Fraternal_Life-de


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KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE DES GEWEIHTEN
LEBENS UND DIE GESELLSCHAFTEN DES APOSTOLISCHEN
LEBENS
DAS BRÜDERLICHE LEBEN IN GEMEINSCHAFT
"Congregavit nos in unum Christi amor"
EINLEITUNG
"Congregavit nos in unum Christi amor"
1. Die Liebe Christi hat eine große Zahl von Jüngern zusammengeführt,
damit sie untereinander eins seien, und damit sie, wie Er und durch Ihn, im
Geist, über die Jahrhunderte hin eine Antwort auf die Liebe des Vaters
geben, indem sie "aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und mit allen ihren
Kräften" (vgl. Dt 6,5) Ihn lieben, und den Nächsten "wie sich selbst" (vgl.
Mt 22,39).
Unter diesen Jüngern stellen jene, die in den Ordensgemeinschaften
zusammenleben, Männer und Frauen "aus allen Sprachen, Rassen, Völkern
und Stämmen" (vgl. Offb. 7,9), bis heute einen besonders aussagekräftigen
Ausdruck dieser großen, grenzenlosen Liebe dar. Nicht "aus dem Willen
des Fleisches oder Blutes", nicht aus persönlicher Sympathie oder aus
menschlichen Motiven, sondern "von Gott" (vgl. Joh 1,13), von einer
göttlichen Berufung angezogen, sind die Ordensgemeinschaften ein
lebendiges Zeichen für den Vorrang der Liebe Gottes, der Wunderbares
wirkt, und für die Liebe zu Gott und den Brüdern und Schwestern, so wie
Christus sie aufgezeigt und vorgelebt hat.
Angesichts ihrer Bedeutung für das Leben und für die Heiligkeit der Kirche
ist es wichtig, das Leben der konkreten Ordensgemeinschaften zu
überprüfen, seien sie monastisch und kontemplativ oder apostolisch tätig,
und zwar unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Eigenart. Was hier über
die Ordensgemeinschaften gesagt wird, gilt gleicherweise auch für die
Gemeinschaften der Gesellschaften des apostolischen Lebens, immer unter
Berücksichtigung ihrer Eigenart und Rechtsordnung.
a) Das Thema dieses Dokumentes geht von einer Tatsache aus: In vielen
Ländern hat sich das Erscheinungsbild des "brüderlichen, gemeinsamen
Lebens", im Vergleich zur Vergangenheit, in vielem verändert. Diese
Veränderungen wie auch die Hoffnungen und Enttäuschungen, die bis heute
diesen Wandlungsprozeß begleiten, rufen nach einer Neubesinnung im
Lichte des II. Vatikanischen Konzils. Sie haben zu positiven, aber auch zu
umstrittenen Ergebnissen geführt. Sie haben nicht wenige Werte des
Evangeliums neu ins Licht gerückt und den Ordensgemeinschaften neue
Vitalität geschenkt. Sie haben jedoch auch Fragen geweckt, weil sie einige
der typischen Elemente des brüderlichen Lebens in Gemeinschaft
verdunkelt haben. In einigen Gegenden scheint die Ordensgemeinschaft
sogar in den Augen der Ordensmänner und Ordensfrauen an Bedeutung

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verloren zu haben und womöglich nicht mehr ein erstrebenswertes Ideal zu
sein.
Mit der Gelassenheit und Unruhe dessen, der den Willen Gottes sucht,
wollten viele Ordensgemeinschaften diesen Wandlungsprozeß auswerten,
um der eigenen Berufung im Gottesvolk besser zu entsprechen.
b) Viele Faktoren haben diese Veränderungen mitbestimmt, und dies vor
unseren Augen: - Die "ständige Rückkehr zu den Quellen jedes christlichen
Lebens und zum
Geist des Ursprungs der einzelnen Institute",(1) oder anders gesagt, die
tiefere und umfassendere Begegnung mit dem Evangelium und mit dem
ersten Aufbrechen des Gründungscharismas war ein kraftvoller Anstoß zur
Aneignung des wahren Geistes der Brüderlichkeit, und zu jenen Strukturen
und Verhaltensweisen, die ihn überzeugend ausdrücken sollen. Dort, wo die
Begegnung mit diesen Quellen und mit der ursprünglichen Inspiration nur
unvollständig oder mit halbem Herzen geschah, war das brüderliche Leben
vielfach gefährdet und verblaßte.
- Dieser Prozeß hat sich jedoch auch innerhalb allgemeinerer
Entwicklungen abgespielt, die den größeren Rahmen dazu bilden, und
deren Einflüssen sich das Ordensleben nicht entziehen konnte.(2)
Das Ordensleben ist ein lebendiger Teil der Kirche, und es lebt in der Welt.
Die Werte und Gegenwerte, die in einer Epoche oder in einem Kulturkreis
gären, und die gesellschaftlichen Strukturen, die sie offenlegen, bedrängen
das Leben aller, einschließlich das der Kirche und ihrer
Ordensgemeinschaften. Letztere werden entweder ein evangelischer
Sauerteig in der Gesellschaft sein, Verkündigung der Frohen Botschaft
inmitten der Welt, Ankündigung des himmlischen Jerusalems in der Zeit,
oder sie werden in einer längeren oder kürzeren Agonie erliegen, einfach
deshalb, weil sie sich der Welt angeglichen haben. Darum müssen das
Nachdenken und die neuen Vorschläge bezüglich des "brüderlichen Lebens
in Gemeinschaft" diese äußeren Rahmenbedingungen berücksichtigen.
- Aber auch die eigene Entwicklung der Kirche hat tief auf die
Ordensgemeinschaften eingewirkt. Das II. Vatikanische Konzil, das ein
Ereignis der Gnade und einen höchsten Ausdruck der pastoralen Führung
der Kirche in diesem Jahrhundert darstellt, hatte einen entscheidenden
Einfluß auf das Ordensleben; nicht nur durch das Dekret Perfectae
Caritatis, das ihm gewidmet ist, sondern auch durch die konziliare
Ekklesiologie und durch ein jedes seiner Dokumente.
Aus den genannten Gründen beginnt das vorliegende Dokument, bevor es
zur Sache kommt, mit einem kurzen Blick auf die Veränderungen in jenen
Bereichen, die unmittelbarer die Qualität des brüderlichen Lebens und der
Formen seiner Verwirklichung in den verschiedenen Ordensgemeinschaften
beeinflusst haben.
DIE THEOLOGISCHE ENTWICKLUNG

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2. Das II. Vatikanische Konzil hat einen grundlegenden Beitrag für die
Neubewertung des "brüderlichen Lebens in Gemeinschaft" und für ein
neues Verständnis der Ordensgemeinschaften geleistet.
Es war die Entwicklung der Ekklesiologie, die mehr als andere Faktoren die
Entfaltung des Verständnisses der Ordensgemeinschaften beeinflußt hat.
Das II. Vatikanum betonte, daß das Ordensleben "unerschütterlich"
(inconcusse) zum Leben und zur Heiligkeit der Kirche gehört, und hat es
im Herzen ihres Geheimnisses der communio und der Heiligkeit
beheimatet.(3)
Die Ordensgemeinschaft hat also Anteil an einem erneuerten und vertieften
Verständnis der Kirche. Daraus folgert:
a) Von der Kirche als Geheimnis zur geheimnisbezogenen Dimension der
Ordensgemeinschaft.
Die Ordensgemeinschaft ist nicht einfachhin ein Zusammenschluß von
Christen, die ihre persönliche Vollkommenheit suchen. Sie ist in ihrer Tiefe
vielmehr Teilhabe und qualifiziertes Zeugnis für die Kirche als einem
Geheimnis, denn sie ist lebendiger Ausdruck und wesensgemäße
Verwirklichung ihrer besonderen "communio", der großen trinitarischen
"koinonia", an welcher der Vater den Menschen Teilhabe gewähren wollte
durch den Sohn im Heiligen Geist.
b) Von der Kirche als Geheimnis zur brüderlichen und
gemeinschaftsbezogenen Dimension der Ordensgemeinschaft.
Die Ordensgemeinschaft macht durch ihre Struktur, durch ihre
Motivationen, durch ihre charakteristischen Werte jene Gabe der
Brüderlichkeit öffentlich sichtbar und fortwährend erfahrbar, die Christus
der ganzen Kirche geschenkt hat. Eben deshalb ist es ihre unverzichtbare
Aufgabe und ihre Sendung, eine Zelle intensiv gelebter gemeinschaftlicher
Brüderlichkeit zu sein, die Zeichen und Ansporn ist für alle Getauften (4).
c) Von der Kirche, die von den Charismen beseelt ist, zur charismatischen
Dimension der Ordensgemeinschaft.
Die Ordensgemeinschaft ist eine Zelle brüderlicher Gemeinschaft, die ihr
Leben von ihrem Gründungscharisma her empfängt; sie ist Teil der
organischen communio der ganzen Kirche, die der Geist fortwährend mit
den verschiedensten Diensten und Charismen erfüllt.
Um einer solchen Gemeinschaft anzugehören ist die besondere Gnade einer
Berufung erforderlich. Konkret heißt dies, daß die Mitglieder einer
Ordensgemeinschaft untereinander durch einen gemeinsamen Ruf Gottes im
Sinne des Charismas der Gründung verbunden sind, durch eine typische
kirchliche Lebensweihe und durch eine gemeinschaftliche Antwort, die in
der Teilhabe an "der Erfahrung des Geistes" besteht, die vom Gründer
gelebt und an seine Sendung in der Kirche weitergegeben wurde.(5)
Sie will auch die "schlichteren und allgemeineren"(6) Gnadengaben

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dankbar annehmen, die Gott in ihren Mitgliedern zum Wohle des ganzen
Leibes erweckt. Die Ordensgemeinschaft existiert für die Kirche, um sie
darzustellen, sie zu bereichern(7) und sie für ihre Sendung fähiger zu
machen.
d) Von der Kirche als Sakrament der Einheit zur apostolischen Dimension
der Ordensgemeinschaft.
Der Sinn des Apostolates liegt darin, die Menschheit zur Vereinigung mit
Gott und zu ihrer Einheit zu führen, und dies durch die göttliche Liebe. Das
brüderliche Leben in Gemeinschaft als ein Ausdruck der durch Gottes
Liebe bewirkten Einheit ist, neben seinem wesentlichen Zeugnischarakter
im Dienste der Evangelisierung, auch für das apostolische Wirken und für
dessen letzte Zielsetzung von großer Bedeutung. Von hier empfängt die
Ordensgemeinschaft die Kraft eines Zeichens und eines Instruments der
Brüderlichkeit. Die brüderliche Gemeinschaft steht in der Tat am Anfang
und am Ende des Apostolates.
Das Lehramt hat seit dem Konzil dieses neue Verständnis der
Ordensgemeinschaft vertieft und durch neue Beiträge bereichert(8).
DIE KIRCHENRECHTLICHE ENTWICKLUNG
3. Das Kirchenrecht (1983) konkretisiert und verdeutlicht jene Weisungen
des Konzils, die das Gemeinschaftsleben betreffen.
Wenn von "gemeinsamem Leben" gesprochen wird, sind zwei
Gesichtspunkte zu unterscheiden. Während der Kodex von 1917(9) den
Eindruck erweckt, sich auf äußerliche Elemente und auf die Einheitlichkeit
des Lebensstiles zu konzentrieren, bestehen das II. Vatikanum(10) und der
neue Kodex(11) ausdrücklich auf der spirituellen Dimension und auf dem
Band der Brüderlichkeit, das alle Mitglieder untereinander in Liebe
verbinden muß. Der neue Kodex hat beide Gesichtspunkte
zusammengefaßt, wenn er von einem "brüderlichen Leben" spricht, das "in
Gemeinschaft" zu führen ist.(12)
Man kann somit im Gemeinschaftsleben zwei Elemente der Gemeinschaft
und der Einheit unter den Mitgliedern unterscheiden:
ein mehr spirituelles: es ist die "Brüderlichkeit", oder "brüderliche
Gemeinschaft", die vom Herzen ausgeht und von der Liebe beseelt
wird. Es betont eher die "Lebensgemeinschaft" und die Beziehung
unter den Personen.(13)
ein mehr äußerliches: es ist das "Leben in Gemeinschaft" oder das
"Leben als Gemeinschaft", das sich verwirklicht "im Wohnen im
eigenen, rechtmäßig errichteten Ordenshaus" und in "gemeinsamer
Lebensführung" durch Treue zu denselben Regeln, durch Teilnahme
an den gemeinsamen Übungen und durch Mitarbeit in den
gemeinsamen Diensten.(14)
Dies alles wird in den verschiedenen Gemeinschaften jeweils "gemäß der
eigenen Lebensordnung"(15) verwirklicht, also auf eine dem Charisma und

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dem Eigenrecht des Instituts entsprechende Weise.(16) Hierin liegt die
Bedeutung des Eigenrechtes, das das Erbgut eines jeden Institutes auf das
Gemeinschaftsleben wie auch auf die Mittel zu dessen Verwirklichung
anwenden muß.(17)
Es versteht sich, daß das "brüderliche Leben" nicht automatisch schon mit
der Einhaltung jener Normen gegeben ist, die das Leben in Gemeinschaft
regeln; doch ist es ebenso einleuchtend, daß es Ziel des Lebens in
Gemeinschaft ist, das Leben in Brüderlichkeit intensiv zu fördern.
DIE GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG
4. Die Gesellschaft befindet sich in ständiger Entwicklung, und die
Ordensleute, die nicht von der Welt sind, aber dennoch in ihr leben, werden
davon beeinflußt.
Wir erinnern hier lediglich an einige Aspekte, die einen unmittelbareren
Einfluß auf das Ordensleben ganz allgemein, in besonderer Weise jedoch
auf die Ordensgemeinschaften ausgeübt haben.
a) Die politischen und sozialen Emanzipationsbewegungen in der Dritten
Welt und das Anwachsen der Industrialisierung führten in den letzten
Jahrzehnten zu großen sozialen Veränderungen, zu einer besonderen
Sensibilisierung für die "Entwicklung der Völker" und für die Situationen
der Armut und des Elends. Angesichts dieser Entwicklung haben die
Ortskirchen mit großer Lebhaftigkeit reagiert.
Besonders in Lateinamerika wurde durch die Generalversammlungen der
dortigen Bischöfe in Medellin, Puebla und Santo Domingo, die
"evangeliumsgemäßen und vorrangigen Option für die Armen"(18) in den
Vordergrund gerrückt, mit einer nachträglichen Verschiebung des Akzentes
auf den sozialen Einsatz.
Die Ordensgemeinschaften wurden davon sehr stark betroffen, und viele
von ihnen begannen, die Bedingungen für ihre Präsenz in der Gesellschaft
in Richtung auf einen unmittelbareren Dienst an den Armen neu zu
überdenken, bis hin zur Eingliederung (inserimento) unter ihnen.
Das beeindruckende Anwachsen des Elends am Rande der Großstädte und
die Verarmung der Landbevölkerung beschleunigten in nicht wenigen
Ordensgesellschaften den Prozeß des "Umzugs" in solche Gebiete des
armen Volkes.
Überall stellt sich das Problem der Inkulturation. Die Kulturen, die
Traditionen, die Mentalität eines Landes, sie alle prägen die Gestalt des
brüderlichen Lebens in den Ordensgemeinschaften.
Dazu kommt, daß die jüngsten, weiträumigen Wanderungsbewegungen das
Problem des Zusammenlebens verschiedener Kulturen stellen, sowie jenes
der rassenfeindlichen Reaktionen. Dies alles ist auch in den immer
zahlreicher werdenden, kulturell und rassisch gemischten
Ordensgemeinschaften spürbar.

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b) Die Forderung nach persönlicher Freiheit und nach den
Menschenrechten stand am Anfang eines umfassenden
Demokratisierungsprozesses, der die wirtschaftliche Entwicklung und das
Wachstum der zivilen Gesellschaft gefördert hat.
Unmittelbar nach dem Konzil hat dieser Prozeß - vor allem im Westen -
eine Beschleunigung erfahren, die zuweilen von Versammlungssucht und
von antiautoritären Verhaltensmustern geprägt war.
Vor der Infragestellung der Autorität blieben auch die Kirche und das
Ordensleben nicht verschont, was deutliche Auswirkungen auch auf das
gemeinsame Leben hatte.
Die einseitige und überzogene Betonung der Freiheit hat im Westen zur
Verbreitung einer Kultur des Individualismus beigetragen und die Ideale
des Gemeinschaftslebens und des Einsatzes für gemeinschaftliche Vorhaben
geschwächt.
Auch andere, ebenso einseitige Reaktionen sind hier zu nennen, wie z.B.
die auf blindes Vertrauen in eine beruhigende Führung gründende Flucht in
sichere Autoritäts-Strukturen.
c) Die Stärkung der Rolle der Frau - nach Papst Johannes XXIII. eines der
Zeichen der Zeit - hat im Leben der christlichen Gemeinschaften in
verschiedenen Ländern kein geringes Echo gefunden.(19) Selbst wenn in
einigen Gegenden der Einfluß extremistischer Strömungen des Feminismus
das Ordensleben tief berührt, so sind die weiblichen Ordensgemeinschaften
doch fast überall auf der positiven Suche nach Formen des
Gemeinschaftslebens, von denen man annimmt, daß sie einem erneuerten
Bewußtsein von der Identität, der Würde und der Rolle der Frau in
Gesellschaft, Kirche und Ordensleben mehr entsprechen.
d) Die Explosion der Kommunikationsmittel hat seit den 60er-Jahren
beachtlich, zuweilen geradezu dramatisch, den allgemeinen
Informationsstand, das soziale und apostolische Verantwortungsbewußtsein,
die apostolische Beweglichkeit und die Qualität der Beziehungen innerhalb
der Gemeinschaft beeinflußt, ganz zu schweigen vom konkreten Lebensstil
und vom Klima der Sammlung, die eine Ordensgemeinschaft kennzeichnen
sollten.
e) Der Konsumismus und Hedonismus, verbunden mit einer Schwächung
des Glaubens, die dem Säkularismus eigen ist, blieb in vielen Gegenden
nicht ohne Einfluß auf die Ordensgemeinschaften und hat bei einzelnen von
ihnen die Fähigkeit, "dem Bösen zu widerstehen", auf eine harte Probe
gestellt, andererseits aber doch auch zu neuen, persönlichen und
gemeinschaftlichen Lebensstilen geführt, die ein unverfälschtes
evangelisches Zeugnis für unsere Welt darstellen.
Dies alles ist eine Herausforderung und ein Anruf, mit verstärkter
Willenskraft die evangelischen Räte zu leben, und dies auch, um die
gesamte christliche Gemeinschaft in ihrem Zeugnis zu bestärken.

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ÄNDERUNGEN IM ORDENSLEBEN
5. In diesen Jahren haben sich Wandlungen vollzogen, die auf die
Ordensgemeinschaften einen einschneidenden Einfluß ausgeübt haben.
a) Neue Lebensgestaltung in den Ordensgemeinschaften. Gleichzeitig mit
dem Rückgang der Berufe haben in vielen Ländern die zunehmenden
Aktivitäten des Staates in Bereichen, in denen die Ordensgemeinschaften
tätig waren, wie z.B. in Fürsorge, Schule und Gesundheitswesen, zu einer
Verminderung der Präsenz der Ordensleute in den für apostolisch tätige
Institute typischen Werken geführt.
So werden jene großen Ordensgemeinschaften weniger, die in solchen
äußeren Apostolatswerken eingebunden waren, die lange Zeit das
Erscheinungsbild der verschiedenen Institute geprägt haben.
Gleichzeitig werden in einigen Gegenden die kleineren Gemeinschaften
bevorzugt, die von Ordensleuten gebildet werden, die sich in nicht
institutseigene, jedoch oft auf der Linie des Charismas des Instituts
liegende Werke einbringen. Dies hat beachtliche Folgen für die Form des
Gemeinschaftslebens und verlangt Änderungen im traditionellen
Lebensrhythmus.
Der ehrliche Wille, der Kirche zu dienen, das Festhalten an Werken des
Instituts, sowie die drängenden Anfragen der Ortskirche können manchmal
die Ordensleute leicht dazu veranlassen, sich mit Arbeit zu überladen, was
dann zu einer zeitlichen Verringerung ihrer Verfügbarkeit für das
Gemeinschaftsleben führt.
b) Auf die zunehmenden Anfragen um Hilfe in den drängendsten Nöte
unserer Zeit (Arme, Drogenabhängige, Flüchtlinge, Randgruppen,
Behinderte, Kranke), antworteten die Orden mit einem bewundernswerten
und auch anerkannten Engagement.
Dies machte jedoch auch Änderungen im traditionellen Erscheinungsbild
der Ordensgemeinschaften notwendig, die von einigen für ungeeignet
gehalten wurden, um solchen neuen Umständen zu begegnen.
c) Das Verständnis und die Realisierung der eigenen Arbeit, die - besonders
in einem säkularisierten Umfeld - eher als schlichte Ausübung eines
bestimmten Berufes, und nicht als die Entfaltung einer Sendung im Dienste
des Evangeliums angesehen wird, hat zuweilen die Wirklichkeit der Weihe
an Gott und die geistliche Dimension des Ordenslebens derart in den
Schatten gestellt, daß das Gemeinschaftsleben als ein Hindernis für dieses
Apostolat angesehen wurde, oder als ein rein funktionales Mittel zum
Zweck.
d) Im unmittelbaren Gefolge des Konzils entwickelte sich ein neues
Verständnis der Person, verbunden mit einer starken Betonung der
Einzelperson und ihrer Initiativen. Im Anschluß daran erwachte ein feineres
Gespür für Gemeinschaft im Sinne eines brüderlichens Lebens, das mehr
auf der Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen als auf den

