GO-404Brief


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1. Brief des Generalobern
„Er rief zu sich, die er erwählt hatte, und sie kamen zu ihm“ (Mk 3,13)
Zum 150. Jahrestag
der Gründung der salesianischen Kongregation
1. „Eine Geste von großer Bedeutung“. 1.1 Es begann im Namen der Gottesmutter. 1.2 Tage der Erwartung.
1.3 Die Jungen aus dem ‚schwarzen Gürtel‘. 2. Für die Jugendlichen und mit den Jugendlichen, Don Bosco
als Gründer. 2.1 Das Ereignis. 2.2 Unsere Jugendlichen als ‚Gründungsväter‘. 2.3 Die Jugendlichen von heute
mit einbeziehen. a) Don Bosco ahnte, dass der richtige Weg für seine Kongregation der Weg der Jugend war. b)
Don Bosco hatte keine Angst, seine Jugendlichen zu mutigen und – menschlich gesprochen – waghalsigen
Unternehmungen zu berufen. c) Das Immakulata-Bündnis, gegründet von Dominikus Savio, war der kleine
Acker, auf dem die ersten Samenkörner der salesianischen Blüte aufkeimten. 3 . Gottgeweihte unter den
Jugendlichen. 3.1 Söhne gottgeweihter Gründer. 3.2 Don Boscos Belehrung an seine Salesianer. 4. Unsere
Konstitutionen, der Weg der Treue. 4.1 Die erste Fotografie, die Don Bosco gewollt hat. 4.2 Ein langer und
dornenreicher Weg. 4.3 Heiligkeit der von der Kirche approbierten Regeln. 4.4 Der ständige Refrain Don Boscos
und Don Ruas. 4.5 Die Erneuerung der Konstitutionen. 4.6 Die Worte des Testaments. 5. Don Bosco als
Gründer „einer umfassenden Bewegung von Menschen, die auf verschiedene Weise zum Heil der Jugend
wirken“ (Konst. 5). Die „Söhne des Oratoriums, verstreut in der ganzen Welt“. 5.2 Das weite Netz der Don-
Bosco-Familie. 5.3 Was Don Bosco fühlte und sah. Schluss.
Rom, den 25. März 2009
Fest der Verkündigung des Herrn
Liebe Mitbrüder!
In diesen vergangenen drei Monaten, nach dem letzten Brief, den ich Euch geschrieben habe,
gab es sehr bedeutende Ereignisse für das Leben der Kongregation. Außer den Arbeiten des
Generalrats in der Winter-Vollversammlung 2008-2009 hatten wir die Durchführung des
Internationalen Kongresses über das „Präventivsystem und die Menschenrechte“, die Tage der
Spiritualität für die Don-Bosco-Familie und – in kleinerem Umfang, aber nicht weniger
wichtig – meinen Besuch in den drei Provinzen Süd-Indiens: Chennai, Tiruchy und
Bangalore.
Durch die ANS seid Ihr zeitnah und umfänglich informiert worden, so dass ich hier keinen
weiteren Kommentar geben muss. Ich bin zudem sicher, dass die Teilnehmer der Provinzen an
den ersten beiden Ereignissen den Mitbrüdern der eigenen Provinz über die erlebte Erfahrung,
die angestellten Reflexionen sowie die sich daraus ergebenden Vorschläge und Orientierungen
berichtet haben.
Ich bin froh, zur Kommunikation mit Euch zurückkehren zu können, und das am Fest der
Verkündigung des Herrn, das uns zeigt, dass unser Leben Berufung ist. Es ist sehr
aufschlussreich, wie in der Hl. Schrift das Sein und die wesentlichen Beziehungen des
Menschen unter seiner Verfasstheit als Geschöpf definiert werden, die nicht Unterlegenheit
oder Abhängigkeit, sondern die unentgeltliche und schöpferische Liebe vonseiten Gottes
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offenbart. Das ist dem Umstand geschuldet, dass der Mensch weder die Begründung für die
eigene Existenz noch für die Selbstverwirklichung in sich selbst hat. Vielmehr schuldet er sie
einem Geschenk.
Angesiedelt ist er in einer Wechselbeziehung mit Gott. Sein Leben hat keinen Sinn außerhalb
dieser Beziehung. Das Jenseitige, das er vage begreift und herbeisehnt, ist das Absolute; kein
fremdes und abstraktes Absolutes, sondern die Quelle seines Lebens, die ihn zu sich ruft. Die
ganze Geschichte der Erwählung des Volkes Gottes und der einzelnen Berufungen wird uns
unter diesem Verständnisschlüssel dargeboten: die Initiative der Liebe Gottes, die Stellung des
Menschen Ihm gegenüber, die Enträtselung der Existenz als eine Einladung und eine Antwort,
als ein vernommener Anruf. Die Kategorie der Schöpfung verbindet sich also mit jener des
Ansprechpartners Gottes: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt
hast“, antwortet Maria dem Engel. Das Geschenk des Lebens birgt einen Plan in sich. Dieser
enthüllt sich im Dialog mit sich selbst, mit der Geschichte, mit Gott und fordert eine
persönliche Antwort. Das bestimmt den Stellenwert des Menschen gegenüber der Welt und
allen Lebewesen, die sie bevölkern.
Diese können seine Sehnsüchte nicht erfüllen, und somit ist der Mensch nicht ihnen
unterworfen. Der Schlüssel dieser Struktur des Lebens ist der Bund zwischen Gott und dem
Volk. Dieser Bund ist erneuerte und unentgeltliche Erwählung vonseiten Gottes. Der Mensch
muss sich ihrer bewusst werden und sie annehmen als Lebensentwurf, geleitet vom Wort, das
ihn anruft und in die Notwendigkeit versetzt, eine Wahl zu treffen.
Die christliche Berufung ist demnach kein Luxusanhängsel, keine von außen kommende
Ergänzung zur Verwirklichung des Menschen. Sie ist vielmehr seine reine und schlichte
Erfüllung, die unverzichtbare Voraussetzung der Echtheit und Fülle, die Befriedigung seiner
grundlegendsten Bedürfnisse; jener Bedürfnisse, mit denen seine Schöpfungsstruktur
untermauert wird. Ebenso ist Eingliederung in das Reich Gottes, zu dem Jesus seine Jünger
eingeladen hat, die einzige Existenzform, die der Bestimmung des Menschen in dieser Welt
und darüber hinaus entspricht. Das Leben entfaltet sich auf diese Weise ganz als Geschenk,
als Anruf und Entwurf.
Liebe Mitbrüder, ich wollte diese Kommunikation mit Euch beginnen, indem ich von der
Gedenkfeier der Verkündigung des Herrn ausgegangen bin, gleichsam als Kommentar des
Verses aus dem Evangelium nach Markus, den ich als Titel über diesen Brief gestellt habe. Es
handelt sich um einen Text, der in gerade mal einem Vers und in sehr schematischer Form die
Entscheidung erzählt, die in Jesus herangereift ist: nämlich eine Gruppe von Menschen zu
berufen, bei Ihm zu bleiben, und sie teilhaben zu lassen an seiner Sendung zum Heil der
Menschheit.
In der Episode, die im Bericht des Markus zentrale Bedeutung hat, weil sie die Gründungs-
Chronik der Gruppe der Zwölf ist, wirkt Jesus bereits als Missionar des Reiches Gottes in den
Ortschaften von Galiläa. Zum Unterschied von der ersten Berufung, die eine dringende
Einladung an zwei Brüderpaare war (vgl. Mk 1,14.20), ist dies eine unverblümte
Aufforderung als Frucht einer persönlichen Entscheidung: Jesus ruft diejenigen, die er will;
und er beruft sie, bei ihm zu sein auf dem Berg. Um zu ihm zu gehen und „bei ihm zu
bleiben“ (Mk 3,14), mussten sie die Menge, die ihm folgte, verlassen. Die Gruppe entsteht
mit sehr präzisen Aufgabenstellungen: bei ihm zu sein, um dann seine Gesandten zu werden.
Die Zwölf sind demnach unter den ersten Berufenen diejenigen, die Jesus immer an seiner
2

1.3 Page 3

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Seite haben will: Das Zusammenleben mit ihm ist ihre erste Beschäftigung, und dann erst
kommt die Sendung. Für den Apostel geht das Zusammenleben der Sendung voraus: Nur die
Gefährten Jesu, seine engsten, werden seine Repräsentanten sein. Jesus teilt seine Sendung
nicht mit denen, die nicht sein Leben geteilt haben (vgl. Apg 1,21-22).
Mir scheint, dass dies eine Einführung ist, die dazu beiträgt, die Bedeutung und die
Perspektiven des 150. Jahrestags der Gründung der salesianischen Kongregation gut zu
verstehen. „Noch vor der von der Autorität gebilligten Gründung gab es die reale Gründung
seiner Gesellschaft, die das Datum des Zeitraums trägt, in der er die Basis für sein kleines
Oratorium vom hl. Franz von Sales legte. Er hat nie seine Vorstellung von diesem Punkt
geändert – weder er selbst, noch seine ersten Mitarbeiter.“1
Bei dem, was Don Bosco tat, indem er eine Gruppe seiner Jugendlichen aus dem Oratorium
von Valdocco berief, und den Antworten, die diese gaben, handelt es sich in Wirklichkeit um
eine echte evangelische Erfahrung von starker symbolischer und vorbildhafter Strahlkraft:
Wie Jesus rief Don Bosco einige Jugendliche, die ihm nahe standen, um mit ihnen Leben,
Träume und Sendung zu teilen. Wie Jesus fand Don Bosco seine Mitarbeiter unter denen, die
an seiner Seite waren. Bei ihm zu sein, auch wenn sie noch so jung waren, war die natürliche
Voraussetzung dafür, gerufen und eingeladen zu werden.
1. „Eine Geste von großer Bedeutung“2
Ich möchte, liebe Mitbrüder, dass dieses Jubiläumsjahr uns dazu anspornt, den Herrn, der so
gut und großzügig mit uns war, zu loben und ihm zu danken; und dass es uns anregt, zutiefst
unser Leben und unsere Sendung zu erneuern, indem wir erneut erleben, was am 18.
Dezember 1859 geschah; an dem Tag, an dem Don Bosco in der Intimität seines Zimmers den
Anfang mit dem machte, was man die Gesellschaft des hl. Franz von Sales nennen wird.
Damit hat er ein Projekt verwirklicht, das er seit langem im Herzen trug3, nämlich seit 1841,
dem Jahr seiner Weihe und seines Eintritts ins Konvikt, wie er selbst wiederholt schreibt.4 Die
Kongregation wurde nicht gegründet, um ein Werk zu beginnen, es zu erhalten und
weiterzuentwickeln. Und sie entstand unter jenen Jugendlichen, denen Don Bosco sich
widmete, und auch mit ihnen.
Wir haben eine schöne Geschichte, an die wir uns erinnern sollen. Und während wir sie
erzählen, haben wir noch eine bedeutsame Geschichte vor uns, die wir neu gestalten sollen.
1.1 Es begann im Namen der Gottesmutter
1 F. Desramaut, „Don Bosco fondatore“, in M. Midali (Herausgeber), Don Bosco Fondatore della Famiglia
Salesiana. Atti del Simposio (Rom, 22.-26. Januar 1989), S. 125.
2 F. Desramaut, Don Bosco en son temps (1815-1888) (Turin: SEI, 1996), S. 571.
3 Bereits 1850 „ verlor Don Bosco nicht das Ziel der Kongregation, die er gründen sollte, aus den Augen…
Damals sprach er vor seinen Jungen vom Vorteil des gemeinschaftlichen Lebens… Er argumentierte aber immer
indirekt, ohne auf das Ordensleben anzuspielen“ (MB IV S. 424-425).
4 „Unsere Gesellschaft begann in Wirklichkeit im Jahr 1841“ (MB X S. 661; vgl. MB VII S. 809). Sein
‚Riassunto della Pia Società di S. Francesco di Sales‘ im Februar 1874 beginnt so: „Diese Fromme Gesellschaft
zählt 33 Jahre ihrer Existenz“, vgl. P. Braido, Don Bosco per i giovani: L‘ „Oratorio“. Una „Congregazione
degli Oratori“. Documenti (Rom: LAS, 1988) S. 147.
3

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Am 8. Dezember 1859 beging man im Oratorium Don Boscos in Valdocco mit großer
Feierlichkeit und Freude das Fest Maria Immaculata. Die 184 Jungen, die als Interne im Haus
Don Boscos wohnten, waren die Seele der tausend Jugendlichen des Festtagsoratoriums, die
die umliegenden Spielhöfe und Wiesen bevölkerten. Sie hatten während der hl. Messe, die
Don Bosco feierte, gesungen, gebetet und die hl. Kommunion empfangen. Nach dem
ergiebigen Festtagsfrühstück waren sie zu Hunderten von Spielen ausgeschwärmt und hatten
sich dann in Gruppen für den Katechismus-Unterricht versammelt. Vielen war es gelungen,
mit Don Bosco über ihre Arbeit, die Familie, die Schwierigkeiten und die Zukunft zu
sprechen.
Am Abend nach den fröhlichen Abschiedsliedern dankte Don Bosco – zwar ermüdet, aber
strahlend – in seiner gewohnten ‚Gute-Nacht-Ansprache‘ der Gottesmutter und allen für den
herrlichen Tag. Dann machte er gegenüber den internen Jugendlichen des Hauses und seinen
Assistenten-Animatoren (die, wie damals üblich, den Kleriker-Talar trugen) eine kurze
Ankündigung, die das Herz von etwa zwanzig von ihnen schneller schlagen ließen. „Don
Bosco kündigte an jenem Abend öffentlich an, dass er morgen, am Freitag, eine besondere
Konferenz in seinem Zimmer halten werde, nachdem die Jungen sich zur Bettruhe
zurückgezogen hätten. Diejenigen, die teilnehmen sollten, verstanden die Einladung. Die
Priester, Kleriker und Laien, die mit Don Bosco in seinen Bemühungen im Oratorium
zusammenarbeiteten und in die geheimen Dinge einbezogen wurden, ahnten, dass diese
Versammlung wichtig sein musste.“5
Und am Abend des 9. Dezember, nach einem mühsamen Tag des Gebets, des Studiums, der
Arbeit und der Freude, füllten neunzehn junge Männer das Zimmer Don Boscos. Die Chronik
von Don Lemoyne und das Protokoll, erstellt vom Biographen A. Amadei, berichten, dass
Don Bosco vor allem das Licht des Heiligen Geistes und den Beistand der heiligen
Gottesmutter anrief und dann das zusammenfasste, was er in vorausgehenden Konferenzen
allen dargelegt hatte.
Dann „verkündete er mit sichtbarer innerer Bewegung, dass die Stunde gekommen sei, jener
Gesellschaft eine Form zu geben, die er seit langer Zeit zu gründen gedachte, und die der
Hauptgegenstand all seiner Sorgen gewesen war, die Pius IX. ermutigt und belobigt hatte, die
eigentlich schon mit der Beobachtung der traditionellen Regeln existierte und der der größte
Teil der Teilnehmer wenigstens im Geiste und einige auch auf Grund eines abgelegten
zeitlichen Versprechens angehörten. Dann war der Augenblick gekommen, zu erklären, ob sie
sich in die Fromme Gesellschaft einschreiben wollten, die den Namen des hl. Franz von Sales
annehmen und beibehalten sollte.“6
In diese Kongregation, die die hauptsächliche Stütze des Oratoriums sein sollte, haben sich
nur diejenigen eingeschrieben, die nach reiflicher Überlegung die Absicht hatten, sich Gott zu
weihen, indem sie zu gegebener Zeit die Gelübde der Keuschheit, der Armut und des
Gehorsams ablegen würden, um ihr Leben der verlassenen und gefährdeten Jugend zu
widmen. Deshalb nahmen an der nächsten Zusammenkunft nur diejenigen teil, die dazu
gehören wollten.“7 Die Initiative Don Boscos, entstanden aus der Notwendigkeit, zuverlässige
Mitarbeiter zu haben, kam nicht aus dem Nichts. Es war ein weiterer Schritt eines
5 MB VI S. 333. Vgl. Documenti VII S. 35.
6 A. Amadei, Un altro Don Bosco. Il servo di Dio Don Rua (Turin: SEI, 1934) S. 73.
7 A. Amadei, s.o. S.73.
4

