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Prof. Dr. Martin Lechner, Benediktbeuern
„Riskanter werdende Chancen“ (H. Keupp) - Was muß heute eine Berufsausbildung
leisten, um junge Menschen für das Leben auszurüsten?
Risikogesellschaft
„Riskanter werdende Chancen für Kinder und Jugendlichen“ – Mit diesem prägnaten Satz
bringt der Münchner Sozialpsychologe die Bedingungen der Aufwachsen in der Postmoderne
auf den Punkt. Ohne auf den schillernden Begriff ‚Postmoderne‘ näher einzugehen, ist doch
festhalten, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten in der ganzen westlichen Welt – und dies
noch abrupter und einschneidender in den ehemals sozialistisch-kommunistisch regierten
Ländern - ein neuer gesellschaftlicher Typus etabliert hat, der einen alten
industriegesellschaftlichen Typus ablöst. Der Soziologe U. Beck bezeichnet diesen Typus als
„Risikogesellschaft“. In seinem gleichnamigen Buch begründet er, warum er diese
Bezeichnung gewählt hat. Seiner Auffassung nach hat sich heute der Reichtumsproduktion
durch die Risikoproduktion überlagert. Die nachindustriellen Formen eines zunehmend
globalen Wirtschaftens brächten – so seine Hauptthese - mehr ungewollte Nebeneffekte als
den erwünschten Effekt ‚Wohlstand‘ hervor - ein Phänomen, das kurz zuvor durch die
Katastrophe von Tschernobyl allen augenscheinlich geworden war und heute im Börsencrash
der vergangen Jahre durchaus Aktualität besitzt.
In diesem Wandlungsvorgang von einer Industrie zu einer Risikogesellschaft verändern sich
nicht nur die traditionellen industriegesellschaftlichen Schematiken von „Klassen“, von
„Familie“, von Erwerbsarbeit, von Geschlechterrollen, von Werten und Überzeugungen
(Stichwort: Pluralisierung), sondern es verändert sich auch das Muster der Lebensführung
selbst. (Stichwort Individualisierung). Dieser Begriff Individualisierung bezeichnet nach Beck
die Auflösung und zweitens die Ablösung (traditionaler) industriegesellschaftlicher
Lebensformen durch andere, „in denen die einzelnen ihre Biographie selbst herstellen,
inszenieren, zusammenschustern müssen, und zwar ohne die ... sichernden, stabilen sozial-
moralischen Milieus”. Die moderne Lebensführung hat also zwei Seiten: einerseits wachsen
dem Einzelnen vermehrte Freiheiten zu, seine Biographie und seine Einbindung in soziale
Bezüge selbst zu gestalten; zugleich vermehren sich andererseits die Unsicherheiten und
Gefährdungen, weil der einzelne die Rahmenbedingungen seiner Lebensführung (z.B. Politik,
Arbeitsplatz, Wohnort, Kinderbetreuungsplätze etc.) selbst nur bedingt beeinflussen kann und
zugleich jene sozialen Bezüge wegfallen, die früher Risiken abfederten und soziale Sicherheit
und klare normative Orientierungen gaben. Ist das nicht gerade auch Ihre Erfahrung hier in
den Neuen Bundesländern? Also doch: „Riskanter werdender Chancen“!
Jungsein heute als Risiko
Die Jugendstudien machen uns deutlich, dass die heutigen Jugendlichen in besonderer Weise
an den offenen Chancen der postmodernen Gesellschaft partizipieren, dass sie aber auch von
den „unerwünschten Nebeneffekten“ der postindustriellen Modernisierung
überdurchschnittlich stark betroffen sind. Einerseits gibt es jene jungen Menschen, die mit
den neuen Herausforderungen (vgl. neue Medien, Mobilität, Schnelllebigkeit,
Entscheidungsfreude, Konsum) schnell und kompetent umgehen. Die neue Shell-Studie
typologisiert diese Jugendlichen als „selbstbewußte Macher“ und „pragmatische Idealisten“.