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formalen Aspekten einer satzungsmäßigen Observanz gründet.
Diese Akzentuierung wurde hier und da radikalisiert (daher rühren die
einander entgegengesetzten Tendenzen des Individualismus und des
Kommunitarismus), ohne bislang zu einer befriedigenden Synthese
gefunden zu haben.
e) Die neuen Leitungsstrukturen, die aus den erneuerten Konstitutionen
hervorgegangen sind, verlangen nach einer erheblich stärkeren
Einbeziehung der Ordensmitglieder. Das führte zu einer anderen Weise, den
Problemen durch gemeinschaftliches Gespräch, durch Mitverantwortung
und durch Subsidiarität zu begegnen. Sämtliche Mitglieder werden in die
Fragen der Gemeinschaft miteinbezogen. Dies ändert nicht unerheblich die
zwischenmenschlichen Beziehungen und hat Folgen auch für das
Verständnis der Autorität. Nicht selten tut sich diese im praktischen Alltag
schwer, im neuen Gefüge ihren eigenen Ort wiederzufinden.
Alle die oben angeführten Veränderungen und Tendenzen haben auf das
Erscheinungsbild der Ordensgemeinschaften einen tiefgehenden,
wenngleich differenzierten Einfluß ausgeübt.
Die oft beachtlichen Differenzierungen sind - wie leicht zu verstehen ist -
bedingt durch die Verschiedenheit der Kulturen und der Kontinente, durch
die Geschlechterverschiedenheit der Gemeinschaften, durch die Eigenart
des Ordenslebens und des Instituts, durch die unterschiedlichen Werke und
das entsprechende neue Verständnis und die neue Aktualisierung des
Gründercharismas, durch die unterschiedliche Art, der Gesellschaft und der
Kirche zu begegnen, durch die unterschiedliche Aufnahme der vom Konzil
formulierten Werte, durch die verschiedenen Traditionen und Formen im
Gemeinschaftsleben, durch die Unterschiede in der Ausübung der Autorität
und in dem Bemühen um die Erneuerung der beständigen Weiterbildung.
Diese Probleme sind in Wirklichkeit nur zum Teil gemeinsame Probleme,
und sie differenzieren sich immer mehr.
ZIELE DES DOKUMENTS
6. Angesichts dieser neuen Situation will das vorliegende Dokument vor
allem die Anstrengungen unterstützen, die von vielen männlichen und
weiblichen Ordensgemeinschaften zur Verbesserung ihres brüderlichen und
schwesterlichen Lebens gemacht werden. Dazu möchte es einige
Unterscheidungs-Kriterien anbieten, die für eine authentische Erneuerung
aus dem Geist des Evangelium hilfreich sein können.
Vorliegendes Dokument will außerdem all jenen einige Anregungen zum
Nachdenken anbieten, die sich vom Ideal des Gemeinschaftslebens entfernt
haben, damit sie bei ihrer Selbstbesinnung auch ernsthaft bedenken, wie
unverzichtbar das brüderliche Leben in Gemeinschaft für alle jene ist, die
sich in einem Ordensinstitut dem Herrn geweiht oder einer Gesellschaft des
apostolischen Lebens angeschlossen haben.
7. Dazu wird im folgenden dargelegt:

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a) Die Ordensgemeinschaft als Geschenk: noch bevor es menschlicher Plan
zu sein beginnt, ist das brüderliche Leben in Gemeinschaft Teil des Planes
Gottes, der sein Leben mitteilen will.
b) Die Ordensgemeinschaft als Ort, wo man Bruder und Schwester wird:
die angemessendsten Wege für die Ordensgemeinschaft, zur christlichen
Brüderlichkeit zu gelangen.
c) Die Ordensgemeinschaft als Ort und Trägerin der Sendung: die
konkreten Entscheidungen, die eine Ordensgemeinschaft in den
unterschiedlichen Gegebenheiten zu treffen hat, und die wichtigsten
Kriterien für die Entscheidungsfindung.
Um in das Geheimnis der communio und der Brüderlichkeit einzutreten,
und bevor wir die nicht einfachen Unterscheidungen anstellen, die für eine
Erneuerung unserer Gemeinschaften im Lichte des Evangeliums notwendig
sind, wollen wir in Bescheidenheit den Heiligen Geist anrufen, damit er
bewirke, was ihm allein möglich ist: "Ich schenke euch ein neues Herz und
lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer
Brust und gebe euch ein Herz aus Fleisch... Dann werdet ihr Mein Volk
sein, und ich werde euer Gott sein" (Ez 36,26-28).
I.
DAS GESCHENK DER COMMUNIO UND DER GEMEINSCHAFT
8. Noch bevor die Ordensgemeinschaft ein Gebilde des Menschen ist, ist
sie eine Gabe des Geistes. Aus der Liebe Gottes, die durch den Geist in die
Herzen eingegossen ist, nimmt die Ordensgemeinschaft ihren Ursprung,
und aus ihr wird sie auferbaut zu einer wahren Familie, die im Namen des
Herrn versammelt ist.(20)
Die Ordensgemeinschaft kann also nicht verstanden werden, wenn man sie
nicht als ein Geschenk von Oben betrachtet und von ihrem innersten
Geheimnis ausgeht: von ihrer Verwurzelung im Herzen der heiligen und
heiligmachenden Dreifaltigkeit, die sie teilhaben läßt am Geheimnis der
Kirche, für das Leben der Welt.
Die Kirche als communio
9. Indem Gott den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis erschuf, hat
er ihn auf Gemeinschaft hin erschaffen. Der Schöpfer, der sich als Liebe,
Dreifaltigkeit, Gemeinschaft geoffenbart hat, hat den Menschen dazu
berufen, in engste Beziehung zu Ihm und zur Gemeinschaft zwischen den
Menschen einzutreten, d.h. zur allumfassenden Liebe.(21)
Die höchste Berufung des Menschen besteht darin, mit Gott und mit den
Mitmenschen, seinen Brüdern und Schwestern, in eine persönliche
Beziehung zu treten.
Dieser Plan Gottes wurde durch die Sünde belastet, die jede Form von
Beziehung zerstört hat: die Beziehung zwischen Mensch und Gott,

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zwischen Mann und Frau, zwischen Geschwistern, zwischen den Völkern,
zwischen der Menschheit und der Schöpfung.
In seiner großen Liebe sandte der Vater seinen Sohn, damit Er, der neue
Adam, die gesamte Schöpfung wiederherstelle und zu ihrer vollen Einheit
zurückführe. Er, der in unsere Mitte kam, hat den Anfang des neuen
Gottesvolkes gebildet, indem er Apostel und Jünger, Männer und Frauen,
um sich sammelte als ein lebendiges Abbild der in sich geeinten
Menschheitsfamilie. Ihnen hat er die universale Brüderlichkeit im Vater
verkündet, der uns zu seiner Familie gemacht hat, zu seinen Kindern und zu
Geschwistern untereinander. So hat er die Gleichheit durch Brüderlichkeit
gelehrt, und Versöhnung durch gegenseitige Vergebung. Er hat die
Strukturen der Macht und der Herrschaft auf den Kopf gestellt, indem er
selbst das Beispiel gab, wie man dienen und sich an den letzten Platz stellen
soll. Beim letzten Abendmahl hat er seinen Jüngern das neue Gebot der
gegenseitigen Liebe anvertraut: "Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr
einander liebt; wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben"
(Joh 13,34; 15,12); er hat die Eucharistie eingesetzt, die uns zur
gegenseitigen Liebe befähigt, indem sie uns durch das eine Brot und den
einen Kelch nährt. Dann hat er sich an den Vater gewandt und von ihm, als
Summe seines Wollens, die Einheit aller nach dem Vorbild der dreifaltigen
Einheit erbeten: "...daß alle eins seien, wie Du, Vater, in mir und ich in dir"
(Joh 17,21).
Indem er sich dem Willen des Vaters anheimgab, hat er im Ostergeheimnis
jene Einheit vollendet, die er vom Vater erbeten und die zu leben er seine
Jünger angewiesen hatte. Mit seinem Kreuzestod hat er die Mauer
niedergerissen, die Völker trennt, und hat alle in der Einheit versöhnt (vgl.
Eph 2,14-16); so hat er uns gezeigt, daß Gemeinschaft und Einheit Früchte
aus der Teilhabe am Geheimnis seines Todes sind.
Die Herabkunft des Heiligen Geistes, der ersten Gabe an jene, die glauben,
hat die von Christus gewollte Einheit verwirklicht. Ausgegossen über die
im Abendmahlsaal mit Maria versammelten Jünger, machte der Geist die
Kirche sichtbar, die sich von ihrem ersten Augenblick an darstellt als
brüderliche Gemeinschaft in der Einheit des Herzens und der Seele (vgl.
Apg 4,32).
Diese Gemeinschaft ist das Band der Liebe, das alle Glieder des Leibes
Christi untereinander verbindet, und den Leib mit seinem Haupt. Die
lebenspendende Gegenwart des Heiligen Geistes(22) selbst schafft in
Christus die organische Einheit: Er eint die Kirche in der communio und im
Geheimnis, er ordnet und leitet sie durch verschiedene, sich gegenseitig
ergänzende hierarchische und charismatische Gaben, er schmückt sie mit
seinen Früchten.(23)
Auf ihrem Weg durch die Zeit ist die eine und heilige Kirche ständig
geprägt von jenem oft leidvollen Ringen um tatsächliche Einheit. Auf ihrem
geschichtlichen Weg wurde sie sich immer stärker bewußt, daß sie Volk und
Familie Gottes ist, Leib Christi, Tempel des Geistes, Sakrament der tiefsten
Einheit des Menschengeschlechtes, Gemeinschaft, Abbild der
Dreifaltigkeit. Das II. Vatikanische Konzil hat diese geheimnishafte und

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2.1 Page 11

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gemeinschaftsbezogene Dimension der Kirche betont.
Die Ordensgemeinschaft als Ausdruck der kirchlichen communio
10. Das Ordensleben hat von seinem Anbeginn an dieses innerste Wesen
des Christentums aufgegriffen. So fühlte sich die Ordensgemeinschaft in
Kontinuität mit jener Schar, die dem Herrn folgte. Er hatte sie einzeln beim
Namen gerufen, damit sie in Gemeinschaft mit ihm und den anderen
Jüngern lebten, damit sie sein Leben und sein Schicksal teilten (vgl. Mk
3,13-15), um dadurch Zeichen für jenes Leben und jene Gemeinschaft zu
werden, die er begründet hat. Die ersten Mönchsgemeinschaften
betrachteten die Gemeinschaft der Jünger, die Jesus folgten, und die
Gemeinschaft von Jerusalem als ein Idealbild des Lebens. Dem Beispiel der
jungen Kirche folgend, haben die Mönche sich in der Einheit des Herzens
und des Geistes um einen geistlichen Führer, den Abt, geschart, um eine
radikale Gemeinschaft der materiellen und geistlichen Güter und die von
Christus gegründete Einheit zu verwirklichen. Sie findet ihr Urbild und ihre
einheitstiftende Kraft im Leben der Einheit unter den Personen der
Allerheiligsten Dreifaltigkeit.
Im Laufe der Jahrhunderte entstanden unter dem charismatischen Wirken
des Geistes vielfältige Formen von Gemeinschaften. Er, der das
menschliche Herz erforscht, geht ihm entgegen und antwortet auf seine
Bedürfnisse. Er bringt Männer und Frauen hervor, die vom Evangelium
erleuchtet und sensibel für die Zeichen der Zeit, neue Ordensfamilien ins
Leben rufen, und dadurch auch neue Formen der Verwirklichung der
einzigen communio in der Verschiedenheit der Dienste und der
Gemeinschaften.(24)
Es ist nicht möglich, den Begriff "Ordensgemeinschaft" in einer einzigen
Bedeutung anzuwenden. Die Geschichte des Ordenslebens bezeugt
unterschiedliche Formen, wie die eine communio entsprechend der
Eigenart der einzelnen Institute gelebt werden kann. So können wir heute
die "wunderbare Vielfalt" der Ordensfamilien bewundern, die die Kirche
bereichern und sie für jegliches gute Werk ausrüsten.(25)
Dennoch erschien das brüderliche Leben in Gemeinschaft in seinem
Formenreichtum immer als eine konsequente Verwirklichung jener
gemeinsamen brüderlichen Gesinnung, die alle Christen untereinander
verbindet. Die Ordensgemeinschaft ist Gestaltwerdung jener communio,
auf der die Kirche gründet, und gleichzeitig Prophetie jener Einheit, die sie
als ihr Ziel erstrebt. "Als 'Experten des gemeinschaftlichen Lebens' sind die
Ordensleute dazu berufen, in der Kirche, der kirchlichen Gemeinschaft und
in der Welt Zeugen und Baumeister im Sinne jenes göttlichen Planes für
Gemeinschaft zu sein, der die Geschichte der Menschen krönen soll. Vor
allem werden sie durch das Leben nach den evangelischen Räten, das die
Liebe von jedem Hindernis befreit, gemeinsam zu einem prophetischen
Zeichen der innigsten Vereinigung mit dem über alles geliebten Gott. Durch
die tägliche Erfahrung eines Lebens in Gemeinschaft, des Gebets und
Apostolates als eines wesentlichen und unterscheidenden Elements ihrer
Form gottgeweihten Lebens werden sie ferner zum 'Zeichen brüderlicher
Gemeinschaft', denn sie bezeugen in einer oft so tief entzweiten Welt und

2.2 Page 12

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vor all ihren Glaubensbrüdern die Fähigkeit zur Gütergemeinschaft, zu
brüderlicher Zuneigung sowie zu einem Plan ihres Lebens und Tuns. Dies
wird ihnen dadurch möglich, daß sie den Anruf zu freierer und engerer
Nachfolge Christi angenommen haben, der vom Vater gesandt wurde, um
als Erstgeborener unter vielen Brüdern eine neue Gemeinschaft aufzubauen
durch das Geschenk seines Geistes".(26)
Dies wird um so sichtbarer sein, je mehr sie nicht nur mit und in der Kirche
fühlen, sondern auch, die Kirche selbst erfühlen und sich mit ihr
identifizieren in vollständiger Übereinstimmung mit ihrer Lehre, ihrem
Leben, ihren Hirten, ihren Gläubigen und mit ihrer Sendung in der Welt.
(27)
Besonders bedeutsam ist das Zeugnis der kontemplativen Ordensleute. Für
sie bezeichnet das brüderliche Leben viel weitere und tiefere Dimensionen,
die von den Grundbedürfnissen einer solchen speziellen Berufung
herrühen, d.h. von der ausschließlichen Suche nach Gott in Schweigen und
Gebet.
Ihre beständige Bereitschaft für Gott macht ihre Bereitschaft für die übrigen
Mitglieder der Gemeinschaft empfindsamer und feinfühliger, und die
Kontemplation wird zu einer Kraft, die von jeder Form des Egoismus frei
macht.
Das brüderliche Leben in Gemeinschaft muß in einem Kloster lebendiges
Zeichen des Geheimnisses der Kirche sein: je größer das Geheimnis der
Gnade, um so reicher die Früchte des Heiles.
Der Geist des Herrn, der die ersten Gläubigen versammelt hat und die
Kirche beständig zu einer einzigen Familie zusammenruft, ruft und nährt so
auch die Ordensfamilien, die die Aufgabe haben, durch ihre über die Erde
zerstreuten Gemeinschaften besonders verständliche Zeichen für die tiefe
Einheit zu sein, die die Kirche beseelt und erbaut, und Stütze zu sein für die
Verwirklichung des Planes Gottes.
II.
DIE ORDENSGEMEINSCHAFT ALS ORT, WO MAN BRUDER
UND SCHWESTER WIRD
11. Aus dem Geschenk der communio entspringt die Aufgabe der
Verwirklichung der Gemeinschaft, d.h. Bruder und Schwester zu werden in
der konkreten Gemeinschaft, mit der zu leben man berufen ist. Aus der
hochherzigen und dankbaren Annahme der Gemeinschaft mit Gott, die
armen Geschöpfen zuteil wird, erwächst die Überzeugung, dazu
verpflichtet zu sein, diese göttliche Gemeinschaft durch den Aufbau von
Gemeinschaften, die "von Freude und vom Heiligen Geist" (Apg 13,52)
erfüllt sind, sichtbar zu machen.
Auch in unserer Zeit, und für sie, ist es notwendig, dieses zugleich
"göttliche und menschliche" Werk der Bildung von brüderlichen und
schwesterlichen Gemeinschaften anzugehen, im klaren Wissen um die

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Besonderheiten unserer Zeit, in der eine theologische, canonistische,
soziale und strukturelle Erneuerung das Erscheinungsbild der
Ordensgemeinschaft einschneidend beeinflußt hat.
Von einigen konkreten Gegebenheiten ausgehend wollen wir nützliche
Hinweise anbieten, mit dem Ziel, die Bemühungen um eine beständige
Erneuerung der Gemeinschaften aus dem Geist des Evangeliums zu
unterstützen.
Spiritualität und gemeinsames Beten
12. Ihrem vornehmsten, mystischen Sein nach ist jede Ordensgemeinschaft
tatsächlich "in sich selbst eine übernatürliche Wirklichkeit, und als solche
Gegenstand der Kontemplation".(28) Daraus folgt, daß die
Ordensgemeinschaft in erster Linie ein Geheimnis ist, das mit dankbarem
Herzen in einer lauteren Haltung des Glaubens betrachtet und angenommen
wird.
Wenn diese mystische und theologale Dimension vergessen wird, die sie
zum Kontakt mit dem Geheimnis der in der Gemeinschaft anwesenden und
ihr mitgeteilten göttlichen communio hinführt, dann vergißt man
zwangsläufig auch die tiefen Gründe für das "gemeinsame Tun" und für das
geduldige Auferbauen des brüderlichen Lebens. Dieses scheint zuweilen
menschliche Kräfte zu übersteigen, ganz abgesehen davon, daß es
manchmal, besonders von sehr aktiven und individualistisch geprägten
Menschen, als unnütze Vergeudung von Energien angesehen wird.
Derselbe Christus, der sie berufen hat, ruft täglich seine Brüder und
Schwestern zusammen, um mit ihnen zu sprechen und sie durch die
Eucharistie mit sich und untereinander zu verbinden, damit sie immer mehr
zu seinem lebendigen und sichtbaren Leib werden, der vom Geist beseelt ist
und unterwegs ist zum Vater.
Das gemeinsame Beten, das stets als das Fundament jedes
Gemeinschaftslebens betrachtet wurde, beginnt mit der Betrachtung des
großen und erhabenen Geheimnisses Gottes, mit dem Staunen vor seiner
Gegenwart, die in den großen Augenblicken unserer Ordensfamilien ebenso
wirkt wie im gewöhnlichen Alltag unserer Gemeinschaften.
13. Als Antwort auf die Aufforderung des Herrn: "Wachet und Betet" (Lk
21,36) hat die Ordensgemeinschaft wachsam zu sein und muß sich für die
Gestaltung ihre Lebens die nötige Zeit nehmen. Zuweilen haben die
Ordensleute "keine Zeit", und ihr Alltag läuft Gefahr, zu umtriebig und
sorgenvoll zu sein und so in Müdigkeit und Leere zu enden. Eine
Ordensgemeinschaft wird richtigerweise von einem Tagesplan geführt, der
dem Gebet seine bestimmten Zeiten zuweist, und es so leichter ermöglicht,
für Gott Zeit zu haben (vacare Deo).
Das Gebet ist auch zu verstehen als eine Zeit des Verweilens beim Herrn,
damit er in uns wirke und bei allen Ablenkungen und Mühen dennoch unser
Leben durchdringe, es stärke und es leite. So kann schließlich unsere ganze
Existenz tatsächlich Ihm angehören.

