GesingLiebe


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Don Bosco – Das Stichwort
Don Bosco: „Ich liebe Euch
von ganzem Herzen“
18 · Don Bosco Magazin 5/2008
Nach der Vernunft und der
Religion ist die dritte „Säule“
der Pädagogik Don Boscos die
Liebe. Vernunft ohne die Lie­
be kann herzlos und kalt sein,
Religion ohne Liebe seelenlos
und oberflächlich. Don Bosco
selbst benutzte in seiner Auf­
zählung der drei Säulen das
Wort „amorevolezza“, das Lie­
benswürdigkeit, Wohlwollen,
Freundlichkeit, Herzlichkeit
bedeutet.
Don Boscos Pädagogik ist
Herzenspädagogik. Die Liebe
zu Gott und den jungen Men­
schen ist ihre tiefste Motivati­
on und ihre Quelle, die ge­
lebte Liebe ihre Seele und
Ausdrucksform. Don Boscos
Herz brannte für das Glück
und das Wohl der ihm von
Gott anvertrauten jungen
Menschen. So konnte er ih­
nen im Vorwort seines für sie
verfassten Gebetbuches sa­
gen: „Meine Lieben, ich liebe
euch von ganzem Herzen. Es
reicht mir, dass ihr jung seid,
um euch überaus zu lieben.
(…) Ihr werdet kaum je­
manden finden, der euch in
Jesus Christus mehr liebt als
ich und der daher euer wahres
Glück verlangt.“ Vorbild in
dieser Haltung war ihm der
hl. Franz von Sales, dessen
Güte und Menschenfreund­
lichkeit nachzueifern er sich
vor seiner Priesterweihe vor­
genommen hatte.
Don Boscos Liebe zu den jun­
gen Menschen war nicht theo­
retisch. Sie drängte dazu, sich
konkret auszudrücken: in pä­
dagogischen Angeboten zur
Beseitigung von Not und Aus­
grenzung, aber auch in der ge­
lebten Beziehung. Im Rom­
brief vom Mai 1884 rief er
seine Nachfolger zu einer er­
fahrbaren Liebe auf: „Ohne
Herzlichkeit und Familiarität
zeigt sich die Liebe nicht, und
ohne diesen Beweis der Liebe
kann es kein Vertrauen geben.
Wer geliebt sein will, muss
zeigen, dass er liebt.“
„Wer geliebt sein
will, muss zeigen,
dass er liebt.“
Die spürbare Liebe betrachte­
te Don Bosco als ein unver­
zichtbares Wesensmoment
seiner Pädagogik. Und in der
Tat berichten seine Bio­
graphen oft davon, wie sehr
sich seine Jugendlichen von
seiner gelebten Väterlichkeit
und seiner selbstlosen Zunei­
gung zuinnerst angerührt und
angenommen fühlten. Im fa­
miliären und freundschaft­
lichen Klima des Oratoriums
war den jungen Menschen
ganzheitliches Wachstum
möglich.
Immer wieder schärfte Don
Bosco seinen Nachfolgern ge­
rade diese Dimension seiner
Pädagogik ein. Als z.B. im
Jahre 1885 Berichte in Turin
eintrafen, dass in der Salesia­
nerschule von Buenos Aires
Strenge und Züchtigungen an
der Tagesordnung seien,
schrieb Don Bosco besorgt
mehrere Briefe an die Missio­
nare. In ihnen rief er das We­
sen des „salesianischen Geis­
tes“ in Erinnerung: „Liebe,
Geduld, Güte, niemals demü­
tigende Vorwürfe, niemals
Strafen, wem immer möglich
Gutes tun und niemandem
Böses.“ Die alltäglich geübte
Liebe, die Don Bosco hier ver­
langt, findet ihr Urbild im
Hohelied der Liebe, das uns
der Apostel Paulus überliefert
hat (1 Kor 13) und das Don
Bosco wiederholt zitiert.
Manchem mag all das heute
recht selbstverständlich vor­
kommen. Doch im alltäglichen
pädagogischen „Betrieb“ kann
die spürbare erzieherische Lie­
be schnell verloren gehen, ge­
rade dann, wenn Kinder und
Jugendliche uns unsere eige­
nen Grenzen erfahren lassen.
Oder wie häufig werden gerade
die Interessen von uns Erwach­
senen über die Bedürfnisse der
Kinder und der Jugendlichen
gestellt?! Wie viel an Gleich­
gültigkeit und Herzenskälte
gibt es gegenüber den Nöten
der jungen Menschen auch
heute?!
Papst Benedikt XVI. mahnt in
seiner Enzyklika „Deus Cari­
tas est“ mit Recht die Wichtig­
keit der Herzensbildung u. a.
für diejenigen an, die in der
Erziehung tätig sind. Und er
zählt dabei Don Bosco zu den
vorbildhaften „Lichtträgern
der Geschichte“, weil er ein
„Mensch der Liebe“ war.
P. Reinhard Gesing (46)
leitet das Institut für
Salesianische Spiritualität in
Benediktbeuern.