Sie sind die Modernisierungsgewinner. Andererseits aber steigt heute die Zahl der
Modernisierungsverlierer, jener Jugendlicher, die mit den Anforderungen der neuen
Lebensführung nicht zurecht kommen: weil ihnen die materiellen Grundlagen fehlen, weil sie
die nötige Leistungs- und Mobilitätsbereitschaft nicht erbringen können oder wollen, weil sie
kein verlässliches soziales Netz (Familie, Freunde) haben, weil ihnen psychische
Voraussetzungen (etwa Entscheidungsfreude, Fehlerfreundlichkeit, Beziehungs- und
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Kontaktfähigkeit) fehlen oder auch weil sie einfach körperlich nicht ausreichend gesund sind.
Die neueste Shell-Studie spricht in diesem Zusammenhang von „zögerlichen Unauffälligen“
sowie den „robusten Materialisten“. Wegen ihrer schulischen und beruflichen
Schwierigkeiten sehen beide Gruppen weniger optimistisch in die Zukunft, wobei die einen
auf ihre Lage mit Resignation und Apathie, die anderen – vorwiegend männliche Jugendliche
- mit einer Ellenbogenmentalität, mit Gewaltbereitschaft gegenüber noch Schwächeren
(Ausländer, Randgruppen, behinderte Menschen), und zum Teil mit politischem
Raditaklismus reagieren. „Zentrale Aufgabe der Gesellschaft ist es,“ so der Jugendforscher
Hurrelmann, „diese beiden Gruppen zu integrieren.“ (14. Shell Jugendstudie,
Zusammenfassung S. 3).
Die Zielgruppe der Jugendberufshilfe
Ihr Aufgabengebiet, die Jugendsozialarbeit und insbesondere die Jugendberufshilfe, hat es vor
allem mit den beiden letztgenannten Gruppen von Jugendlichen zu tun. Was sind das für
junge Menschen? Es sind
erstens Jugendliche mit sozialer Benachteiligung, d. h. solche, denen eine
altersgemäße gesellschaftliche Integration nicht ausreichend gelungen ist: Haupt- und
Förderschüler ohne Schulabschluß, Absolventen von Berufsvorbereitungsjahren,
Abbrecher von Maßnahmen der Arbeitsverwaltung;
es sind zweitens Jugendliche mit individueller Beeinträchtigung, d. h. mit besonders
erschwerten Lebenslagen aufgrund persönlicher Handicaps (Behinderung, Krankheit),
aber auch aufgrund von Abhängigkeit oder Delinquenz, so dass ihre Lernfähigkeit,
ihre Ausbildung und Beschäftigung und somit ihre gesellschaftliche Integration sich
prekär darstellt;
und es sind drittens marktbenachteiligte Jugendliche, also jene jungen Menschen, die
nicht ausreichend qualifiziert sind und deshalb nur sehr geringe Chancen auf dem
Arbeitsmarkt besitzen. Dies führt häufig zu den bekannten Maßnahmekarrieren, zum
Gefühl des ständigen Scheiterns und in der Folge zu starken Problemen der
Identitätsfindung (vgl. Marx, 2002, 38).
Zusammenfassend kann man sagen: „Jugendsozialarbeit/-berufshilfe hat es also mit
Jugendlichen zu tun, die aufgrund der genannten unterschiedlichen Benachteiligungskriterien
Lebensbewältigungsmuster entwickeln, die jenseits gesellschaftlicher Integrationsnormen
liegen können.“ Die Folge davon ist, dass sie äußerst gegenwartsorientiert leben – also keinen
langen Atem haben, dass sie Maßnahmen unregelmäßig besuchen, diese unerwartet
abbrechen, übermäßig konsumieren, sich verschulden oder gar delinquent werden, ein hohes
Bedürfnis nach Selbstdarstellung und nach Anerkennung haben. Aber: Gerade „mit diesen
Bewältigungsmustern (sind sie) auf der Suche nach einem normalen Leben in gesellschaftlich
vorgegebenen Jugendbildern.“ (Marx, 2002, 33).