2.4 Page 14

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14. Eine der kostbarsten, und von allen geschätzten Errungenschaften der
letzten Jahrzehnte liegt in der Wiederentdeckung des liturgischen Gebetes
durch die Ordensfamilien.
Die gemeinsame Feier des Stundengebets, oder wenigstens seiner Teile, hat
in nicht wenigen Gemeinschaften das Beten neu verlebendigt, und sie
dadurch zu einem lebendigeren Kontakt zum Wort Gottes und zum Gebet
der Kirche hingeführt.(29)
Niemand darf also in seiner Überzeugung nachlassen, daß die
Gemeinschaft sich von der Liturgie her aufbaut, besonders von der Feier
der Eucharistie(30) und von den anderen Sakramenten. Unter diesen
verdient das Bußsakrament, durch das der Herr uns wieder mit sich und
unserern Brüdern und Schwestern verbindet, eine neue Aufmerksamkeit.
Nach dem Beispiel der ersten Gemeinde von Jerusalem (vgl. Apg 2,42) sind
es das Wort, die Eucharistie, das gemeinsame Beten sowie die Treue zur
Lehre der Apostel und deren Nachfolger, die den Kontakt zu den großen
Werken Gottes herstellen, die in diesem Zusammenhang aufleuchten und
Lob, Dank und Freude, Einheit der Herzen, Beistand in den allgemeinen
Nöten des täglichen Zusammenlebens und gegenseitige Bestärkung im
Glauben hervorbringen.
Leider kann mancherorts der Mangel an Priestern die tägliche Teilnahme an
der hl. Messe unmöglich machen. Dies führt zwangsläufig zu einem
tieferen Verständnis des großen Geschenkes der Eucharistie und dazu, das
Geheimnis des Leibes und Blutes Christi, das in der Gemeinschaft lebendig
und gegenwärtig ist, um sie auf dem Weg zum Vater zu kräftigen und zu
beleben, zur Mitte des Lebens zu machen. Von hierher rührt auch die
Notwendigkeit, daß jedes Ordenshaus seinen Gebetsraum habe,(31) in dem
es möglich ist, die eigene eucharistische Spiritualität durch Gebet und
Anbetung zu nähren.
Um die gefeierte oder angebetete Eucharistie, "Höhepunkt und Quelle"
jeglichen Wirkens der Kirche, erbaut sich jene Einheit des Geistes, die
Voraussetzung ist für alles Wachsen in der Brüderlichkeit. "Von ihr muß
darum alle Erziehung zum Geist der Gemeinschaft ihren Anfang nehmen".
(32)
15. Das gemeinschaftliche Gebet erreicht seine ganze Wirkkraft, wenn es
zutiefst mit dem persönlichen Gebet verbunden ist.
Das gemeinschaftliche Gebet und das persönliche Gebet stehen in einer
engen Beziehung zueinander und ergänzen sich gegenseitig. Überall,
besonders aber in bestimmten Gegenden und Kulturen, muß die Betonung
vermehrt auf die Bedeutung der Innerlichkeit gelegt werden, auf das
kindliche Verhältnis zum Vater, auf den innerlichen, bräutlichen Dialog mit
Christus, auf die persönlichen Vertiefung dessen, was im gemeinsamen
Gebet gefeiert und erlebt wurde, und auch auf das innere und äußere
Schweigen, das dem Wort und dem Geist Raum gewährt, damit sie in die
verborgensten Tiefen mit Leben erfüllen können. Die gottgeweihte Person,
die in einer Gemeinschaft lebt, nährt ihre Lebensweihe durch die

2.5 Page 15

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beständige persönliche Zwiesprache mit Gott und durch das gemeinsame
Lobpreisen und Bitten.
16. Das gemeinsame Gebet wurde in den letzten Jahren durch verschiedene
Formen des Ausdrucks und der Beteiligung bereichert.
Besonders fruchtbar waren für viele Gemeinschaften die gemeinsame
Schriftlesung und der gemeinsame Austausch über das Wort Gottes und
über die apostolischen Anliegen. Verschiedenheiten in Alter, Bildungsstand
und Charakter raten zur Klugheit, falls man sie unterschiedslos von der
ganzen Gemeinschaft erwartet: Es sei daran erinnert, daß deren Einführung
nicht überstürzt werden darf.
Dort, wo sie in Spontaneität und mit gemeinsamer Zustimmung
durchgeführt wird, dort stärkt sie Glauben und Hoffnung ebenso wie das
gegenseitige Vertrauen, sie fördert die Versöhnung und nährt die
brüderliche Verbundenheit im Gebet.
17. Die Worte des Herrn: "Betet ohne Unterlaß!" (Lk 18,1; vgl. 1 Thes
5,17) gelten in gleicher Weise für das persönliche wie auch für das
gemeinsame Beten. Die Ordensgemeinschaft lebt in der Tat vor dem
Angesicht ihres Herrn, dessen Gegenwart ihr stets vor Augen stehen muß.
Dennoch hat das Beten in Gemeinschaft seinen (täglichen, wöchentlichen,
monatlichen oder jährlichen) Rhythmus, der im Eigenrecht eines jeden
Institutes festgelegt ist.
Das Beten in Gemeinschaft, das die treue Einhaltung einer Zeitordnung
voraussetzt, verlangt vor allem auch Beharrlichkeit: "Damit wir durch
Geduld und durch den Trost der Schrift Hoffnung haben (...) und Gott, den
Vater unseres Herrn Jesus Christus, einträchtig und mit einem Munde
preisen" (Röm 15, 4-6).
Treue und Beharrlichkeit werden auch dazu beitragen, kreativ und klug die
für einige Institute typischen Schwierigkeiten zu überwinden, wie z.B.
unterschiedliche Aufgaben und Arbeitszeiten, Streß und verschiedene
Formen der Ermüdung.
18. Das Gebet zur Jungfrau Maria, das von der Liebe zu ihr, unserem
Vorbild, beseelt ist, wird erreichen, daß ihre beispielhafte und mütterliche
Gegenwart für die tägliche Gebetstreue eine große Hilfe (vgl. Apg 1,14)
und für die Ordensgemeinschaft ein einigendes Band sein wird.(33)
Die Mutter des Herrn wird mithelfen, die Ordensgemeinschaften nach dem
Beispiel "ihrer" Familie, der Familie von Nazareth, zu gestalten, jenem Ort,
wohin sich die Ordensgemeinschaften geistig oft hinbegeben sollten, weil
dort das Evangelium der Gemeinschaft und der Brüderlichkeit auf
wunderbare Weise vorgelebt wurde.
19. Auch der apostolische Eifer wird vom gemeinschaftlichen Gebet
gefördert und gekräftigt. Einerseits ist das Gebet eine geheimnisvolle Kraft,
die sämtliche Wirklichkeiten berührt, um die Welt zu erlösen und ihr eine
Ordnung zu geben. Andererseits wird es durch den apostolischen Dienst

2.6 Page 16

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angeregt: durch dessen Freuden wie auch durch dessen alltägliche
Schwierigkeiten. Diese werden so zu einer Gelegenheit, die Gegenwart und
das Wirken des Herrn zu suchen und zu finden.
20. Die apostolisch am meisten tätigen und vom Evangelium am tiefsten
beseelten Ordensgemeinschaften - seien sie nun kontemplativ oder aktiv -
sind jene, die in ihrem Gebetsleben eine reiche Erfahrung aufweisen. In
einer Zeit wie der unsrigen, in der die Suche nach dem Transzendenten
gewissermaßen neu erwacht ist, können die Ordensgemeinschaften
bevorzugte Orte sein, an denen die Wege zu Gott erfahrbar werden.
"Als im Namen des Hern vereinte Familie ist die Ordensgemeinschaft ihrer
Natur nach der Ort, wo es in besonderer Weise möglich sein muß, zur
Gotteserfahrung in ihrer ganzen Fülle zu gelangen und sie den anderen
mitzuteilen"(34): vor allen andern den Mitgliedern der eigenen
Gemeinschaft.
Die Ordensleute, Männer wie Frauen, verfehlen diesen historischen
Augenblick, wenn sie dem heutigen Menschen auf seine "Frage nach Gott"
keine Antwort geben, sondern ihn bei seiner Suche, den Hunger nach dem
Absoluten zu stillen, anderswohin verweisen, womöglich sogar auf
Abwege.
Persönliche Freiheit und Verwirklichung der Brüderlichkeit
21. "Einer trage des andern Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen"
(Gal 6,2).
In dieser ganzen, gemeinschaftlichen Dynamik bleibt Christus in seinem
österlichen Geheimnis das Vorbild, wie die Einheit zu schaffen ist. Das
Gebot der gegenseitigen Liebe hat in ihm seinen Ursprung, sein Vorbild
und sein Maß: wir müssen einander lieben, wie er uns geliebt hat. Und er
hat uns geliebt bis zur Hingabe seines Lebens. Unser Leben ist Teilnahme
an der Liebe Christ, an seiner Liebe zum Vater und zu den Brüdern und
Schwestern, die eine ganz und gar selbstlose Liebe ist.
Doch entspricht dies alles nicht der Natur des "alten Menschen", der zwar
sehr wohl Gemeinschaft und Einheit wünscht, sich jedoch nicht müßig
fühlt, den Preis dafür durch seinen persönlichen Einsatz zu bezahlen. Der
Weg vom alten Menschen, der gerne auf sich selbst bezogen ist, zum neuen
Menschen, der sich den anderen schenkt, ist lang und beschwerlich. Die
heiligen Gründer haben ohne Illusionen auf die Schwierigkeiten und auf die
Klippen dieses Weges hingewiesen, wohl wissend, daß man eine
Gemeinschaft nicht improvisieren kann. Sie ist keine spontane Wirklichkeit
und kann nicht in kurzer Zeit bewerkstelligt werden.
Ein Leben als Brüder und Schwestern verlangt einen echten Weg innerer
Befreiung. Wie das aus Ägypten befreite Israel nach seinem langen Zug
durch die Wüste unter der Führung des Moses zum Volk Gottes wurde, so
wird die in die Kirche, in das Volk Gottes eingegliederte Gemeinschaft
durch Menschen erbaut, die von Christus freigemacht wurden und die er
befähigt hat, durch das Geschenk seiner befreienden Liebe sowie durch die

2.7 Page 17

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aufrichtige Annahme der von ihm eingesetzten Führer, so zu lieben, wie er
selbst geliebt hat.
Die in unsere Herzen eingesenkte Liebe Christi drängt dazu, die Brüder und
Schwestern zu lieben bis zur Annahme auch ihrer Schwächen, Probleme
und Schwierigkeiten. Mit einem Wort: bis zur Hingabe unser selbst.
22. Christus schenkt den Menschen zwei grundlegende Gewißheiten: Die
Gewißheit, grenzenlos geliebt zu sein, und die Gewißheit, selbst zur
grenzenlosen Liebe fähig zu sein.
Nur das Kreuz vermag so umfassend und endgültig diese Gewißheit zu
schenken und die Freiheit, die aus dieser Gewißheit folgt. Durch sie befreit
sich der gottgeweihte Mensch schrittweise vom Bedürfnis, sich selbst in
den Mittelpunkt zu rücken und den anderen zu besitzen, und von der Furcht
vor der Selbsthingabe für die Brüder; er lernt vielmehr, zu lieben, wie
Christus ihn geliebt hat, mit jener Liebe, die jetzt in seinem Herzen wohnt
und ihn fähig macht, sich selbst zu vergessen und sich so zu verschenken,
wie sein Herr es getan hat.
Aus der Kraft dieser Liebe wächst die Gemeinschaft als ein
Zusammenschluß von freien und durch das Kreuz Christi befreiten
Menschen.
23. Ein derartiger Weg der Befreiung, der zur vollen communio und zur
Freiheit der Kinder Gottes führt, verlangt jedoch den Mut zum Verzicht
seiner selbst durch die Annahme und Bejahung des anderen samt seiner
Begrenztheit, angefangen mit den Trägern von Autorität.
Wiederholt wurde bemerkt, daß hier eine der Schwachstellen in der
Erneuerungsperiode der vergangenen Jahre liegt. Man hat sich Wissen
angeeignet, man hat die unterschiedlichen Aspekte des
Gemeinschaftslebens erforscht, aber man hat weniger auf jenes asketische
Bemühen gebaut, das für jede Form von Befreiung notwendig und
unverzichtbar ist, und das fähig ist, aus einer Gruppe von Menschen eine
christliche Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern zu machen.
Die Gemeinschaft ist eine Gabe, die zur Antwort herausfordert, zu einem
geduldigen Streben und Kämpfen, um die Launen und Schwankungen der
Wünsche zu überwinden. Das so hohe Ideal der Gemeinschaft verlangt
notwendigerweise eine Abkehr von jeglichem Verhalten, das eine wahre
communio behindert.
Wenn die Gemeinschaft nicht mystisch ist, fehlt ihr die Seele; ist sie nicht
aszetisch, fehlt ihr der Leib. Es ist ein "Zusammenwirken" (synergia) der
Gabe Gottes und der persönlichen Anstrengung erforderlich, um die
konkrete Gemeinschaft zu schaffen und dadurch der Gnade und dem
Geschenk der brüderlichen Gemeinschaft Fleisch und greifbare Gestalt zu
geben.
24. Man muß zugeben, daß ein solches Denken heutzutage bei Jung und Alt
Schwierigkeiten hervorruft. Oft entstammen die Jungen einer Kultur, die

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die Subjektivität und Selbstverwirklichung zu hoch einschätzt, während
manchmal die Erwachsenen entweder an Strukturen der Vergangenheit
kleben oder ein gewisses Mißbehagen gegenüber der "Versammlungssucht"
der zurückliegenden Jahre empfinden, die Unsicherheit und viele Worte
gezeitigt hat.
Wenn es zutrifft, daß die communio nicht ohne den Beitrag jedes einzelnen
entsteht, dann muß man von Anfang an jene Illusionen ausräumen, die
davon ausgehen, alles müsse von den andern kommen, und man muß
wieder dankbar erkennen, was man alles schon von den anderen empfangen
hat und noch empfängt. Es ist gut, die einzelnen von Anfang an darauf
vorzubereiten, daß sie Miterbauer und nicht nur Konsumenten der
Gemeinschaft sind, mitverantwortlich für das gegenseitige Wachstum,
sowie daß sie lernen, in offener Bereitschaft den anderen und das Geschenk
seiner Person anzunehmen und fähig werden, zu helfen und sich helfen zu
lassen, zu stützen und gestützt zu werden.
Das Ideal eines echten, brüderlichem Gemeinschaftslebens übt auf junge
Leute zunächst eine natürliche Faszination aus, aber das Durchhalten in den
realen Lebensumständen kann dann als eine schwere Last erscheinen. Die
Anfangsausbildung muß also stets sowohl zu einem Bewußtsein der vom
Gemeinschaftsleben geforderten Opfer hinführen und zu deren Annahme
im Blick auf eine frohe und echte brüderliche Beziehung, als auch zu allen
anderen, einen innerlich freien Menschen auszeichnenden
Verhaltensweisen.(35) Denn wer sich für die Brüder verliert, findet sich
selbst.
25. Zudem bedarf es einer beständigen Erinnerung daran, daß die
Selbstverwirklichung einer gottgeweihten Person auf dem Weg der
Gemeinschaft geschieht. Wer ein von der Gemeinschaft unabhängiges
Leben sucht, befindet sich gewiß nicht auf dem sicheren Weg zu Heiligkeit
seines Standes.
Während die westliche Gesellschaft die unabhängige Person feiert, die sich
selbst verwirklicht, also den selbstsicheren Individualisten, ruft das
Evangelium nach Menschen, die, wie das Weizenkorn, sich selbst sterben,
damit brüderliches Leben entstehe.(36)
So wird die Gemeinschaft zu einer "Schola Amoris" für Jung und Alt. In
dieser Schule lernt man Gott zu lieben, lernt man die Brüder und
Schwestern zu lieben, mit denen man lebt, lernt die Menschheit zu lieben,
die des Erbarmens Gottes und der brüderlichen Solidarität bedarf.
26. Das Ideal der Gemeinschaft darf jedoch nicht vergessen machen, daß
jede christliche Wirklichkeit auf der menschlichen Schwachheit aufbaut.
Die vollkommene "ideale Gemeinschaft" gibt es noch nicht: die
vollkommene Gemeinschaft der Heiligen ist unser Ziel im Himmel.
Wir leben in der Zeit des beständigen Aufbaus und Wachsens: immer ist es
möglich, besser zu werden und gemeinsam auf jene Gemeinschaft
zuzugehen, die Vergebung und Liebe in die Praxis umsetzt. In der Tat
können die Gemeinschaften nicht alle Konflikte vermeiden. Die Einheit, zu

2.9 Page 19

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deren Verwirklichung sie gerufen sind, ist eine Einheit, die auf Vergebung
und Versöhnung aufbaut.(37) Der Zustand der Unvollkommenheit der
Gemeinschaften darf jedoch nicht entmutigen.
Tatsächlich machen sich die Gemeinschaften Tag für Tag neu auf den Weg,
getragen von der Lehre der Apostel: "Seid herzlich zueinander in
brüderlicher Liebe, mit Achtung einander zuvorkommend" (Röm 12,10);
"Seid eines Sinnes untereinander" (Röm 12,16); "Darum nehme einer den
anderen an, wie auch Christus euch angenommen hat" (Röm 15,7); "Ihr
seid fähig, euch selbst gegenseitig zurechtzuweisen" (Röm 15,14); "Wartet
aufeinander" (1 Kor 11,33); "Dient einander in Liebe" (Gal 5,13); "Erbaut
einander" (1 Thess 5,11); "Ertragt einander in Liebe" (Eph 4,2); "Seid gütig
zueinander, barmherzig, einander verzeihend" (Eph 4,32); "... einander sich
unterordnend in der Furcht Christi" (Eph 5,21); "Betet füreinander" (Jak
5,16); "Tretet einander in Demut gegenüber" (1 Petr 5,5); "Wir haben
Gemeinschaft miteinander" (1 Joh 1,7); "Laßt uns also nicht müde werden,
Gutes zu tun an allen, vorzüglich aber an den Glaubensgenossen" (Gal 6,9-
10).
27. Um die Gemeinschaft des Geistes und der Herzen jener zu fördern, die
zum Zusammenleben in einer Gemeinschaft gerufen sind, scheint es auch
angebracht, an die Notwendigkeit jener Eigenschaften zu erinnern, die in
allen menschlichen Beziehungen gefordert sind: Höflichkeit, Anstand,
Aufrichtigkeit, Selbstbeherrschung, Humor, Bereitschaft zum Teilen.
Die Dokumente des Lehramtes dieser Jahre bieten eine Fülle von
Anregungen und verweisen auf gemeinschaftsfördernde Verhaltensweisen
wie: frohe Bescheidenheit,(38) Offenheit und Vertrauen zueinander,(39)
Dialogfähigkeit,(40) aufrichtige Bejahung einer wohltuenden
Gemeinschaftsdisziplin.(41)
28. Schließlich darf nicht vergessen werden, daß der Friede und die Freude
am Gemeinschaftsleben eines der Zeichen des Gottesreiches sind. Inmitten
der Schwierigkeiten des menschlichen und geistlichen Lebensweges und
der täglichen Eintönigkeit gehört zu jenem Reich auch eine gewisse
Lebensfreude. Diese Freude ist eine Frucht des Geistes und erhellt die
Schlichtheit des Lebens wie die Eintönigkeit des Alltags. Eine
Brüderlichkeit ohne Freude ist eine Brüderlichkeit, die am Erlöschen ist.
Bald werden die Mitglieder das, was sie in ihrer Gemeinschaft nicht finden,
anderswo suchen. Eine frohe Gemeinschaft dagegen stellt ein wirkliches
Geschenk von Oben dar für jene Brüder und Schwestern, die es zu erbitten
verstehen, und die sich in vollem Vertrauen in das Wirken des Geistes für
ihre Gemeinschaft einsetzen. So werden die Psalmworte Wirklichkeit:
"Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht
wohnen. Denn dort spendet der Herr Segen und Leben in Ewigkeit" (Ps
133,1.3), "denn wenn sie brüderlich zusammenleben, vereinigen sie sich in
der Versammlung der Kirche und wissen sich eins in der Liebe und im
gemeinsamen Wollen".(42)
Ein solches Zeugnis der Freude schenkt dem Ordensleben eine starke
Anziehungskraft, es ist eine Quelle neuer Berufe und eine Hilfe zur
Beharrlichkeit. Es ist sehr wichtig, diese Freude in der Ordensgemeinschaft

2.10 Page 20

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zu pflegen: Überarbeitung kann sie auslöschen, Übereifer für bestimmte
Dinge kann sie in Vergessenheit geraten lassen, das unaufhörliche
Infragestellen der eigenen Identität und der eigenen Zukunftsperspektiven
können sie verdunkeln.
Doch richtig miteinander feiern, sich Zeiten persönlicher und gemeinsamer
Entspannung gönnen, gelegentlich Abstand nehmen von der eigenen Arbeit,
teilnehmen an der Freude des andern, lächeln über eigene und fremde
Fehler, aufmerksam sein für die Bedürfnisse des Bruders und der
Schwester, im Apostolat ernsthaft und vertrauensvoll miteinander arbeiten,
den Umständen mit Barmherzigkeit begegnen, dem Morgen entgegengehen
in der Hoffnung, immer und überall dem Herrn zu begegnen: dies alles
stärkt die Gelassenheit, den Frieden und die Freude. Und es wird zu einer
Kraft in der Arbeit des Apostolates.
Die Freude ist ein strahlendes Zeugnis dafür, daß eine Ordensgemeinschaft
dem Evangelium entspricht; die Freude ist ja das Ziel eines nicht
unbeschwerlichen, jedoch dann immer möglichen Weges, wenn er vom
Gebet begleitet wird: "Froh in der Hoffnung, in Drangsal geduldig, im
Beten beharrlich" (Röm 12,12).
Miteinander Wachsen durch gegenseitigen Austausch
29. In der Erneuerung dieser Jahre wird deutlich, wie der gemeinsame
Austausch einer jener menschlichen Faktoren zu sein scheint, dem
wachsende Bedeutung für das Leben der Ordensgemeinschaft zukommt.
Aus der tief empfundenen Notwendigkeit einer stärkeren Pflege des
gemeinschaftlichen Lebens folgert auch das entsprechende Bedürfnis nach
einem umfassenderen und intensiveren gemeinsamen Austausch.
Um Bruder und Schwester zu werden ist es notwendig, sich zu kennen. Um
sich kennen zu lernen ist jedoch ein umfassenderer und tieferer Austausch
untereinander erforderlich. Man schenkt heute den verschiedenen Aspekten
des gegenseitigen Austauschs größere Aufmerksamkeit, auch wenn sie in
den einzelnen Instituten und Gegenden der Welt hinsichtlich Stärke und
Form verschieden ist.
30. Der Austausch innerhalb der Institute erfuhr eine starke Entwicklung.
Regelmäßige Treffen der Mitglieder auf zentraler, regionaler und
provinzieller Ebene haben zugenommen; die Obern verschicken
gewöhnlich Rundbriefe und Anregungen; sie besuchen häufiger die
Gemeinschaften; der Versand von Informationen und internen Zeitschriften
hat zugenommen.
Ein derart umfassender und angeregter Austausch auf den verschiedenen
Ebenen und unter Berücksichtung der Eigenheiten des Instituts schafft
gewöhnlich engere Beziehungen, nährt den Familiengeist und die
Teilnahme an den Vorgängen innerhalb des Institutes, macht sensibel für
allgemeine Probleme und bindet die Ordensleute an die gemeinsame
Sendung.
31. Auch auf Gemeinschaftsebene erweisen sich die regelmäßigen, oft

3 Pages 21-30

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3.1 Page 21

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wöchentlichen Treffen, auf denen die Ordensleute die Probleme der
Gemeinschaft, des Instituts, der Kirche und deren wichtigste
Verlautbarungen bespechen, als äußerst positiv. Diese Momente sind
nützlich, auch um die anderen anzuhören, eigene Gedanken mitzuteilen,
den zurückgelegten Weg zu überprüfen und auszuwerten, gemeinsam zu
planen.
Das brüderliche Leben braucht diese Zeiten für sein Wachstum, besonders
in größeren Gemeinschaften. Es sind Zeiten, die von allen anderen
Verpflichtungen freigehalten werden müssen; es sind wichtige Momente
der Kommunikation untereinander auch in Bezug auf eine Einbeziehung in
die Mitverantwortung sowie für die Einordnung der eigenen Arbeit in den
größeren Zusammenhang des Ordenslebens und des Lebens der Kirche und
der Welt, in die wir gesandt sind, ganz abgesehen einmal vom
Gemeinschaftsleben selbst. Dieser Weg wird von allen Gemeinschaften
beschritten, wobei Häufigkeit und Gestaltung den Gemeinschaften und
ihren Aufgaben angepaßt sind. Unter den kontemplativen Gemeinschaften
erfordert dies besondere Rücksichtnahme auf den je eigenen Lebensstil.
32. Dies ist jedoch noch nicht alles. Vielerorts spürt man die Notwendigkeit
eines vertiefteren Austausches unter den Mitgliedern derselben
Gemeinschaft. Das Fehlen und die Armseligkeit des gegenseitigen
Austausches verursachen für gewöhnlich eine Schwächung der
Brüderlichkeit, weil man die Lebenserfahrung des Mitbruders nicht kennt,
was diesen Mitbruder fremd und die Beziehung zu ihm anonym macht und
zudem echte Zustände der Isolation und Einsamkeit schafft.
In einigen Gemeinschaften beklagt man die Unzulänglichkeit des
elementaren geistlichen Austauschs: man redet über Nebensächliches, und
nur selten teilt man sich das mit, was auf dem Weg der Lebensweihe
lebensnotwendig und von erstrangiger Bedeutung ist.
Die Folgen daraus können schmerzvoll sein, da die geistliche Erfahrung
dann ganz unbemerkt individualistische Züge annimmt. Auch eine Haltung
der Verselbständigung wird dadurch gefördert, verbunden mit einem
mangelnden Gespür für den anderen, während die wichtigen Beziehungen
nach und nach außerhalb der Gemeinschaft gesucht werden.
Dieses Problem soll ganz offen angegangen werden: einerseits mit Takt und
Aufmerksamkeit, und ohne etwas zu erzwingen; andererseits jedoch, indem
mit Mut und Kreativität nach Formen und Mitteln gesucht wird, die es allen
erlauben, schrittweise und in brüderlicher Einfachheit den gegenseitigen
Austausch der Gaben des Geistes zu erlernen, damit diese wirklich allen
gehören und der Erbauung aller dienen (vgl. 1 Kor 12,7).
Gemeinschaft entsteht gerade durch die Mitteilung der Gaben des Geistes,
durch ein Mitteilen des Glaubens und im Glauben, wobei das Band der
Brüderlichkeit um so stärker ist, je zentraler und vitaler das ist, was man
miteinander teilt.
Eine derartiger Austausch hilft auch einen Kommunikationsstil zu erlernen,
der es einem später im Apostolat ermöglicht, in schlichten und

