapán, Mexikanische Republik (29. Januar
1979), 6: L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 9, Nr. 7 (16. Februar 1979), S. 7; AAS 71 (1979), S. 209.
[75] Homilie in der Messe für die Landarbeiter in Recife, Brasilien (7. Juli 1980), 4: L’Osservatore
Romano (dt.) Jg. 19, Nr. 30 (25. Juli 1980), S. 8; AAS 72 (1980), S. 926.
[76] Vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag 1990, 8: L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 19, Nr. 50 (15.
Dezember 1989), S. 7; AAS 82 (1990), S. 152.
[77] Bischofskonferenz von Paraguay, Hirtenbrief El campesino paraguayo y la tierra (12. Juni
1983), 2, 4, d.
[78] Bischofskonferenz von Neuseeland, Statement on Environmental Issues, Wellington (1.
September 2006).
[79] Enzyklika Laborem exercens (14. September 1981), 27: AAS 73 (1981), S. 645.
[80] Deshalb konnte der heilige Justin von „Samen des Wortes“ in der Weltsprechen: vgl.
II Apologia 8,1-2; 13,3-6: PG 6, Sp. 457-458; 467.
[81] Johannes Paul II., Ansprache an die Vertreter von Wissenschaft und Kultur und der höheren
Studien an der Universität der Vereinten Nationen, Hiroshima (25. Februar 1981), 3:
L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 11, Nr. 11 (13. März 1981), S. 6; AAS 73 (1981), S. 422.

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[82] Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 69: AAS 101 (2009), S. 702.
[83] Romano Guardini, Das Ende der Neuzeit, Würzburg 91965, S. 87.
[84] Ebd.
[85] Ebd., S. 87-88.
[86] Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Kompendium der Soziallehre der Kirche,
Freiburg 2006, 462.
[87] Romano Guardini, Das Ende der Neuzeit, Würzburg 91965, S. 63-64.
[88] Ebd., S. 64.
[89] Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 35: AAS 101 (2009), S. 671.
[90] Ebd., 22: AAS 101, S. 657.
[91] Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 231: AAS 105 (2013), S.
1114.
[92] Romano Guardini, Das Ende der Neuzeit, Würzburg 91965, S. 63.
[93] Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), 38: AAS 83 (1991), S. 841.
[94] Vgl. Erklärung Love for Creation. An Asian Response to the Ecological Crisis. Kolloquium,
veranstaltet von der Föderation der asiatischen Bischofskonferenzen (Tagaytay, 31. Januar - 5.
Februar 1993), 3.3.2.
[95] Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), 37: AAS 83 (1991), S. 840.
[96] Benedikt XVI., Botschaft zum Weltfriedenstag 2010, 2: L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 39, Nr.
52/53 (25. Dezember 2009), S. 4; AAS 102 (2010), S. 41.
[97] Ders., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 28: AAS 101 (2009), S. 663.
[98] Vgl. Vinzenz von Lérins, Commonitorium primum, Kap. 23: PL 50, Sp. 668: „Ut annis scilicet
consolidetur, dilatetur tempore, sublimetur aetate.“
[99] Nr. 80: AAS 105 (2013), S. 1053.

10.3 Page 93

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[100] Zweites Vatikanisches Konzil, Past. Konst. Gaudium et spes über die Kirche in der Welt von
heute, 63.
[101] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), 37: AAS 83 (1991),
S. 840.
[102] Paul VI., Enzyklika Populorum progressio (26. März 1967), 34: AAS 59 (1967), S. 274.
[103] Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 32: AAS 101 (2009), S. 666.
[104] Ebd.
[105] Ebd.
[106] Katechismus der Katholischen Kirche, 2417.
[107] Ebd., 2418.
[108] Ebd., 2415.
[109] Botschaft zum Weltfriedenstag 1990, 6: L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 19, Nr. 50
(15. Dezember 1989), S. 7; AAS 82 (1990), S. 150.
[110] Ansprache an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften (3. Oktober 1981), 3:
L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 11, Nr. 48 (27. November 1981), S. 10; Insegnamenti 4/2 (1981),
S. 333.
[111] Botschaft zum Weltfriedenstag 1990, 7: L‘Osservatore Romano (dt.) Jg. 19, Nr. 50
(15. Dezember 1989), S. 7; AAS 82 (1990), S. 151.
[112] Johannes Paul II., Ansprache an die 35. Generalversammlung des Weltärztebundes (29.
Oktober 1983), 6: AAS 76 (1984), S. 394.
[113] Bischöfliche Kommission für Sozialpastoral in Argentinien, Una tierra para todos (Juni 2005),
19.
[114] Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung, (14. Juni 1992), Grundsatz 4.
[115] Vgl. Apost. Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 234: AAS 105 (2013),
S. 1116.
[116] Benedikt XVI., Enzykl. Caritas in veritate (29. Juni 2009), 51: AAS 101 (2009), S. 687.

