Weber-HistHintergrund


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75 Jahre Heiligsprechung Don Boscos
1. Teil: Der historische Hintergrund
Besinnungstag SDB Benediktbeuern - 6. März 2009
P. Josef Weber SDB
Einleitung
Jeder Besucher des Petersdomes in Rom kennt die berühmte Bronzestatue des hl.
Petrus, dessen Fuß durch die jahrhundertelange Verehrung der Gläubigen
spiegelglatt poliert ist. Genau oberhalb dieser Statue wurde am 31. Januar 1936 in der
einzig bis dahin leer gebliebenen Nische in der so genannten „Galerie der
Ordensgründerinnen und Ordensgründer“ die 5,87 m hohe Marmorstatue unseres
Ordensgründers Don Bosco aufgestellt.1 Die Statue wurde vom Bildhauer Pietro
Canonica geschaffen. Es sind insgesamt 33 Ordensgründer, deren Statuen oben
angebracht sind. Zwischen der Don Bosco-Statue oben und der Petrusstatue
herunten ist eine große Gedenktafel für jenen Papst zu sehen, der sich selber der
„Papst Don Boscos“ genannt hat. Es ist Papst Pius XI., der unseren Ordensgründer
selig- und auch heiliggesprochen hat.2
Don Bosco steht allerdings oben nicht allein. Die beiden Jungen, über die er
schützend seine Hand hält, sind Dominikus Savio und Zeffirino Namuncurá.
Dominikus wurde 1950 selig- und 1954 heiliggesprochen, Zeffirino wurde am 11.
November 2007 seliggesprochen. In der Mitte aber Don Bosco, dessen
Heiligsprechung sich am 1. April dieses Jahres zum 75. Mal jährt.
Der Selig- und Heiligsprechungsprozess
Ganz kurz zum Verlauf des Heiligsprechungsprozesses: Noch im Todesjahr Don
Boscos (1888) leitete sein Nachfolger Don Rua den Heiligsprechungsprozess ein. 1891
wurde der Diözesanprozess eröffnet, der nach 562 Sitzungen 1897 zum Abschluss
kam. Am 16. September 1897 wurde das Ergebnis Papst Leo XIII. vorgelegt, der die
damalige Ritenkongregation mit der Überprüfung der Akten beauftragte. Ganze 10
Jahre beanspruchte diese Überprüfung. 1907 erließ Papst Pius X. ein Dekret zur
1 Vgl. Salesianische Nachrichten (SN), München, 42 (1936) 35: „Bei der Enthüllungsfeier der Don-
Bosco-Statue im Petersdom am 31. Januar 1936 marschierte die gesamte Staatsjugend Roms auf.“
2 Vgl. SN, München/Köln, 90 (1984) 1
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Einleitung des Seligsprechungsverfahrens. Mit diesem Akt wurde Don Bosco der
Titel „Ehrwürdiger Diener Gottes“ zuerkannt.
1908 begann nun der Apostolische Prozess, der zur Aufgabe hatte, den so genannten
„heroischen Tugendgrad“ Don Boscos und die Echtheit der erfolgten Wunder zu
überprüfen. Die ersten Untersuchungen wurden in Turin selbst durchgeführt. Von
1920 bis 1927 wurde die endgültige Nachprüfung im Vatikan vorgenommen, die am
17. Mai 1929 angeschlossen wurde. Nur 2 Wochen später, am 2. Juni, wurde Don
Bosco seliggesprochen.