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Erziehungsprozesses, der sich seit gut zehn Jahren vollzog und der sich seit dem
vorangegangenen Jahr auf einen schriftlichen Entwurf, die ersten Salesianischen
Konstitutionen von 1858, stützte.8 Trotzdem – so fügt Don Lemoyne hinzu – „gab Don Bosco
allen eine Woche Zeit, um diese wichtige Angelegenheit mit Gott zu reflektieren und zu
behandeln“; und „die Versammlung löste sich in tiefem Schweigen auf“.9
1.2 Tage der Erwartung
Die Tage, die darauf folgten, waren nach außen hin angefüllt mit der gewöhnlichen Arbeit.
Aber im Inneren dieser Zwanzig waren sie auch gekennzeichnet von einer außergewöhnlichen
Anspannung.
Der erste, der intensiv betete und in Erwartung war, war Don Bosco. Seit etlichen Jahren lud
er auf diskrete Weise die Besten seiner Jungen, in denen er die Berufung Gottes klar erkannte,
dazu ein, bei ihm zu bleiben. Viele versprachen es ihm; aber dann überlegten sie es sich
anders. Don Lemoyne schreibt: „Keiner, erzählte uns Don Bosco, könnte sich die
Widerwärtigkeiten, die Antipathien, die Entmutigungen, die Beschattungen, die
Enttäuschungen, die Verbitterungen und die Undankbarkeiten vorstellen, die über das
Oratorium etwa zwanzig Jahre hindurch hereinbrachen. Wenn die Auserwählten versprachen,
als Gehilfen bei Don Bosco zu bleiben, so war das oft nichts anderes als ein Vorwand dafür,
bequem ihre Studien fortsetzen zu können, weil es nach deren Abschluss tausend Anlässe gab,
sich von dem Versprechen zu dispensieren. Nach etlichen gescheiterten Versuchen gelang es
einmal, acht Jugendlichen den Talar zu überreichen. Sie verließen aber allesamt schon bald
das Oratorium. Es gab dann einige, die noch am Tag ihrer Priesterweihe oder am Abend ihrer
ersten hl. Messe frank und frei erklärten, dass sie für das Leben im Oratorium nicht
geschaffen seien; und sie gingen davon.“10
Der Kanoniker und Pfarrer Giacinto Ballesio, Ehemaliger Don Boscos und zehnter Zeuge bei
seinem Seligsprechungsprozess, erklärte unter Eid: „Er glaubte sehr wohl, sein Ziel erreicht
zu haben, wenn er sah, dass seine Schüler ins Seminar gingen oder sich für das Amt des
Pfarrers bewarben… Er zeigte große Zuneigung und Befriedigung gegenüber ihrem Stand.
Dennoch kann man nicht verschweigen, dass gewisse Ernüchterungen ihm bitter aufstießen
wegen des Weggangs nicht weniger, die er mit seinen Wohltaten überhäuft und für die er sich
besonderen Ausgaben unterzogen hatte, um ihnen zur Erlangung von Studientiteln und
Lizenzen mit Verträgen zu verhelfen… Aber er beklagte sich nicht darüber.“11
Auf andere Weise, aber ebenso intensiv, beteten und dachten die Neunzehn, die auf die
Einladung Don Boscos antworten sollten. Die ‚Gesellschaft‘, in die sich einzuschreiben Don
Bosco sie einlud, indem sie ihm ‚großherzigen Gehorsam‘ versprachen, war eine
Ordensfamilie, eine ‚Kongregation‘ ähnlich den Gemeinschaften, die durch die ‚Gesetze
Ratazzi‘ nur vier Jahre zuvor (29. Mai 1855) aufgelöst worden waren. Aus den Konventen
und Ordenshäusern waren ‚Ordensbrüder‘ entfernt worden, die die Zeitungen mit
unerbittlicher Unbarmherzigkeit ständig als ‚halbe Menschen‘ und ‚Ausbeuter der modernen
Gesellschaft‘ verunglimpften; und sie forderten dazu auf, sie ‚wie Ungeziefer zu zertreten‘.
8 Vgl. G. Bosco, Costituzioni della Società di S. Francesco di Sales (1858-1875). Testi critici a cura di F. Motto
(Roma: LAS, 1982).
9 MB VI S. 334.
10 MB V S. 404-405.
11 MB V S. 406.
5

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Um seinem Oratorium eine Seele zu geben, bat Don Bosco diese jungen Männer nun, sich in
einer Ordensfamilie unter dem Gehorsam ihm gegenüber zusammenzuschließen, mit der
Perspektive (im Lauf der Zeit), sich Gott zu weihen mit den Gelübden der Keuschheit, der
Armut und des Gehorsams. Einige von ihnen hatten das schon (insgeheim und im
Einvernehmen mit Don Bosco) seit einigen Jahren getan. Sie waren alle sehr jung; und es
ging nun darum, das ganze Leben auf einen Schlag auf das Vertrauen in Don Bosco zu setzen.
Bis zu diesem Zeitpunkt waren sie nur durch das Versprechen oder das Gelübde gebunden, bei
Don Bosco zu bleiben, um ihm in den Oratorien zu helfen. Einige waren befremdet und
verblüfft. Don Lemoyne schreibt: „Mehr als einer sagte hinter vorgehaltener Hand: ‚Don
Bosco will uns alle zu Ordensbrüdern (‚frati‘) machen‘.“12
Giuseppe Buzzetti (27 Jahre), der Maurerjunge aus Caronno, einer der ersten Jungen Don
Boscos, sah im Oratorium seine ganze Welt und sein Leben. Für ihn war Don Bosco alles:
Gemäß seiner Einladung hatte er sogar für ein Jahr das Kleriker-Gewand angezogen; und es
hätte ihm nicht missfallen, Priester zu werden. Aber nicht ‚frate‘; das war nicht sein ‚Ding‘.
(Salesianer sollte er erst 1877 werden).
Michael Rua (22 Jahre) hatte keine Zweifel. Don Bosco hatte eine Einladung ausgesprochen.
Für ihn war das – wie immer – ein Befehl. So begab er sich am darauffolgenden Tag in das
Missionshaus, um die geistlichen Exerzitien zu beginnen, und empfing die niederen Weihen
(11. Dezember) und das Subdiakonat (17 Dezember).
Giovanni Cagliero (21 Jahre) hatte dagegen viele Zweifel. Lemoyne schreibt (und Cagliero
war 1907 noch sehr wohl am Leben, als Lemoyne diese Worte veröffentlichte): „Er spazierte
stundenlang – aufgewühlt von verschiedenen Gedanken – im Säulengang auf und ab.
Schließlich rief er aus, während er sich an einen Freund wandte: Ob ‚frate‘ oder nicht ‚frate‘ –
es bleibt sich gleich. Ich bin entschlossen, wie ich es immer war, mich niemals von Don
Bosco zu trennen!‘ Dann schrieb er ein Kärtchen an Don Bosco, auf dem er ihm mitteilte, sich
ganz und gar den Ratschlägen und der Entscheidung seiner Obern zu unterstellen. Als Don
Bosco ihn traf, schaute er ihn lächelnd an und sagte: ‚Komm nur, komm, dies ist dein
Leben!‘.“13
1.3 Die Jungen aus dem ‚schwarzen Gürtel‘
Aber Don Bosco berief sie nicht, damit sie ihr Leben ausschließlich auf das Vertrauen in ihn
setzen sollten. Er berief sie zur Entscheidung, das Leben Gott zu weihen, für die ‚verlassenen
und gefährdeten Jugendlichen‘, die ohne Hilfe unter ihren Augen und wer weiß an wie vielen
anderen Orten der Welt verloren gingen. „Er erkannte in ihnen die qualifizierten Arbeiter, die
er sich für das Werk seiner Oratorien in ihrer wachsenden Entwicklung erträumt hatte.“14
Die Stadt Turin erlebte in jenen Jahren eine stürmische Entwicklung. Im Norden der Stadt
verdichtete sich der sogenannte ‚schwarze Gürtel‘, entstanden aus Hütten und Bruchbuden,
bevölkert mit den ärmsten Immigranten. Immer größere Wellen von äußerst armen ländlichen
Familien und von alleinstehenden Jugendlichen verließen das Landleben und kamen auf der
Suche nach Arbeit und Glück in die Stadt. Sie füllten die Spelunken, die zwischen den
12 MB VI S. 334.
13 MB VI S. 334-335.
14 R. Alberdi, ‚Don Bosco fondatore dei Salesiani‘, in M. Midali (Herausg.), Don Bosco Fondatore della
Familiga Salesiana. Atti del Simposio (Rom, 22.-26. Januar 1989) S. 171.
6

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Sümpfen der Dora entstanden, wohin sich die Abwässer der Stadt, die keine Kanalisation
hatte, ergossen. Aufgesaugt wurden sie von den großen Baustellen des südlichen Teils, von
den Manufakturunternehmen, Spinnereien, Gerbereien, Ziegeleien und Fabriken. Aber nicht
alle Jugendlichen hielten den gesteigerten Arbeitsrhythmus aus (viele von ihnen wurden nur
18-19 Jahre alt). Sie wurden wegen schwacher Leistung weggejagt und landeten in den
Straßen. Bei der anstrengenden und oft verzweifelten Suche nach Überlebenschancen
schlossen sie sich in Banden von Vagabunden zusammen, lebten vom Ausrauben der
Marktstände, stahlen die Geldbörsen der Hausfrauen und erleichterten die Kaufleute um ihre
prall gefüllten Brieftaschen; und das alles im ständigen Konflikt mit der Polizei, die auf der
Jagd nach ihnen war und sie bei der nächstbesten Gelegenheit ins Gefängnis steckte.
Um diesen Jugendlichen (auch den Mädchen und anderen schwächeren Personen) zu helfen,
hatten sich in diesem ‚schwarzen Gürtel‘ fächerartig vier große christliche Persönlichkeiten
angesiedelt: Don Giovanni Cocchi, der Kanoniker Giuseppe Cottolengo, die Marchesa Giulia
Barolo und Don Bosco.15
Das Oratorium des armen Don Bosco, das 13 Jahre zuvor zunächst unter einem Schutzdach
begonnen hatte, hatte Abendschulen, Werkstätten und ein Haus für junge Arbeiter und
Studenten ins Leben gerufen. In jenem Jahr 1859 beherbergte das Haus 184 ärmste
Jugendliche; im darauffolgenden Jahr sollten es 355 sein.16 Am Sonntag bot das Oratorium
christliches Leben, Frohsinn, Belehrung und Freundschaft mit Don Bosco für mehr als
tausend Jugendliche. Um diesen konkreten, nach Hilfe schreienden, im Leben
orientierungslosen, nach Brot und nach Gott hungernden Jugendlichen zu helfen, fühlte Don
Bosco sich dazu berufen‚ die Gesellschaft des hl. Franz von Sales ins Leben zu rufen‘.
2. Für die Jugendlichen und mit den Jugendlichen, Don Bosco als Gründer
„Im Hinblick auf eine eventuelle Ordensgesellschaft konnte und wollte Don Bosco nicht
einen bedeutsamen Kern von erwachsenen Mitarbeitern um sich scharen, die er unter denen
hätte aussuchen können, die bereits in den drei Oratorien tätig waren.“17 Er war sich dessen
bewusst, dass es wirksamer sei, eine feste Gesellschaft von für immer Gottgeweihten zu
gründen, um ihm bei diesen Jugendlichen in großen Schwierigkeiten zu helfen, anstatt eine
Gruppe von Freiwilligen zu haben, die zwar heute noch da sind, aber morgen nicht mehr. Und
damit ihm das gelingt, dachte er letztlich an seine Jugendlichen, an diejenigen, die „mehr oder
weniger diese letzten Jahre im Oratorium mit Don Bosco verbracht hatten“.18
2.1 Das Ereignis
Der 18. Dezember 1859 war ein Sonntag. Don Bosco beendete den mühsamen Festtag, den er
unter tausend Jugendlichen verbracht hatte, wie am Immaculata-Fest und an jedem Sonntag.
15 Eine kurze und nützliche Beschreibung der Situation in Turin in den Jahren um 1840 findet man in A. J. Lenti, Don Bosco.
History and Spirit. II: Birth and Early Development of Don Bosco’s Oratory. Edited by A. Giraudo (Rom, LAS,
2007) S. 6-26).
16 Vgl. P. Stella, Don Bosco nella Storia economica e sociale (1851-1879) (Rom: LAS, 2003) S. 439.
17 P. Braido, Don Bosco, prete dei Giovani nel secolo delle libertà. Bd. I (Rom: LAS, 2003) S. 439.
18 P. Stella, ebd. S. 295.
7

