frei ist von den Standesdünkel) vieler »hochwürdigster Herren«, welches Ernst
macht mit der Forderung, Seelsorger sollten Diener und nicht Herren des Glaubens
sein. Don Bosco hat an dieser Option für die arme Jugend und dem davon geprägten
Priesterbild immer festgehalten: Während kirchliche Stellen sein »Priesterseminar«
im Oratorium von Valdocco recht negativ beurteilten, weil sie es als »chaotischen
Ort« empfanden, ungeeignet, um jungen Klerikern die rechte klerikale Haltung zu
vermitteln (so P. STELLA), wollte Don Bosco seine Kleriker umgeben wissen von
Jugendlichen. Denn seine Kritik an den herkömmlichen Priesterseminaren (etwa in
Chieri) und am (daraus resultierenden) Verhalten vieler Geistlicher lief darauf hin-
aus, dass das distanzierte Verhalten dieser Kleriker eine vertrauensvolle Beziehung
zu den Jugendlichen verhindere (BOPP 177).
Kluft zwischen dem Kirchenbild und der pastoralen Praxis Don Bosco
Don Bosco verstand sich als »Seel-Sorger« (vgl. sein Motto: »Da mihi animas, cetera
tolle! - Gib mir Seelen, alles andere nimm!«), aber diese Seelsorge, die in ihrer theore-
tischen Grundlegung noch ganz im pastoralen Denken seiner Zeit verhaftet war, war
in der Praxis doch mehr, nämlich ganzheitliche Heils-Sorge. Deswegen ist für ihn der
Katechismus-Unterricht wichtig, aber er lässt es dabei nicht bewenden: Schon im Zu-
sammensein mit Don Cafasso und Don Cottolengo hatte Don Bosco erkannt, dass
das geistliche Gedeihen junger Menschen ein entsprechendes Umfeld voraussetzt.
Wo die einfachsten menschlichen Grundbedürfnisse nicht befriedigt werden, da ist
kaum mit einem religiösen Wachstum zu rechnen. »Vor den konkreten Jugendlichen,
... den armen und verlassenen, reagiert sein priesterliches Herz unmittelbar mit gan-
zer menschlicher Sensibilität, und der Einsatz für das ewige Heil verbindet sich mit
aufrichtigem menschlichen Interesse für alle Bedürfnisse der Jugendlichen, angefan-
gen mit den ganz elementaren ... wie Verpflegung, Kleidung, Unterkunft, Arbeit,
Spiel. Unvermeidlich wird die 'Seelsorge' unabtrennbar zur wohltätigen, sozialen,
erzieherischen Aktion« (BRAIDO, zit. bei Bopp 157).
Wir stoßen hier auf ein Phänomen, welches der junge Benediktbeurer Theologe P.
Karl Bopp in seiner beachtenswerten Dissertation eingehend untersucht hat: die
merkwürdige Kluft zwischen dem Kirchenbild und der pastoralen Praxis Don Bos-
cos. Auch hierauf können wir nicht näher eingehen. Aber so viel sei gesagt: In seinem
Denken über die Kirche und vor allem über die Situation der Kirche und des Katho-
lizismus in der Gesellschaft war Don Bosco völlig ein »Kind seiner Zeit«. Aber sein
praktisches Handeln führt weg vom Klerikalismus dieser Zeit, hin zu Optionen und
Ansätzen, die geradezu Intentionen des 11. Vatikanums und seiner »Communio-
Ekklesiologie« vorweggenommen haben. Don Bosco hatte erkannt, dass die Kirche
ihre Daseinsberechtigung nur in einer Pro-Existenz gewinnen kann, im Da-Sein für
die Menschen, vor allem für die Armen und Bedrückten. Auch hierin nimmt er prak-
tisch vorweg, was Theologen wie Dietrich BONHOEFFER oder Alfred DELP später
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