Ein Jahr später wurde der Heiligsprechungsprozess eingeleitet. Es galt, die Echtheit
von 2 weiteren Wundern zu prüfen. Diese wurde als echt anerkannt, so dass am
Ostersonntag, den 1. April 1934, die Heiligsprechung erfolgte.3
In den Heiligsprechungsakten Don Boscos werden die beiden erforderlichen Wunder
wie folgt beschrieben. Es handelt sich
1. um Frau Anna Maccolini aus Rimini, die 1930 an einer schweren Lungen- und
Venenentzündung erkrankte. Für die 74jährige Frau bestand nach Auskunft
der Ärzte akute Lebensgefahr. Die Kranke begann eine Andacht zu Don
Bosco, ließ sich eine Reliquie von ihm bringen und legte sie auf die kranken
Organe. In der darauf folgenden Nacht geschah die plötzliche und
vollkommene Heilung, die von 2 Klinikärzten in Rimini und 3 durch die
Ritenkongregation bestellten Medizinern als medizinisch nicht erklärbar
bestätigt wurde.
2. und um Frau Katharina Pilenga, die aufgrund einer schweren
Gichterkrankung ihre beiden Füße kaum mehr bewegen konnte. Bereits seit
1903 war sie in ärztlicher Behandlung. 1931 fuhr Frau Pilenga zum 2. Mal nach
Lourdes in der Hoffnung auf Heilung. In der Erscheinungsgrotte betete sie:
„Wenn ich schon in Lourdes keine Heilung erlange, so erwirke mir doch auf
die Fürbitte des seligen Don Bosco die Genesung.“ Am 6. Mai 1931 brachte
man die schwerkranke Frau in die Mariahilfbasilika. Vor dem
Reliquienschrein Don Boscos verharrte sie still im Gebet. Plötzlich erhob sie
sich, kniete sich hin und blieb eine halbe Stunde knien. Ohne fremde Hilfe
ging sie anschließend zum Mariahilfaltar, betete auch dort. Auch diese
plötzliche Heilung vor dem Reliquienschrein Don Boscos wurde als echt
anerkannt.4
3 Vgl. dazu ebd. 5
4 Ebd. 6
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Papst Pius XI. – der „Papst Don Boscos“
Wie kam es nun, dass Don Bosco in zwei für die Kirchengeschichte sehr
denkwürdigen Jahren selig- bzw. heiliggesprochen (1929 / 1934) wurde?
Papst Pius XI., der von 1922 bis 1939 Papst war, galt als großer Bewunderer Don
Boscos. Es gibt eine denkwürdige Begegnung zwischen Don Bosco und Achille Ratti
– so hieß Pius XI. bürgerlich – die in das Jahr 1883 fällt. Don Bosco war in diesem Jahr
in Paris, seine Reise wurde zu einem wahren Triumphzug. Auch italienischen
Zeitungen berichteten im Überschwang von dieser Reise. Der damals 27jährige
Achille Ratti, seit 4 Jahren Priester, war vom Jugendapostel tief bewegt.5 Er besuchte
ihn im Herbst jenen Jahres in Valdocco. Don Bosco nahm sich viel Zeit für den
jungen Priester, zeigte ihm das gesamte Oratorium, die Werkstätten, die
Mariahilfbasilika. Es war gerade zu der Zeit, als sich mehrere Salesianerdirektoren in
Turin aufhielten, um anstehende Probleme mit Don Bosco zu besprechen. Don
Boscos hat entsprechend seiner Gewohnheit die meisten Gespräche nach dem
Mittagessen im Speisesaal der Mitbrüder geführt.6 Achille Ratti wollte die gebotene
Diskretion wahren und den Raum verlassen, doch Don Bosco bestand darauf, dass er
bei den Gesprächen mit den Direktoren ebenfalls dabei blieb. Auf diese Weise bekam
der junge Diözesanpriester einen Einblick in das Salesianische Werk. Zwei volle Tage
verbrachte er bei Don Bosco. Bei seinem Abschied wollte er Don Bosco eine Spende
anbieten, doch dieser lehnte mit den Worten ab: „Sie werden auf andere Art und
Weise unserer Gesellschaft nützlich sein.“7
Hier stellt sich die Frage: hat Don Bosco die Zukunft seines Gastes vorausgesehen?