1.8 Page 8

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Es war 21 Uhr, nach dem Abendgebet. Das verabredete Treffen fand im Zimmer bei Don
Bosco statt. In wenigen Minuten waren mit Don Bosco 18 Personen anwesend. Nur zwei
waren nicht gekommen. Siebzehn hatten sich um Don Bosco versammelt: ein Priester (47
Jahre), ein Diakon (24 Jahre), ein Subdiakon (22 Jahre), dreizehn Kleriker zwischen 21 und
15 Jahren) und ein sehr junger Student.
Das sehr genaue Protokoll, unterzeichnet von Don Alasonatti und mit der hinzugefügten
Unterschrift Don Boscos,19 „ist ein Dokument von bezaubernder Schlichtheit. Es enthält den
ersten offiziellen Akt der Salesianischen Gesellschaft“20. Darin liest man:
„Wir alle waren versammelt in dem einen Geist und mit dem Ziel, den Geist der wahren Liebe
zu fördern und zu bewahren, der im Werk der Oratorien erforderlich war für die verlassene
und gefährdete Jugend, die in diesen unheilvollen Zeiten in tausendfacher Weise zum Schaden
der Gesellschaft verführt und in Gottlosigkeit und Religionslosigkeit gestürzt wird..“
„Dieselben Versammelten kamen deshalb überein, sich als eine Gesellschaft oder
Kongregation zu errichten, die die gegenseitige Hilfe zur eigenen Heiligung zum Ziel hat und
sich vornimmt, die Ehre Gottes und das Heil der Seelen, besonders derer, die am meisten der
Belehrung und Erziehung bedürfen, zu fördern. Und nachdem das vorgeschlagene Vorhaben
einmütig gebilligt, ein kurzes Gebet gesprochen und das Licht des Heiligen Geistes angerufen
worden war, schritt man zur Wahl der Mitglieder, die die Leitung der Gesellschaft für diese
und – sofern es Gott gefallen sollte, das Wachstum zu fördern - für neue Kongregationen
bilden sollten.“
Sie baten daher Ihn (Don Bosco), den Initiator und Förderer, einstimmig, das Amt des
Generalobern anzunehmen, weil es ihm ganz und gar angemessen sei. Nachdem er es
angenommen hatte, und zwar mit dem Vorbehalt der Befugnis, für sich den Präfekten (Vikar
und Verwalter) zu ernennen, und kein Widerspruch erfolgte, brachte er zum Ausdruck, dass er
es für angebracht halte, den Schriftführer (Don Alasonatti), der bisher diese Aufgabe im
Hause innehatte, nicht aus dem Amt des Präfekten entfernen zu müssen.“
„Man dachte dann gleich an den Modus der Wahl der übrigen Mitglieder, die zur Leitung
gehören sollten. Und man einigte sich darauf, die Abstimmung mit geheimer Stimmabgabe
auf dem kürzesten Weg durchzuführen, um den Rat zu bilden, der aus einem Geistlichen
Direktor, dem Ökonom und drei Ratsmitgliedern, zusammen mit den zwei zuvor
beschriebenen Mitgliedern von Amts wegen (der Generalobere und der Präfekt),
zusammengesetzt sein sollte.“
„(…) Das Ergebnis der Wahl des Geistlichen Direktors ergab, dass die Wahl einstimmig auf
den Kleriker und Subdiakon Rua Michael fiel, der diese nicht ablehnte. Das wiederholte sich
bei der Wahl zum Ökonom, bei der der Diakon Angelo Savio gewählt und bestätigt wurde, der
seinerseits ebenfalls zusagte, die entsprechende Aufgabe anzunehmen.“
„Es blieb noch die Wahl der drei Ratsmitglieder. Als erster wurde der Kleriker Cagliero
Giovanni nach dem üblichen Wahlmodus gewählt. Als zweites Ratsmitglied wurde der
Kleriker Gio. Bonetti gewählt. Beim dritten und letzten Wahlgang ergab sich ein Gleichstand
19 Vgl. J. G. Gonzalez, ‚Acta de Fundación de la Sociedad de S. Francisco de Sales. 18. Dezember 1859’, RSS 52
(2008) S. 335-336.
20 E.Ceria, Annali della Società Salesiana, dalle origini alla morte di S. Giovanni Bosco (1841-1888) (Turin:
SEI, 1961) S. 33.
8

1.9 Page 9

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der Stimmen zu Gunsten der Kleriker Ghivarello Carlo und Provera Francesco. In einem
weiteren Wahlgang entfiel die Mehrheit der Stimmen auf den Kleriker Ghivarello, und so
wurde der Leitungskörper für unsere Gesellschaft (der später ‚Obernkapitel‘ heißen sollte)
definitiv konstituiert.“
„Dieser Tatbestand, wie er bis hierhin insgesamt dargelegt worden ist, wurde in der
Vollversammlung aller vorgenannten Mitglieder und der von Amts wegen Ernannten verlesen,
die ihrerseits die Glaubwürdigkeit anerkannten und übereinstimmend bekräftigten, dass das
Original aufbewahrt werden sollte, nachdem es die folgenden, als Generaloberer und als
Sekretär, unterzeichnet hatten:
Sac. Bosco Gio.
Alasonatti Vittorio Sac. Präfekt.”
2.2 Unsere Jugendlichen als ‘Gründungsväter’
So entstand die Salesianische Kongregation. So sind wir entstanden. Jene Siebzehn sind
unsere ‚Gründungsväter‘, die Mehrzahl von ihnen noch sehr jung. Außer Don Alasonatti (47
Jahre) und Don Bosco (44 Jahre): Don Rua, geistlicher Direktor, mit 22 Jahren, Don Savio,
Ökonom, mit 24 Jahren; die Ratsmitglieder, noch Kleriker, alle zwanzigjährig.
Ich möchte wenigstens die Grundlinien nachzeichnen, um sie im Gedächtnis und im Herzen
als unsere Mit-Begründer zusammen mit Don Bosco zu bewahren. Sie sind Teil des Lebens
Don Boscos und der Geschichte der Kongregation, also unserer Geschichte.
Vittorio Alasonatti, 47 Jahre
Er war der einzige, der älter war als Don Bosco. Liebenswürdiger und zugleich strenger
Priester, war er 19 Jahre lang Lehrer unter den Kindern der Grundschulklassen in Avigliana,
wo er am 15. November 1812 geboren worden war. Scherzend und stichelnd (sie waren
Kameraden am kirchlichen Konvikt) überzeugte ihn Don Bosco, ins Oratorium zu kommen,
‚um ihm beim Brevierbeten zu helfen‘, zwischen zweihundert Jungen des Hauses und tausend
Jungen des Oratoriums (‚Etwas Anderes als deine Zwergschule‘, scherzte Don Bosco). Er
kam am Vorabend von Mariä Himmelfahrt 1854 an und fragte – immer noch scherzhaft – Don
Bosco: „Wohin muss ich mich begeben, um das Brevier zu beten“? Don Bosco legt auf seine
Schultern die ganze Verwaltung seines Werkes, die bis dahin von Giuseppe Buzzetti und
Mama Margherita (sie war erschöpft und sollte zwei Jahre später sterben) erledigt worden
war. Im Jahr 1855 war er nach Michael Rua der erste, der in die Hände Don Boscos die
privaten Ordensgelübde abgelegt hatte. Als Salesianer legte er die Profess am 14. Mai 1862
ab. Er arbeitete unaufhörlich und in aller Stille für Don Bosco und die Salesianische
Kongregation als ihr erster Präfekt bis zu seinem Tod, der ihn am 7. Oktober 1865 in Lanzo
ereilte, als er 53 Jahre alt war.
Michael Rua, 22 Jahre
Geboren in Turin am 9. Juni 1837 in einer Arbeiterfamilie, wurde er mit acht Jahren
Halbwaise (der Vater starb). Er blieb an der Seite Don Boscos, während er die ersten
Schulklassen bei den christlichen Schulbrüdern besuchte. Unter Eid hat er ausgesagt: „Ich
9

1.10 Page 10

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erinnere mich, wenn Don Bosco kam, um uns die Messe zu lesen (…), schien es, als ob ein
elektrischer Strom all diese zahlreichen Kinder bewegte. Sie sprangen auf die Füße, kamen
von ihren Plätzen und scharten sich um ihn (…). Es bedurfte einer langen Zeit, bis er in die
Sakristei gelangen konnte. In diesen Augenblicken konnten die guten christlichen Schulbrüder
diese offensichtliche Unordnung nicht verhindern und ließen uns gewähren. Wenn andere
Priester kamen, auch fromme und angesehene, sah man nichts von dieser Begeisterung… Das
Geheimnis der Anhänglichkeit, die sie zu Don Bosco hegten, bestand in der arbeitsamen,
geistlichen Zuneigung, die Don Bosco ihnen entgegenbrachte und die sie spürten.“21
Manchmal gab Don Bosco allen eine kleine Medaille. Als Don Bosco bei Michael ankam,
macht er eine sonderbare Geste: Er gibt ihm die rechte Hand und tut so, als wolle er sie mit
der linken abschneiden. Dabei sagt er zu ihm: „Nimm, Michael, nimm.“ Michael versteht
nicht, aber Don Bosco erklärt: „Wir beide werden alles je zur Hälfte gemeinsam tun.“ Er tritt
am 25. September 1852 ins Oratorium ein und legt das Klerikergewand am 3. Oktober 1852
in Becchi an. Er wird in der Tat die rechte Hand Don Boscos. Am 26. Januar 1854 nimmt er
an der Zusammenkunft teil, bei der eine kleine Gruppe von Mitarbeitern den Namen
„Salesianer“ erhält. Am 25. März 1855 (im Alter von 18 Jahren) ist er der erste Salesianer, der
die privaten Gelübde in die Hände Don Boscos ablegt. Als Student der Theologie hilft er Don
Bosco im Oratorium von San Luigi. 1858 begleitet er ihn nach Rom zur Begegnung mit dem
Papst, bei der Don Bosco seine Kongregation vorstellt. Noch als Diakon wird er zum
geistlichen Direktor der soeben entstandenen Gesellschaft gewählt. Am 29. Juli 1860 wird er
zum Priester geweiht und legt am 15. November 1865 die ewige Profess ab. Mit 26 Jahren
(1863) bekommt er das Diplom als Gymnasiallehrer und wird von Don Bosco nach Mirabello
Monferrato gesandt, um dort das erste salesianische Haus außerhalb Turins zu leiten. 1865
kehrte er nach Turin zurück und ist ‚der zweite Don Bosco‘ innerhalb des salesianischen
Werkes, das sich immer mehr ausbreitet. Don Bosco wird eines Tages sagen: „Wenn Gott mir
gesagt hätte: ‚Stell dir einen Jugendlichen vor, der mit allen Tugenden und höheren
Fähigkeiten ausgestattet ist, die du dir wünschen kannst, erbitte ihn von mir und ich werde ihn
dir geben‘, hätte ich mir nie einen Don Rua vorgestellt.“22
1884 wird er von Leo XIII. zum Vikar Don Boscos ernannt und wird der erste Nachfolger
beim Tod des Gründers. Das Leben besteht nun hauptsächlich aus Reisen, um die große
Familie Don Boscos, die in allen Teilen der Welt nun buchstäblich explodiert, geeint und in
der Treue zu erhalten. Beim Tod Don Boscos übernahm er 64 Salesianerhäuser. Bei seinem
Tod 22 Jahre später waren die Gründungen auf 341 angestiegen. Im Jahr seines Todes 1910
erschien seine erste Biographie, geschrieben von Eliseo Battaglia. Der passende Titel
beschreibt ihn gut: „Ein Souverän der Güte“.
Angelo Savio, 24 Jahre
Er war Landsmann von Don Bosco und kam am 15. November 1850 im Oratorium an. Er
hatte den jungen heiligen Dominikus Savio (einige Jahre jünger als er) schon gekannt, weil sie
in sehr nahe beieinanderliegenden Ortschaften wohnten. Er erinnerte sich: „In den Ferien
befand ich mich zu Hause und fühlte mich nicht ganz gesund. Er kam, um mich mit seiner
angenehmen Art und seinen gütigen Worten zu trösten. Manchmal führte er seine beiden
21 MB II S. 316.
22 MB IV S. 488.
10