10.4 Page 94

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94
[117] Einige Autoren haben auf die Werte hingewiesen, die man gewöhnlich zum Beispiel in den
villas“, den chabolas oder den „favellas“ in Lateinamerika lebt: Vgl. Juan Carlos Scannone SJ, “La
irrupción del pobre y la lógica de la gratitud”, in: Juan Carlos Scannone y Marcelo Perine (Hrsg.),
Irrupcíon del pobre y quehacer filosófico. Hacia una nueva racionalidad, Buenos Aires 1993, S.
225-230.
[118] Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Kompendium der Soziallehre der Kirche,
Freiburg 2006, 482.
[119] Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 210: AAS 105 (2013),
S. 1107.
[120] Ansprache an den Deutschen Bundestag in Berlin (22. September 2011): L’Osservatore
Romano (dt.) Jg. 41, Nr. 39 (30. September 2011), S. 5; AAS 103 (2011), S. 668.
[121] Generalaudienz (15. April 2015), L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 45 (2015), Nr. 17 (24. April
2015), S. 2.
[122] Zweites Vatikanisches Konzil, Past. Konst. Gaudium et spes über die Kirche in der Welt von
heute, 26: AAS 58 (1966) S. 1046.
[123] Vgl. Nrn. 186-201: AAS 105 (2013), S. 1098-1105.
[124] Portugiesische Bischofskonferenz, Hirtenbrief Responsabilidade solidária pelo bem comum
(15. September 2003), 20.
[125]Benedikt XVI., Botschaft zum Weltfriedenstag 2010, 8:L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 39,
Nr. 52/53 (25. Dezember 2009), S. 5; AAS 102 (2010), S. 46; AAS 102 (2010) S. 45.
[126] Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung (14. Juni 1992), Grundsatz 1.
[127] Bolivianische Bischofskonferenz, Hirtenbrief über Umwelt und menschliche Entwicklung in
Bolivien El universo, don de Dios para la vida (2012), 86.
[128] Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Energia, Giustizia e Pace, Vatikanstadt 2013,
IV, 1, S. 56.
[129] Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 67: AAS 101 (2009), S. 700.
[130] Apost. Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 222: AAS 105 (2013), S. 1111.

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[131] Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Kompendium der Soziallehre der Kirche,
Freiburg 2006, 469.
[132] Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung (14. Juni 1992), Grundsatz 15.
[133] Vgl. Mexikanische Bischofskonferenz. Bischöfliche Kommission für die Sozialpastoral,
Jesucristo, vida y esperanza de los indígenas y campesinos (14. Januar 2008).
[134] Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Kompendium der Soziallehre der Kirche,
Freiburg 2006, 470.
[135] Botschaft zum Weltfriedenstag 2010, 9: L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 39, Nr. 52/53
(25. Dezember 2009), S. 5; AAS 102 (2010), S. 46.
[136] Ebd.
[137] Ebd., 5; AAS S. 43.
[138] Ders., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 50: AAS 101 (2009), S. 686.
[139] Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 209: AAS 105 (2013),
S. 1107.
[140] Ebd., 228: AAS 105, S. 1113.
[141] Vgl. Enzyklika Lumen fidei (29. Juni 2013), 34: AAS 105 (2013), S. 577: „Das Licht des
Glaubens [hält sich], da es ja mit der Wahrheit der Liebe vereint ist, nicht etwa fern von der
materiellen Welt, denn die Liebe wird immer in Leib und Seele gelebt. Das Licht des Glaubens ist
ein inkarniertes Licht, das von dem leuchtenden Leben Jesu ausgeht. Es erleuchtet auch die
Materie, baut auf ihre Ordnung und erkennt, dass sich in ihr ein Weg der Harmonie und des immer
umfassenderen Verstehens öffnet. So erwächst dem Blick der Wissenschaft ein Nutzen aus dem
Glauben: Dieser lädt den Wissenschaftler ein, für die Wirklichkeit in all ihrem unerschöpflichen
Reichtum offen zu bleiben. Der Glaube ruft das kritische Bewusstsein wach, insofern er die
Forschung daran hindert, sich in ihren Formeln zu gefallen, und ihr zu begreifen hilft, dass die
Natur diese immer übersteigt. Indem er zum Staunen angesichts des Geheimnisses der
Schöpfung einlädt, weitet der Glaube die Horizonte der Vernunft, um die Welt, die sich der
wissenschaftlichen Forschung erschließt, besser zu durchleuchten.“
[142] Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 256: AAS 105, S. 1123.
[143] Ebd., 231: AAS, 105, S. 1114.