Uns ist die Aussage eines Kardinals verbürgt, nach der Papst Pius XI. unmittelbar
nach seiner Wahl Don Bosco an seiner Seite gesehen und sich dabei an dessen Worte
von 1883 erinnert habe: „Sie werden auf andere Art und Weise unserer Gesellschaft
nützlich sein.“
In den 17 Jahren seines Pontifikates nahm Pius XI. 42 Heiligsprechungen und 26
Seligsprechungen vor. Für die damalige Zeit eine hohe Anzahl. Von denen sei der
Prozess Don Boscos der schwierigste gewesen, so der Papst. Ohne in den inneren
Fortgang des Prozesses einzugreifen, hat Pius XI. diesen Prozess immer wieder
vorangetrieben. Es lag ihm daran, die vielen Hindernisse zu beseitigen und die
Verantwortlichen zu einem raschen Handeln zu ermutigen.
5 Achille Ratti (1857-1939), war Diözesanpriester der Erzdiözese Mailand, promovierter Gelehrter (dr.
iur.; Dr. phil., Dr. theol.) ab1882 Professor in Mailand, ab 1888 Präfekt der Bibliothek Ambrosiana in
Mailand, ab 1914 Präfekt der Vatikanischen Bibliothek, Papst von 1922-1939
6 Der Speisesaal der Mitbrüder befand sich zu jener Zeit in der ehemaligen Pinardi-Kapelle, die dieser
Funktion zugeführt wurde, nachdem 1954 die Franz-Sales-Kirche in Valdocco eingeweiht wurde. Die
heutige Pinardi-Kapelle wurde zur Seligsprechung Don Boscos 1929 nach alten Vorlagen wieder ihrer
ursprünglichen Bestimmung zugeführt.
7 SN 41 (1935) 65 - 67
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Der Heiligsprechungsprozess Don Boscos dauerte 45 Jahre. Aber wenn der letzte der
4 Päpste, unter denen er geführt worden ist, nicht Pius XI. gewesen wäre, hätte er
sicher fünfzehn Jahre länger gedauert.
Die Seligsprechung Don Boscos wurde für den 2. Juni 1929 festgesetzt. Dieses Datum
war vom Papst gewünscht. Und zwar aus zwei Gründen. In diesem Jahr gelang die
Lösung der „Römischen Frage“. Am 11. Februar 1929 schloss Pius XI. mit Benito
Mussolini die Lateranverträge ab, durch die der Vatikanstaat seine Unabhängigkeit
erreichte. Im selben Jahr beging Papst Pius XI. auch sein Goldenes Priesterjubiläum.
In einer Ansprache am 19. März brachte der Papst diese beiden Ereignisse mit der
bevorstehenden Seligsprechung Don Boscos in Beziehung.8
Die Heiligsprechung Don Boscos war am 1. April 1934. Auch dieses Datum hatte der
Papst gewählt. War es schon höchst ungewöhnlich, dass er die Heiligsprechung Don
Boscos auf den Ostersonntag festlegte, so fiel dieser Tag auch noch mit dem
Abschluss des Außerordentlichen Heiligen Jahres des Erlösung zusammen, das er
am 2. April 1933 anlässlich des 1900jährigen Todesjahres Jesu ausgerufen hatte. Papst
Pius XI. hat zu dieser Zeit viele bedeutsame Menschen heiliggesprochen,
beispielsweise Theresia von Lisieux, Robert Bellarmin, Bernadette Soubirous, Petrus
Canisius, Johannes Vianney (Pfarrer von Ars), Albertus Magnus, Konrad von
Parzham, John Fisher und Thomas Morus. Doch Don Boscos Heiligsprechung wollte
er mit dem Ostersonntag besonders hervorheben. In seiner Ansprache zur
Heiligsprechung nahm der Papst darauf Bezug, wenn er sagte: „Im Laufe dieses
Heiligen Jahres durften wir zahlreiche Personen, Männer wie Frauen, die Ehre der
Heiligsprechung zuerkennen. Den Höhepunkt dieser denkwürdigen Feierlichkeiten
soll die Heiligsprechung Don Boscos bilden.“9
Der Tag der Heiligsprechung
An den Feierlichkeiten „nahmen über 20 000 Salesianer, Mariahilf-Schwestern und
Zöglinge, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen“10, darunter auch zahlreiche Mitbrüder
aus der deutschen und österreichischen Provinz teil. Die „Salesianischen
Nachrichten“ berichten ausführlich darüber. Da der Petersdom die vielen Pilger
nicht fassen konnte – es sollen über 200 000 gewesen sein – brachte man auf dem
Petersplatz riesige Lautsprecher an, so dass die Zeremonie auch nach draußen
8 Anlässlich der Seligsprechung Don Boscos veranlasste der damalige Generalobere Don Rinaldi,
dass alle Gebrauchsgegenstände und Erinnerungsstücke Don Boscos nach Valdocco gebracht und
dort in einer Art Museum ausgestellt würden. Für das Jubiläumsjahr 2000 wurden diese Camerette di
Don Bosco völlig neu gestaltet und erweitert.