3.2 Page 22

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verständlichen Worten "seinen Glauben zu bekennen", damit alle ihn
verstehen und sich an ihm erbauen.
Die Formen für den Austausch der Gaben des Geistes können
unterschiedlich sein. Neben den bereits angeführten - Miteinander Teilen
des Wortes Gottes und der Gotteserfahrung, gemeinschaftliche Beratung,
gemeinsames Planen -(43) darf auch an die brüderliche Zurechtweisung
erinnert werden, an die Revision des Lebens und an andere typische
Formen der Tradition. Es handelt sich hier um konkrete Wege, den anderen
zu dienen und in der Gemeinschaft jene überreichen Gaben zu verbreiten,
die der Geist für deren Auferbauung und für deren Sendung in der Welt
spendet.
Dies alles erhält noch größere Bedeutung im gegenwärtigen Augenblick, da
in ein und derselben Gemeinschaft Ordensleute beieinander wohnen, die
sich nicht nur durch Alter, sondern auch durch Rasse, sowie durch
kulturelle und theologische Bildung unterscheiden; Ordensleute, die in den
vergangenen, bewegten und vom Pluralismus gezeichneten Jahren ganz
unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben.
Wo Austausch und Zuhören vernachlässigt werden, dort besteht die Gefahr,
aneinander vorbei zu leben, was wirklich weit entfernt wäre vom Ideal
echter Brüderlichkeit.
33. Eine jede Form des Sich-Mitteilens birgt Verwicklungen und besondere
psychologische Schwierigkeiten in sich, denen auch mit Hilfe der
Humanwissenschaften positiv begegnet werden kann. Einige
Gemeinschaften haben z.B. mit Nutzen die Hilfe von
Kommunikationsexperten und von Fachleuten in Psychologie oder
Soziologie Anspruch genommen.
Es handelt sich um außergewöhnliche Mittel, die klug ausgewählt werden
müssen und maßvoll von Gemeinschaften eingesetzt werden können, die
jene Mauern der Trennung niederreißen möchten, die zuweilen in ihrem
Innern bestehen. Die rein menschlichen Techniken erweisen sich als
hilfreich, aber sie sind nicht ausreichend. Es ist vielmehr notwendig, daß
allen das Wohl des Mitbruders am Herzen liegt, und sie vom Evangelium
her jene Fähigkeit entwickeln, von den anderen all das anzunehmen, was
diese schenken und mitteilen wollen und auch tatsächlich allein schon
durch ihr Dasein mitteilen.
"Habt untereinander dasselbe Empfinden und dasselbe Herz. Seid herzlich
und menschlich. Haltet in großer Demut die anderen für besser als euch
selbst. Verfolgt die Interessen der anderen, nicht nur die eurigen. Eure
Beziehungen zueinander seien darauf gegründet, daß ihr an Jesus Christus
gebunden seid" (Phil 2,2-5).
In einem solchen Klima bringen die mit dem Ordensleben vereinbaren
Kommunikationsmethoden und -techniken jene Früchte, die einem
Wachsen in der Brüderlichkeit förderlich sind.
34. Der beachtliche Einfluß der Massenmedien auf das Leben und die

3.3 Page 23

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Mentalität unserer Zeitgenossen berührt auch die Ordensgemeinschaften
und bestimmt nicht selten ihren internen Gedankenaustausch.
Angesichts deren Einflusses erzieht sich eine Gemeinschaft dahin, mit der
evangeliumsgemäßen Klarheit und inneren Freiheit dessen, der gelernt hat,
Christus zu kennen (vgl. Gal 4,17-23), diese Mittel zum persönlichen und
gemeinschaftlichen Wachstum zu nutzen. Tatsächlich setzen diese Medien
eine bestimmte Mentalität und eine Einstellung zum Leben voraus - und
drängen sie oftmals geradezu auf - die ständig mit dem Evangelium
konfrontiert werden müssen. Von vielen Seiten wird hier nach einer
eingehenderen Schulung zur kritischen und nützlichen Rezeption und
Anwendung solcher Mittel gerufen. Warum könnten diese Fragen nicht
auch bei den regelmäßigen Gemeinschaftstreffen zum Gegenstand der
Bewertung, Überprüfung und Planung gemacht werden?
Besonders wenn das Fernsehen zur einzigen Form der Freizeitgestaltung
wird, behindert, und manchmal verhindert, es den Kontakt zwischen den
Personen, reduziert das brüderliche Gespräch und kann sogar dem
geweihten Leben selbst Schaden zufügen.
Ein ausgewogenes Gleichgewicht ist gefordert: der mäßige und weise
Gebrauch der Kommunikationsmittel,(44) begleitet von einer gemeinsamen
Überprüfung, kann für die Gemeinschaft von Nutzen sein, um die
Komplexität der Welt der Kultur besser zu verstehen; er kann eine
überprüfte und kritische Rezeption ermöglichen und schließlich ihren
wirkungsvolleren Einsatz im Blick auf die verschiedenen Dienste für das
Evangelium erleichtern.
In Übereinstimmung mit dem von ihnen gewählten, besonderen und sich
durch eine deutlichere Trennung von der Welt auszeichnenden Lebensstand
sollten sich die kontemplativen Ordensgemeinschaften stärker zur
Bewahrung einer Atmosphäre der Sammlung verpflichtet fühlen und jene
Normen ihrer Konstitutionen einhalten, die den Gebrauch der sozialen
Kommunikationsmittel regeln.
Ordensgemeinschaft und Reifung der Person
35. Weil sie eine "Schola Amoris" ist, die hilft, in der Liebe zu Gott und den
Brüdern zu wachsen, wird die Ordensgemeinschaft auch zu einem Ort des
menschlichen Reifens. Der Weg dahin ist anspruchsvoll, beinhaltet er doch
den Verzicht auf unbestreitbar hohe Güter;(45) er ist jedoch nicht
unmöglich, wie es die große Schar der Heiligen und jener wunderbaren
Gestalten von Ordensleuten beweist, die deutlich machten, wie die
Lebensweihe an Christus "nicht dem wahren Fortschritt der menschlichen
Person widerspricht, sondern in sich selbst eine große Hilfe dazu darstellt".
(46)
Der Weg zur menschlichen Reife, die ja Bedingung ist für ein Leben mit
evangelischer Ausstrahlung, ist ein Prozeß ohne Ende, da er eine ständige
"Bereicherung" nicht nur mit den geistlichen Werten bedeutet, sondern auch
mit jenen des psychologischen, kulturellen und sozialen Bereiches.(47)

3.4 Page 24

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Die starken Veränderungen in Kultur und Verhalten, die im Grunde eher auf
materielle Dinge ausgerichtet sind als auf geistige, verlangen besondere
Aufmerksamkeit in einigen Bereichen, in denen die Ordensleute heute
besonders verwundbar zu sein scheinen.
36. Die Identität
Der Reifungprozeß des Menschen vollzieht sich in der eigenen
Identifikation mit dem Berufensein von Gott. Eine unsichere Identität kann
besonders in schwierigeren Situationen zu einer falsch verstandenen
Selbstverwirklichung führen, verbunden mit einem extremen Bedürfnis
nach Erfolg und nach Anerkennung und mit einer übertriebenen Angst vor
dem Scheitern, sowie mit Depressionen im Gefolge von Mißerfolgen.
Die Identität des Gottgeweihten hängt von einem geistigen Reifungsprozeß
ab: sie ist ein Werk des Geistes, der den Betreffenden dazu drängt, Christus
gleichförmig zu werden, entsprechend jener besonderen Weise, wie sie dem
Institut durch das "Ursprungscharisma" geschenkt ist, das eine "Vermittlung
des Evangeliums an die Mitglieder eines Institutes" darstellt.(48) Der
Beistand eines geistlichen Führers, der die Spiritualität und die Sendung
eines Institutes gut kennt und sie achtet, ist also von großer Bedeutung, um
"das Wirken Gottes zu erkennen, den Mitbruder auf den Wegen des Herrn
zu begleiten und das Leben durch eine solide Lehre und lebendiges Gebet
zu nähren".(49) Eine solche Begleitung, die besonders notwendig ist in der
Phase der ersten Ausbildung, ist auch im weiteren Leben für das "Wachsen
in Christus hilfreich".
Auch der kulturelle Reifungsprozeß hilft mit, sich den Herausforderungen
der Sendung zu stellen und die dazu erforderlichen Hilfsmittel anzuwenden,
um den Weg in die Zukunft zu erkennen und um die richtigen Antworten zu
entwickeln, durch die das Evangelium ständig eine Alternative zu den
Angeboten der Welt wird, indem es die positiven Kräfte einbindet und sie
von den Keimen des Bösen reinigt.
In dieser Dynamik werden die gottgeweihte Person und die
Ordensgemeinschaft zu einer dem Evangelium entsprechenden Einladung,
die die Gegenwart Christi in der Welt offenbar macht.(50)
37. Die Affektivität
Das brüderliche Leben in Gemeinschaft verlangt von allen ein stabiles
seelisches Gleichgewicht, innerhalb dessen das affektive Leben des
einzelnen reifen kann. Wesentlicher Bestandteil dieses Reifungsprozesses
ist die oben erwähnte affektive Freiheit, aufgrund derer der gottgeweihte
Mensch seine Berufung liebt, und nach ihren Maßstäben liebt. Gerade diese
Freiheit und Reife ermöglichen es, innerhalb wie außerhalb der
Gemeinschaft eine gesunde Affektivität zu leben.
Seine eigene Berufung zu lieben, sie als gültigen Lebensbasis zu erfahren,
seine Lebensweihe als eine wahre, schöne und gute Wirklichkeit zu
verstehen, die auch die eigene Existenz wahr, schön und gut macht: dies
alles macht einen Menschen stark, autonom und selbstsicher; es bedarf

3.5 Page 25

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keiner anderen, auch keiner affektiven Stütze. Eine solche Haltung festigt
zugleich das Band, das den Gottgeweihten an jene bindet, die mit ihm
dieselbe Berufung teilen. Vor allem mit ihnen fühlt er sich zu lebendigen
Beziehungen der Brüderlichkeit und Freundschaft berufen.
Die Berufung lieben, das heißt, die Kirche lieben, das heißt, das eigene
Institut lieben und die Gemeinschaft wirklich als die eigene Familie zu
betrachten.
Der eigenen Berufung entsprechend zu lieben bedeutet, zu lieben im Stil
eines Menschen, der in jeder zwischenmenschlichen Beziehung ein reines
Zeichen der Liebe Gottes sein möchte, der niemanden überrumpelt und
nicht in Besitz nimmt, sondern es gut meint und das Beste des anderen
sucht mit jenem Wohlwollen, das Gott uns entgegenbringt.
Es bedarf also einer besonderen Erziehung der Affektivität, die den
menschlichen Aspekt mit dem mehr geistigen in Einklang bringt. Hier
scheinen besonders jene Hinweise von Potissimum Institutioni angebracht,
die die Prüfung "der Ausgeglichenheit der Affektivität, besonders auch im
geschlechtlichen Bereich", sowie die Prüfung der "Fähigkeit zum
Gemeinschaftsleben" betreffen.(51)
Trotzdem sind die Schwierigkeiten in diesem Bereich oft nur ein Echo von
Problemen, die anderswo ihren Ursprung haben: eine Affektivität-
Sexualität, die mit narzistisch-jugendlichem oder stark verdrängendem
Verhalten gelebt wird, kann eine Folge von negativen Erfahrungen sein, die
dem Ordenseintritt vorausgingen, aber auch ein Folge von Ungereimtheiten
in der Gemeinschaft oder im Apostolat. Wichtig ist hier also ein reiches und
herzliches brüderliches Leben, das die "Last" des verwundeten und
hilfsbedürftigen Bruders mitträgt.
Wenn also für ein Leben in Gemeinschaft eine gewisse Reife vorausgesetzt
werden muß, so ist ein herzliches, brüderliches Miteinander für die Reifung
des Ordensmitgliedes nicht minder gefordert. Wo im Mitbruder oder in der
Mitschwester eine verminderte affektive Selbständigkeit festgestellt wird,
sollte die Antwort der Gemeinschaft in Form einer reichen, menschlichen
Liebe nach dem Beispiel Jesu und vieler heiliger Ordensleute nicht
ausbleiben, einer Liebe, die Ängste und Freuden, Schwierigkeiten und
Hoffnungen mit jener Wärme teilt, die das neue Herz auszeichnet, das den
ganzen Menschen anzunehmen vermag. Eine solche besorgte, taktvolle,
nicht Besitz ergreifende, selbstlose Liebe wird dem einzelnen die Liebe des
Herrn nahebringen, jene Liebe, die den Sohn Gottes dazu führte, uns durch
sein Kreuz zu sagen, daß man nicht daran zweifeln kann, von der Ewigen
Liebe geliebt zu sein.
38. Unstimmigkeiten
Das Zusammenleben mit leidenden Menschen, mit solchen, die sich in der
Gemeinschaft nicht wohlfühlen und die deshalb Ursache von Leid für die
Mitbrüder sind und das Gemeinschaftsleben stören, stellen eine besondere
Gelegenheit für das menschliche Wachsen und das christliche Reifen dar.

3.6 Page 26

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Vor allem ist hier zu fragen, woher solche Leiden rührt: von charakterlichen
Mängeln, von Verpflichtungen, die als zu beschwerlich empfunden werden,
von großen Lücken in der Ausbildung, von den zu raschen und zu
zahlreichen Veränderungen dieser Jahre, von zu autoritärem Leitungstil,
von Schwierigkeiten im geistlichen Leben.
Es kann gibt auch verschiedene Situationen, in denen die Autorität daran
erinnern muß, daß das Gemeinschaftsleben manchmal Opfer abverlangt
und zu einer Form von "maxima poenitentia" werden kann.
Dennoch gibt es Situationen und Fälle, in denen ein Rückgriff auf die
Humanwissenschaften erforderlich ist, besonders dann, wenn einzelne
eindeutig zu einem Leben in Gemeinschaft unfähig sind, sei es aufgrund
mangelnder Reife, psychologischer Labilität oder anderer Faktoren
vorwiegend pathologischer Art.
Der Rückgriff auf solche Maßnahmen erwies sich nicht nur in der Therapie
schwererer oder leichterer psychopatischer Fälle als nützlich, sondern auch
zu deren Vorbeugung, um eine angemessene Auslese der Kandidaten zu
erleichtern und um in einigen Fällen die Ausbildungsverantwortlichen in
ihrem Verhalten bei speziellen pädagogisch-formativen Problemen zu
beraten.(52)
In jedem Falle ist bei der Auswahl dieser Spezialisten ein gläubiger Mensch
und ein Kenner des Ordenslebens vorzuziehen. Noch besser ist es, wenn er
selbst ein gottgeweihter Mensch ist.
Der Gebrauch dieser Hilfsmittel wird schließlich dann wirklich hilfreich
sein, wenn sie mit einer gewissen Zurückhaltung und auf den jeweiligen
Fall bezogen angewandt werden; dies allein schon deshalb, weil sie nicht
alle Probleme lösen können und demzufolge "nicht an die Stelle einer
echten geistlichen Begleitung treten können".(53)
Vom Ich zum Wir
39. Die Achtung der Person, vom Konzil und in den nachfolgenden
Dokumenten(54) empfohlen, hat einen positiven Einfluß auf das konkrete
Gemeinschaftsleben ausgeübt.
Gleichzeitig hat sich jedoch mit geringerer oder stärkerer Intensität, je nach
den verschiedenen Erdteilen, auch der Individualismus ausgebreitet unter
den vielfältigsten Formen, wie Profiliersucht, Überbetonung des
physischen, psychischen und beruflichen Wohlbefindens, Bevorzugung
einer eigenständigen Arbeit oder einer renomierten und profilierten
Tätigkeit, absoluter Vorrang der persönlichen Interessen und des
individuellen Lebensweges ohne Rücksicht auf die anderen und ohne
Beziehung zur Gemeinschaft.
Dagegen ist es jedoch dringend erforderlich, jenes rechte und nicht immer
leicht zu erzielende Gleichgewicht zu suchen zwischen der Achtung der
Person und dem Gemeinwohl, zwischen den Ansprüchen und Bedürfnissen
der einzelnen und jenen der Gemeinschaft, zwischen dem persönlichen

3.7 Page 27

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Charisma und dem apostolischen Entwurf der Gemeinschaft. Dies sollte
fern von jedem zerstörenden Individualismus sowie von jedem
nivellierenden Kommunitarismus geschehen. Die Ordensgemeinschaft ist
der Ort, wo sich der tägliche und geduldige Übergang vom "Ich" zum "Du",
von meiner Aufgabe zur Aufgabe der Gemeinschaft, von der Suche dessen,
"was mein ist", zur Suche dessen, "was Christi ist", vollzieht.
Dann wird die Ordensgemeinschaft der Ort, wo man täglich lernt, sich
jenes neue Denken anzueignen, das es ermöglicht, brüderliche
Gemeinschaft in der Vielfalt der unterschiedlichen Gaben zu leben, und das
gleichzeitig eben diese Gaben auf die Brüderlichkeit und die
Mitverantwortung im apostolischen Ziel hin ausrichtet.
40. Ein derartiger gemeinschaftlicher und apostolischer "Einklang"
erfordert:
a) Miteinander das gemeinsame Geschenk der Berufung und Sendung
dankbar zu feiern, ein Geschenk, das hoch über jedweden individuellen und
kulturellen Unterschieden steht. Eine kontemplative Haltung gegenüber der
Weisheit Gottes zu fördern, der gerade diese Brüder oder Schwestern in
einer Gemeinschaft zusammengeführt hat, damit sie sich gegenseitig als
Geschenk geben und annehmen. Gott zu loben für das, was jeder Bruder
oder jede Schwester von der Gegenwart und vom Wort Christi mitteilt.
b) Die Pflege jener gegenseitigen Achtung, mit der man den langsameren
Weg der Schwächeren annimmt und gleichzeitig das Wachstum reicherer
Persönlichkeiten nicht erstickt. Eine Achtung, die einerseits Kreativität
fördert, andererseits jedoch an die Mitverantwortung und Solidarität
anderen gegenüber appelliert.
c) Eine Ausrichtung auf die gemeinsame Sendung hin: ein jedes Institut hat
seine eigene Sendung, an der jeder seinen Gaben entsprechend mitarbeiten
muß. Der Weg einer gottgeweihten Person besteht gerade darin, dem Herrn
zunehmend all das darzubringen, was sie ist und was sie hat, zum Wohl der
Sendung ihrer Ordensfamilie.
d) Eine Erinnerung daran, daß die apostolische Sendung in erster Linie der
Gemeinschaft anvertraut ist, und daß sie deshalb oft den Unterhalt
gemeinschaftseigener Werke mit sich bringt. Die Hingabe an ein solches
gemeinschaftliches Apostolat läßt die gottgeweihte Person reifen und auf
ihrem besonderen Weg zur Heiligkeit wachsen.
e) Eine innere Einstellung, aus der heraus die einzelnen Ordensleute, die im
Gehorsam persönliche Aufgaben übertragen bekommen haben, sich selbst
als von der Gemeinschaft Beauftragte verstehen. Diese trage ihrerseits
Sorge für deren satzungsmäßige Erneuerung und beziehe sie in die
Überprüfung der apostolischen Verpflichtungen der Gemeinschaft mit ein.
Während der Ausbildungszeit kann es vorkommen, daß es trotz allen guten
Willens unmöglich ist, die besonderen Gaben einer gottgeweihten Person
mit dem brüderlichen Leben in Gemeinschaft und der gemeinsamen
Sendung in Einklang zu bringen. Dann ist die Frage zu stellen: "Tragen die