2 Pages 11-20

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2.1 Page 11

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Brüder mit sich an der Hand. Vor seiner letzten Abreise aus dem Oratorium (1857) kam er, um
mich zum letzten Mal zu umarmen.“ Nachdem er 1859 zum ersten Mal noch als Diakon zum
Generalökonom gewählt worden war, wurde er 1869, dem Jahr seiner ewigen Profess, und
danach 1873 wiedergewählt. Von dem Augenblick an beauftragte Don Bosco ihn mit den
Häusern, die sich an der ligurischen Küste und an der französischen Riviera im Aufbau
befanden: Alassio, Vallecrosia und Marseille. Dann schickte er ihn nach Rom, um die
Aufbauarbeiten an der Kirche und der Niederlassung ‚Sacro Cuore‘ zu leiten. Mit 50 Jahren
(1885) bat er Don Bosco, endlich mit Mauern und Geldern aufhören zu können, und reiste als
Missionar nach Patagonien, das er in langen apostolischen Reisen durchquerte. Unermüdlich
und eifrig gründete er salesianische Werke in Chile, in Peru, in Paraguay und in Brasilien. Er
starb am 17. Mai 1893 auf einer Erforschungsreise in Ecuador, wo den Salesianern eine neue
Mission anvertraut worden war. Im Traum von dem Rad am 4. Mai 1861 hatte Don Bosco ihn
in fernen Regionen gesehen. Seine Mitarbeiter erinnern sich an ihn als einen Ordensmann des
tiefen Gebetslebens.
Giovanni Cagliero, 21 Jahre
Am 11. Januar 1838 geboren, war er ein Landsmann Don Boscos, den er kannte, weil er als
Messdiener in der Pfarrkirche von Castelnuovo d’Asti diente. Halbwaise, weil der Vater starb,
sah Don Bosco in ihm einen Jungen klar wie Kristall, intelligent und genial. Als Don Bosco
seine Mutter traf, fragte er sie scherzhaft, ob sie ihren Sohn ‚verkaufen‘ würde. Sie antwortete
gleicherweise scherzhaft, dass man Söhne nicht ‚verkauft‘, sondern ‚verschenkt‘. Giovanni
begleitete Don Bosco zu Fuß von Castelnuovo nach Turin, laufend, schreiend, springend, und
schüttete vor Don Bosco all seine Gedanken, Erinnerungen und Erwartungen aus. „Von dem
Augenblick an hatte ich kein Geheimnis mehr vor ihm.“ Als Don Bosco ihn mitbrachte, klagte
Mama Margherita, dass kein Platz mehr sei. Don Bosco antwortete: „ Aber er ist doch so
klein; wir werden ihn in den Brotkorb legen und ihn an die Decke hochziehen.“ Alle drei
lachten. So begann 1851 das wunderbare Salesianerleben des Cagliero. Er ist einer der vier
ersten, die der Idee Don Boscos zustimmten, eine Gesellschaft zu gründen. Die Profess macht
er 1862, im selben Jahr, in dem er zum Priester geweiht wird. Als diplomierter
Theologieprofessor, als unübertrefflicher Musikkomponist und als erster Missionar Don
Boscos wurde er auch der erste salesianische Bischof und Kardinal. Rua und Cagliero waren
die zwei Säulen, auf die Don Bosco sein großes Werk aufbaute. Don Bosco hatte seine
leuchtende Zukunft ‚gesehen‘, als er während der Cholera 1854 im Sterben lag. Er wollte ihm
gerade die hl. Eucharistie als Wegzehrung geben, als er das Zimmer in Licht getaucht, eine
Taube auf ihn herniedersteigen und eine Schar von Indios sein Bett umringen sah. Daraufhin
brachte er die Eucharistie kurz entschlossen zurück und sagte zu ihm: „Du wirst nicht sterben,
und du wirst weit, weit gehen…“ Er starb in Rom am 28. Februar 1926. Begraben wurde er
auf dem Campo Verano. Sein Leichnam wurde 1964 nach Argentinien überführt und ruht in
der Kathedrale von Viedma.
Giovanni Bonetti, 21 Jahre
Er kam 1855 von Caramagna, einem kleinen Dorf in der Provinz von Cuneo, im Oratorium
an. Er war 17 Jahre alt. Sofort wurde er Freund von Dominikus Savio, obwohl er vier Jahre
jünger war als dieser. Don Bosco schickte ihn zusammen mit Rua, Cagliero, Savio und
anderen in die Schule von Professor Bonzanino. Jeden Morgen musste er durch die Via
Garibaldi gehen. Er erinnerte sich, dass er den Weg zusammen mit Dominikus in einem sehr
11

2.2 Page 12

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strengen Winter unter herumwirbelnden Schneeflocken gegangen ist. Die erste Profess legte
er am 14. Mai 1862 und die ewige Profess drei Jahre später ab. Das Diplom erhielt er an der
königlichen Universität von Turin. Priester wurde er mit 26 Jahren. Als Don Bosco seine
Tugend und seine brillante Fähigkeit als Publizist erkannte, machte er ihn zum ersten Direktor
des Bollettino Salesiano, beginnend mit dem Jahr 1877. Auf den Seiten des Bollettino
veröffentlichte Don Bonetti zum ersten Mal in Fortsetzungen die ‚Geschichte des Oratoriums
Don Boscos‘, wobei er sich an das bis dahin geheime Manuskript der Erinnerungen Don
Boscos hielt. Diese Fortsetzungen, zusammen mit den Briefen aus den Tätigkeitsbereichen
der Missionare, machten den Bollettino sehr populär. Don Bosco aber hatte 1875/76 die
Erinnerungen unvollendet gelassen. Don Bonetti ermunterte ihn mit Nachdruck zum
Weitermachen. Wir verdanken es seiner Hartnäckigkeit, dass Don Bosco – trotz der
gigantischen Aufgaben, die ihn aufsogen – wieder zur Feder griff und das Schreiben
fortsetzte. Die ‚Fortsetzungen‘ des Bollettino wurden dann von ihm gesammelt und
vervollständigt. Daraus ging das Buch mit dem Titel Fünf Glanzpunkte der Geschichte des
Oratoriums des hl. Franz von Sales hervor, die erste dokumentierte Biographie Don Boscos,
die äußerst begehrt war. Als Cagliero 1886 Bischof wurde, wurde Don Bonetti zu seinem
Nachfolger als ‚Geistlicher Direktor‘ der Salesianer und ‚Generaldirektor‘ der Don-Bosco-
Schwestern gewählt. Er starb mit nur 53 Jahren am 5. Juni 1891. Don Rua schreibt über ihn:
„Unermüdlicher apostolischer Arbeiter, mutiger Meister im Bemühen, die Ehre Gottes und
das Heil der Seelen zu fördern, und liebenswürdig im Spenden von Trost und im Erteilen von
Ratschlägen.“
Carlo Ghivarello, 24 Jahre
Er war schon 20 Jahre alt, als er im Pino Torinese Don Bosco traf und sich entschloss, in sein
Oratorium einzutreten (1855). Er kannte Dominikus Savio und wurde für gut ein Jahr sein
Freund. Die erste Profess legte er 1862 ab. Am Tag seiner Priesterweihe 1864 sagte Don
Bosco zu ihm: „Du wirst in deinem Leben viele Beichten zu hören haben.“ In der Tat: auch
wenn er von allen als Arbeiter, Erbauer und Kultivator bewundert wurde, so fand er doch
gerade im Sakrament der Buße, dem er jeden Tag Stunden widmete, das Feld, auf dem er,
zusammen mit der göttlichen Gnade, seinen ganzen Glauben und seine väterliche Güte in die
Waagschale werfen konnte. Nachdem er Sekretär und Mitglied des Generalrats war, wurde er
1876 zum Generalökonom ernannt. Er war es, der die kleine Galerie und das Kapellchen
neben dem Zimmer Don Boscos einrichten ließ. Vier Jahre später, 1880, schickte Don Bosco
ihn nach Saint-Cyr in Frankreich, um das Waisenhaus zu leiten. Von hier begab er sich nach
Mathi, wo er die ersten Gebäude der Papierfabrik errichten ließ. Die letzten 25 Jahre war er in
San Benigno Canavese, wo er sein Leben der großen mechanischen Werkstatt widmete. In
San Benigno und wo er auch sonst noch gewesen war, verbreitete er Begeisterung für den
Ackerbau und den Obstanbau. Er starb am 28. Februar 1913. Don Albera, der zweite
Nachfolger Don Boscos, schrieb über ihn: „Seine außergewöhnliche Aktivität fand ihre
Nahrung und Unterstützung aus seinem Glaubensgeist.“
Giovanni Battista Francesia, 21 Jahre
Geboren in San Giorgio Canavese am 3. Oktober 1838, emigrierte er mit seinen Eltern auf der
Suche nach Arbeit nach Turin. Während er mit 12 Jahren schon unter furchtbaren
Bedingungen in einer Fabrik arbeitete, begegnete er Don Bosco in seinem Festtagsoratorium.
Zwei Jahre später, 1852, nahm ihn Don Bosco in sein Haus auf, und Battistin, wie alle ihn
nannten, begann zu studieren, um Priester zu werden. Für immer und ohne Anfechtungen von
12

2.3 Page 13

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Zweifeln mit Don Bosco verbunden, erlangte er als erster Salesianer das Diplom in Literatur
(„Während viele nach dem erlangten Diplom Don Bosco verließen, bin ich geblieben“). Er
war der jüngste Lehrer von Dominikus Savio in einer Klasse mit 70 Schülern (damals die
normale Klassenstärke). Er besaß die Fähigkeit, in Prosa und in Poesie zu schreiben. Die erste
Profess legte er 1862 ab und wurde im folgenden Jahr zum Priester geweiht. Von 1878 bis
1902 war er Provinzial. Don Bosco übertrug ihm die Überprüfung der „Letture Cattoliche“
und die Sammlungen der lateinischen und italienischen Klassiker. Nachdem er das Werk von
Don Bonetti (der plötzlich gestorben war) mit dem Titel Fünf Glanzpunkte der Geschichte des
Oratoriums des hl. Franz von Sales 1892 durchgesehen und publiziert hatte, schrieb er selbst
die Volkstümliche Lebensbeschreibung Don Boscos (1902) mit gut 414 Seiten, die sehr viele
Editionen und Übersetzungen erlebte. Wertvoll für die Geschichte der Kongregation sind auch
die vielen Biographien der ersten verstorbenen Salesianer. Er lebte 38 Jahre lang an der Seite
Don Boscos. Seine Worte und seine zahlreichen Schriften waren eine ständige Erzählung der
kleinen und großen Erinnerungen Don Boscos. Er wurde 92 Jahre alt und starb in Turin am
17. Januar 1930. Don Bosco sah ihn mehrmals in seinen Träumen als Greis mit weißen
Haaren und letzten Überlebenden der ersten Generation.
Francesco Provera, 23 Jahre
Er wurde in Mirabello Monferrato am 4. Dezember 1836 geboren und lernte später Don
Bosco kennen. Mit 22 Jahren, nachdem er bei seinem Vater als Kaufmann gearbeitet hatte,
stellte er sich bei Don Bosco vor, weil er ‚schon immer Priester werden wollte‘. Don Bosco
entgegnete ihm sofort: „Diejenigen, die zu mir kommen wollen, müssen sich ‚kochen‘
lassen.“ Francesco erschrak ein wenig. Und Don Bosco sagte: „Das heißt, dass du mich den
uneingeschränkten Herrn deines Herzens sein lässt.“ Darauf Francesco: „Aber ich suche
nichts anderes. Genau dafür bin ich gekommen.“ Während er als Kleriker studierte, übte er im
Oratorium ein so intelligentes Apostolat aus, dass Don Bosco zu seinen Klerikern sagte:
„Lernt von ihm. Er ist ein großer Seelenjäger.“ Während er das zweite Semester Philosophie
studierte, machte Don Bosco ihn zum Lehrer der ersten Gymnasialklasse mit 150 Schülern!
Die Ordensgelübde legte er 1862 ab. Ein Jahr später, noch als Kleriker, ging er mit Don Rua
in seinen Geburtsort Mirabello Monferrato, um das erste Haus außerhalb Turins zu gründen.
Er wurde Präfekt (d.h. Verwalter) mit solcher Kompetenz, dass Don Bosco ihn nach einem
Jahr in das Kolleg nach Lanzo schickte, wo es eines sehr fähigen Verwalters bedurfte. In
diesem Jahr, am 25. Dezember 1864, wurde er Priester. In den folgenden Jahren betrachtete
ihn Don Bosco als ‚ständigen Präfekten‘ und schickte ihn in jedes neugegründete Haus, das
einen erfahrenen Ökonom brauchte, um sich gut weiterentwickeln zu können. Dann rief ihn
Don Bosco nach Turin zurück, nunmehr Zentrum immer schwerwiegenderer Initiativen. Don
Provera verband seine Arbeit als Verwalter mit einem intensiven priesterlichen Apostolat. Er
wurde Lehrer der Philosophie für die Kleriker, deren Geist zu formen er bestrebt war. Er war
sehr geschätzt wegen der großen Klarheit seiner Ideen und der Mühelosigkeit seiner Worte.
Nur wenige wussten, dass er als Ökonom und Dozent arbeitete, während er Gott für seine
Kleriker ein schweigsames und schmerzhaftes Leiden aufopferte: Seit 1866 plagte ihn ein
unheilbares Geschwür am Fuß. Er starb 1874 mit nur 38 Jahren. Don Bosco sagte: „Unsere
Gesellschaft verliert eines seiner besten Mitglieder.“
Giuseppe Lazzero, 22 Jahre
Mit zwanzig Jahren kam er vom Pino Torinese mit seinem Landsmann Carlo Ghivarello 1857
im Oratorium an. Er wollte Priester werden; und Don Bosco, der in ihm einen ‚guten Stoff‘
erkannte, schickte ihn zum Lateinstudium, an der Seite eines äußerst lebhaften Jungen aus
13

2.4 Page 14

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Carmagnlola namens Michele Magone. Michele war acht Jahre jünger als er; aber sie wurden
sofort Freunde. Er entschloss sich, für immer bei Don Bosco zu bleiben, und wurde am 10.
Juni 1865 mit 28 Jahren zum Priester geweiht. Als Don Provera starb, berief ihn Don Bosco,
diesen als Mitglied im Obernrat zu ersetzen; diese Aufgabe übte er bis 1898 aus. Als Don Rua
in Valdocco ‚der zweite Don Bosco‘ wurde, ernannte man Don Lazzero zum Direktor des
Hauses des Oratoriums. Als dann die Zahl der internen Jungen auf 800 anwuchs, genügte ein
Direktor allein nicht mehr. Don Bosco übertrug Don Francesia die Leitung der Schüler und
Studenten und Don Lazzero die Leitung der Handwerkslehrlinge. Auch im Obernrat wurde er
zuständig für die Berufsausbildung. 1885 vertraute ihm Don Bosco die schwierige Aufgabe
der ‚Beziehungen und der Korrespondenz‘ mit den Missionaren an, die die Werke in beiden
Teilen Amerikas vervielfältigten. 1897 im Alter von 60 Jahren, nachdem er von der
ungeheuren Arbeit entbunden worden war, erlitt er einen Zusammenbruch, von dem er sich
nicht mehr erholte. Er verlebte die letzten 13 Jahre abgeschieden im Haus von Mathi in
Geduld, im Gebet und im Einklang mit dem Willen Gottes. Er starb am 7. März 1910.
Francesco Cerruti, 15 Jahre
Nach dem Tod des Vaters Halbwaise und seiner Mutter äußerst zugetan, wurde er 1856 von
Don Bosco aufgenommen. Bei der Ankunft im November aus Saluggia (Vercelli) fühlte er
sich verloren und vom Heimweh gepeinigt. Aber er traf Dominikus Savio, der zwei Jahre älter
war als er. Er empfand Zuneigung zu ihm, und das Leben gab ihm das Lächeln zurück.
Dominikus starb gerade mal fünf Monate später und ließ ihn in Tränen zurück. Francesco,
dessen Heiligkeit Don Bosco auf die gleiche Stufe wie die des Dominikus stellte, war unter
den ersten vier Salesianern, die Don Bosco zum Besuch der Universität in Turin schickte.
Dort offenbarte er lebhafte und tiefe Begabung. Als eine übergangene Lungenentzündung ihn
1865 dahin zu raffen drohte (wie er unter Eid bezeugt), garantierte ihm Don Bosco, dass er
am Leben bleiben und noch lange arbeiten werde. Im Auftrag Don Boscos stellte er in seinen
noch sehr jungen Jahren ein Italienisches Wörterbuch zusammen, das viel Erfolg in den
Schulen erntete. Dann folgte eine Geschichte der italienischen Literatur und eine Geschichte
der Pädagogik. Mit 26 Jahren wurde er von Don Bosco nach Alassio (Savona) geschickt, um
das große Werk zu eröffnen und zu leiten. Mit einundzwanzig Jahren im Jahr 1885 wollte ihn
Don Bosco an seiner Seite und machte ihn zum Generaldirektor der salesianischen Schulen
und der salesianischen Presse. Mit fester und sicherer Hand half er Don Bosco, die noch so
junge Kongregation zu organisieren. Er arbeitete wirksam daran, die didaktische und die
moralische Einheit der salesianischen Schulen zu bewahren, indem er jährlich erzieherisch-
didaktische Normen herausgab. Er war aktiv tätig, und er schrieb. In Büchern, die sich rasch
verbreiteten, schrieb er die Pädagogik Don Boscos nieder, angefangen von den Elementen der
Pädagogik (1897) bis zu Das moralische Problem der Erziehung (1916). Von ihm sagte Don
Bosco: „Von der Sorte Don Ceruttis hat Gott uns leider nur einen einzigen geschenkt.“ Er
starb in Alassio am 25. März 1917.
Celestino Durando, 19 Jahre
Er kam 1856 mit 16 Jahren aus Farigliano di Mondovi (Cuneo) im Oratorium an. Vom ersten
Abend an traf er sich mit Dominikus Savio, der wie die übrigen Mitglieder des Immaculata-
Bündnisses die Nähe der Neuankömmlinge suchte, um ihnen zu helfen, den ersten Mangel an
Orientierung zu überwinden. Die beiden verstanden sich sofort. Es war eine echte Gnade
Gottes; und Celestino unterließ es nie, dem Herrn dafür dankbar zu sein. Ein Jahr später
erhielt er das Klerikergewand aus den Händen Don Boscos und trat sogleich in das aktive
Leben des Hauses ein. Die Profess legte er 1862 ab. Zwei Jahre später wurde er zum Priester
14