9 Ansprache des Heiligen Vaters nach dem Evangelium der Papstmesse am Ostersonntag, in:
Festschrift anlässlich der Heiligsprechung des seligen Don Bosco am Ostersonntag 1934 in der St.
Peterskirche zu Rom, hrg. von der Deutsche Salesianerprovinz im Jahr der Heiligsprechung, S. 7
10 E. Ceria: Pius XI., der “Papst Don Boscos”, in: SN 1 (1939) 35-40, hier: 39
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übertragen werden konnte.11 Über 120 Bischöfe und Kardinäle waren anwesend, als
Pius XI. feierlich erklärte:
Zu Ehren der heiligsten und unteilbaren Dreifaltigkeit,
zur Erhöhung des heiligen katholischen Glaubens
und zur Mehrung der christlichen Religion
kraft der Autorität unseres Herrn Jesus Christus,
der seligen Apostel Petrus und Paulus und unserer eigenen,
nach reiflicher Erwägung und wiederholter Anrufung der göttlichen Hilfe …
erklären wir,
dass der selige Johannes Bosco von uns als Heiliger betrachtet
und dem Ve4rzeichnis der Heiligen zugezählt wird.
Zugleich verordnen wir,
dass sein Gedächtnis alljährlich an seinem Geburtstag für den Himmel,
nämlich am 31. Januar gefeiert werde.
Am Nachmittag des 1. April versammelte sich die Salesianische Familie in der Kirche
Sacro Cuore zu einer feierlichen Andacht. Am 3. April nahm bei der Generalaudienz
Papst Pius XI. nochmals Bezug auf Don Bosco. Er unterstrich sein Leben in der
Ständigen Gegenwart Gottes, seinen pastoralen Eifer („Da mihi animas…“) und seine
große Liebe und Verehrung der „Helferin der Christen“ gegenüber. Unter dem Jubel
der versammelten Salesianischen Familie bezeichnete er sich selber als den „Papst
Don Boscos“ und fügte mit einem Lächeln hinzu: „Auch wenn Giovanni Bosco jetzt
ein Heiliger ist, für die Jugendlichen und für das Volk bleibt er trotzdem ganz
einfach ‚Don Bosco‘“.12
Die deutschsprachigen „Salesianischen Nachrichten“ brachten unter dem Titel „Das
Echo von Sankt Peter“ in 5 aufeinanderfolgenden Ausgaben sehr ausführliche
Beiträge über die zahlreichen Feiern in Deutschland und Österreich.13 Auch eine
Festschrift, die im Jahr der Heiligsprechung herausgegeben wurde, belegt die große
Begeisterung, die die Heiligsprechung Don Boscos hier ausgelöst hatte.14
Don Bosco: ganz Mensch – ganz Heiliger
Kein Mensch wird als Heiliger geboren. Auch Don Boscos nicht! Auch ihm wurde
nicht der Heiligenschein in die Wiege gelegt. Pietro Brocardo hat mit seinem Buch