3.8 Page 28

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Gaben Gottes in dieser Person (...) zur Einheit und Vertiefung der
Gemeinschaft bei? Wenn ja, dann können sie gerne angenommen werden.
Im gegenteiligen Falle sind sie nicht für dieses bestimmte Institut geeignet,
so wertvoll diese Gaben auch in sich selbst sein und so erstrebenswert sie
einigen Mitbrüdern erscheinen mögen. Es ist wirklich nicht vernünftig,
stark abweichende Entwicklungen zu dulden, die für die Einheit im Institut
kein gediegenes Fundament bieten".(55)
41. In den vergangenen Jahren wuchs die Zahl der Gemeinschaften mit nur
wenigen Mitgliedern, vor allem aus Gründen des Apostolates. Diese
Gemeinschaften können auch förderlich sein für die Entwicklung engerer
Beziehungen unter den Ordensleuten, für ein intensiveres Gebetsleben und
für eine gegenseitige und noch brüderlichere Übernahme von
Verantwortung.(56)
Keinesfalls jedoch fehlen auch fragwürdige Gründe, wie z.B. die
Übereinstimmung von Interessen und Mentalitäten. In einem solchen Falle
mag es leicht geschehen, daß eine Gemeinschaft sich abkapselt und so weit
kommen kann, ihre Mitglieder selbst auszuwählen und einen vom Obern
versetzten Mitbruder anzunehmen oder abzulehnen. Solches widerspricht
der Natur der Ordensgemeinschaft und ihrer Zeichenhaftigkeit. Eine
selektive Homogenität hindert die apostolische Beweglichkeit und
schwächt außerdem die pneumatische Wirklichkeit der Gemeinschaft, sie
entzieht der sie bestimmenden geistigen Wirklichkeit ihre Zeugniskraft.
Jenes, für heterogene Gemeinschaften so charakteristische Bemühen, sich
gegenseitig anzunehmen, wie auch die Anstrengungen zur Überwindung
diesbezüglicher Schwierigkeiten, sind ein Beweis für die Transzendenz
ihres Seinsgrundes, nämlich für "die Kraft Gottes, die sich in der
Schwachheit des Menschen offenbart" (vgl. 2 Kor 12,9-10).
In einer Gemeinschaft lebt man zusammen, nicht weil man sich gegenseitig
ausgesucht hat, sondern weil der Herr einen dazu erwählt hat.
42. Wenn die westlich geprägte Kultur zum Individualismus neigt, der ein
brüderliches Leben in Gemeinschaft erschwert, so können andere Kulturen
ihrerseits zum Kommunitarismus führen, der die Wertschätzung der
menschlichen Person schwieriger macht. Jede dieser kulturellen Formen
muß evangelisiert werden.
Die Präsenz von Ordensgemeinschaften, die auf dem Weg hin zu einem
brüderlichen Leben sind, in dem der Einzelne für die Mitbrüder verfügbar
ist oder in dem die "Gruppe" den Einzelnen fördert, ist ein Zeichen der
verändernden Kraft des Evangeliums und der Ankunft des Gottesreiches.
Die internationalen Institute, in denen Miglieder aus verschiedenen
Kulturen zusammenleben, können zu einem Austausch der Gaben
beitragen, durch die sie sich gegenseitig bereichern und korrigieren im
gemeinsamen Bestreben, immer intensiver das Evangelium der Freiheit der
Person und der brüderlichen Gemeinschaft zu leben.
Die Ordensgemeinschaft in beständiger Weiterbildung

3.9 Page 29

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43. Die gemeinschaftliche Erneuerung hat aus der beständigen
Weiterbildung großen Nutzen gezogen. Sie wird in ihren Grundzügen vom
Dokument Potissimum Institutioni empfohlen und umrissen,(57) und wird
von allen Verantwortlichen der Ordensinstitute als bedeutungsvoll für das
Überleben betrachtet.
Trotz einiger Unsicherheiten (z.B. die Schwierigkeit einer Synthese ihrer
unterschiedlichen Aspekte; die Schwierigkeit, alle Mitglieder einer
Gemeinschaft für die Weiterbildung zu interessieren; die Ansprüche des
Apostolates; das rechte Gleichgewicht von Aktivität und Ausbildung) hat
die Mehrzahl der Ordensinstitute diesbezügliche Initiativen auf zentraler
und lokaler Ebene ins Leben gerufen.
Ein Ziel dieser Initiativen besteht darin, reife, evangeliumsgemäße und
brüderliche Gemeinschaften zu bilden, die fähig sind, die beständige
Weiterbildung im Alltag fortzusetzen. Die Ordensgemeinschaft ist
tatsächlich der Ort, wo die großen Orientierungen dank einer geduldigen
und beharrlichen, täglichen Vermittlung wirksam werden. Die
Ordensgemeinschaft ist der Ort und das natürliche Umfeld des
Wachstumsprozesses aller, wo ein jeder für das Wachstum des anderen
mitverantwortlich wird.
Die Ordensgemeinschaft ist außerdem der Ort, wo man sich Tag für Tag
gegenseitig hilft, als gottgeweihter Mensch und als Träger desselben
Charismas auf die Bedürfnisse der Ärmsten und Letzten ebenso wie auf die
Herausforderungen der neuen Gesellschaft zu antworten. Nicht selten
mögen die Antworten auf diese Probleme unterschiedlich sein, mit
deutlichen Auswirkungen auf das gemeinschaftliche Leben. Dies führt zu
der Feststellung, daß ein besonders vordringliches Bedürfnis heute darin
besteht, Menschen unterschiedlicher Bildung und unterschiedlicher
apostolischer Ausrichtung in ein und dasselbe gemeinschaftliche Leben zu
integrieren, in dem die Unterschiede nicht mehr Anlaß zu Gegensätzen
bieten, sondern Gelegenheit zur gegenseitigen Bereicherung. In diesen
veränderten und sich verändernden Umständen wird die einigende Rolle
der für die Gemeinschaft Verantwortlichen immer wichtiger; angesichts
deren Aufgabe, das brüderliche und apostolische Leben einer Gemeinschaft
zu animieren, sollte die beständige Weiterbildung für sie besondere Hilfen
vorsehen.
Aus der Erfahrung der vergangenen Jahre verdienen hier zwei
Gesichtspunkte besondere Beachtung: Die gemeinschaftsbezogene
Dimension der evangelischen Räte, und das Charisma.
Die gemeinschaftsbezogene Dimension der evangelischen Räte
44. Die Ordensprofeß stellt einen Ausdruck der Selbsthingabe an Gott und
die Kirche dar, eine Hingabe jedoch, die innerhalb der Gemeinschaft einer
Ordensfamilie gelebt wird. Die Ordensperson ist nicht nur durch ihre
individuelle Berufung "gerufen", sondern sie ist "zusammengerufen", ist in
eine Gemeinschaft mit anderen gerufen, wo sie ihre tägliche Existenz "mit
anderen teilt".

3.10 Page 30

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In diesem "Ja" zu Gott liegt jene Übereinstimmung, die die verschiedenen
Ordensleute untereinander zu ein und derselben Lebensgemeinschaft
verbindet. Als gemeinsam Geweihte, als in demselben "Ja" Geeinte, als im
Heiligen Geist untereinander Verbundene entdecken die Ordensleute
täglich, daß ihre Nachfolge des "gehorsamen, armen und keuschen"
Christus in der Brüderlichkeit gelebt wird, wie es die Jünger taten, die Jesus
in seinem Wirken nachfolgten. Sie sind mit Christus verbunden, und
deshalb sind sie berufen, auch untereinander verbunden zu sein. Sie sind
untereinander verbunden durch die Sendung, sich in prophetischer Weise
dem Götzenkult der Macht, des Besitzes und des Vergnügens zu
widersetzen.(58)
Auf diese Weise bindet und eint der Gehorsam das unterschiedlich
ausgerichtete Wollen innerhalb ein und derselben brüderlichen
Gemeinschaft, die in der Kirche eine besondere Sendung zu erfüllen hat.
Der Gehorsam stellt ein "Ja" zum Plan Gottes dar, der einer
Personengruppe eine besondere Aufgabe anvertraut hat. Der Gehorsam
steht in Verbindung mit der Sendung, aber auch mit der Gemeinschaft, die
hier und jetzt gemeinschaftlich ihre Sendung zu verwirklichen hat; der
Gehorsam verlangt außerdem eine durch den Glauben erleuchtete Sicht der
Rolle der Obern, die "ihre Aufgabe des Dienstes und der Führung"(59)
wahrnehmen und die Übereinstimmung von apostolischer Arbeit und
Sendung zu schützen haben. Der allein heilsstiftende Wille Gottes muß so
in Gemeinschaft mit den Obern verwirklicht werden.
Die Armut: Das Teilen des Besitzes - auch des geistlichen - bildet von
Anbeginn an das Fundament der brüderlichen Gemeinschaft. Die Armut des
einzelnen, die einen schlichten und fast herben Lebensstil mit sich bringt,
macht nicht nur von jenen Sorgen frei, die mit persönlichem Besitz
verbunden sind, sondern sie hat stets auch die Gemeinschaft bereichert, die
sich dadurch wirksamer dem Dienst an Gott und den Armen widmen
konnte.
Die Armut beinhaltet auch einen wirtschaftlichen Aspekt: es verletzt und
schwächt das brüderliche Leben, wer für sich selbst oder für die eigenen
Angehörigen über Geld verfügt, als ob es das eigene wäre, und wer einen
Lebensstil pflegt, der sich zu stark von jenem der Mitbrüder und von der
Armut seines sozialen Umfeldes abhebt.
Auch die "Armut des Geistes", die Demut, die Einfachheit, das Anerkennen
der Gaben der anderen, die Hochachtung der Vorgaben des Evangeliums,
wie z.B. "ein mit Christus in Gott verborgenes Leben", die Liebe zum
Opfer im Verborgenen, die Wertschätzung der Letzten, das Aufgehen in
Dingen, die nicht belohnt oder nicht anerkannt werden ...; dies alles sind
Faktoren, die einigend auf das brüderliche Leben wirken und aus der
gelobten Armut hervorgehen.
Weil eine Gemeinschaft von "Armen" auf ganz konkrete Weise die
verändernde Kraft der Seligpreisungen vergegenwärtigt, ist sie auch
imstande, mit den Armen solidarisch zu sein und deutlich zu machen, worin
das Wesen der Evangelisierung besteht.

4 Pages 31-40

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4.1 Page 31

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Die gottgeweihte Keuschheit, die auch eine hohe Reinheit des Geistes, des
Herzens und des Leibes einschließt, bringt im Hinblick auf die
Gemeinschaft eine große Freiheit zum Ausdruck, die Freiheit nämlich, Gott
und alles, was sein ist, mit ungeteilter Liebe zu lieben. Sie stellt deshalb
eine vorbehaltlose Bereitschaft dar, alle Menschen zu lieben und für sie da
zu sein, und so die Liebe Christi zu vergegenwärtigen. Eine solche Liebe,
die nicht egoistisch ist, niemanden ausschließt, niemanden in Besitz nimmt
und von der Leidenschaft nicht beherrscht wird, sondern allumfassend ist
und selbstlos, selbst frei und befreiend, und die so wesentlich ist für die
Sendung, eine solche Liebe wird durch ein brüderliches Leben in ihrem
Wachsen gefördert. So rufen alle, die in gottgeweihter Ehelosigkeit leben,
"jenen wunderbaren Ehebund in Erinnerung, den Gott begründet hat und
der erst in der kommenden Welt ganz offenbar wird, den Ehebund der
Kirche mit Christus, ihrem einzigen Bräutigam".(60)
Diese gemeinschaftsbezogene Dimension der Gelübde bedarf jener
beständigen Pflege und Vertiefung, die charakteristische Ziele der
beständigen Weiterbildung darstellen.
45. Das Charisma: Es ist das zweite Element, das im Rahmen der
beständigen Weiterbildung hinsichtlich des Wachsens des brüderlichen
Lebens hervorgehoben werden muß.
"Die Ordensweihe stiftet eine besondere Gemeinschaft zwischen Gott und
der Ordensperson und, in Ihm, zwischen den Mitgliedern ein und desselben
Instituts (...). Ihr Fundament ist jene Gemeinschaft in Christus, die im
einmaligen Ursprungs-Charisma festgelegt ist".(61)
Der Hinweis auf die eigene Gründergestalt und auf das von ihr gelebte und
weitergegebene Charisma, das durch die ganze Lebensspanne des Instituts
bewahrt und entfaltet wurde,(62) ist demnach ein grundlegendes Element
für die Einheit der Gemeinschaft.
In Gemeinschaft leben heißt also, miteinander den Willen Gottes zu leben,
gemäß jener Orientierung durch das Geschenk des Charismas, das der
Gründer von Gott empfing, und das er auf seine Schüler und Nachfahren
übertragen hat.
Indem die Erneuerung dieser Jahre die Bedeutung des Ursprungs-
Charismas auch durch eine reiche theologische Reflexion hervorgehoben
hat,(63) hat sie die Einheit der Gemeinschaft gefestigt, die als Trägerin
derselben Gabe des Geistes verstanden wurde, die sie mit den Brüdern
teilen soll, und mit der sie die Kirche beschenken kann "für das Leben der
Welt". Darum sind jene Bildungs-Programme so hilfreich, die regelmäßige
Kurse für Studium und betendes Überdenken der Gründergestalt, des
Charismas und der Konstitutionen beinhalten.
Das vertiefte Verständnis des Charismas führt zu einer klaren Sicht der
eigenen Identität, um die herum sich Einheit und Gemeinschaft leichter
verwirklichen lassen. Es ermöglicht außerdem eine kreative Anpassung an
die neuen Situationen, was einem Institut wiederum positive
Zukunftsperspektiven bietet.

4.2 Page 32

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Das Fehlen einer solchen Klarheit kann auch leicht Unsicherheit bezüglich
der Ziele hervorrufen sowie Verwundungen durch die Bedingungen des
Umfeldes, die kulturellen Strömungen, ja selbst die verschiedenen
apostolischen Erfordernisse, und zudem jede Anpassung und jede
Erneuerung vereiteln.
46. Die charismatische Identität ist also zu fördern, und dies nicht zuletzt,
weil eine Verallgemeinerung für die Vitalität der Ordensgemeinschaft eine
echte Gefahr darstellt.
In diesem Zusammenhang wurde auch auf einige Situationen hingewiesen,
die in diesen Jahren die Ordensgemeinschaften verwundet haben und noch
immer verwunden:
die "verallgemeinernde" Betrachtungsweise - d.h. ohne
Einbeziehung des eigenen Charismas - gewisser Richtlinien der
Teilkirche oder gewisser Anregungen, die aus anderen
Spiritualitäten stammen;
eine Form von Einbindung in kirchliche Bewegungen, die das
einzelne Ordensmitglied dem fragwürdigen Phänomen einer
"doppelten Zugehörigkeit" aussetzt;
eine gewisse Anpassung an die Lebensweise der Laien in den
sicherlich notwendigen und oft fruchtbaren Beziehungen zu ihnen,
besonders zu Mitarbeitern. Und so "tarnt" man sich als Laie, indem
man ihre Urteils- und Handlungsweise annimmt und den Beitrag der
eigenen Weihe an Gott herabsetzt, anstatt das eigene religiöse
Zeugnis als ein brüderliches Geschenk anzubieten, das die Echtheit
ihres christlichen Lebens durchdringen sollte;
ein übermäßiges Nachgeben gegenüber den Ansprüchen der
Familie, den Idealen der Nation, der Rasse, des Stammes oder der
sozialen Gruppe, was das Charisma auf einseitige Positionen und
Interessen hin umzubiegen droht;
Die Verallgemeinerung, die das Ordensleben auf einen farblosen, kleinsten
gemeinsamen Nenner reduziert, führt zur Zerstörung von Schönheit und
Fruchtbarkeit jener Vielfalt von Charismen, die vom Geist ins Leben
gerufen sind.
Die Autorität im Dienste der Brüderlichkeit
47. Allgemein besteht der Eindruck, die Entwicklung dieser Jahre habe das
brüderliche Leben in den Gemeinschaften reifer gemacht. In vielen
Gemeinschaften ist das Klima des Zusammenlebens besser geworden: man
gab mehr Raum für die aktive Beteiligung aller, man ging von einem zu
stark auf Observanz gründenden Gemeinschaftsleben über zu einem Leben,
das die Bedürfnisse des einzelnen besser berücksichtigt und aufmerksamer
ist in menschlichen Belangen. Das Bemühen, Gemeinschaften zu schaffen,
die leichter lebbar sind, weniger formalistisch, weniger autoritär, die
brüderlicher und verinnerlichter sind, wird allgemein als eine der
auffallendsten Früchte der Erneuerung der letzten Jahre angesehen.
48 Diese positive Entwicklung war manchmal in Gefahr, durch ein Gefühl

4.3 Page 33

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des Mißtrauens gegenüber der Autorität verfälscht zu werden.
Das Verlangen nach einer tieferen communio unter den Mitgliedern und die
verständliche Reaktion gegen Strukturen, die als zu autoritär und zu starr
empfunden wurden, führte dazu, die Rolle der Autorität in ihrer ganzen
Tragweite zu verkennen, die von einigen als schlechthin überflüssig für das
Gemeinschaftsleben bezeichnet, von anderen dagegen lediglich auf die
Aufgabe der Koordinierung der Initiativen der Mitglieder eingeschränkt
wurde. Auf diese Weise gelangten einige Gemeinschaften dahin, ohne
verantwortlichen Leiter zu leben, während andere sämtliche
Entscheidungen gemeinschaftlich trafen. Dies alles birgt die nicht nur
hypothetische Gefahr eines Auseinanderbrechens des Gemeinschaftslebens
in sich, was dann unausweichlich dazu führt, Einzelgängertum zu fördern
und gleichzeitig die Rolle der Autorität zu verdunkeln, eine Rolle, die nicht
nur für den geistlichen Weg der gottgeweihten Person notwendig ist,
sondern auch für das Wachsen des brüderlichen Lebens in Gemeinschaft.
Andererseits führen die Ergebnisse dieser Experimente schrittweise hin zur
Wiederentdeckung der Notwendigkeit und der Bedeutung einer
persönlichen Autorität, was in Kontinuität mit der ganzen Tradition des
Ordenslebens steht.
Wenn das verbreitete Klima der Demokratisierung auch das Wachsen der
Mitverantwortlichkeit und der Teilnahme aller an Entscheidungsprozessen
innerhalb der Ordensgemeinschaft gefördert haben mag, so darf man doch
nicht vergessen, daß Brüderlichkeit nicht nur ein Ergebnis menschlichen
Bemühens ist, sondern auch, und ganz besonders, ein Geschenk Gottes. Sie
ist ein Geschenk, das dem Gehorsam gegenüber Gottes Wort entspringt,
und im Ordensleben auch dem Gehorsam gegenüber der Autorität, die an
dieses Wort erinnert und es mit den konkreten Situationen verbindet, ganz
gemäß dem Geist des Instituts.
"Wir bitten euch aber, Brüder, anerkennt jene, die unter euch sich mühen,
die eure Vorsteher sind im Herrn und euch ermahnen. Schätzt sie besonders
hoch in Liebe, wegen ihres Wirkens" (1 Thess 5,12-13). Die christliche
Gemeinschaft ist wirklich kein anonymes Kollektiv, sondern ihr sind von
Anfang an Vorsteher geschenkt, für die der Apostel um Rücksicht, Achtung
und Liebe bittet.
In den Ordensgemeinschaften ist diese Autorität, der Aufmerksamkeit und
Respekt auch kraft des gelobten Gehorsams geschuldet wird, auch in den
Dienst der zu verwirklichenden Brüderlichkeit sowie der Erreichung ihrer
geistlichen und apostolischen Zielsetzungen gestellt.
49. Die Erneuerungsbewegung dieser Jahre hat dazu beigetragen, das Bild
der Autorität neu zu zeichnen, in der Absicht, diese enger mit ihren
evangelischen Wurzeln zu verbinden und damit mit dem Dienst für den
geistlichen Fortschritt des einzelnen und für den Aufbau des brüderlichen
Lebens in der Gemeinschaft.
Jede Gemeinschaft hat ihre eigene Sendung. Der Dienst der Autorität
richtet sich also auf eine Gemeinschaft, die eine besondere, ihr vom Institut

4.4 Page 34

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und dessen Charisma übertragene und umschriebene Sendung zu erfüllen
hat. Aus der Verschiedenheit der Sendungen ergeben sich unterschiedliche
Formen von Gemeinschaften, und demzufolge auch von Diensten der
Autorität. Auch dies ist ein Grund dafür, daß es innerhalb des Ordenslebens
verschiedene, vom Eigenrecht festgelegte Arten gibt, Autorität zu verstehen
und auszuüben.
Immer jedoch stellt die evangeliumsgemäße Autorität einen Dienst dar.
50. Die Erneuerung dieser Jahre betont einige Aspekte der Autorität.
a) Eine geistliche Autorität
Wenn die gottgeweihten Personen sich dem umfassenden Dienste Gottes
widmen, dann fördert und stützt die Autorität diese ihre Weihe. In gewisser
Weise kann die Autorität verstanden werden als "Dienerin der Diener
Gottes". Der Autorität kommt die vornehmliche Aufgabe zu, zusammen mit
ihren Brüdern und Schwestern "brüderliche Gemeinschaften aufzubauen, in
der Gott vor allem gesucht und geliebt wird".(64) Es ist also erforderlich,
daß sie vor allem anderen eine geistlich geprägte Person sei, überzeugt vom
Primat des Geistlichen sowohl im persönlichen Leben wie auch in der
Verwirklichung des brüderlichen Lebens, d.h. daß sie sich bewußt sei, daß
die Herzen sich desto enger untereinander verbinden, je mehr die Liebe zu
Gott in ihnen wächst.
Die vorrangige Aufgabe der Autorität wird also in der geistlichen,
gemeinschaftlichen und apostolischen Motivierung ihrer Gemeinschaft
liegen.
b) Eine Autorität, die Einheit bewirkt
Eine Autorität, die Einheit bewirkt, ist jene, die sich bemüht, ein günstiges
Klima für Austausch und Mitverantwortung zu schaffen; die den Beitrag
aller hinsichtlich der gemeinsamen Interessen anregt; die die Mitbrüder zur
Übernahme von Verantwortung ermutigt und sie respektiert; die "den
Gehorsam der Mitbrüder fördert in Achtung vor der menschlichen Person";
(65) die gerne auf die Mitbrüder hört und deren einträchtiges Wirken zum
Wohl des Instituts und der Kirche fördert;(66) die den Dialog praktiziert
und angemessene Gelegenheit zur Begegnung schafft; die in schwierigen
Momenten Mut und Hoffnung zu vermitteln versteht; die nach vorne
schaut, um der Sendung neue Horizonte zu erschließen. Und weiter: eine
Autorität, die die verschiedenen Aspekte des Gemeinschaftslebens im
Gleichgewicht zu halten bemüht ist: Gleichgewicht von Gebet und Arbeit,
von Apostolat und Ausbildung, von Tätigkeit und Erholung.
Die Autorität des Obern und der Oberin dient also dazu, daß das
Ordenshaus nicht einfach ein Aufenthaltsort, ein Agglomerat von
Einzelgängern sei, von denen jeder seine eigene Geschichte lebt, sondern
eine "brüderliche Gemeinschaft in Christus".(67)
c) Eine Autorität, die die letzte Entscheidung trifft und deren Ausführung
sichert.