2.5 Page 15

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geweiht. Er studierte für sich und gab Unterricht. Don Bosco, dem er sich ganz geschenkt
hatte, vertraute ihm sofort (1858) die erste Gymnasialklasse mit 96 Schülern an und ermutigte
ihn, für seine Schüler die erforderlichen Bücher zu schreiben. Und Durando verfasste sehr
einfache Handbücher, die aber der Fähigkeit seiner Schüler, die vom Lande oder aus den
Fabriken kamen, angepasst waren. Sehr verbreitet waren seine Lateinische Grammatik und
seine Elementaren Regeln der Literatur. Seine anspruchsvollste Arbeit war das Lateinisch-
italienische und italienisch-lateinische Wörterbuch mit 936 Seiten. Er beendete es mit 35
Jahren, wobei er auch weiterhin seine Unterrichts- und Priestertätigkeit fortsetzte. Don Bosco
war mit dem Werk so zufrieden, dass er 1876 (Durando war 36 Jahre alt) den Autor dazu
bringen wollte, Papst Pius IX. ein Exemplar zu widmen. Don Durando war seit 1865 Mitglied
des Obernrats und ständig mit den Praktiken für die Eröffnung neuer Salesianerhäuser
beauftragt. Die häufigen Gründungsanfragen, die Don Bosco und darauf Don Rua erreichten,
landeten zwecks der ersten Antwort, der Verhandlungen und der erforderlichen Praktiken bei
ihm. Zwischen den Lateinbüchern und nüchternen Praktiken blieb Don Durando immer
Priester. Er war Kaplan der Generala, dem Haus, in dem die besserungsbedürftigen
Jugendlichen, die sehr an ihm hingen, eingeschlossen waren. Er verbrachte viele Stunden im
Beichtstuhl in der Maria-Hilf-Basilika und in anderen Instituten der Stadt Turin. Bei seinem
Tod am 27. März 1907 sagte Don Rua über ihn: „Ohne Aufhebens zu machen, vollendete er
ein Leben, das mit guten Werken angefüllt war. Wo auch immer er auftauchte, hinterließ er die
Spuren seines wahrhaft priesterlichen und salesianischen Geistes.“
Giuseppe Bongiovanni, 23 Jahre
Er wurde am 15. Dezember 1836 in Turin geboren. Als Don Bosco die fünfte Ausgabe der
Vita des Dominikus Savio veröffentlichte (1878), fügte er ein kurzes Lebensprofil des
Giuseppe Bongiovanni hinzu. Don Bosco schrieb:
„Einer unter denen, die am wirksamsten Dominikus Savio halfen, das Bündnis von der
Unbefleckten Empfängnis zu gründen und deren Statuten zusammenzustellen, war
Bongiovanni Giuseppe. Als Waise ohne Vater und Mutter war er von einer Tante dem Direktor
des Oratoriums (Don Bosco) empfohlen worden, der ihn im November 1854 liebevoll
aufnahm. Er war damals 17 Jahre alt. Von den Umständen genötigt, kam er schweren Herzen,
allerdings noch den Kopf voller Eitelkeiten der Welt und mit verschiedenen Vorurteilen
gegenüber der Religion… In kurzer Zeit fand er große Zuneigung zum Haus und zu den
Obern. Ganz konsequent berichtigte er seine Ideen und machte sich mit allem Eifer an die
Aneignung der Tugend und der Frömmigkeitsübungen. Begabt - wie er war - mit einem
scharfsinnigen Verstand und einer großen Lernfähigkeit, widmete er sich dem Studium…
Ausgerüstet mit einer blühenden Vorstellungsgabe, entwickelte er eine große Fähigkeit, Verse
zu dichten; dies sowohl in italienischer Sprache wie auch im Dialekt. Und während er bei den
familiären Unterhaltungen zum Vergnügen der Freunde mit dem Improvisieren über
scherzhafte Argumente aufwartete, schrieb er an seinem Schreibpult die schönsten Poesien,
von denen viele veröffentlicht wurden… Als er sich auf den Weg der kirchlichen Karriere
machte, zeichnete er sich während der Klerikerzeit auf Grund seiner Frömmigkeit, der treuen
Beobachtung der Regeln und seines Eifers für das Wohl seiner Kameraden aus. Er wurde
1863 zum Priester geweiht. Man kann es gar nicht ausdrücken, mit welchem Eifer er sich der
Ausübung seines heiligen Dienstes hingab… Nachdem er Dominikus Savio, mit dem er in
heiliger Freundschaft verbunden war, geholfen hatte, das Immaculata-Bündnis aufzubauen,
gründete er – obwohl erst Kleriker – mit der Erlaubnis der Obern ein anderes Bündnis zu
Ehren des allerheiligsten Sakraments, das zum Ziel hatte, den Kult unter der Jugend zu
fördern und die in der Tugend am meisten fortgeschrittenen Jungen im Dienst der heiligen
Funktionen zu unterweisen. So formte er den ‚Kleinen Klerus‘, um die Erhabenheit und die
15

2.6 Page 16

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Gnade der heiligen Handlungen zu steigern. Man kann sagen: Wenn die Kongregation des hl.
Franz von Sales der Kirche bereits eine beachtliche Zahl von Priestern schenken konnte, so ist
das zu einem großen Teil den Bemühungen des Priesters Bongiovanni um den Kleinen Klerus
geschuldet. Als 1868 die Epoche der Einweihung der in Valdocco errichteten Kirche zu Ehren
Mariens, der Helferin der Christen, näherkam, befasste sich Don Bongiovanni mit allem
Engagement damit, die notwendigen Dinge für diese Funktion und besonders in der
Vorbereitung des Kleinen Klerus in die Wege zu leiten… Er sparte nicht an Eifer, Mühen und
Schweiß, vor allem am Vorabend des 8. Juni dieses Jahres… Er, der sich so sehr für den guten
Ablauf der Festlichkeiten eingesetzt hatte, fühlte sich am 9. Juni, dem Tag der Einweihung,
krank, so dass er das Bett nicht verlassen konnte. Er wünschte sich so sehr, wenigstens einmal
die heiligen Geheimnisse in der neuen Kirche feiern zu können, und bat die heilige Jungfrau
inständig, ihm diese Gnade zu erlangen. Er wurde erhört. Am Sonntag in der Oktav… konnte
er die heilige Messe mit unermesslichem Trost im Herzen feiern. Nach der Messe sagte er zu
einem seiner Freunde, er sei so zufrieden, dass er getrost das Nunc dimittis anstimmen könne.
Und so kam es.“23 Er ging zurück ins Bett. Und am folgenden Mittwoch, dem 17. Juni 1868,
starb er im Namen des Herrn, umgeben von einem Freundeskreis. Er war erst 32 Jahre alt.
Fünf überlegen es sich anders
In der Gruppe des 18. Dezember 1858 gibt es weitere fünf Namen: Giovanni Anfossi,
Marcellino Luigi, Secondo Pettiva, Antonio Rovetto und Luigi Chiapale. Auch sie „schrieben
sich nach reiflicher Überlegung in die Fromme Gesellschaft ein“. Aber die Wechselfälle des
Lebens und die nachfolgenden Überlegungen führten sie dazu, sich früher oder später von der
Frommen Salesianischen Gesellschaft zu entfernen. Ich gebe auch von diesen fünf einige
Grundzüge wieder, weil auch sie unter den ersten waren, die an den Traum Don Boscos
geglaubt hatten.
Giovanni Anfossi, 19 Jahre
Im Jahr 1837 geboren, wurde er im Oratorium Kamerad und Freund Dominikus Savios und
blieb sein Kamerad und inniger Freund in der ganzen Zeit, die Dominikus im Oratorium
verbrachte. Jeden Morgen ging er zusammen mit Rua, Cagliero und Bonetti zur Schule bei
Prof. Bonzanino. Nachdem er sich in die Fromme Salesianische Gesellschaft eingeschrieben
hatte, machte er das Noviziat und legte die regulären dreijährigen Gelübde ab. Dann aber zog
er es vor, die Studien im Seminar weiterzuführen. Er verließ die Kongregation 1864, zwei
Jahre nachdem er die erste zeitliche Profess gemacht hatte. Er wurde ein ausgezeichneter
Priester, Kanoniker, Professor und Monsignore. Er besuchte sehr oft das Oratorium und war
brüderlicher Freund von Don Rua, Don Cagliero und Don Cerrutti. Er war der 20. vereidigte
Zeuge beim Seligsprechungsprozess Don Boscos und der 7. in dem des Dominikus Savio.
Seine Zeugenaussagen (aufbewahrte Manuskripte) sind umfangreich und sehr schön. Er starb
in Turin am 15. Februar 1913.
Luigi Marcellino, 22 Jahre
Geboren 1837, war er ebenfalls Kamerad und Freund Dominikus Savios. Er war unter den
ersten Mitgliedern des Immaculata-Bündnisses. Sein Name erscheint nicht unter den ersten
Professen. Er entschloss sich, seine priesterlichen Studien im Seminar fortzusetzen und wurde
Kurat der Pfarrei von den heiligen Märtyrern in Turin.
23 G. Bosco, ‚Vita di Domenico Savio‘, in Biografie edificanti (Rom: UPS, 2007) S. 76.
16

2.7 Page 17

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Secondo Pettiva (oder Petiva), 23 Jahre
Am Fest der Einweihung der Kirche zum hl. Franz von Sales (1852) sang ein Junge namens
Secondo Pettiva, geboren in Turin im Jahr 1836, einen Solopart und erhielt dafür großen
Applaus. Er zeigte erstaunliche Fähigkeiten in der Kunst der Musik. Mit 20 Jahren wurde er
mit Giovanni Cagliero die Seele der Musik im Oratorium. Einige Jahre hindurch war er
Animator für die Feste und die gemeinschaftliche Freude im Oratorium. Mit 24 Jahren
entschied er, dass es nicht seine Berufung sei, bei Don Bosco zu bleiben. Ein Jahr später
(1864) bat er seinen Kameraden und Freund Don Rua, ihn in das neue Haus in Mirabello
aufzunehmen. Er kehrte nach Turin zurück, wurde aber von einer schweren Form der
Tuberkulose heimgesucht. Don Bosco besuchte ihn mehrmals im Hospital San Luigi und
bereitete ihn auf die Begegnung mit dem Herrn vor. Er starb 1868 mit nur 30 Jahren.
Antonio Rovetto, 17 Jahre
Geboren 1842 in Castelnuovo d’Asti, trat er 1855 ins Oratorium ein. Er war Kamerad von
Dominikus Savio und gehörte zur Gründergruppe der Frommen Gesellschaft. Im Jahr darauf
unterzeichnete er mit Don Bosco und allen, die dazu gehörten, den Brief, der an den
Erzbischof Luigi Fransoni geschickt wurde, um die Approbation der ersten Regeln zu
erlangen. In den Protokollen des Obernrats steht geschrieben, dass Antonio Rovetto die
dreijährigen Gelübde in die Hände Don Boscos am 18. Januar 1863 ablegte. Er verließ das
Oratorium 1865. Über ihn gibt es leider keine weiteren Notizen.
Luigi Chiapale, 16 Jahre
Er wurde am 13. Januar 1843 in Costiglio Asti geboren und trat 1857 ins Oratorium ein. Er
war einer der Jungen, die Don Bosco nach Becchi zum Fest der Muttergottes vom Rosenkranz
begleitete. Als Kamerad und Freund von Dominikus Savio, Michele Rua und Giovanni
Cagliero … zählte er zur Gruppe der Mitglieder, die den Anfang der Frommen Gesellschaft
machte. Ein vertraulicher Zettel Don Boscos ermahnte ihn aber: „Du weist noch nicht, was
Gehorsam ist.“24 Er legte die erste Profess 1862 ab und erneuerte sie fünf Jahre danach. Er trat
in die Diözese von Saluzzo ein, wurde Priester und tüchtiger Prediger sowie Kaplan der
Mauritianer
von Fornaca Saluzzo (Cuneo).
Der Kanoniker Anfossi, einer der drei, die das Oratorium verließen, um in den Klerus der
Diözese einzutreten, bestätigte, dass Don Bosco sich von diesen Austritten nicht gekränkt
fühlte. „Er gab denen seinen Segen, die sich von ihm verabschiedeten, damit sie den Weg der
Tugend fortsetzen und Gutes tun sollten zum Heil der Seelen.“ Der Kanoniker Ballesio
ergänzte: „Bezüglich der Beziehungen, die ich zu Don Bosco hatte, kann ich auch nach
meinem Austritt aus dem Oratorium sagen, dass er (…) nicht aufhörte, die ‚Undankbaren‘ zu
lieben, sie zum Besuch ins Oratorium einzuladen und im Bedarfsfall auch weiterhin ihr
Wohltäter zu sein.“25
2.3 Die Jugendlichen von heute mit einbeziehen
24 MB VII S. 6.
25 MB V S. 406.
17