Bildungstheoretische Basis der Jugendberufshilfe
Wenn nun der gesetzliche Auftrag der Jugendsozialarbeit/-berufshilfe darin besteht,
benachteiligte Jugendliche so zu fördern, dass sie in die Lage versetzt werden, sich in die
Gesellschaft einzugliedern, dann dürfte sehr schnell deutlich werden, dass es nicht reicht,
solchen Jugendlichen nur berufliche Qualifizierungsmaßnahmen anzubieten, also sie auf
einen Schul- und Berufsabschluss sowie auf eine Berufseinmündung hin zu trimmen. So
wichtig einerseits diese Aufgabe ist, so notwendig bedarf es andererseits eines irgendwie
gearteten „Mehr“, um die Folgen der Benachteiligungserfahrung dieser Jugendlichen zu
neutralisieren und ihnen eine gesellschaftliche Integrationsperspektive zu eröffnen. Dies
bedeutet vor allem auch, die gesellschaftlich nicht akzeptierten Lebensbewältigungsmuster,
die sich aus erfahrener Benachteiligung ergeben, zu verändern. Mit anderen Worten:
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Fachliches Lernen muss mit sozialem Lernen einhergehen, berufliche Kompetenz mit
Persönlichkeitsbildung verbunden werden.
Bildungstheoretisch gilt es daher im Sinne einer umfassenden Jugendberufshilfe drei
grundlegende Kompetenzen zu trainieren und zu qualifizieren: (1.) Das „Wissen“, d. h. die
kognitive Bildung, (2.) Das „Können“, d. h. die berufs-praktische Bildung, und (3.) Das
„Sein“, d. h. die menschliche Reifung, sprich Identität. Genau diese Trias liegt etwa dem
Ausbildungskonzept für Lehrlinge bei Daimler-Chrysler zugrunde, dessen Ziel mit den
Begriffen Fachkompetenz – Methodenkompetenz – Sozialkompetenz umschrieben wird (vgl.
Hatzl, 1999, ...)
Aufgaben der Jugendberufshilfe
Was also muß Jugendberufshilfe leisten, will sie ihrem Auftrag gerecht werden, sozial-,
individuell und marktbenachteilige junge Menschen für ein Leben in der modernen
Risikogesellschaft auszurüsten. Die Antwort kann nur eine dreifache sein. Ich will sie nur
kurz skizzieren:
(1.) Wissen: Seit Jahren klagen die Ausbildungsbetriebe darüber, dass die allgemeine
Grundbildung der Lehrlinge erhebliche Mängel aufweise. Ja es sei, so Hans Hatzl von
Daimler-Chrysler „teilweise erschreckend, wie weit die Fertigkeiten einzelner Bewerber
voneinander abweichen, obwohl sei den gleichen Schultyp absolviert und identische
Noten erzielt haben.“ (Hatzl, 1999, 72). Dies gilt umso mehr für die Klientel der
Jugendsozialarbeit, ist doch „bekannt, dass benachteiligte Jugendliche in der Regel
durchweg schlechte Erfahrungen mit dem Lernen, insbesondere mit der Institution Schule
haben.“ (Marx, 2002, 37). Daraus ergibt sich die erste Aufgabe für die Jugendberufshilfe:
sie muss jene kognitiven Fähigkeiten im Lesen, Schreiben, Rechnen so nachqualifizieren,
dass eine ausreichende Basis für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit gegeben ist.
Mehr noch: Für ein Leben in der freiheitlichen Gesellschaft gilt es die Fähigkeit zum
kompetenten, kritischen Umgang mit der gegebenen Pluralität auszubilden; und für ein
Leben in einer demokratischen Gesellschaft braucht es solide Kenntnisse in den
Bereichen Allgemeinbildung und politisch-soziale Bildung.
