1. Die kontemplative Dimension ist zutiefst eine Gnadenwirklichkeit, die vom gläubigen Menschen
als ein Geschenk Gottes erlebt wird; sie befähigt ihn, den Vater zu erkennen (vgl. Joh 14, 8) im
Geheimnis der Gemeinschaft der Dreifaltigkeit (vgl. 1 Joh 1, 1-3), so daß er «die Tiefen Gottes» zu
kosten vermag (1 Kor 2,10). Man will sich hier nicht auf die heiklen und zahlreichen Fragen über
die verschiedenen Arten von Kontemplation einlassen, noch eine Untersuchung über die
Kontemplation anstellen als eine vom Heiligen Geist eingegossene Gabe.
Wir beschreiben die kontemplative Dimension grundlegend als die gnadenhafte Antwort von
Glaube, Hoffnung und Liebe, womit der Gläubige sich auftut für die Offenbarung und die
Gemeinschaft des lebendigen Gottes durch Christus im Heiligen Geiste. «Das Bemühen, den Blick
und das Herz auf Ihn (Gott) zu richten, das wir als Kontemplation bezeichnen, wird zum höchsten
und inhaltsreichsten Akt des Geistes, zum Akt, der auch heute noch die ungeheure Pyramide der
menschlichen Tätigkeit nach ihrem Grad und Wert bestimmen kann und muß» (Paul VI,
7.XII.1965).
Als Element, das dem Aufschwung des Menschen zu Gott hin seine Einheit gibt, kommt die
kontemplative Dimension zum Ausdruck im Hören und in der Betrachtung des Wortes Gottes; in
der Lebensgemeinschaft mit Gott, die uns in den Sakramenten übermittelt wird, und in besonderer
Weise in der Eucharistie; im liturgischen und persönlichen Gebet; im ständigen Verlangen und
Suchen nach Gott und seinem Willen in den Ereignissen und den Personen; in der bewußten
Teilnahme an seiner Heilssendung; in der Hingabe seiner selbst an die andern, damit das Reich
komme. Daraus folgt in der Ordensperson eine Haltung dauernder und demütiger Anbetung der
geheimnisvollen Gegenwart Gottes in den Personen, den Ereignissen, den Dingen: eine Haltung,
welche die Tugend der Frömmigkeit kundtut, Quelle des Friedens im Innern und Vermittlerin von
Frieden in jedem Lebensbereich und überall beim Apostolat.
All das wird Wirklichkeit mittels einer fortschreitenden inneren Reinigung und unter der
Erleuchtung und Führung des Heiligen Geistes, damit wir Gott begegnen können in allem und in
allen «zum Preis der Herrlichkeit seiner Gnade» (Eph 1, 6).
Auf diese Weise tritt die Natur des gottgeweihten Lebens selbst hervor als die tiefe Wurzel, die
jeder Lebensäußerung seitens der Ordensleute Nahrung und Einheit gibt.
2. « Deswegen muß das für diese Vollversammlung gewählte Thema für äußerst wichtig gehalten
werden. Und ich bin sicher, » - wie der Heilige Vater in seiner Botschaft an die Teilnehmer sagte - «
daß von dieser Eurer Begegnung eine wertvolle Ermunterung an alle Ordensleute ausgehen wird,
auszuhalten in der Verpflichtung, vor der Welt Zeugnis zu geben für den Vorrang der Beziehung des
Menschen zu Gott. Bestärkt durch die Anweisungen, die sich aus Eurem römischen Treffen ergeben
werden, werden sie nicht verfehlen, aus erneuerter Überzeugung heraus, ausreichend lange Zeiten
dem Verweilen im Gebet vor dem Herrn zu weihen, um Ihm ihre Liebe zu bekunden und, vor allem,
um sich von Ihm geliebt zu wissen» ((1)
3. Indem sie also ihre Aufmerksamkeit diesem Thema zuwendet, denkt die Vollversammlung an die
aktiven sowie an die spezifisch kontemplativen Institute (vgl. PC 7-8). Aber sie blickt dabei auch
mit wohlwollender Aufmerksamkeit auf neue Formen des Ordenslebens, in denen sich ein
besonders starker Wunsch nach dem beschaulichen Leben bemerkbar macht, und äußert ihrerseits
den Wunsch, daß ihre eigentümliche Gestalt innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft immer klarer
herausgestellt werde, zum Nutzen des gesamten Volkes Gottes.
II.