2.8 Page 18

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Es ist ganz sicher: Die Kongregation wurde gegründet und hat sich ausgedehnt, indem die
Jugendlichen, die sich von der apostolischen Leidenschaft Don Boscos und von seinem
Lebenstraum überzeugen ließen, mit einbezogen wurden. Wir müssen den Jugendlichen die
Geschichte der Anfänge der Kongregation, deren ‚Mitbegründer‘ die Jugendlichen waren,
erzählen. Die Mehrzahl von Ihnen (Rua, Cagliero, Bonetti, Durando, Marcellino,
Bongiovanni, Francesia, Lazzero, Savio) waren Kameraden von Dominikus Savio und
Mitglieder des Immaculata- Bündnisses. Und zwölf von ihnen waren Don Bosco bis zum
Tode treu.
Es ist wünschenswert, dass dieses ‚Gründungsgeschehen‘ uns hilft, die Jugendlichen von
heute immer mehr in das apostolische Engagement für das Heil anderer Jugendlichen mit
einzubeziehen. Einbezogen zu sein, bedeutet, das Erdreich zu werden, auf dem die
gottgeweihte salesianische Berufung natürlicherweise gedeiht. Haben wir den Mut, unseren
Jugendlichen die gottgeweihte salesianische Berufung vorzuschlagen!
Um Euch bei dieser großen Aufgabe zu helfen, stelle ich Euch drei meiner Überzeugungen
vor, die Euch helfen werden (zusammen mit dem, was ich bisher dargelegt habe), die
Geschichte der Anfänge zu ‚erzählen‘.
a) Don Bosco ahnte, dass der richtige Weg für seine Kongregation der Weg der Jugend war
Die Gottesmutter hatte es ihm in zwei prophetischen Träumen angezeigt, und er hatte keine
Angst, den Jungen und Jüngsten, die im Klima seines Oratoriums aufgewachsen waren, die
höchsten Verantwortungen anzuvertrauen.
Der erste der zwei Träume wird in der salesianischen Tradition als ‚der Traum der drei
Stationen‘ in der Erinnerung bewahrt. Er wird von Don Bosco selber in seinen Erinnerungen
an das Oratorium‘ mit dem ihm eigenen Schreibstil erzählt.
„Am zweiten Sonntag im Oktober jenes Jahres (1844) musste ich meinen Jugendlichen
bekannt geben, dass das Oratorium nach Valdocco verlegt würde. Aber die Ungewissheit über
den Ort, die Mittel und die Personen machten mich wirklich besorgt. Am Abend zuvor ging
ich mit unruhigem Herzen zu Bett. In dieser Nacht hatte ich einen neuen Traum, der eine
Ergänzung zu dem Traum zu sein schien, den ich als Neunjähriger in Becchi hatte…
Ich träumte, ich befände mich inmitten einer Menge von Wölfen, Ziegen und Zicken,
Lämmern, Schafen, Widdern, Hunden und Vögeln. Alle zusammen machten einen Krach, ein
Getöse oder noch besser: einen höllischen Lärm, der auch den Mutigsten einen Schrecken
eingejagt hätte. Ich wollte davonlaufen; da gab mir eine nach Art einer Hirtin sehr gut
gekleidete Frau ein Zeichen, zu folgen und diese seltsame Herde zu begleiten, während sie
voranschritt. Wir gingen dahin und dorthin und machten dreimal Halt. Bei jeder Station
verwandelten sich viele der Tiere in Lämmer, so dass ihre Zahl immer größer wurde.
Nachdem wir lange umhergezogen waren, befand ich mich auf einer Wiese, wo diese Tiere
herumsprangen und weideten, ohne dass sie einander Schaden zufügten.
Übermannt von Müdigkeit, wollte ich mich am Rand einer nahegelegenen Straße
niedersetzen; aber die Hirtin forderte mich auf, den Weg fortzusetzen. Nach einer weiteren
kurzen Wegstrecke befand ich mich auf einem weiten Hof mit einer Säulenhalle ringsum, an
dessen Ende eine Kirche stand. Da wurde mir bewusst, dass vier Fünftel dieser Tiere zu
Lämmern geworden waren. Ihre Zahl wurde nun riesengroß. In diesem Augenblick kamen
18

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einige junge Hirten dazu, um sie zu hüten. Aber sie blieben nicht lange und gingen bald
wieder davon. Da geschah ein Wunder: Viele Lämmer verwandelten sich in junge Hirten; und
während sie immer mehr wurden, kümmerten sie sich um die anderen. Als die Zahl der jungen
Hirten noch größer wurde, teilten sie sich auf und gingen anderswohin, um andere seltsame
Tiere zusammen zu holen und sie in andere Gehege zu führen…
Ich wollte die Hirtin fragen…, was sie mir mit diesem Umherziehen und mit diesen
Aufenthalten anzeigen wollte… „Du wirst alles verstehen, wenn du mit deinen leiblichen
Augen tatsächlich sehen wirst, was du jetzt mit deinen geistigen Augen siehst“.“26
„Durch die bildhafte Sprache des Traums“, kommentiert Don Stella, „fühlte Don Bosco, dass
er dazu bestimmt war, viele Jugendliche unter seiner Obhut zu haben, von denen manche in
junge Hirten umgewandelt und ihm in seinem Erziehungswerk helfen würden.“27
Den zweiten Traum, der in der salesianischen Tradition als ‚der Traum von der Rosenlaube‘
in Erinnerung bleibt, hat Don Bosco im Jahr 1864 erzählt. In der Erzählung von Don
Lemoyne wurde er 1903 veröffentlicht, während Don Rua, Msgr. Cagliero und Don Barberis
noch am Leben waren.
„An einem Abend im Jahr 1864 nach den Gebeten versammelte er in seinem Vorzimmer, wie
er es manchmal zu tun pflegte, diejenigen zu einer Konferenz, die schon zu seiner
Kongregation gehörten: Unter ihnen Don Michael Rua, Don Cagliero Giovanni… und Don
Barberis Giulio… „Ich habe euch schon verschiedene Dinge in Form eines Traumes erzählt,
aus denen wir entnehmen können, wie sehr die allerseligste Jungfrau uns liebt und uns hilft.
Da wir nun unter uns sind: Damit jeder von euch die Sicherheit hat, dass die Jungfrau Maria
unsere Kongregation will und damit wir uns immer mehr begeistern, für die Ehre Gottes zu
arbeiten, will ich euch nicht die Beschreibung eines Traums erzählen, sondern das, was die
Selige Jungfrau selbst mir gütigst zeigen wollte. Sie will, dass wir all unser Vertrauen in sie
setzen…
Eines Tages im Jahr 1847, an dem ich viel über die Art und Weise nachgedacht hatte, um der
Jugend Gutes zu erweisen, erschien mir die Königin des Himmels und führte mich in einen
bezaubernden Garten. Dort befand sich eine sehr schöne Arkade mit Kletterpflanzen, voll mit
Blättern und Blumen. Diese Arkade führte in eine wundervolle Laube, umgeben und bedeckt
mit herrlichen Rosen in voller Blüte… Auch der Boden war ganz bedeckt mit Rosen. Die
Selige Jungfrau sagte zu mir: (…) Das ist der Weg, den du gehen musst.
Ich zog die Schuhe aus; es hätte mir leid getan, diese Rosen zu zertreten. Ich begann zu
gehen, spürte aber sofort, dass diese Rosen sehr scharfe Dornen verbargen. Ich musste stehen
bleiben und zurückgehen.
Hier braucht man Schuhe, sagte ich zu meiner Begleiterin.
Gewiss – antwortete sie – man braucht gute Schuhe.
Ich zog die Schuhe wieder an und machte mich auf den Weg mit einer gewissen Anzahl von
Kameraden, die in diesem Moment aufgetaucht waren und baten, mit mir gehen zu dürfen.
26 G. Bosco, Memorie dell’Oratorio di S. Francesco di Sales dal 1815 al 1855. Einleitung, Anmerkungen und
kritischer Text von A. Da Silva Ferreira (Rom; LAS, 1991) S. 129-130. Die kursiv gedruckten Hervorhebungen
stammen von mir.
27 P. Stella, Don Bosco nella storia della religiosità cattolica. Bd. I: Vita e Opere (Rom: LAS, 1979²) S. 140.
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2.10 Page 20

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Viele Zweige fielen wie Girlanden von oben herab. Ich sah nur Rosen an den Seiten, Rosen
über mir, Rosen zu meinen Füßen… Meine Beine verfingen sich in den auf der Erde
ausgebreiteten Zweigen und wurden verletzt. Ich entfernte einen querliegenden Zweig und
stach mich; ich blutete an den Händen und dem ganzen Leib. Die Rosen verbargen allesamt
eine Riesenmenge von Dornen. Trotzdem setzte ich, ermutigt von der Seligen Jungfrau,
meinen Weg fort… Alle, die mich dahingehen sahen, sagten: ‚Don Bosco schreitet immer
über Rosen! Alles gelingt ihm!‘. Sie sahen nicht, dass die Dornen meine armen Glieder
peinigten.
Viele Priester, Kleriker und Laien, die ich eingeladen hatte, begannen, angezogen von der
Pracht dieser Blumen, mir freudig zu folgen. Doch als sie merkten, dass man auf Dornen
gehen musste, begannen sie zu schreien: ‚Wir sind betrogen worden!‘.
Nicht wenige traten den Rückweg an… Auch ich kehrte um, um sie zurückzurufen; aber ohne
Erfolg. Da begann ich zu weinen und sagte: ‚Ist es möglich, dass ich diesen ganzen so
mühsamen Weg allein gehen muss?‘.
Aber schon bald wurde ich getröstet. Ich sah eine Schar von Priestern, Klerikern und Laien
auf mich zukommen, die mir sagten: ‚Da sind wir. Wir alle sind die Ihren, bereit, Ihnen zu
folgen.‘ Ich machte mich auf den Weg und ging ihnen voran. Nur einige verloren den Mut und
gingen nicht mehr weiter. Aber ein großer Teil von ihnen kam mit mir am Ziel an.
Ich durchstreifte die ganze Laube und befand mich in einem wunderschönen Garten. Und
meine wenigen Begleiter waren abgemagert, zerzaust und blutig. Dann erhob sich ein leichtes
Lüftchen, und auf diesen Hauch hin wurden alle geheilt. Dann wehte ein anderer Wind, und
wie durch ein Zauberwort fand ich mich umringt von einer unermesslichen Zahl von
Jugendlichen und Klerikern, von (Laien-)Brüdern und auch Priestern, die sich daran
machten, mit mir zu arbeiten und diese Jugend zu führen. Manche von ihnen kannte ich vom
Sehen her; viele andere kannte ich noch nicht… Dann fragte mich die allerseligste Jungfrau,
die meine Führerin gewesen war:
Weißt du, was das bedeutet, was du jetzt siehst und was du vorher gesehen hast?
Nein.
Dann wisse: Der Weg, den du zwischen den Rosen und Dornen zurückgelegt hast, bedeutet
die Sorge, die du für die Jugend aufbringen musst. Du musst deinen Weg mit den Schuhen der
Abtötung gehen. Die Dornen sind… die Hindernisse, die Schmerzen, die Kümmernisse, die
dich heimsuchen werden. Aber verliert nicht den Mut. Mit Liebe und Abtötung werdet ihr
alles überwinden und zu den Rosen ohne Dornen gelangen.
Kaum hatte die Gottesmutter zu sprechen aufgehört, kam ich zu mir und fand mich in meinem
Zimmer wieder.“28
Wie man zwischen den Zeilen dieser zwei Träume lesen kann und soweit wir aus der
Geschichte des ersten Oratoriums wissen, fand Don Bosco keine bleibende Hilfe in anderen
Priestern aus seinem Gebiet; und er suchte sie auch nicht unter ihnen, wie es normalerweise
andere Wohltätigkeitsinstitutionen (Rosminianer, Cottolengo-Priester) taten, die sich in
unmittelbarer Nähe entwickelten. Es wurde ihm schon bald klar, dass er die ‚Hirten‘ innerhalb
seiner ‚Herde‘ suchen musste: der Ruf ging an Rua, Cagliero, Francesia, Cerutti, Bonetti…
Und ihnen, die noch sehr jung waren, vertraute er die höchste Verantwortung für seine
entstehende Kongregation an.
28 MB III S. 32-36. Die kursiv gedruckten Hervorhebungen stammen von mir.
20