(2.) Können: Die zweite Kernaufgabe der Jugendberufshilfe besteht in der beruflichen
Qualifizierung der Jugendlichen. Denn nach wie vor gilt eine gute Ausbildung als zentrale
Voraussetzung für Erfolg im Beruf und im Leben. Das ist auch die Überzeugung der
Jugendlichen selbst, wie aus der Generationenstudie der Hans-Seidl-Stiftung (2002)
hervorgeht: 86 % der 16-34-Jährigen nennen „eine gute Ausbildung“, 64% „eine„ständige
Lernbereitschaft“ und 58% einen „überdurchschnittlichen Einsatz“ als Gründe für
beruflichen Erfolg. Jugendberufshilfe verdient hohe Anerkennung, wenn es gelingt,
benachteiligte Jugendliche zu einem Berufsabschluss und zu einer Anstellung im ersten
Arbeitsmarkt zu verhelfen. Aber auch dort, wo dies nicht gelingt, sollte der Wert der
Maßnahme hinsichtlich der Einübung von Schlüsselkompetenzen wie Pünklichkeit,
Gründlichkeit, Konzentration, Ausdauer etc. für die persönliche Lebensführung wie für
eine mögliche einfache Berufstätigkeit nicht unterschätzt werden. Ausbildung hat eben
auch „einen Wert an sich“!
(3.) Sein: Die dritte, und ich meine die basale Aufgabe der Jugendberufshilfe, besteht in der
kompensatorischen Unterstützung der Persönlichkeitsentwicklung Jugendlicher. Wie
schon erwähnt, mangelt es den Klientel der Jugendberufshilfe nicht nur an Wissen und
Können. Im Zuge ihrer Benachteiligungserfahrung haben sie Lebensbewältigungsmuster
entwickelt, die sozial unverträglich und einer beruflichen Integration abträglich sind. Was
diese jungen Menschen vor allem suchen und brauchen ist Anerkennung als
Voraussetzung einer Entwicklung von Selbstbewußtsein und Identität. „Sie müssen
erfahren, dass sie, trotz ihres Scheiterns, trotz ihrer Misserfolge, Menschen sind, denen
Zutrauen entgegengebracht wird in ihre Entwicklungsmöglichkeiten.“ (Marx, 2002, 40).
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Jugendberufshilfe muss daher ein Raum sein, an dem diese benachteiligte Jugendlichen
auf Menschen stoßen, die offen für sie sind und Interesse an ihnen bekunden; auf
Menschen, die sie zunächst einfach so nehmen wie sie sind; auf Menschen aber auch, die
ihnen Reibungsflächen und Identifikationsmöglichkeiten, Heimat und Sicherheit bieten –
dies alles als Basis für die Entwicklung eines Selbstwertgefühls (vgl. ebd.). In
pädagogischer Hinsicht erfordert dies von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
Jugendberufshilfe nicht nur das ständige Arbeiten an ihrer eigenen personalen Kompetenz
– Verläßlichkeit, Klarheit, Athentizität, Liebe zu den Jugendlichen -, sondern auch einen
„pädagogischen Bezug“ (H. Nohl) zu den jungen Menschen, der im oft harten Alltag die
schwierige Balance zwischen „Sein-lassen und Halten“ des Jugendlichen (D. W.
Winnicott) ständig neu austariert. Letztlich geht es in allem darum, ob eine „tragende
Beziehung“ zu den Jugendlichen gelingt, eine Beziehung, die etwas trägt und aushält und
gerade dadurch eine stützende Funktion übernehmen kann und darin zu einem stabilem
Selbstwertgefühl beiträgt. (vgl. Schröder, 2002, 66).