4.5 Page 35

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Die gemeinsame Entscheidungsfindung ist gewiß ein nützliches Verfahren,
auch wenn es nicht leicht und nicht selbstverständlich ist, da es
menschliche Kompetenz, geistliche Weisheit und Zurücknahme der eigenen
Person erfordert. Dort, wo sie ernsthaft und gläubig praktiziert wird, schafft
sie der Autorität die besten Bedingungen für die notwendigen
Entscheidungen zum Wohl des brüderlichen Lebens und der Sendung.
Wenn dann einmal eine Entscheidung gemäß den Vorschriften des
Eigenrechtes getroffen ist, dann sind Beharrlichkeit und Kraft seitens des
Obern gefordert, damit die Beschlüsse nicht nur auf dem Papier bleiben.
51. Es ist außerdem unabdingbar, daß das Eigenrecht möglichst präzise die
verschiedenen Kompetenzen der Gemeinschaften, der Räte, der Amtsträger
und des Obern umschreibt. Unklarheiten in diesem Bereich bieten oft Anlaß
zu Konfusion und zu Konflikten.
Auch die "gemeinschaftlichen Projekte", die einer Beteiligung am
Gemeinschaftsleben und seiner unterschiedlichen Aufgaben nützen können,
sollten sorgsam darauf bedacht sein, die Aufgabe und Kompetenz der
Autorität in Übereinstimmung mit den Konstitutionen klar festzulegen.
52. Eine brüderliche und geeinte Gemeinschaft ist immer mehr dazu
berufen, ein wichtiges und zeichenhaftes Element der Gegenkultur des
Evangeliums zu sein, Salz der Erde und Licht der Welt.
So kann die Ordensgemeinschaft beispielsweise in der westlichen, vom
Individualismus beherrschten Gesellschaft, ein prophetisches Zeichen dafür
sein, daß es möglich ist, in Christus Brüderlichkeit und Solidarität zu
verwirklichen, während sie in den von Autoritarismus oder
Kommunitarismus geprägten Kulturen ein Zeichen für die Achtung und
Entwicklung der menschlichen Person und für eine, dem Willen Gottes
gemäße Ausübung der Autorität sein kann.
In der Tat, während die Ordensgemeinschaft die Kultur des jeweiligen
Ortes annehmen soll, ist es gleichzeitig auch ihre Aufgabe, diese durch das
Salz und das Licht des Evangeliums zu reinigen und zu erheben, indem sie
in ihrer realen Brüdergemeinschaft eine konkrete Synthese dessen aufzeigt,
was nicht nur eine Evangelisierung der Kultur, sondern auch eine
evangelisierende Inkulturation und eine inkulturierte Evangelisierung ist.
53. Schließlich darf nicht vergessen werden, daß in dieser ganzen,
delikaten, komplexen und oft leidvollen Frage der Glaube eine
entscheidende Rolle spielt, der es ermöglicht, das Heilsgeheimnis des
Gehorsams zu begreifen.(68) So, wie durch den Ungehorsam eines
Menschen die menschliche Familie auseinanderbrach, und wie durch den
Gehorsam des neuen Menschen ihre Zusammenführung begann (vgl. Röm
5,19), ebenso wird die Haltung des Gehorsams für jedes Leben in einer
Familie immer eine unverzichtbare Kraft darstellen.
Das Ordensleben hat immer aus dieser Glaubensüberzeugung gelebt, und
auch heute noch ist es gerufen, sie mutig zu leben, um in seinem Bemühen
um brüderliche Beziehungen nicht ins Leere zu laufen und in der Kirche

4.6 Page 36

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und der Gesellschaft eine dem Evangelium entsprechende, bedeutsame
Wirklichkeit darzustellen.
Die Brüderlichkeit als Zeichen
54. Besonders in den Instituten mit apostolischen Aufgaben waren die
Beziehungen zwischen brüderlichem Leben und apostolischer Tätigkeit
nicht immer geklärt und haben öfters zu Spannungen im einzelnen wie auch
in der Gemeinschaft geführt. Manch einer empfand das "auf Gemeinschaft
machen" als ein Hindernis für die Sendung, als eine Zeitverschwendung mit
Nebensächlichkeiten. Allen muß ins Gedächtnis gerufen werden, daß die
brüderliche Gemeinschaft als solche bereits ein Apostolat ist und
unmittelbar zur Evangelisierung beiträgt. Das herausragende Zeichen, das
der Herr hinterlassen hat, ist nämlich das der gelebten Brüderlichkeit:
"Daran sollen sie erkennen, daß ihr meine Jünger seid, daß ihr einander
liebt" (Joh 13,35).
Neben dem Auftrag, das Evangelium aller Kreatur zu verkünden (vgl. Mt
28, 19-20), hat der Herr seine Jünger dazu ausgesandt, als Brüder
miteinander zu leben, "damit die Welt glaubt", daß Jesus der Gesandte des
Vaters ist, und daß ihm die volle Zustimmung des Glaubens gebührt (vgl.
Joh 17, 21). Dem Zeichen der Brüderlichkeit kommt also höchste
Bedeutung zu, denn es ist jenes Zeichen, das den göttlichen Ursprung der
christlichen Botschaft aufzeigt und die Kraft besitzt, die Herzen für den
Glauben zu öffnen. Darum kann auch gesagt werden, daß "die ganze
Fruchtbarkeit des Ordenslebens von der Qualität des brüderlichen Lebens
in Gemeinschaft abhängig ist".(69)
55. Je nach dem, wie die Ordensgemeinschaft das brüderliche Leben in
ihrer Mitte pflegt, vergegenwärtigt sie fortwährend und erkennbar dieses
"Zeichen", dessen die Kirche vor allem in der Aufgabe der
Neuevangelisierung bedarf.
Auch aus diesem Grunde liegt der Kirche das brüderliche Leben der
Ordensgemeinschaften am Herzen: je stärker die brüderliche Liebe ist, um
so größer ist die Glaubwürdigkeit der verkündeten Botschaft, und um so
klarer wird die Bedeutung des innersten Geheimnisses der Kirche als
Sakrament und der Verbindung der Menschen mit Gott und untereinander.
(70)
Ohne bereits das "Ganze" der Sendung der Kirche sein zu wollen, ist das
brüderliche Leben doch ein wesentlicher Teil davon. Das brüderliche Leben
ist genauso wichtig wie die apostolische Tätigkeit.
Man kann sich also nicht auf die Notwendigkeiten des apostolischen
Dienstes berufen, um Mängel im Gemeinschaftsleben zuzulassen oder zu
rechtfertigen. Die Tätigkeit der Ordensleute muß eine Tätigkeit von
Menschen sein, die gemeinsam leben, die ihr Tun durch eine
gemeinschaftliche Gesinnung prägen, die den Geist der Gemeinschaft
durch Wort, Tat und Beispiel verbreiten.
Besondere Umstände, die im folgenden behandelt werden, können

4.7 Page 37

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Anpassungen erforderlich machen, die jedoch nicht dazu führen dürfen, die
Ordensperson von der communio und dem Geist der eigenen Gemeinschaft
zu entfremden.
56. Wenn die Ordensgemeinschaft sich ihrer Verantwortung gegenüber der
großen brüderlich-schwesterlichen Gemeinschaft, die die Kirche darstellt,
bewußt ist, dann beweist sie auch, daß es möglich ist, die christliche
Brüderlichkeit zu leben, und sie zeigt den Preis, den die Verwirklichung
einer jeglichen Form von brüderlichem Leben erfordert.
Inmitten der Gesellschaften dieser Erde, die von Leidenschaften und
entgegengesetzten Interessen geprägt und zerrissen sind, die sich nach
Einheit sehnen, die jedoch unsicher sind bezüglich des Weges, der zu ihr
führt, inmitten dieser Gesellschaften stellt die Anwesenheit von
Gemeinschaften, in denen sich Menschen unterschiedlichen Alters, Sprache
und Kultur als Brüder und Schwestern begegnen und die trotz der
unvermeidlichen Konflikte und Schwierigkeiten, die das
Gemeinschaftsleben mit sich bringt, untereinander verbunden bleiben,
bereits ein Zeichen dar, das auf etwas Höheres hinweist und die Blicke nach
oben richtet.
"Die Ordensgemeinschaften, die durch ihr Leben die Freude und den
menschlichen und übernatürlichen Wert der christlichen Brüderlichkeit
verkünden, bezeugen vor unserer Gesellschaft durch die Sprache der Fakten
die verändernde Kraft der Frohen Botschaft".(71)
"Über allem stehe die Liebe; sie ist das Band der Vollkommenheit" (Kol
3,14), jene Liebe, die von Christus gelehrt und gelebt und durch seinen
Geist uns mitgeteilt worden ist. Diese Liebe ist es, die einig macht und die
dazu drängt, die Erfahrung der Gemeinschaft mit Gott und den Brüdern
auch anderen mitzuteilen. Sie macht also zu Aposteln, indem sie die
Gemeinschaften zur Sendung hindrängt, ob diese nun in der
Kontemplation, in der Verkündigung des Wortes oder in karitativem Dienst
bestehe. Die Liebe Gottes möchte in die Welt einbrechen: so wird die
brüderliche Gemeinschaft zur Missionarin für diese Liebe und zum
konkreten Zeichen ihrer einigenden Kraft.
57. Die Qualität des brüderlichen Lebens hat auch einen bedeutenden
Einfluß auf die Beharrlichkeit der einzelnen Ordensperson.
So wie Mängel im brüderlichen Leben häufig als Motiv für Austritte
angegeben werden, stellt die gelebte Brüderlichkeit bis heute eine wirksame
Stütze dar für die Ausdauer vieler.
In einer wirklich brüderlichen Gemeinschaft fühlt ein jeder sich
mitverantwortlich für die Treue des anderen; jeder leistet seinen Beitrag zu
einer gelösten Atmosphäre echter Lebensgemeinschaft, die gekennzeichnet
ist von Verständnis und gegenseitiger Hilfe; jeder ist sensibel für
Müdigkeit, Leid, Einsamkeit und Mutlosigkeit des Mitbruders; jeder hilft
dem durch Prüfungen und Schwierigkeiten Bedrängten.
Auf diese Weise wird eine Ordensgemeinschaft, die die Beharrlichkeit ihrer

4.8 Page 38

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Mitglieder stützt, auch zum Zeichen für die fortwährende Treue Gottes, und
somit zu einer Stütze für Glauben und Treue der Christen, die in einer Welt
leben müssen, die den Wert der Treue immer weniger zu kennen scheint.
III.
DIE ORDENSGEMEINSCHAFT ALS ORT UND TRÄGERIN DER
SENDUNG
58. Wie der Heilige Geist die Kirche schon im Abendmahlsaal gesalbt hat,
um sie zur Verkündigung der Frohen Botschaft in die Welt zu senden, so ist
jede Ordensgemeinschaft, insofern sie echte, geisterfüllte Gemeinschaft des
Auferstandenen ist, ihrer Eigenart entsprechend eine apostolische
Gemeinschaft.
Es ist wahr: "Die communio schafft communio und stellt sich wesentlich
als missionarische communio dar... Communio und Sendung sind zutiefst
miteinander verbunden; sie durchdringen und bedingen einander, so daß die
communio zugleich Quelle und Frucht der Sendung ist: die communio ist
missionarisch und die Sendung gilt der communio".(72)
Jede Ordensgemeinschaft, auch die rein kontemplative, ist nicht auf sich
selbst bezogen, sondern sie wird Verkündigung, Diakonie und
prophetisches Zeugnis. Der Auferstandene, der in ihr lebt und ihr seinen
Geist mitteilt, macht sie zum Zeugen seiner Auferstehung.
Ordensgemeinschaft und Sendung
Es ist angebracht, hier über die besondere Beziehung zwischen den
verschiedenen Formen von Ordensgemeinschaft und deren Sendung
nachzudenken, bevor wir uns einigen speziellen Situationen zuwenden,
denen sich die Ordensgemeinschaften heutzutage in den unterschiedlichen
Verhältnissen der Welt stellen müssen, um ihrer besonderen Sendung treu
zu bleiben.
59. a) Das II. Vatikanische Konzil sagt: "Die Ordensleute sollen sorgfältig
darauf achten, daß durch sie die Kirche wirklich von Tag zu Tag mehr den
Gläubigen wie den Ungläubigen Christus sichtbar mache, wie er auf dem
Berg in der Beschauung weilte oder wie er den Scharen das Reich Gottes
verkündigt oder wie er die Kranken und Schwachen heilt oder wie er die
Kinder segnet und allen Wohltaten erweist, immer aber dem Willen des
Vaters gehorsam ist, der ihn gesandt hat".(73)
Aus der Teilhabe an den verschiedenen Formen der Sendung Christi läßt
der Geist verschiedene Ordensfamilien entstehen, die durch
unterschiedliche Sendungen und deshalb auch durch unterschiedliche
Gemeinschaftsformen geprägt sind.
b) Die Form der monastisch-kontemplativen Gemeinschaft (die Christus
auf dem Berg darstellt) ist auf die Vereinigung mit Gott und auf die Einheit
der Mitglieder untereinander ausgerichtet. Sie hat eine höchst
wirkungsvolle apostolische Zielsetzung, die jedoch zum guten Teil im

4.9 Page 39

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Geheimnis verborgen bleibt. Die "apostolische" Gemeinschaft (die Christus
unter der Menge darstellt) ist dem aktiven, durch ein besonderes Charisma
geprägten Dienst am Nächsten geweiht.
Unter den "apostolischen Gemeinschaften" sind einige mehr auf das
gemeinsame Leben ausgerichtet, so daß das Apostolat von der Fähigkeit
zum Gemeinschaftsleben abhängt; andere sind entschieden auf die
missionarische Tätigkeit hin ausgerichtet, weshalb die Form der
Gemeinschaft von der Form der missionarischen Tätigkeit bedingt wird.
Die ausgesprochen auf die verschiedenen Arten des apostolischen Dienstes
orientierten Institute betonen die Priorität der ganzen Ordensfamilie, die als
ein einziger apostolischer Körper und als eine große Gemeinschaft vom
Geist eine Sendung in der Kirche empfangen hat. Die communio, die die
ganze Familie belebt und eint, wird konkret in den einzelnen
Hausgemeinschaften gelebt, denen die Ausführung der Sendung gemäß den
unterschiedlichen Erfordernissen anvertaut ist.
Es gibt also unterschiedliche, durch Jahrhunderte überlieferte Formen von
Ordensgemeinschaften, wie die monastische Gemeinschaft, die
Konventual-Gemeinschaft und die aktive oder "diakonale"
Ordensgemeinschaft.
"Das gemeinsame Leben in Gemeinschaft" hat also nicht für alle
Ordensleute dieselbe Bedeutung. Mönche, Konventualen und aktiv tätige
Ordensleute unterscheiden sich zu Recht dadurch, wie sie die
Ordensgemeinschaft verstehen und leben.
Diese Verschiedenheit findet sich in den Konstitutionen, die gleichzeitig
mit dem Charakter des Instituts auch jenen der Ordensgemeinschaft
beschreiben.
c) Allgemein wird betont, daß es besonders für die in apostolischen Werken
tätigen Ordensgemeinschaften ziemlich schwierig sei, im praktischen Alltag
das Gleichgewicht von Gemeinschaft und apostolischem Einsatz zu
wahren. Wenn es gefährlich ist, diese beiden Aspekte einander
entgegenzustellen, so ist es doch schwierig, sie miteinander in Einklang zu
bringen. Auch hierin liegt eine der fruchtbaren Spannungen des
Ordenslebens, dessen Aufgabe es ist, gleichzeitig sowohl das Wachstum des
'Jüngers' zu fördern, der mit Christus und mit der Schar derer, die ihm
nachfolgen, lebt, als auch jenes des 'Apostels', der an der Sendung des
Herrn teilnimmt.
d) Die Verschiedenheit der apostolischen Erfordernisse führte in den
vergangenen Jahren oft zur Koexistenz sehr unterschiedlicher
Gemeinschaften innerhalb ein und desselben Instituts: große, fest
strukturierte Gemeinschaften, und kleine, beweglichere Gemeinschaften,
ohne deshalb jedoch die charakteristischen Merkmale einer
Ordensgemeinschaft zu verlieren.
Dies alles beeinflußt nicht unerheblich das Leben eines Instituts und dessen
Charakter, der nicht mehr, wie einst, eng umrissen ist, sondern sich
formenreicher zeigt und verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten für die

4.10 Page 40

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Ordensgemeinschaft offenläßt
e) In manchen Instituten hat die Tendenz, die apostolische Tätigkeit stärker
als das Gemeinschaftsleben zu betonen, oder die Vielfalt der Einheit
vorzuziehen, das gemeinsame brüderliche Leben tief beeinflußt, bis zu dem
Punkt, daß es manchmal geradezu zu einer Option wurde anstatt ein
integrierender Bestandteil des Ordenslebens zu sein.
Die sicherlich nicht positiven Folgen geben Anlaß, diesen Weg ernsthaft in
Frage zu stellen, und legen eher nahe, die enge Verbindung von
Gemeinschaft und Sendung neu zu entdecken, um so kreativ jene
Einseitigkeiten zu überwinden, die den Reichtum des Ordenslebens immer
mehr verarmen lassen.
In der Ortskirche
60. Was ihre missionarische Präsenz anbetrifft, so steht eine
Ordensgemeinschaft innerhalb einer bestimmten Ortskirche, der sie den
Reichtum ihrer Lebensweihe, ihres brüderlichen Lebens und ihres
Charismas schenkt.
Durch ihre schlichte Gegenwart birgt sie in sich nicht nur den Reichtum des
christlichen Lebens, sondern stellt gleichzeitig eine besonders
wirkungsvolle Verkündigung der christlichen Botschaft dar. Man kann
sagen, sie ist eine fortwährende und lebendige Verkündigung. Diese
objektive Gegebenheit schärft ganz offenkundig das
Verantwortungsbewußtsein der Ordensleute, indem sie sie in die Pflicht
nimmt, dieser ihrer erstrangigen Sendung treu zu bleiben und alles zu
verbessern oder auszumerzen, was die Attraktivität dieses ihres
Erscheinungsbildes schwächt oder verwässert, und sie macht deren
Anwesenheit in der Ortskirche sehr erwünscht und wertvoll, unabhängig
von jeder anderen Überlegung.
Da die Liebe das höchste aller Charismen darstellt (vgl. 1 Kor 13,13),
bereichert eine Ordensgemeinschaft die Kirche, deren lebendiger Teil sie
ist, in erster Linie durch ihre Liebe.
Die Ordensgemeinschaft liebt zugleich die universale Kirche und die
konkrete Ortskirche, zu der sie gehört, weil sie innerhalb der Kirche steht
und als Kirche sich in Beziehung zur Gemeinschaft der heiligsten und
heiligmachenden Dreifaltigkeit weiß, der Quelle jeglichen Gutes. So wird
sie zu einem hervorragenden Ausdruck des innersten Wesens der Kirche
selbst.
Sie liebt ihre Ortskirche, sie bereichert diese mit ihren Charismen und
öffnet sie auf eine universalere Dimension hin. Die komplexen
Beziehungen zwischen den pastoralen Erfordernissen der Ortskirche und
den charismatischen Besonderheiten der Ordensgemeinschaft wurden in
dem Dokument Mutuae Relationes behandelt, das mit seinen theologischen
und pastoralen Richtlinien einen gewichtigen Beitrag für eine herzlichere
und bessere Zusammenarbeit geboten hat. Es ist an der Zeit, dieses
Dokument erneut aufzugreifen, um den Geist wahrer Gemeinschaft

5 Pages 41-50

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5.1 Page 41

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zwischen Ordensgemeinschaft und Ortskirche neu anzuregen.
Die zunehmenden Schwierigkeiten, die die Verwirklichung der Sendung
und der Mangel an Personal mit sich bringen, können für
Ordensgemeinschaften und Ortskirche eine Versuchung zur Isolation
darstellen, was sicherlich weder dem gegenseitigen Verstehen noch der
Zusammenarbeit dienlich ist.
So läuft einerseits die Ordensgemeinschaft Gefahr, in der Ortskirche ohne
organischen Bezug zu deren Leben und Pastoral präsent zu sein, während
man andererseits dabei ist, die Ordensgemeinschaft auf die Wahrnemnung
rein pastoraler Aufgaben zu beschränken. Noch einmal: während das
Ordensleben immer stärker die eigene, charismatische Identität betont,
fordert die Ortskirche oftmals mit Nachdruck Kräfte für die diözesane oder
pfarrliche Pastoral an, die nicht immer ganz angemessen eingesetzt werden.
Mutuae Relationes ist weit davon entfernt, die Ordensgemeinschaften in
ihrem Verhältnis zur Ortskirche zu isolieren und sie von ihr loszubinden, ist
aber ebenso davon entfernt, sie in den Belangen der Ortskirche praktisch
aufgehen zu lassen.
Wie die Ordensgemeinschaft weder unabhängig noch alternativ, und schon
gar nicht gegen die pastoralen Direktiven der Ortskirche handeln kann,
ebenso kann die Ortskirche nicht nach ihrem Gutdünken und nach ihren
Bedürfnissen über die Ordensgemeinschaft oder deren Mitglieder verfügen.
Es sei daran erinnert, daß eine zu geringe Berücksichtigung des Charismas
einer Ordensgemeinschaft weder für die Ortskirche noch für die
Ordensgemeinschaft selbst vorteilhaft ist. Nur eine Ordensgemeinschaft mit
klarem Charisma kann sich in die "Gesamtpastoral" einordnen und diese
durch ihren Beitrag bereichern, ohne sich selbst zu verfälschen.
Es darf nicht vergessen werden, daß jedes Charisma aus der Kirche und für
die Welt heranwächst, daß es beständig auf seine Ursprünge und auf seine
Ziele zurückgeführt werden muß und in dem Maße lebt, in welchem es
diesen treu bleibt.
Kirche und Welt ermöglichen seine Deutung und spornen es an zu einer
wachsenden Aktualität und Vitalität. Charisma und Ortskirche sind nicht
geschaffen, sich gegenseitig zu behindern, sondern um sich zu stützen und
zu ergänzen, und dies besonders im gegenwärtigen Augenblick, in dem der
Verwirklichung des Charismas und seiner Einordnung in veränderte
Umstände nicht wenige Probleme entgegenstehen.
Eine unvollständige gegenseitige Kenntnis der Ortskirche und des
Ordenslebens sowie der Aufgaben des Bischofs ihnen gegenüber ist oft
Ursache für viele Mißverständnisse.
Dringend wird empfohlen, in den theologischen Seminaren der Diözesen
einen speziellen Kurs über die Theologie des geweihten Lebens
vorzusehen, wo diese besonders in ihren dogmatischen, juridischen und
pastoralen Aspekten vertieft werde. Ebenso soll den Ordensleuten eine
angemessene theologische Ausbildung über die Ortskirche nicht