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[144] Das Ende der Neuzeit, Würzburg 91965, S. 66-67.
[145] Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag 1990, 1: L’Osservatore Romano (dt.)
Jg. 19, Nr. 50 (15. Dezember 1989), S. 1; AAS 82 (1990), S. 147.
[146] Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 66: AAS 101 (2009), S. 699.
[147] Ders., Botschaft zum Weltfriedenstag 2010, 11: L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 39,
Nr. 52/53 (25. Dezember 2009), S. 5; AAS 102 (2010), S. 48.
[148] Erd-Charta, Den Haag (29. Juni 2000).
[149] Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), 39: AAS 83 (1991), S. 842.
[150] Ders., Botschaft zum Weltfriedenstag 1990, 14: L‘Osservatore Romano (dt.) Jg. 19, Nr. 50
(15. Dezember 1989), S. 8; AAS 82 (1990), S. 155.
[151] Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 261: AAS 105 (2013),
S. 1124.
[152] Benedikt XVI., Homilie zur feierlichen Amtseinführung (24. April 2005): L’Osservatore
Romano (dt.) Jg. 35, Nr. 17 (29. April 2005), S. 3; AAS 97 (2005), S. 710.
[153] Konferenz der Katholischen Bischöfe Australiens, A New Earth – The Environmental
Challenge (2002).
[154] Romano Guardini, Das Ende der Neuzeit, Würzburg 91965, S. 72.
[155] Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 71: AAS 105 (2013),
S. 1050.
[156] Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 2: AAS 101 (2009), S. 642.
[157] Paul VI., Botschaft zum Weltfriedenstag 1977: L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 6, Nr. 52/53,
S. 4; AAS 68 (1976) S. 709.
[158] Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Kompendium der Soziallehre der Kirche,
Freiburg 2006, 582.
[159] Ein geistlicher Lehrer, Ali Al-Khawwas, betonte aus eigener Erfahrung ebenfalls die
Notwendigkeit, die Geschöpfe der Welt nicht zu sehr von der inneren Gotteserfahrung zu trennen.
Er sagte: „Man soll nicht von vornherein diejenigen kritisieren, welche die Verzückung in der Musik

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oder in der Poesie suchen. Es liegt ein feines Geheimnis in jeder Bewegung und in jedem Laut
dieser Welt. Die Eingeweihten gelangen dahin zu erfassen, was der wehende Wind, die sich
biegenden Bäume, das rauschende Wasser, die summenden Fliegen, die knarrenden Türen, der
Gesang der Vögel, der Klang der Saiten oder der Flöten, der Seufzer der Kranken, das Stöhnen
der Betrübten […] sagen“ (Eva de Vitray-Meyerovitch [Hrsg.], Anthologie du soufisme, Paris 1978,
200).
[160] In: II Sent., 23, 2, 3.
[161] Cántico espiritual B XIV-XV, 5.
[162] Vgl. ebd.
[163] Ebd., XIV, 6-7.
[164] Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Orientale lumen (2. Mai 1995), 11: AAS 87
(1995), S. 757.
[165] Ebd.
[166] Ders., Enzyklika Ecclesia de Eucharistia (17. April 2003), 8: AAS 95 (2003), S. 438.
[167] Benedikt XVI., Homilie in der Eucharistiefeier am Hochfest des Leibes und Blutes Christi (15.
Juni 2006): L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 36, Nr. 25 (23. Juni 2006), S. 7; AAS 98 (2006), S.
513.
[168] Katechismus der Katholischen Kirche, 2175.
[169] Johannes Paul II., Generalaudienz (2. August 2000), 4: L’Osservatore Romano (dt.) Jg. 30,
Nr. 32/33 (11. August 2000), S. 2; Insegnamenti 23/2 (2000), S. 112.
[170] Bonaventura, Quaest. disp. de Myst. Trinitatis, 1, 2, concl.
[171] Vgl. Thomas von aquin, Summa Theologiae I, q. 11, art. 3; q. 21, art. 1, ad 3; q. 47, art. 3.
[172] Basilius der Grosse, Hom. in Hexaemeron, 1, 2, 6: PG 29, Sp. 8.
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