3 Pages 21-30

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3.1 Page 21

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Eines Tages legte er seinen Gedanken folgendermaßen dar: „Ein großer Vorteil ist es für uns,
den größten Teil von denen, die einmal Salesianer werden, in noch sehr jungen Jahren
aufnehmen zu können. Sie wachsen heran, indem sie sich – ohne es selbst zu merken – an ein
arbeitsames Leben gewöhnen. Sie kennen den ganzen Ablauf der Kongregation und finden
sich mit Leichtigkeit in die Praxis einer jeden Angelegenheit hinein. Sie sind sofort gute
Assistenten und gute Lehrer, mit der Einheit des Geistes und der Methode, ohne es nötig zu
haben, dass sie jemand unsere Methode lehrt, weil sie sie gelernt haben, während sie noch
selbst Schüler waren… Ich glaube, dass bis zu unseren Zeiten noch keine Kongregation oder
Ordensgemeinschaft entstanden ist, die eine so große Leichtigkeit in der Auswahl der für sie
geeigneten Kandidaten gehabt hat… Diejenigen, die lange Zeit unter uns gelebt haben,
werden den anderen unseren Geist einflößen.“29
b) Don Bosco hatte keine Angst, seine Jugendlichen zu mutigen und – menschlich
gesprochen – waghalsigen Unternehmungen zu berufen.
Das erste Beispiel, an das ich Euch erinnere, ist die Zeit der Cholera, die zu Beginn des
Sommers 1854 ausgebrochen war. Es war ein furchtbarer Augenblick für die Stadt Turin. Am
Ende des Sommers hat man 1.248 Tote gezählt (die Stadt hatte damals 117 Tausend
Einwohner). Das Stadtviertel Dora war besonders betroffen: „Die Pfarrei St. Simon und
Judas, die die Pfarrei des Oratoriums war, verzeichnete 53% der Gesamtzahl der
Verstorbenen.“30 Die Angst verursachte „die Schließung der Geschäfte sowie die Flucht, die
sehr viele aus dem betroffenen Ort antraten. Mehr noch. An manchen Orten, kaum dass einer
von der Krankheit befallen war, bekamen die Nachbarn und sogar selbst die Angehörigen
solche Angst, dass sie ihn ohne Hilfe und ohne Beistand zurückließen.“31 Ein Lazarett wurde
im Westen von Valdocco provisorisch eingerichtet. Aber es gab nur wenige Mutige; die sich
für die Pflege der Kranken zur Verfügung stellten. Don Bosco wandte sich an die Größten
unter seinen Jungen.
Unter ihnen befand sich die Elite seiner künftigen Salesianer. Vier von ihnen (darunter Rua
und Cagliero) hatte er am 26. Januar dieses Jahres 1854 den ersten Vorschlag gemacht, „mit
der Hilfe des Herrn und des hl. Franz von Sales eine Probe der praktischen Ausübung der
Nächstenliebe abzulegen, um dann zu einem Versprechen zu kommen; und um schließlich –
sofern es möglich und angebracht sei – dem Herrn ein Gelübde zu machen. Seit diesem
Abend wurde der Name Salesianer jenen verliehen, die einen solchen Einsatz auf sich
nahmen oder es noch tun wollten.“32 Und er hatte keine Angst, dass seine erste Blüte durch
eine kühne Geste der Nächstenliebe zerstört werden könnte. Er sagte ihnen, dass der
Bürgermeister an die Besten der Stadt appelliert habe, sich in Krankenpfleger und deren
Helfer für die Cholerakranken zu verwandeln. Falls einer sich bei diesem Liebeswerk ihm
anschloss, dankte er ihm im Namen Gottes. Vierzehn erklärten sich bereit; „und dann noch
weitere dreißig, die sich mit soviel Eifer, Opferwille und Mut einsetzten, dass sie öffentliche
Bewunderung hervorriefen“.33 Am 5. August, dem Fest der Jungfrau Maria vom Schnee,
29 MB XII, S. 300. Die kursiv gedruckten Hervorhebungen stammen von mir.
30 P. Braido, Don Bosco, prete dei giovani nel secolo della libertà. Bd. I (Rom: LAS, 2003), 263.
31 G. Bonetti, Cinque Lustri di Storia dell’Oratorio Salesiano fondato dal sacerdote Don Giovanni Bosco (Turin:
Tipografia Salesiana, 1892), S. 420-421.
32 MB V S. 9. Vgl. ASC 9. 132 Rua.
33 G. B. Francesia, Vita breve e popolare di D. Giovanni Bosco (San Benigno Canavese: Libreria Salesiana,
1912) S. 183.
21

3.2 Page 22

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sprach Don Bosco mit denen, die eingeliefert worden waren, und sagte zu ihnen: „Ich möchte,
dass wir Seele und Leib in die Hände Mariens geben… Wenn ihr euch alle in die Gnade
Gottes versetzt und keine Todsünde begeht, versichere ich euch, dass keiner von euch von der
Cholera betroffen sein wird.“34
Es waren Tage drückender Hitze, der Ermüdung, der Gefahren, des ekelhaften Gestanks.
Michael Rua (17 Jahre) wurde von wütenden Leuten mit Steinen beworfen, während er das
Lazarett betrat. Das unwissende Volk glaubte, dass man da drin die Kranken töten würde.
Giovanni B. Francesia (16 Jahre) erinnert sich: „Wie oft musste ich, der weitaus Jüngere, die
Älteren dazu animieren, sich ins Lazarett zu begeben. – Aber die werden mich umbringen. -
Was sagt ihr da? Im Gegenteil, ihr werdet euch wohler fühlen. Und zudem bin ich da. – Ja?
Na gut, dann bringt mich, wohin ihr wollt.“ Giovanni Cagliero (16 Jahre) war dabei,
zusammen mit Don Bosco den Kranken im Lazarett zu helfen. Ein Arzt sah ihn und schrie:
„Dieser Jugendliche kann und darf nicht hier sein! Meint ihr nicht, dass das eine große
Unklugheit ist?“ – „Nein, Herr Doktor – antwortete Don Bosco – weder er noch ich haben
Angst vor der Cholera und es wird uns nichts passieren.“35 Giovanni B. Anfossi gab im
Seligsprechungsprozess Don Boscos zu Protokoll: „Ich hatte das Glück, Don Bosco bei
manchen Visiten zu begleiten, die er bei den Cholerakranken machte. Ich war damals erst 14
Jahre alt; und ich erinnere mich, dass ich bei meinem Dienst als Krankenpfleger eine große
innere Ruhe empfand. Dabei stützte ich mich auf die Hoffnung, außer Gefahr zu sein; eine
Hoffnung, die Don Bosco seinen Jungen zu vermitteln verstand.“36
Mit den Herbstregen ging die Pestplage zu Ende. Von den noch so jungen Freiwilligen Don
Boscos war keiner von der Cholera befallen worden.
Das zweite Beispiel, an das ich Euch erinnern will, ist die erste missionarische Aussendung
am 11. November 1875. Ende Januar hatte Don Bosco den Salesianern und Jugendlichen
mitgeteilt, dass die ersten Missionare bald in die Missionen nach Südargentinien aufbrechen
werden. Am 5. Februar verkündete er es offiziell in einem Rundbrief und erbat von den
Salesianern ihre Verfügbarkeit.37 Er entfachte eine unbändige Begeisterung.38
Unter den Älteren erweckte er aber Ängste und Perplexität wegen eines Unternehmens, das
waghalsig zu sein schien. Don Ceria schreibt: „Wir müssen zu jenen Zeiten zurückkehren, als
das Oratorium noch kein – ich möchte so sagen - internationaler Bereich war und die
Kongregation noch nicht das Klima einer Familie besaß, die eng auf ihr Oberhaupt
ausgerichtet war.“39 Am Tag der feierlichen Verkündung „zeigten sich einige Obern sehr
zurückhaltend beim Platznehmen auf der Tribüne; und zwar aus Angst, dass die praktische
Tatsache, nämlich Mangel an Personen und das Fehlen der Mittel die Aussendung scheitern
lassen würden.“40 Es gab schon so viele Werke in Italien, und die Zahl des Personals lag am
untersten Limit dessen, was unverzichtbar war. Mit der Abreise von zehn Missionaren (und
Don Bosco wollte nicht die ‚Auslaufmodelle‘, sondern die Besten der Kongregation schicken)
würden die Hauptwerke förmlich ausgeblutet.
34 MB V S. 83.84.
35 MB V S. 101.
36 MB V S. 101.
37 Lett. 5. Februar 1875, E II S. 451.
38 Vgl. G. Barberis, Cronichetta, quad. 3, S. 3-25: ASC A 001.
39 E. Ceria, Annali della Società Salesiana dalle origini alla morte di S. Giovanni Bosco (1841-1888) (Turin:
SEI, 1941) S. 249.
40 MB XI S. 143.
22

3.3 Page 23

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Das war so gut wie unvorstellbar: Das kolossale Werk in Valdocco mit 700 Jungen und etwa
sechzig Salesianern ohne Giovanni Cagliero! Mit 37 Jahren war er eine der zwei jungen
Säulen der Kongregation geworden: Rua, stiller und treuer Schatten Don Boscos, und
Cagliero, begeisterter Kopf und starker Arm Don Boscos. Mit dem theologischen Diplom war
er der Dozent der Kleriker, der unübertreffliche Meister und Komponist der Musik,
Geistlicher Direktor des Instituts der Don-Bosco-Schwestern, das gerade mal zwei Jahre
bestand. Es war auch schwierig, den Priester und Diplomtheologen Giuseppe Fagnano aus der
ohnehin noch schwachen salesianischen Struktur des Werkes in Varazze herauszureißen. Das
galt auch für all die übrigen, die durch die Abreise in die Missionen die salesianischen Kräfte
in verschiedenen Werken schwächen würden. Und dennoch schickte Don Bosco diese Gruppe
von Salesianern über den Ozean. Er sagte: „Wer weiß, ob nicht diese Abreise und dieses
Wenige wie eine Same ist, aus dem eine große Pflanze hervorgehen soll? Wer weiß, ob es
nicht wie ein Hirse- oder Senfkörnchen ist, das sich nach und nach ausdehnt und sehr viel
Gutes bewirken kann?“41 Sie reisten in ein unbekanntes Land ab und hatten als einzige
Sicherheit das Wort Don Boscos. Und diese Zehn setzten mit einer Geste des absoluten
Vertrauens in ihn den Anfang für großartige salesianische Missionen.
Es erfüllt mich mit Freude, die salesianische Welt zu betrachten und zu sehen, dass wir auch
heute keine Angst haben, uns in mutigen und – menschlich gesprochen – waghalsigen
Unternehmungen zu engagieren. In den vielen ärmsten Randgebieten der großen Städte, wo
man Gefahr läuft, unter den erbärmlichsten Jugendlichen die Gesundheit und auch das Leben
zu riskieren, da sind die Söhne Don Boscos. In abgelegenen und fernen Gebieten, die von
allen vergessen sind, in den Anden-Dörfern; in den Urwäldern, die die bedrohten
einheimischen Stämme schützen; im grenzenlosen afrikanischen Busch – überall ertönt die
helle Freude aus den salesianischen Oratorien. Falls wir diesen Mut oder diese Waghalsigkeit
vergessen haben, falls wir irgendwo verbürgerlicht oder träge geworden sind, ruft uns Don
Bosco auf, die Jugendlichen „in ihrer Umwelt zu erreichen und ihnen in ihrer Lebensart mit
entsprechenden Formen unseres Dienstes zu begegnen“ (Konst. 41). „Nach seinem Beispiel
wollen wir ihnen entgegen gehen in der Überzeugung, dass die wirksamste Art der Antwort
auf ihre Armutsformen gerade das vorbeugende Handeln ist.“42
c) Das Immaculata-Bündnis, gegründet von Dominikus-Savio, war der kleine Acker, auf
dem die ersten Samenkörner der salesianischen Blüte aufkeimten.
Dominikus kam im Herbst 1854 am Ende der tödlichen Pestseuche, die die Stadt Turin
dezimiert hatte, im Oratorium an. Er wurde sofort Freund von Michael Rua, Giovanni
Cagliero, Giovanni Bonetti und Giuseppe Bongiovanni, mit denen zusammen er zur Schule in
die Stadt ging. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit wusste er nichts von der ‚salesianischen
Gesellschaft‘, von der Don Bosco im Januar dieses Jahres zu einigen seiner Jugendlichen zu
sprechen begonnen hatte. Aber im folgenden Frühjahr hatte er eine Idee, die er Giuseppe
Bongiovanni anvertraute. Im Oratorium gab es hervorragende Jungen; aber es gab auch halbe
Rowdys, die sich schlecht benahmen; und es gab auch leidende Jungen, solche, die mit den
Studien Schwierigkeiten hatten oder die vom Heimweh gepackt waren. Jeder versuchte auf
seine Art, ihnen zu helfen. Warum konnten sich die gutwilligsten Jungen nicht in einer Art
‚Geheimbund‘ zusammentun, um eine kompakte Gruppe kleiner Apostel in der Masse der
41 MB XI S: 385.
42 26. GK, 98.
23

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anderen zu werden? Giuseppe erklärte sich einverstanden. Mit einigen sprach er darüber. Die
Idee kam gut an. Er entschloss sich, die Gruppe „Bündnis der Immaculata“ zu nennen. Don
Bosco gab sein Einverständnis: Sie versuchten ein kleines Statut zu erstellen. Er selbst
schreibt: „Einer derjenigen, die am wirksamsten Dominikus Savio bei der Gründung und bei
der Erstellung der Satzung halfen, war Giuseppe Bongiovanni.“43
Aus den Protokollen des Bündnisses, die im Salesianischen Archiv aufbewahrt werden,
wissen wir, dass die Mitglieder, die sich einmal in der Woche versammelten, zu zehnt waren:
Michael Rua (der zum ‚Präsidenten‘ gewählt wurde), Dominikus Savio, Giuseppe
Bongiovanni (gewählter Sekretär), Celestino Durando, Giovanni B. Francesia, Giovanni
Bonetti, Kleriker Angelo Savio, Giuseppe Rocchietti, Giovanni Turchi, Luigi Marcellino,
Giuseppe Reano und Francesco Vaschetti. Es fehlt Giovanni Cagliero, weil er sich von einer
schweren Erkrankung erholte und im Haus seiner Mutter weilte.
Der Schlussartikel der Satzung, die von allen, auch von Don Bosco, gebilligt wurde, lautete:
„Ein aufrichtiges, kindliches, unbegrenztes Vertrauen in Maria, eine einzigartige
Aufmerksamkeit Ihr gegenüber und eine beständige Verehrung werden uns über jedes
Hindernis erhaben, beharrlich in den Entschlüssen, streng gegen uns selbst, liebevoll
gegenüber dem Nächsten und korrekt in allem machen.“
Die Mitglieder des Bündnisses entschieden sich dafür, zwei Kategorien von Jungen zu
‚pflegen‘, die im geheimen Sprachgebrauch der Protokolle ‚Klienten‘ genannt wurden. Die
erste setzte sich aus Undisziplinierten zusammen, denjenigen nämlich, die leicht
Schimpfworte im Munde führten und handgreiflich wurden. Jedes Mitglied nahm sich eines
derselben an und galt als sein ‚Schutzengel‘ für die ganze erforderliche Zeit (Michael Magone
hatte einen ständigen ‚Schutzengel‘!).
Die zweite Kategorie bestand aus den Neuankömmlingen. Sie halfen ihnen, in Freude die
ersten Tage zu verbringen, wenn sie noch keinen kannten, nicht zu spielen wussten, nur den
Dialekt ihres Herkunftsortes sprachen und Heimweh hatten. (Francesco Cerruti hatte als
‚Schutzengel‘ Dominikus Savio; er erzählte mit schlichtem Charme über ihre ersten
Begegnungen).
In den Protokollen erkennt man den Ablauf einer jeden einzelnen Versammlung: ein
Augenblick des Gebets, einige Minuten der geistlichen Lesung, eine gegenseitige
Aufmunterung zum Empfang des Beichtsakramentes und der Kommunion. „Dann sprach
man über die anvertrauten Klienten. Man rief zur Geduld auf und zum Vertrauen in Gott in
Bezug auf jene, die zuinnerst unempfänglich und unsensibel zu sein schienen; und zur
Klugheit und Güte gegenüber denen, die zugänglich zu sein versprachen für die
Überzeugungsarbeit.“44
Wenn man die Namen der Mitglieder des Bündnisses der Immaculata mit den Namen derer
vergleicht, die als erste zur Frommen Gesellschaft gehörten, so hat man den bewegenden
Eindruck, dass das ‚Bündnis‘ die große ‚Generalprobe‘ für die Kongregation war, die Don
Bosco gründen wollte. Es war der kleine Acker, auf dem die ersten Samenkörner der
salesianischen Blüte aufkeimten.
43 G. Bosco, ‚Vita di Domenico Savio‘, in Biografie edificanti (Rom: UPS, 2007) S. 76.
44 P. Stella, Don Bosco nella storia economica e sociale (1815-1870) (Rom: LAS, 1980) S. 481.
24