„Don Bosco, profondamente uomo – profondamente santo“ eine hervorragende
Untersuchung vorgelegt, wie dieser Weg der Heiligkeit bei Don Bosco ausgesehen
11 Angabe von über 200 000 Pilgern bei J. Wielgoß, S. 146
12 SN XXXX (1934) 4, Heft 2: Nach der Heiligsprechung Don Boscos, 73-87
13 SN 40 (1934) 61-66; 84-88; SN 41 (1935 13-15; 22-25; 39
14 Festschrift anlässlich der Heiligsprechung des seligen Don Bosco am Ostersonntag 1934 in der St.
Peterskirche zu Rom. Herausgegeben von der deutschen Salesianerprovinz im Jahre der
Heiligsprechung
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hat. Gleich im 1. Kapitel, das überschrieben ist mit „Von der Anstrengung, ein
Heiliger zu werden“ legt er ausführlich dar, dass Don Bosco zahlreiche
charakterliche Schwächen gehabt hat, die ihm oft zu schaffen machten. Er war nicht
der geduldige, gütige und liebenswerte Junge, als der er oft beschrieben wird. Von
den beiden Söhnen der Mamma Margarita, von Giuseppe und Giovanni, wird
gesagt, dass der Erste viel eher das Zeug zum Salesianer gehabt hätte als der Zweite.
Giuseppe wird uns als hilfsbereit, gütig und ausgeglichen geschildert, Giovanni
hingegen als ernst, wortkarg, beinahe misstrauisch. Mit Menschen außerhalb der
Familie pflegte er keinen vertrauten Umgang, ließ sich nicht streicheln, sprach wenig,
war aber ein aufmerksamer Beobachter. In seinen „Erinnerungen“ schreibt er selbst:
„Als ich noch ziemlich klein war, studierte ich schon den Charakter meiner
Kameraden. Ich fixierte ihr Gesicht und wollte wissen, was in ihrem Herzen vor sich
geht.“ Giovanni hatte auch eine große Abscheu gegen den Gehorsam, konnte sich
schwer unterordnen und verteidigte mit Vehemenz seine Standpunkte.
Freilich hatte er auch seine guten Anlagen und Charakterzüge: so seine
Willensstärke, seine hohe Intelligenz, sein bewundernswertes Gedächtnis, seine
körperliche Kraft. In seinen „Erinnerungen“ schreibt er: „Von allen meinen
Kameraden, auch von den größeren und älteren, war ich gefürchtet wegen meines
Mutes und wegen meiner Stärke.“
In den zahlreichen Befragungen seiner Zeitgenossen, die in den
Heiligsprechungsakten niedergelegt sind, finden wir über Don Bosco auch kritische
Bemerkungen. Sein Heimatpfarrer Cinzano nennt ihn „extravagant, verrückt“
(„stravagante“) und „starrsinnig“, „dickköpfig“, „stur“ („testardo“). Kardinal
Cagliero beschreibt sein Temperament als „ungestüm“ („focoso“) und „hochmütig“
(„altero“), sosehr dass er keine Widerstände ertragen konnte. Sein Mitschüler Don
Giacomelli bemerkt: „Wenn man Giovanni Bosco gesehen hat, verstand man, wie
man sich ohne Tugend von der Wut und vom Zorn übermannen lassen konnte.
Keiner unserer Kameraden, und wir waren viele, neigte sosehr zu üblen
Gewohnheiten wir er.“ Der Moraltheologe im Priesterseminar von Turin Mons.