5.2 Page 42

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vorenthalten werden.(74)
Vor allem aber möge eine brüderliche Ordensgemeinschaft dafür sorgen,
jenes Klima der Gemeinsamkeit zu verbreiten, das der ganzen christlichen
Gemeinde hilft, sich als "Familie der Kinder Gottes" zu fühlen.
61. Die Pfarrgemeinde
In den Pfarrgemeinden ist es manchmal schwer, das Leben der Pfarrei mit
jenem der Gemeinschaft zu verbinden.
In einigen Gegenden verursacht die Schwierigkeit, neben dem Dienst in der
Pfarrei auch noch ein Gemeinschaftsleben zu führen, bei den
Ordenspriestern nicht geringe Spannungen. Der vielfältige Einsatz in der
Pfarrpastoral geschieht oft auf Kosten des Charismas des Instituts und des
Gemeinschaftslebens. Dies kann dazu führen, daß die Gläubigen, der
Diözesanklerus und die Ordensleute selbst das Gespür für die Besonderheit
des Ordenslebens verlieren.
Die drängenden pastoralen Erfordernisse dürfen nicht vergessen lassen, daß
der beste Dienst, den eine Ordensgemeinschaft der Kirche leisten kann,
darin besteht, ihrem Charisma treu zu sein. Dies äußert sich auch in der
Übernahme und Leitung von Pfarreien: jene Pfarrgemeinden sind zu
bevorzugen, die weiterhin ein Gemeinschaftsleben gestatten und die
Verwirklichung des eigenen Charismas ermöglichen.
Auch die weiblichen Ordensgemeinschaften, die oft aufgefordert werden, in
der Pfarrseelsorge unmittelbarer präsent zu sein, erfahren ähnliche
Schwierigkeiten.
Auch hier - es sei wiederholt - wird deren Einbindung in die Pfarrgemeinde
um so fruchtbarer sein, je stärker die Ordensgemeinschaft durch die
Eigenart ihres Charismas präsent sein kann.(75) Dies mag von großem
Nutzen sein für die Ordensgemeinschaft wie für die Pastoral selbst, in der
die Ordensfrauen für gewöhnlich gut angenommen und geschätzt sind.
62. Die kirchlichen Bewegungen
Die kirchlichen Bewegungen im weitesten Sinne des Wortes, die von einer
lebendigen Spiritualität und apostolischen Vitalität gekennzeichnet sind,
haben die Aufmerksamkeit einiger Ordensleute auf sich gezogen, die an
ihnen teilnahmen, manchmal mit dem Erfolg einer geistlichen Erneuerung,
neuen apostolischen Eifers und einer Verlebendigung ihrer Berufung.
Zuweilen jedoch haben sie auch Spaltung in die Gemeinschaft
hineingetragen. Dazu ist folgendes zu bemerken:
a) Einige dieser Bewegungen dienen schlicht der geistlichen Anregung,
andere dagegen unterhalten eigene apostolische Projekte, die unvereinbar
sein können mit jenen der eigenen Ordensgemeinschaft.
Ebenso schwankt auch der Grad der Einbeziehung der Ordensleute: einige
stehen mehr am Rande, andere sind Gelegenheitsteilnehmer, andere

5.3 Page 43

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wiederum sind feste Mitglieder, doch in völliger Übereinstimmung mit der
eigenen Gemeinschaft und Spiritualität.
Diejenigen jedoch, die eine vorrangige Zugehörigkeit zur Bewegung zu
erkennen geben, verbunden mit einer psychologischen Entfremdung vom
eigenen Institut, stellen ein Problem dar, da sie in einem inneren Zwiespalt
leben: sie wohnen in der Gemeinschaft, leben aber gemäß den pastoralen
Absichten und Richtlinien der Bewegung.
Es ist demzufolge scharf zwischen den jeweiligen Bewegungen wie auch
zwischen den jeweiligen Formen der Beteiligung eines Ordensmitgliedes zu
unterscheiden.
b) Die Bewegungen können eine fruchtbare Herausforderung für die
Ordensgemeinschaft darstellen, an ihre geistliche Spannkraft, an die
Qualität ihres Betens, an die Prägnanz ihrer apostolischen Initiativen, an
ihre Treue zur Kirche, an die Tiefe ihres brüderlichen Lebens. Die
Ordensgemeinschaft müßte für die Begegnung mit den Bewegungen offen
sein in einer Haltung gegenseitigen Verstehens, des Dialogs und des
Austauschs der Gaben.
Die große aszetische und mystische Tradition des Ordenslebens und eines
Instituts kann auch für die neuen Bewegungen von Nutzen sein.
c) Das Grundproblem in den Beziehungen zu Bewegungen bleibt die
Identität der einzelnen Ordensperson: ist diese stabil, wird die Beziehung
beiden Gewinn bringen.
Jene Ordensleute, die mehr in der Bewegung und für sie zu leben scheinen,
als in der eigenen Ordensgemeinschaft und für diese, seien daran erinnert,
was Potissimum Institutioni sagt: "Ein Institut besitzt eine innere Kohärenz,
die ihm aus seiner Natur, seiner Zielsetzung, seinem Geist, seiner Anlage
und seinen Überlieferungen erwächst. Dieses ganze Erbgut stellt den
Grundpfeiler sowohl für die Identität und die Einheit des Instituts selbst, als
auch für die Einheit des Lebens jedes Mitgliedes dar. Es ist ein Geschenk
des Geistes an die Kirche, das keinerlei Einmischung, Überlagerung oder
Trübung erfahren darf. Der Dialog und die Teilnahme innerhalb der Kirche
setzen voraus, daß sich jeder dessen bewußt ist, was er ist.
Ein Kandidat für das Ordensleben (...) kann nicht gleichzeitig von einem
Verantwortlichen außerhalb des Instituts abhängig sein (...) und von den
Obern des Instituts.
Diese Forderungen bleiben über die Ordensweihe hinaus gültig, um jeder
Form von 'Mehrfachzugehörigkeiten' im persönlichen geistlichen Leben
wie auch in der Sendung des Ordensangehörigen vorzubeugen".(76)
Die Teilnahme an einer Bewegung wird für die Ordensperson dann
fruchtbar sein, wenn sie deren charakteristische Identität bestärkt.
Einige besondere Fragen

5.4 Page 44

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63. Einbindung in das Leben der Armen
Zusammen mit vielen anderen Brüdern und Schwestern im Glauben
gehören die Ordensgemeinschaften zu den ersten, die sich auf immer neue
Weise der materiellen und geistigen Nöte ihrer Zeit angenommen haben.
Die Armut war in den vergangenen Jahren eines der Themen, die die
Herzen der Ordensleute am leidenschaftlichsten bewegt haben. Das
Ordensleben hat sich ernsthaft gefragt, wie es sich in den Dienst des
"evangelizare pauperibus" (die Armen evangelisieren) stellen könne; es hat
jedoch auch nach dem "evangelizari a pauperibus" gefragt, d.h. wie es
selbst durch den Kontakt mit der Welt der Armen evangelisiert werden
könne.
In diesem großen Aufbruch, in dem die Ordensleute es sich zum Programm
gemacht haben, "alle für die Armen", "viele mit den Armen", "einige wie
die Armen" zu leben, seien hier einige Unternehmungen angeführt, die jene
betreffen, die selbst "wie die Armen" sein wollen.
Angesichts der Verarmung großer Volksschichten, besonders in den
verlassenen Randgebieten der Großstädte und in den vergessenen
ländlichen Gegenden sind "inserierte Ordensgemeinschaften" entstanden
als eine der Ausdrucksformen der evangeliumsgemäßen vorrangigen und
solidarischen Option für die Armen mit dem Ziel, diese in ihrem
ganzheitlichen Befreiungsprozeß zu begleiten. Zugleich sind sie aber auch
eine Frucht des Bestrebens, den armen Christus im gesellschaftlich
ausgestoßenen Bruder zu entdecken, um Ihm zu dienen und Ihm
gleichförmig zu werden.
a) Die "Insertion" als Ideal und Kriterium des Ordenslebens entfaltet sich
im Umfeld einer Hinwendung des Glaubens und der Solidarität der
Ordensgemeinschaften mit den Ärmsten.
Diese Wirklichkeit muß Bewunderung hervorrufen für die Kraft des
persönlichen Einsatzes und für die damit verbundenen großen Opfer; für
die Liebe zu den Armen, die dazu drängt, deren tatsächliche, bittere Armut
zu teilen; für das Bemühen, das Evangelium unter Menschen ohne
Hoffnung anzusiedeln, um sie dem Wort Gottes näher zu bringen, damit sie
sich als lebendiger Teil der Kirche fühlen.(77) Diese Gemeinschaften
finden sich oft an Orten, die stark durch ein Klima der Gewalt geprägt sind,
das Unsicherheit mit sich bringt und manchmal auch Verfolgung bis zur
Bedrohung des Lebens. Ihr Mut ist groß und stellt ein deutliches Zeugnis
dar für die Hoffnung, daß man als Geschwister leben kann, allem Leid und
aller Ungerechtigkeit zum Trotz.
Solche Ordensgemeinschaften, die oft an die Frontlinien der Mission
entsandt wurden, und die nicht selten Zeugnis ablegen von der
apostolischen Kreativität der Gründer, müssen auf das Wohlwollen und das
brüderliche Gebet der übrigen Mitglieder des Instituts ebenso vertrauen
können, wie auf die besondere Fürsorge seitens der Obern.(78)
b) Diese Ordensgemeinschaften dürfen nicht sich selbst überlassen bleiben,

5.5 Page 45

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sondern es muß ihnen geholfen werden, damit ihnen ein
Gemeinschaftsleben gelinge, d.h. damit sie Raum finden für Gebet und für
das gemeinsame Leben; damit sie nicht verleitet werden, die charismatische
Originalität des Instituts zugunsten eines unterschiedslosen Dienstes an den
Armen zu relativieren; damit ihr Zeugnis für das Evangelium nicht durch
einseitige Ausdeutung oder Vereinnahmung gestört werde.(79)
Die Obern werden auch Sorge tragen, geeignete Personen auszuwählen und
solche Gemeinschaften gezielt vorzubereiten, damit ihre Verbindung zu den
anderen Gemeinschaften des Instituts gewährleistet bleibe und dadurch ihre
Kontinuität sichergestellt werde.
c) Anerkennung verdienen auch die anderen Ordensgemeinschaften, die
sich tatkräftig der Armen annehmen, sei es auf traditionelle Weise, sei es in
neuen, der neuen Armut angemesseneren Formen, sei es schließlich durch
eine Sensibilisierung aller für die Probleme der Armut, indem sie bei den
Laien Hilfsbereitschaft, Berufe für sozialen und politischen Einsatz, für
Hilfsaktionen und Volontariat wecken.
Das alles gibt Zeugnis davon, daß in der Kirche der Glaube lebt, und daß
die Liebe zu Christus wirkt, der im Armen gegenwärtig ist: "Was ihr einem
der Geringsten von diesen meinen Brüdern getan habt, das habt ihr mir
getan" (Mt 25,40).
Dort, wo die Eingliederung unter die Armen - sowohl für sie wie auch für
die Gemeinschaft selbst - zu einer wirklichen Erfahrung Gottes wurde, hat
sich die Wahrheit bestätigt, daß die Armen evangelisiert werden und daß die
Armen selbst auch evangelisieren.
64. Kleine Gemeinschaften
a) Auch andere soziale Faktoren haben einen Einfluß auf die
Gemeinschaften ausgeübt. In einigen wirtschaftlich besser entwickelten
Gegenden hat der Staat seine Aktivität im Bereich des Schulwesens, des
Gesundheitswesens und der Versorgung oft auf eine solche Weise
ausgedehnt, daß für andere Träger, auch für die Ordensgemeinschaften,
kein Raum mehr bleibt. Andererseits haben der Rückgang der Zahl der
Ordensmitglieder, und mancherorts auch ein unvollständiges Verständnis
der Präsenz der Katholiken im sozialen Bereich, die oft eher als eine Zutat,
denn als eine wesensgemäße Äußerung der christlichen Liebe betrachtet
wird, die Weiterführung großangelegter Apostolatswerke erschwert.
Dies ist ein Grund für die zunehmende Auflösung traditioneller
Apostolatswerke, die lange Zeit von großen und homogenen
Gemeinschaften getragen wurden, und für die Zunahme von kleinen
Gemeinschaften mit einem neuen Angebot von Diensten, die in den meisten
Fällen mit dem Charisma des Instituts übereinstimmen.
b) Die kleinen Gemeinschaften haben sich auch ausgebreitet aufgrund der
bewußten Entscheidung einiger Institute, in der Absicht, die brüderliche
Einheit und Zusammenarbeit durch engere persönliche Beziehungen sowie
durch gegenseitige und gemeinsam übernommene Verantwortung zu

5.6 Page 46

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fördern.
Nach Evangelica Testificatio(80) sind solche Gemeinschaften durchaus
möglich, selbst wenn sie an ihre Mitglieder höhere Anforderungen stellen.
c) Die kleinen Gemeinschaften, die oft in engem Kontakt mit dem
Alltagsleben und den Problemen der Menschen stehen, allerdings aber auch
einem säkularisierten Denken stärker ausgesetzt sind, haben die große
Aufgabe, deutlich sichtbare Stätten herzlicher Brüderlichkeit, frohen Eifers
und übernatürlicher Hoffnung zu sein.
Es ist also erforderlich, daß diese kleinen Gemeinschaften sich ein
tragkräftiges Lebensprogramm geben, das gleichzeitig beweglich und
verbindlich ist, das von der zuständigen Autorität gutgeheißen ist und dem
Apostolat seine gemeinschaftsbezogene Dimension sichert.
Ein derartiges Programm wird den Personen und den Bedingungen der
Sendung angepaßt sein, damit es den Ausgleich von Gebet und Arbeit, von
gemeinschaftlicher Zurückgezogenheit und apostolischer Tätigkeit
gewährleiste. Es wird außerdem regelmäßige Treffen mit den anderen
Gemeinschaften desselben Instituts vorsehen, eben um die Gefahr der
Isolierung und der Absonderung von der großen Gemeinschaft des Instituts
zu vermeiden.
d) Auch wenn die kleinen Gemeinschaften ihre Vorzüge haben können, so
ist es in der Regel doch nicht empfehlenswert, daß ein Institut lediglich aus
kleinen Gemeinschaften besteht. Die größeren Gemeinschaften sind
notwendig. Sie können dem gesamten Institut wie auch den kleinen
Gemeinschaften wertvolle Dienste leisten: sie können ein intensiveres und
reicheres Gebetsleben pflegen und die Feste entsprechend gestalten, sie
können bevorzugte Orte für Studium und Besinnung sein, sie können den
Mitgliedern, die an den schwierigeren Fronten der Evangelisierung
arbeiten, Möglichkeiten zur Einkehr und Erholung bieten.
Dieser Austausch zwischen den Gemeinschaften wird dann fruchtbar, wenn
er in einer Atmosphäre des Wohlwollens und der Offenheit stattfindet.
Alle Gemeinschaften sollen vor allem an ihrer brüderlichen Liebe
erkennbar sein, an ihrem einfachen Lebensstil, an der Sendung im Namen
des Instituts, an ihrer beharrlichen Treue zum eigenen Charisma und an der
beständigen Verbreitung des "Wohlgeruchs Christi" (2 Kor 2,15), und so in
den unterschiedlichsten Verhältnissen dem verirrten und von der
gegenwärtigen Gesellschaft zerrissenen Menschen die "Wege des Friedens"
weisen.
65. Ordensleute auf Einzelposten
Zuweilen begegnet man auch dem Phänomen, daß Ordensleute alleine
leben. Das gemeinsame Leben in einem Haus des Instituts gehört
wesentlich zum Ordensleben. "Die Ordensleute wohnen im eigenen
Ordenshaus und führen ein gemeinsames Leben. Sie dürfen nicht ohne
ernsthaften Grund allein leben, besonders dann, wenn sich in der Nähe eine

5.7 Page 47

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Gemeinschaft ihres Instituts befindet".(81)
Es gibt jedoch Ausnahmen, die vom Obern geprüft werden müssen und von
ihm erlaubt werden können,(82) und zwar aus Gründen des Apostolats im
Namen des Instituts (wie z.B. Aufträge im Namen der Kirche,
außergewöhnliche Aufgaben, große Entfernungen in Missionsgebieten,
allmähliche Reduzierung einer Gemeinschaft auf ein einzelnes Mitglied in
einem institutseigenen Werk), aus Gesundheitsgründen und zum Studium.
Während es Pflicht der Obern ist, häufige Kontakte mit den Mitgliedern auf
Einzelposten zu pflegen, ist es gleichzeitig Pflicht dieser Mitglieder, in sich
selbst das Bewußtsein der Zugehörigkeit zum Institut und der Gemeinschaft
mit deren Mitgliedern lebendig zu erhalten und kein Mittel ungenützt zu
lassen, das die Festigung der brüderlichen Bande fördern kann. Man schaffe
deshalb "Zeiten starker Gemeinschaftserfahrung", man plane regelmäßige
Zusammenkünfte mit den andern zur Weiterbildung, zu mitbrüderlichem
Austausch, zu Neuorientierung und Gebet, zum Durchatmen in einem
Klima familiärer Geborgenheit. Wo immer sich das Mitglied eines Institutes
jedoch befindet, muß es Träger des Charismas seiner Ordensfamilie sein.
Eine "alleinlebende" Ordensperson stellt niemals ein Ideal dar. In der Regel
ist sie eingebunden in eine brüderliche Gemeinschaft: in diesem
gemeinsamen Leben hat sie sich Gott geweiht, innerhalb dieser Lebensform
übt sie für gewöhnlich ihr Apostolat aus, zu diesem Leben kehrt sie mit
Leib und Seele jedesmal wieder zurück, wenn die Umstände sie für kürzere
oder längere Zeit zu einem Leben fern der Gemeinschaft gezwungen haben.
a) Die Erfordernisse eines bestimmten Apostolatswerkes, z.B. eines
Diözesanwerkes, veranlaßten verschiedene Institute, eines ihrer Mitglieder
in die Zusammenarbeit mit Mitgliedern aus verschiedenen Instituten zu
entsenden.
Man hat gute Erfahrungen damit gemacht, daß Ordensfrauen, die in einem
Werk an einem Ort zusammenarbeiten, an dem keine Gemeinschaften des
eigenen Instituts bestehen, anstatt allein zu wohnen, gemeinsam in einem
Haus zusammenleben, miteinander beten, das Wort Gottes bedenken und
Mahlzeiten und Hausarbeiten miteinander teilen usw. Immer vorausgesetzt,
daß dies keinen Ersatz für eine lebendige Verbindung mit dem eigenen
Institut darstellt, kann auch diese Form von "gemeinsamem Leben" zum
Nutzen für ein Werk und für die Ordensfrauen selbst sein.
Die Ordensleute seien klug bei der Übernahme von Arbeiten, die im
Regelfall ein Leben außerhalb einer Gemeinschaft erfordern; ebenso klug
seien auch die Obern, wenn sie ihnen eine solche Arbeit übertragen.
b) Auch die Bitte, den alten und kranken Eltern beizustehen, was oft lange
Abwesenheiten von der Gemeinschaft bedingt, erfordert aufmerksames
Prüfen, und möglicherweise kann ihr durch andere Lösungen entsprochen
werden, um zu lange Abwesenheiten des Sohnes oder der Tochter zu
verhindern.
c) Es ist festzuhalten, daß ein Ordensmitglied, das ohne Auftrag oder

5.8 Page 48

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Erlaubnis seines Obern allein lebt, sich der Verpflichtung zum
gemeinsamen Leben entzieht. Es genügt auch nicht, an gelegentlichen
Treffen oder Feiern teilzunehmen, um wirklich Ordensmitglied zu sein.
Solche Zustände, die für Ordensleute rechtswidrig und unzulässig sind,
müssen schrittweise beseitigt werden.
d) Jedenfalls ist die Erinnerung daran nützlich, daß ein Ordensmann oder
eine Ordensfrau - selbst wenn sie außerhalb ihrer Gemeinschaft leben - in
allem, was ihr Apostolat betrifft,(83) der Autorität des Bischofs unterstellt
sind, der von ihrem Aufenthalt in seiner Diözese unterrichtet werden muß.
e) Sollte es jedoch bedauerlicherweise Institute geben, in denen die
Mehrzahl der Mitglieder nicht mehr in Gemeinschaften leben, dann dürften
solche Institute nicht mehr als wirkliche Ordensinstitute angesehen werden.
Obere und Mitglieder sind aufgefordert, ernsthaft über diese schmerzliche
Möglichkeit sowie über die Wichtigkeit einer energischen Wiederaufnahme
des brüderlichen Lebens in Gemeinschaft nachzudenken.
66. In den Missionsgebieten
Das brüderliche Leben in Gemeinschaft ist von besonderem Wert in den
Missionen ad gentes, weil es dort einer vor allem nicht-christlichen Welt
das "Neue" des Christentums zeigt, das heißt jene Liebe, die fähig ist, durch
Rasse, Farbe oder Stammeszugehörigkeit bedingte Trennungen zu
überwinden. In einigen Gegenden, in denen eine Verkündigung des
Evangeliums unmöglich ist, bleiben die Ordensgemeinschaften fast das
einzige Zeichen und das stille und wirksame Zeugnis für Christus und die
Kirche.
Doch nicht selten sind es gerade die Missionsländer, wo beachtliche
Schwierigkeiten für die Errichtung von stabilen und lebensfähigen
Ordensgemeinschaften bestehen: die Entfernungen, die eine große
Mobilität und weitzerstreute Niederlassungen erfordern, die Zugehörigkeit
zu unterschiedlichen Rassen, Stämmen und Kulturen, die Notwendigkeit
der Ausbildung in von mehreren Instituten getragenen
Gemeinschaftszentren. Diese und weitere Ursachen können dem
Gemeinschaftsideal hinderlich sein.
Wichtig ist, daß die Mitglieder der Institute sich des Außergewöhnlichen
einer solchen Situation bewußt sind, einen häufigen Austausch
untereinander pflegen, sich regelmäßig treffen und daß sie, so bald wie nur
möglich, brüderliche und missionarisch geprägte Gemeinschaften bilden,
damit das hervorstechendste aller missionarischen Zeichen errichtet werden
kann: "daß (...) alle eins seien, damit die Welt glaubt" (Joh 17,21).
67. Die Neuordnung der Apostolatswerke
Die Veränderungen der kulturellen und kirchlichen Gegebenheiten, die
inneren Faktoren in der Entwicklung der Institute sowie deren
schwankende Einkommen können - besonders in einigen Regionen des
Westens - eine Neuorganisierung der Werke und der Präsenz der
Ordensgemeinschaften erforderlich machen.