Jugendwerk Don Bosco als idealer Partner der Jugendberufshilfe
Das Jugendwerk Don Bosco ist ein freier, weltanschaulich spezifischer Träger der
Jugendberufshilfe in Sachsen. Dass sich die Partnerschaft zwischen Staat und kirchlichem
Träger bewährt hat, steht außer Frage. Daher ist das heutige 10jährige Fest einerseits Anlass
zum Dank an die Initiatoren, an den Träger, an die MitarbeiterInnen und an die öffentliche
Hand. Zugleich ist es eine gute Gelegenheit für einen Blick nach vorne. Ich bin der festen
Überzeugung, dass gerade die Salesianer Don Boscos und ihr Jugendwerk aufgrund ihrer über
hundertjährigen Erfahrung in der Arbeit mit benachteiligten jungen Menschen und aufgrund
ihrer im christlichen Glauben verankerten Pädagogik Don Boscos ein idealer Partner des
Staates in der Jugendberufshilfe sind. „Damit das Leben gelingt“ – ist das heute verständliche
Motto salesianischer Unternehmensphilosophie. Don Bosco sprach vom guten Staatsbürger
und guten Christen als Ziel salesianischer Arbeit. Für die Erreichung dieses Ziel hält die
Pädagogik Don Boscos mehrere Prinzipien, „Stile“ oder wie wir heute besser sagen:
„Qualitäten“ bereit, die für den formulierten Auftrag der Jugendberufshilfe höchste Aktualität
besitzen. Ich möchte sie kurz nennen:
Die salesianische Pädagogik geht davon aus, dass jeder Mensch „ein Wunschkind
Gottes“ ist. Dies in doppeltem Sinne: weil sein Leben kein chaotischer Zufall,
sondern von Gott gewollt und daher einmalig ist, und zum anderen, weil Gott sieh
etwas von ihm wünscht. Daher kommt jedem Jugendlichen nicht nur ein – nach
Leistung und Wohlverhalten zu bemessender(!)– Wert, sondern eine unbedingte und
unverlierbare Würde. Jeder Jugendliche in einer Einrichtung in salesianischer
Trägerschaft darf daher erwarten, dass man ihn gastfreundlich aufnimmt, ihm mit
Respekt begegnet und ihn in seiner Eigenart – mit seinen Fähigkeiten und
Unzulänglichkeiten – ernst- und annimmt. Anders gesagt: dass er geliebt wird.
„Amorevolezza“ (Liebe wollen, Liebenswürdigkeit) ist der Ausdruck Don Boscos für
diese grundlegende, jedem pädagogischen Akt, jedem Bildungsprozess und jeder
Identitätsbildung vorausgehende und allein erfolgversprechende erzieherische
Haltung.
Salesianische Pädagogik geht zweitens davon aus, dass jeder junge Menschen – und
sei er noch so beschädigt - einen guten Kern in sich trägt, der durch eine tragende
Beziehung zur Entfaltung gebracht werden kann. Damit erweist sie sich als
ressourcen-, nicht als defizitorientiert. Ihr Ziel ist das Empowerment – das „Stark-
Machen“ der Jugendlichen, ihre Ermutigung zur Selbstbildung und
Eigenverantwortung, zur In-die-Handnahme des eigenen Lebens.
Salesianische Pädagogik zeichnet sich drittens durch ihren familiären Charakter aus.
So wichtig einerseits die „pädagogische Bezug“ zwischen Erzieher/Meister und
Jugendlichen ist, so zentral ist andererseits das Klima in einer Einrichtung. Nur wenn
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die „Chemie“ stimmt, wie man heute sagt, ist auch ein fachliches, berufliches und
persönliches Wachstum junger Menschen möglich. In gleicher Weise wächst dadurch
auch die Arbeitsfreude, das Engagement und die Identifikation der Mitarbeiter/-
innen mit der Einrichtung (Übrigens eine höchst wichtige Tugend(!). Einer neues Statistik des
Gallup-Instituts sind nur 16% der Mitarbeiter in Deutschland gerne und engagiert bei der Sache, was
einen Schaden in Höhe des Bundeshaushalts von 220Mrd. Euro bedeutet, Vgl. SZ 14/15.9.02). Auf
diese Familiarität oder Erziehungsgemeinschaft legt die salesianische Pädagogik
größten Wert. Daher investieren die Salesianer Don Boscos als Träger sozialer
Einrichtungem viel sowohl in die Qualifikation der Führungskräfte als auch in die
fachliche wie menschlich-spirituelle Fortbildung ihrer Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen.