Bertagna (er wurde später Erzbischof in Claudiopoli) bezeugt, dass Don Bosco sehr
schnell auf 180 war, stur sein konnte und größte Schwierigkeiten hatte, gute
Ratschläge anzunehmen, wenn diese gegen seinen Willen waren.“
Auch Don Francesco Cerrutti (1844-1917), ein Salesianer der 1. Stunde, der seit 1885
dem Obernrat angehörte bescheinigt Don Bosco „einen großen Hang zum Zorn, der
ihn bisweilen überheblich erscheinen ließ. Don Cafasso bestätigte bei Don Bosco
einen Hang zur Eigensinnigkeit, Rechthaberei und seine liebe Not, Ratschläge
anderer anzunehmen. Nach seinen Aussagen beschrieb ihn auch Gräfin Barolo als
„dickköpfig, eigensinnig und stolz“ („cocciuto, ostinato, superbo“). Der Arzt
Giuseppe Alberttoti, der Don Bosco von 1872 bis zu seinem Tod betreute, bescheint
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ihm eine lebhaft und ungestüme („focoso“) Natur, ein Mann, der im Tiefsten von
seinen Plänen überzeugt war.
Der Graphologie Girolamo Moretti, analysiert in seinem Buch „I santi dalla scrittura“
die Handschrift Don Boscos. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Don Bosco
grundsätzlich einen schwierigen Charakter hatte. Um diesen in geordnete Bahnen zu
lenken, unterzieht er sich zahlreichen freiwilligen Entsagungen und Opfern. Er ist
wie ein Feldherr, der, um sein Ziel zu erreichen, sich selber im hohen Maße
zurücknehmen und sein ungestümes Temperament kanalisieren muss.15
Diese Zeugnisse über Don Boscos Schwächen dürfen nicht isoliert gesehen werden.
Sein aufbrausendes Temperament, seine Neigung zum Zorn, sein Hang zur
Unabhängigkeit, gepaart mit einer gehörigen Portion Sturheit und Eigensinn - der
Heilige wusste um diese seine Schwächen. Sagt er doch über sich: „Wenn der Herr
mich nicht diesen Weg ins Oratorium geführt hätte, ich fürchte, ich wäre in großer
Gefahr gewesen, einen falschen (krummen) („storta via“) Weg zu gehen.“16
Don Bosco – das ist auch jener piemontesische Priester, der sich ganz dem Willen
Gottes anheim gab, der auf die göttliche Vorsehung vertraute, der sich täglich aufs
neue unter den Schutz der Helferin der Christen stellte, der nichts anderes wollte als
möglichst viele junge Menschen Christus zuzuführen. „Da mihi animas, cetera tolle!“
Wir haben an diesem Abend mehr den historischen Kontext der Heiligsprechung
Don Boscos beleuchtet. Wenn ich auch einige Schwächen und Fehler Don Boscos
aufgezeigt habe, dann nicht, um ihn zu demaskieren, sondern um uns zu ermutigen,
dass auch wir trotz unserer Fehler und Sündhaftigkeit den Weg der Heiligkeit gehen.
Darum möchte ich morgen Vormittag die spirituelle Seite seiner Heiligkeit
beleuchten, die uns hinführt zu der Frage: „Was bedeutet es für uns Salesianer, wenn
wir in diesem Jahr das 75jährige Jubiläum seiner Heiligsprechung feiern?“
15 P. Brocardo, Don Bosco, profondamente uomo – profondamente santo, LAS Roma, 1985, hier S.
21f.
16 Ebd. 21
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Literatur zum Thema
BROCARDO Pietro, DON BOSCO, profondamente uomo – profondamente santo,
LAS Roma, 1985, 149 S.
FESTSCHRIFT anlässlich der Heiligsprechung des seligen Don Bosco am
Ostersonntag 1934 in der St. Peterskirche zu Rom, hrg. von der Deutsche
Salesianerprovinz im Jahr der Heiligsprechung.
SALESIANISCHE NACHRICHTEN; Zeitschrift der Frommen Vereinigung
Salesianischer Mitarbeiter Don Boscos, hrg. vom Provinzialat München, 1935, Heft
Nr. 5.
SALESIANISCHE NACHRICHTEN; hrg. von den Provinzialaten München / Köln,
Heft 1, 1984.
WIELGOSS Johannes, Die Heiligsprechung Don Boscos – folgenreich für deutsche
Salesianer unter dem Nationalsozialismus, in: Ricerche Storiche salesiane 24 ( 2005)
145-164.
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