5.9 Page 49

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Diese nicht einfache Aufgabe bringt konkrete Auswirkungen auf das
Gemeinschaftsleben mit sich. Es handelt sich dabei im allgemeinen um
Werke, für welche viele Mitbrüder und Mitschwestern ihre besten
apostolischen Kräfte eingesetzt haben, und mit denen sie durch besondere
psychische und geistliche Beziehungen verbunden sind.
Die Zukunft dieser Werke, ihre apostolische Zeichenhaftigkeit und ihre
Neustrukturierung verlangen Studium, Auseinandersetzung und kritisches
Abwägen. Dies alles kann zu einer Schule werden, in der gemeinsam der
Wille Gottes gesucht und angenommen wird, es kann gleichzeitig aber auch
Anlaß zu schmerzhaften und nur schwer zu überwindenden Konflikten sein.
Folgende Kriterien dürfen dabei nicht vergessen werden, die die
Gemeinschaften im Moment der manchmal kühnen und schmerzhaften
Entscheidungen leiten können: das Bemühen, die Zeichenhaftigkeit des
eigenen Charismas in einem bestimmten Umfeld zu wahren; die Sorge um
die Erhaltung eines lebendigen und echt brüderlichen Lebens; die
Berücksichtigung der Bedürfnisse der Ortskirche. Es ist also ein
vertrauensvoller und beständiger Dialog mit der Ortskirche zu führen und
eine wirksame Verbindung mit den entsprechenden Institutionen der Orden
zu unterhalten.
Neben der Rücksicht auf die Bedürfnisse der Ortskirche muß die
Ordensgemeinschaft sich auch mitbetroffen fühlen von all dem, was die
Welt vernachlässigt, d.h. von der neuen Armut und dem neuen Elend, die in
vielerlei Formen in verschiedenen Teilen der Erde bestehen.
Diese Umstrukturierung wird kreativ sein und prophetisch wirken, wenn sie
bemüht ist, Signale einer neuen Präsenz zu setzen - sei es auch in
bescheidener Anzahl - um durch sie auf die neuen Bedürfnisse zu
antworten, besonders auf jene der am meisten verlassenen und vergessenen
Gegenden.
68. Die alten Ordensleute
Das Gemeinschaftsleben sieht sich heute immer häufiger dem Faktum des
steigenden Alters seiner Mitglieder gegenüber. Der Prozeß der
Überalterung hat durch die Abnahme neuer Berufe und durch die
Fortschritte der Medizin besondere Bedeutung erhalten.
Für die Gemeinschaft beinhaltet diese Tatsache einerseits das Bemühen, die
alten Mitbrüder und Mitschwestern und die Dienste, die sie noch
anzubieten vermögen, in ihrer Mitte als wertvoll anzunehmen, und
andererseits die Aufmerksamkeit, brüderlich und dem Stil des Ordenslebens
entsprechend jene geistlichen und materiellen Hilfen zu gewährleisten, auf
die alte Leute angewiesen sind.
Die Anwesenheit von alten Menschen in den Gemeinschaften kann sehr
positiv sein. Ein altes Ordensmitglied, das sich nicht von den
Unpäßlichkeiten und Beschränkungen seines Alters unterkriegen läßt,
sondern die Freude, die Liebe und die Hoffnung in sich wachhält, bedeutet
für die jungen Leute eine unschätzbare Hilfe. Sein Zeugnis, seine Weisheit

5.10 Page 50

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und sein Beten stellen eine ständige Ermutigung dar auf ihrem geistlichen
und apostolischen Weg. Andererseits trägt ein Ordensmitglied, das sich um
seine alten Mitbrüder oder Mitschwestern sorgt, zur evangelischen
Glaubwürdigkeit seines Instituts bei als einer "wahren Familie, die im
Namen des Herrn beisammen ist".(84)
Es ist angebracht, daß auch die Ordensleute sich frühzeitig auf das Alter
vorbereiten und ihre "aktive" Zeit verlängern, indem sie lernen, wie sie auf
die ihnen eigene Weise Gemeinschaft bilden und an der gemeinsamen
Sendung teilnehmen können, und indem sie durch eine positive Annahme
der Herausforderungen des Alters, in geistiger und kultureller Lebendigkeit,
durch ihr Gebet und durch ihr Aushalten im Arbeitsbereich solange es nur
geht, ihre - wenngleich beschränkten - Dienste leisten. Die Obern mögen
Kurse und Treffen veranlassen, die einer persönlichen Vorbereitung dienen
und ein möglichst langes Verbleiben im gewohnten Arbeitsbereich wertvoll
machen.
Wenn sie dann tatsächlich ihre Selbständigkeit verlieren oder besonderer
Pflege bedürfen, muß das Institut, selbst wenn diese Pflege durch Laien
geschieht, mit großer Sorgfalt sich um ihre geistige Betreuung kümmern,
damit die alten Menschen spüren, daß sie ins Leben des Instituts
eingebunden, an dessen Sendung beteiligt, in seine apostolische Dynamik
einbezogen, in der Einsamkeit gestützt und im Leiden ermutigt sind. Denn
tatsächlich stehen sie nicht außerhalb der Sendung, sondern sind in deren
Mitte hineingenommen und haben an ihr auf eine neue und wirksame Weise
Anteil.
Ihre obgleich unsichtbare Fruchtbarkeit steht jener der aktiveren
Gemeinschaften nicht nach. Denn diese schöpfen Kraft und Fruchtbarkeit
aus dem Gebet, dem Leiden und der scheinbaren Unwirksamkeit der
ersteren. Die Sendung bedarf beider: die Früchte werden offenbar, wenn der
Herr mit seinen Engeln in Herrlichkeit kommt.
69. Die Probleme der zunehmenden Zahl der alten Ordensleute werden
noch drängender in einigen Klöstern, die schon durch das Ausbleiben neuer
Berufe geschwächt sind. Da ein Kloster gewöhnlich eine autonome
Gemeinschaft darstellt, tut es sich schwer damit, diesen Problemen allein zu
begegnen. Deshalb sei an die Wichtigkeit gemeinsamer Strukturen erinnert,
wie z.B. der Föderationen, die bei der Bewältigung solcher Zustände
personellen Rückgangs helfen können.
Die Treue zum kontemplativen Leben der Mitglieder eines Klosters
verlangt die Union mit einem anderen Kloster desselben Ordens immer
dann, wenn eine monastische Gemeinschaft aus Gründen der Zahl, des
Alters oder des Ausbleibens von Berufen dem eigenen Erlöschen
entgegensieht. Auch in den schmerzhaften Fällen jener Gemeinschaften,
denen es nicht gelingt, ihrer eigenen Berufung gemäß zu leben, die
ausgebrannt sind durch ihre praktische Arbeit, oder sich in der Betreuung
ihrer Alten und Kranken erschöpfen, wird es erforderlich sein, innerhalb
desselben Ordens Verstärkung für sie zu suchen oder eine Union oder
Fusion mit einem anderen Kloster anzustreben.(85)

6 Pages 51-60

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6.1 Page 51

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70. Ein neues Verhältnis zu den Laien
Die Ekklesiologie des Konzils hat die gegenseitige Ergänzung der
verschiedenen Berufungen in der Kirche herausgestellt, deren Auftrag es
ist, miteinander, überall und auf jede Weise Zeugen des auferstandenen
Herrn zu sein. Die Begegnung und Zusammenarbeit von Ordensmännern,
Ordensfrauen und besonders auch von gläubigen Laien stellt gleichsam ein
Muster kirchlicher Gemeinschaft dar und verstärkt die apostolischen Kräfte
für die Evangelisierung der Welt.
Ein angemessener Kontakt zwischen den Werten der Berufung der Laien,
zu denen z.B. die realistische Kenntnis des Lebens in der Welt, in Kultur,
Politik und Wirtschaft usw. gehört, und den typischen Werten des
Ordenslebens, wie der vorbehaltlosen Nachfolge Christi, der
kontemplativen und eschatologischen Dimension der christlichen Existenz
usw., kann zwischen Laien und Ordensgemeinschaften zu einem
fruchtbaren Austausch ihrer Gaben führen.
Die Zusammenarbeit und der Austausch der Gaben wird um so intensiver,
wenn die Laiengruppen kraft ihrer Berufung und auf die ihnen eigene
Weise inmitten derselben geistlichen Familie am Charisma und an der
Sendung des Instituts teilhaben. Dann werden fruchtbare Beziehungen
entstehen, die auf einer reifen Mitverantwortung gründen und durch
geeignete Einführung in die Spiritualität des Instituts gestärkt werden.
Um zu diesem Ziel zu gelangen, bedarf es jedoch solcher
Ordensgemeinschaften, die über eine klare, innerlich angenommene und
gelebte charismatische Identität verfügen, d.h. die imstande sind, diese auch
an andere weiterzugeben und sie mit anderen zu teilen;
Ordensgemeinschaften sind notwendig, die tief ihre Spiritualität leben und
Freude an ihrer Sendung ausstrahlen, damit sie dadurch denselben Geist
und denselben evangelisierenden Schwung weitergeben können;
Ordensgemeinschaften sind nötig, die es verstehen, die Laien zu motivieren
und dazu zu ermutigen, das Charisma des Instituts entsprechend ihrem
welthaften Charakter und gemäß ihrem eigenen Lebensstil anzunehmen,
und die diese einladen, neue Formen der Verwirklichung desselben
Charismas und derselben Sendung zu entdecken. Auf diese Weise kann die
Ordensgemeinschaft zu einem Zentrum werden, das geistliche Kraft
ausstrahlt und motiviert, das eine Brüderlichkeit ausstrahlt, die selbst
wieder Brüderlichkeit schafft, zu einem Ort gelebter kirchlicher communio
und Zusammenarbeit, in der die verschiedenen Beiträge zur Erbauung des
Leibes Christi, der die Kirche ist, zusammengeführt werden.
Es versteht sich, daß diese engere Zusammenarbeit unter Respektierung der
verschiedenen Berufungen und der unterschiedlichen Lebensstile der
Ordensleute und der Laien geschehen muß. Die Ordensgemeinschaft hat
ihre eigenen Bedürfnisse, was geistliche Anregung, Zeitplan, Disziplin und
Zurückgezogenheit(86) betrifft. Diese machen jene Formen der
Zusammenarbeit unzumutbar, die eine Wohngemeinschaft und ein
Zusammenleben von Ordensleuten und Laien mit sich bringen, denn auch
die Laien haben ihre eigenen Bedürfnisse, die zu respektieren sind.

6.2 Page 52

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Die Ordensgemeinschaft würde sonst ihren eigenen Charakter verlieren,
den sie sich durch die Pflege des eigenen Gemeinschaftslebens bewahren
muß.
SCHLUßBEMERKUNG
71. Als ein Ausdruck von Kirche ist die Ordensgemeinschaft eine Frucht
des Geistes und Teilhabe an der trinitarischen Gemeinschaft. Hier gründet
für jede einzelne Ordensperson und für alle zusammen die Pflicht, sich
mitverantwortlich zu fühlen für das brüderliche Leben in Gemeinschaft,
damit es unverkennbar die Zugehörigkeit zu Christus bezeuge, der Brüder
und Schwestern zum gemeinsamen Leben 'in seinem Namen' erwählt und
beruft.
"Die ganze Fruchtbarkeit des Ordenslebens hängt von der Qualität des
brüderlichen Lebens in Gemeinschaft ab. Mehr noch: die gegenwärtige
Erneuerung in der Kirche und im Ordensleben ist geprägt von einer Suche
nach communio und Gemeinschaft".(87)
Für einzelne Ordensleute und für manche Gemeinschaft mag es als ein
hartes und fast aussichtsloses Unterfangen erscheinen, die Auferbauung
eines brüderlichen Lebens in Gemeinschaft neu in Angriff zu nehmen.
Angesichts einiger Wunden aus der Vergangenheit, der Schwierigkeiten der
Gegenwart und einer Zukunft, die im Dunkeln liegt, kann diese Aufgabe
die schwachen, menschlichen Kräfte zu übersteigen scheinen.
Es geht darum, die gläubig gelebte Bedeutung des brüderlichen Lebens in
Gemeinschaft neu zu bedenken und fest davon überzeugt zu sein, daß sich
das Zeugnis der Weihe an Gott durch dieses brüderliche Leben
verwirklicht.
"Die Antwort auf diese Einladung, gemeinsam mit dem Herrn die
Gemeinschaft in täglicher Geduld aufzuerbauen - fährt der hl. Vater fort -
führt auf den Weg des Kreuzes, und verlangt häufigen Selbstverzicht..."(88)
Vereint mit Maria, der Mutter Jesu, beten unsere Gemeinschaften zum
Heiligen Geist, zu dem, der die Macht hat, Gemeinschaften zu schaffen, die
die Freude des Evangeliums auszustrahlen und neue Jünger anzuziehen
vermögen, indem sie dem Beispiel der Urgemeinde nachfolgen, die "in der
Lehre der Apostel beharrte, in der Gemeinschaft, im Brotbrechen und im
Gebet" (Apg 2,42), und in welcher "mehr und mehr die Zahl derer wuchs,
die an den Herrn glaubten" (Apg 5,14).
Möge Maria die Ordensgemeinschaften um sich vereinen und ihnen täglich
in der Anrufung des Geistes beistehen, der das einigende Band, die Quelle
und die innerste Triebkraft jeder brüderlichen und schwesterlichen
Gemeinschaft ist.
Am 15. Januar 1994 hat der Heilige Vater vorstehendes Dokument der
Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften
des apostolischen Lebens gutgeheißen und dessen Veröffentlichung

6.3 Page 53

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zugestimmt.
Rom, am 2. Februar 1994, am Fest der Darstellung des Herrn.
Eduardo Card. Martínez Somalo
Präfekt
+ Francisco Javier Errázuriz Ossa
Titular-Erzbischof von Hólar
Sekretär
ANMERKUNGEN
(1) PC 2
(2) vgl. PC 2-4
(3) vgl. LG 44d
(4) vgl. PC 15a; LG 44c
(5) vgl. MR 11
(6) LG 12
(7) vgl. MR 14
(8) vgl. ET 30-39; MR 2,3,10,14; EE 18-22; PI 25-28; vgl. auch can. 602
(9) vgl. can. 594 § 1
(10) vgl. PC 15
(11) vgl. can. 602, 619
(12) can. 607 § 2
(13) vgl. can 602
(14) vgl. can. 608; 665
(15) can. 731 § 1
(16) vgl. can. 607 § 2; auch can. 602
(17) vgl. can. 587
(18) SD 178 und 180

6.4 Page 54

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(19) vgl. Mulieris Dignitatem; vgl.GS 9, 60
(20) vgl. PC 15a; can. 602
(21) vgl. GS 3
(22) vgl. LG 7
(23) vgl. LG 4; MR 2
(24) vgl. PC 1; EE 18-22
(25) vgl. PC 1
(26) RPU 24
(27) vgl. PI 21-22
(28) DC 15
(29) vgl. can. 663 § 3 und 608
(30) vgl. PO 6,; PC 6
(31) vgl. can. 608
(32) PO 6
(33) vgl. can. 663 § 4
(34) DC 15
(35) vgl. PI 32-34; 87
(36) vgl. LG 46b
(37) vgl. can. 602; PC 15a
(38) vgl. ET 39
(39) vgl. PC 14
(40) vgl. can. 619
(41) vgl. ET 39; EE 19
(42) Hl. Hilarius, Tract. in Ps. 132, PL (Supl.) 1,244
(43) s.o. Nr. 14, 16, 28, 31
(44) vgl. DC 14 und PI 13; can. 666

6.5 Page 55

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(45) vgl. LG 46
(46) ebd.
(47) vgl. EE 45
(48) ebd.
(49) EE 47
(50) vgl. LG 44
(51) PI 43
(52) vgl. PI 43, 51, 63
(53) PI 52
(54) vgl. PC 14c; can. 618; EE 49
(55) EE 22; vgl. auch MR 12
(56) vgl. ET 40
(57) vgl. PI 66-69
(58) vgl. RPU 25
(59) MR 13
(60) PC 12; vgl. can. 607
(61) EE 18; vgl. MR 11-12
(62) vgl. MR 11
(63) vgl. MR 11-12; EE 11; 41
(64) can. 619
(65) can. 618
(66) vgl. ebd.
(67) can 619
(68) vgl. PC 14; EE 49
(69) Johannes Paul II. vor der Plenaria der CIVCSVA (20.11.1992), nr. 3,
OR 21.11.1992

6.6 Page 56

▲back to top
(70) vgl. LG 1
(71) Johannes Paul II. vor der Plenaria der CIVCSVA (20.11.1992), nr. 4,
OR 21.11.1992
(72) ChL 32
(73) LG 46a
(74) vgl. MR 30e, 47
(75) vgl. MR 49-50
(76) PI 93
(77) vgl. SD 85
(78) vgl. RPU 6; EN 69; SD 92
(79) vgl. PI 28
(80) vgl. ET 40
(81) EE III,12
(82) vgl. can. 665 § 1
(83) vgl. can. 678 § 1
(84) PC 15a
(85) vgl. PC 21 und 22
(86) vgl. ca. 667, 607 § 3
(87) Johannes Paul II, vor der Plenaria der CIVCSVA (20.11.1992), nr. 2,
OR 21.11.1992
(88) ebd. nr. 2
ABKÜRZUNGEN
DOKUMENTE DES II. VATIKANISCHEN KONZILS
DV Dogmatische Konstitution Dei Verbum, 1965
GS Pastoralkonstitution Gaudium et Spes, 1965
LG Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, 1964

6.7 Page 57

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PC Dekret Perfectae Caritatis, 1965
PO Dekret Presbyterorum Ordinis, 1965
SC Konstitution Sacrosanctum Concilium, 1963
PÄPSTLICHE VERLAUTBARUNGEN
ChL Apostolische Ermahnung Christifideles Laici, Johannes Paul II, 1989
EN Apostolische Ermahnung Evangelii Nuntiandi, Paul VI, 1975
ET Apostolische Ermahnung Evangelica Testificatio, Paul VI, 1971
MD Apostolisches Schreiben Mulieris Dignitatem, Johannes Paul II, 1988
MM Enzyklika Mater et Magistra, Johannes XXIII, 1961
DOKUMENTE DES HL. STUHLES
can. Kanon des Codex Iuris Canonici, 1983
DC La dimensione comtemplativa della vita religiosa (Die kontemplative
Dimension des Ordenslebens), Dokument der Kongregation für die Ordens-
und Säkularinstitute (CRIS), 1980
EE Elementi essenziali dell'insegnamento della Chiesa sulla vita religiosa
(Wesentliche Elemente in der Lehre der Kirche über das Ordensleben),
Dokument der CRIS, 1983
MR Mutuae Relationes (Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen
zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche), Dokument der
Kongregation für die Bischöfe und der CRIS, 1978
PI Potissimum Institutioni (Richtlinien für die Ausbildung in den
Ordensinstituten), Dokument der Kongregation für die Institute des
geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens
(CIVCSVA), 1990
RPU Religiosi e promozione umana (Das Ordensleben und die Förderung
des Menschen), Dokument der CRIS, 1980
WEITERE DOKUMENTE
CIVCSVA Congregazione per gli Istituti di vita religiosa e le Società di vita
apostolica
OR L'Osservatore Romano
SD Santo Domingo, Schlußfolgerungen der IV. Generalversammlung des
Lateinamerikanischen Episkopates, 1992

6.8 Page 58

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N.B. Die Verwendung der Begriffe "Bruder, brüderlich" folgt dem
italienischen Text und meint, wo und wie dieser, beide Geschlechter.
INHALT
EINLEITUNG
Die theologische Entwicklung
Die kirchenrechtliche Entwicklung
Die gesellschaftliche Entwicklung
Änderungen im Ordensleben
Ziele des Dokuments
I· DAS GESCHENK DER COMMUNIO UND DER GEMEINSCHAFT
Die Kirche als communio
Die Ordensgemeinschaft als Ausdruck der kirchlichen communio
II· DIE ORDENSGEMEINSCHAFT ALS ORT, WO MAN BRUDER
UND SCHWESTER WIRD
Spiritualität und gemeinsames Beten
Persönliche Freiheit und Verwirklichung der Brüderlichkeit
Miteinander wachsen durch gegenseitigen Austausch
Ordensgemeinschaft und Reifung der Person
Die Identität
Die Affektivität
Unstimmigkeiten
Vom Ich zum Wir
Die Ordensgemeinschaft in beständiger Weiterbildung
Die gemeinschaftsbezogene Dimension der evangelischen Räte
Die Autorität im Dienst der Brüderlichkeit
Die Brüderlichkeit als Zeichen

6.9 Page 59

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III· DIE ORDENSGEMEINSCHAFT ALS ORT UND TRÄGERIN DER
SENDUNG
Ordensgemeinschaft und Sendung
In der Ortskirche
Die Pfarrgemeinde
Die kirchlichen Bewegungen
Einige besondere Fragen
Einbindung in das Leben der Armen
Kleine Gemeinschaften
Ordensleute auf Einzelposten
In den Missionsgebieten
Die Neuordnung der Apostolatswerke
Die alten Ordensleute
Ein neues Verhältnis zu den Laien
SCHLUSSBEMERKUNG