Salesianischer Pädagogik sieht viertens den jungen Menschen nicht partiell, sondern
ganzheitlich. Sie zielt daher sowohl auf eine qualifizierte berufliche Bildung als auch
auf eine ausgewogene körperliche, geistige, sittliche, soziale und kulturelle
Förderung durch Freizeit und Reisen, durch Spiel und Sport, durch Fest und Musik.
Für diese umfassenden Bildungs- und Erziehungsanspruch steht die salesianische
Trias: Schule – Spielhof – Kirche.
Salesianische Pädagogik fußt fünftens auf der christlichen Religion und schließt
religiöse Erziehung ein. Für Don Bosco ist Religion jenes entscheidende Motiv, das
seine ganze Pädagogik trägt. Wenn nämlich das Entscheidende der christlichen
Religion nicht ein mehr oder weniger umfangreiches Wissen ist, sondern ein
Vertrauensakt in einen tragenden Grund Lebens, - Christen nennen diesen den Gott
Jesu, der „uns liebt, nicht weil wir gut sind, sondern weil Er gut ist“ (J. Ratzinger) -,
dann dürfte die Einbeziehung von Religion in den Erziehungsprozess gerade das
fördern, was die Klientel der Jugendberufshilfe am meisten brauchen: Akzeptanz,
Ankennung, Vertrauen. Religion darf daher in der Pädagogik Don Boscos nicht als
Instrument für die geistige Narkotiesierung oder konfessionelle Rekrutierung
Jugendlicher mißverstanden werden, sondern sie ist ein Faktor der Ermutigung der
Jugendlichen: dass ihr Leben von einer guten Hand getragen und bejaht ist, und dass
es letztlich gut ausgehen wird. Religion ist überdies ein Schlüssel zur Qualität der
Jugendberufshilfe, insofern sie den Mitarbeiter/-innen jene spezifischen Motive,
Haltungen und Optionen bereitstellt, auf die man im Interesse der „Menschlichkeit“
sozialer Arbeit nicht verzichten kann. Die gegenwärtige Qualitätsdiskussion in der
sozialen Arbeit erkennt immer stärker gerade diesen Aspekt.
Ich wünsche dem Don Bosco Jugendwerk Sachsen e.V., dass es auch in den kommenden 10
Jahren den Herausforderungen der Gesellschaft und ihrer Jugend gerecht wird, dass es in
seiner spezifischen Art eine öffentlich anerkannte und geschätzte Einrichtung bleibt, dass die
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gerne und mit Engagement zum Wohle der Zukunft der
ihnen anvertrauten Jugendlichen tätig sind – und nicht zuletzt, dass der Segen Gottes und die
Obhut Don Boscos den Weg des Jugendwerkes begleiten.
Literatur:
Birgit Marx, Benachteiligte als Zielgruppe von Bildungsarbeit – Jugendsozialarbeit als Lernort für
Benachteiligte, on: Jugend-Beruf-Gesellschaft 53(2002)1, S. 37-46.
Ulrich Beck, Risikogesellsschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, München 1986
Thomas Coelen, „Ganztagsbildung“ – Ausbildung und Identitätsbildung von Kindern und Jugendlichen durch
die Zusammenarbeit von Schulen und Jugendeinrichtungen, in: Neue Praxis H. 1/2002
Hans-Seidl-Stiftung (Hrsg.), Generationenstudie 2001. Zwischen Konsens und Konflikt: Was Junge und Alte
voneinander denken und erwarten, München 2002
Hans Hatzl, Ausbildung im Elchtest, in: S. Braun/M. Klopfer/P. Thomas (Hg.), Der Jugend eine Chance.
Perspektiven-Forderungen-Modelle, Stuttgart 1999.
Deutsche Shell-AG: 13 Shell-Jugendstudie, 2002
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