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Das ‚Bündnis‘ wurde die Hefe des Oratoriums. Es formte ‚gewöhnliche‘ Jungen in kleine
Apostel mit einer ganz einfachen Formel um: eine wöchentliche Zusammenkunft mit einem
Gebet, dem Anhören eines guten Textes, eine gegenseitige Ermunterung zum Empfang der
Sakramente, ein konkretes Programm, wie und wem zu helfen sei im Umfeld, in dem man
lebte; ein lockeres Gespräch zum Austausch von Erfolgen und Misserfolgen der vergangenen
Tage.
Don Bosco war sehr zufrieden damit. Er wollte, dass das Modell in jedes salesianische Werk,
das neu entstand, übertragen würde, damit auch dort ein Zentrum von engagierten Jungen und
zukünftigen salesianischen und priesterlichen Berufungen entstünde.
Auf den vier Seiten der Ratschläge, die Don Bosco Michael Rua übergab, als er daran gehen
sollte, das erste salesianische Haus außerhalb Turins in Mirabello zu gründen, liest man diese
zwei Zeilen: „Sorge für die Gründung der Bündnisse von der Unbefleckten Empfängnis, aber
sei nur deren Förderer und nicht deren Leiter; betrachte diese Sache als Werk der
Jugendlichen.“45 (Diese Seiten sind eine der besten Zusammenfassungen seines
Erziehungssystems und sollten in der Folgezeit jedem neuen salesianischen Direktor
ausgehändigt werden.)
In jedem salesianischen Werk eine Gruppe von engagierten Jugendlichen, wie auch immer sie
genannt werden mag, aber als Fotokopie des alten ‚Immaculata-Bündnisses‘! Wäre das nicht
das Geheimnis, das Don Bosco uns anvertraut, um erneut salesianische und priesterliche
Berufungen aufkeimen zu lassen?
3. Gottgeweihte unter den Jugendlichen
Dass „die Auswahl der Jugendlichen, die Don Bosco als etwas über Dreißigjähriger (1844-
1846) vollzogen hat, des nötigen Humus der Gotthingabe bedurfte, um zur ‚Sendung‘ der
Salesianer zu werden“46, war seine Überzeugung nach einer langen und durchlittenen
Lehrzeit. Von Anfang an war er bestrebt, eine Gruppe von kirchlichen und Laien-Mitarbeitern
um sich zu scharen. Aber keiner dieser ersten Helfer wird in die Kongregation eintreten. Aus
Mangel an Mitarbeitern versuchte er, aus der eigenen Nachwuchsschmiede zu schöpfen. Im
Juli 1849 machte er sich daran, eine Gruppe von vier Jugendlichen, die mit ihm im Oratorium
arbeiteten, dem kirchlichen Stand zuzuführen. Die vier Kleriker (Giuseppe Buzzetti, Carlo
Gastini, Giacomo Bellia und Felice Reviglio) „blieben Don Bosco und seinem Werk ihr
ganzes Leben lang verbunden. Aber sie wurden nie Salesianer-Priester.“47 Nur Buzzetti wird
später Bruder und stirbt als Salesianer.
Wer weiß, ob nicht Don Bosco gerade durch diese Erfahrung die untrennbare Verflechtung
von Ordensweihe und Sendung im salesianischen Leben verstanden und verteidigt hat. Der
Diözesanpriester wird so „allmählich… zum Ordensmann, Lehrmeister und Gestalter einer
Gemeinschaft von Gottgeweihten“.48 Schon im ersten Artikel der Konstitutionen, der
mehrmals präzisiert wurde, wird klar, dass Don Bosco die Sendung zur Jugend als Ziel der
45 MB VII S. 526.
46 F. Motto, Ripartire da Don Bosco. Dalla storia alla vita oggi (Turin-Leumann: EDC, 2007) S. 83.
47 F. Desramaut, ‚Don Bosco fondatore‘, in M. Midali (Herausg.), Don Bosco Fondatore della Famiglia
Salesiana. Atti del Simposio (Rom, 22.-26. Januar 1989) S. 129. Vgl. MB III S. 549-550.
48 P. Braido, Don Bosco, prete dei giovani nel secolo della libertà. Bd. I (Rom: LAS, 2003) S. 435.
25

3.6 Page 26

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Kongregation festgelegt hat.49 Er war davon überzeugt, und das ist ein charakteristischer
Grundzug seiner Spiritualität, dass „der Fortschritt auf dem Weg zur ‚Heiligkeit‘ sich in der
Aktion des Dienstes, besonders an den bedürftigsten Jugendlichen, verwirklicht“.50 Sich Gott
hingeben, war für ihn die notwendige Voraussetzung, um sich den Jugendlichen zu widmen.
„Wir haben uns Gott geweiht“, schrieb Don Bosco an die Salesianer im Jahr 1884, „nicht um
uns an die Geschöpfe zu binden, sondern um – angetrieben allein von der Liebe Gottes – die
Liebe zum Nächsten zu üben.“51
3.1 Söhne gottgeweihter Gründer
Die Gruppe, die die ‚Gesellschaft des hl. Franz von Sales‘ am Abend des 18. Dezember 1859
bildete, bestand aus achtzehn Personen, einschließlich Don Bosco. Sie nannten sich ‚ascritti‘
(sinngemäß etwa: Zugehörige).52 Zwei von ihnen (Cagliero und Rua) gehörten zu denjenigen,
die sich fünf Jahre zuvor, am 26. Januar 1854,53 bemüht hatten, „mit der Hilfe des Herrn und
des hl. Franz von Sales eine Probe praktischer Ausübung der Liebe zum Nächsten abzulegen,
um dann zu einem Versprechen zu kommen; und um schließlich, sofern dies möglich und
angebracht sein sollte, dem Herrn gegenüber ein Gelübde zu machen“.54 Etwa drei Jahre nach
jenem 18. Dezember, am 14. Mai 1862 (sie sind nun zu zweiundzwanzig), werden die ersten
‚Salesianer‘ Gott geweiht, indem sie die ersten offiziellen Gelübde ablegen,55 während sich
Don Bosco selbst hingab „als Opfer für den Herrn, zu jeder Sache bereit, um für seine größere
Ehre und das Heil der Seelen zu sorgen“56.
In den Protokollen des ‚Obernrats‘ vom 14. Mai 1862 ist zu lesen:
„Die Mitbrüder der Gesellschaft des hl Franz von Sales wurden vom Generalobern
zusammengerufen, und der größte Teil von ihnen (die das Noviziatsjahr beendet hatten),
bestätigten ihre Zugehörigkeit zur entstehenden Gesellschaft durch das förmliche Ablegen
der dreijährigen Gelübde. Das taten sie auf folgende Weise:
Sig. Don Bosco, Generaloberer, bekleidet mit dem Rochett, bat jeden einzelnen, sich
niederzuknien, und auch er selbst kniete sich nieder. Er begann mit dem Gebet des Veni
49 Vgl. G. Bosco, Costituzioni della Società di S. Francesco di Sales 1858-1875. Einleitung und kritische Texte
von F. Motto (Rom: LAS 1982) S. 72-73.
50 F. Desramaut, Don Bosco en son temps (1815-1888) (Turin: SEI, 1996) S. 573.
51 MB XVII S: 17.
52 Von den achtzehn waren zwei Priester (Don Bosco und Don Alasonatti), einer Laie (Giuseppe Gaia) und der
Rest Kleriker. Deren Durchschnittsalter war unter einundzwanzig Jahren (Vgl. P. Stella, Don Bosco nella storia
economica e sociale (1815-1870) (Rom: LAS 1980) S. 295.
53 Dieses Jahr wäre die ‚Trennungslinie‘ zwischen der Zeit des Oratoriums und der der salesianischen
Gesellschaft, nach den Worten von A. J. Lenti, Don Bosco. History and Spirit. III: Don Bosco Educator, Spiritual
Master, Writer and Founder of the Salesian Society. Herausgegeben von A. Giraudo (Rom: LAS, 2008) S.
312.316-319.
54 MB V S. 9. Die anderen beiden, die sich am 26. Januar 1854 zusammen mit Cagliero und Rua engagiert hat-
ten, waren Rocchietti und Artiglia. Rocchietti, der zwar nicht unter denen war, die am 18. Dezember 1859 zu-
sammengerufen worden waren, gehört zur Gruppe der Professen vom 14. Mai 1862. Vgl. auch E. Ceria, Vita del
servo di Dio Don Michele Rua, primo successore di San Giovanni Bosco (Turin: SEI, 1949) S. 29.
55 Von den am 18. Dezember 1859 Zusammengerufenen gelangten drei nicht zur ersten Profess am 18.
Dezember 1862: Marcellino Luigi, Pettiva Secondo und Rovetta Antonio. Weitere acht traten während des
Trienniums (Praktikum) bei: Albera Paolo, Boggero Giovanni, Gaia Giuseppe, Garino Giovanni, Jarac Luigi,
Oreglia Federico, Rocchetti Giuseppe, Ruffino Domenico.
56 MB VII S. 163. Vgl. FDB 1873, Epistolario 5-6.
26

3.7 Page 27

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Creator (…). Dann beteten sie die Litanei von der Seligen Jungfrau… Nach Beendigung
dieser Gebete sprachen die Mitbrüder in sacris (= mit heiligen Weihen) D. Alasonatti Vittorio,
D. Rua Michele, D. Savio Angelo, D. Rocchietti Giuseppe, D. Cagliero Giovanni, D.
Francesia Giov. Batt., Don Ruffino Domenico; die Kleriker Durando Celestino, Anfossi Giov.
Batt., Boggero Giovanni, Bonetti Giovanni, Lazzero Giuseppe, Provera Francesco, Garino
Giovanni, Jarac Luigi, Albera Paolo; die Laien Cav. Oreglia Federico di S. Stefano und Gaia
Giuseppe mit lauter und klarer Stimme alle gemeinsam die Gelübdeformel… Nachdem dies
geschehen war, setzte jeder seine Unterschrift in ein eigens dazu bestimmtes Buch.“57
Don Bonetti fährt in seiner Chronik fort: „Wir machten also – 22 an der Zahl – die Gelübde,
außer Don Bosco, der mitten unter uns an dem Tisch kniete, auf dem das Kruzifix stand. Da
wir viele waren, wiederholten wir alle die Formel, während Don Rua sie vorlas. Dann erhob
sich Don Bosco und wandte sich an uns, die wir noch dort knieten, und richtete einige Worte
an uns… Unter anderem sagte er: „… Manch einer wird mir sagen: - Don Bosco – hat er
auch selber diese Gelübde abgelegt? – Seht her: Während ihr mir gegenüber diese Gelübde
ablegt, machte ich sie vor diesem Kruzifix für mein ganzes Leben, indem ich mich dem Herrn
als Opfer darbot, bereit zu jeder Sache, um für die größere Ehre Gottes und das Heil der
Seelen, besonders für das Wohl der Jugend, zu wirken. Der Herr möge uns helfen, unsere
Versprechen treu zu halten… Meine Lieben, wir leben in trüben Zeiten… Ich habe nicht nur
wahrscheinliche, sondern sichere Argumente dafür, dass es Gottes Wille ist, dass unsere
Gesellschaft ihren Anfang nimmt und weiter bestehen wird… Das alles lässt uns
argumentieren, dass wir Gott auf unserer Seite haben… Wer weiß, ob sich der Herr nicht
dieser unserer Gesellschaft bedienen will, um viel Gutes in seiner Kirche zu bewirken!... In
zwanzig oder dreißig Jahren, wenn der Herr uns auch weiterhin beisteht, wie er es bisher
getan hat, wird unsere Kongregation, verbreitet in verschiedenen Teilen der Welt, auch auf die
Zahl von tausend Mitgliedern ansteigen können.“58
In der Liste der 22 im Protokoll Aufgezählten erscheinen acht neue Namen, allesamt jung
oder noch ganz jung, vom zweiundzwanzigjährigen Domenico Ruffino bis zu den
siebzehnjährigen Paolo Albera und Giovanni Garino.
Die ersten ewigen Gelübde abzulegen, mit denen man sich Gott für das ganze Leben weiht,
erlaubte Don Bosco seinen Söhnen erst nach Ablauf der dreijährigen Gelübde. Die Protokolle
berichten: „Am 10. November 1865, nachdem sich alle Mitbrüder der Frommen Gesellschaft
des hl. Franz von Sales versammelt hatten, legte der Priester Lemoyne Giovanni Battista (26
Jahre alt, seit drei Jahren Priester der Diözese Genua; er war gekommen, ‚um Don Bosco zu
helfen)… vor dem Generalobern Priester Bosco Giovanni die ewigen Gelübde der Keuschheit,
der Armut und des Gehorsams ab, während ihm die zwei Zeugen Sac. Cagliero Giovanni und
Sac. Ghivarello Carlo je zur Seite standen.“
Die Protokolle berichten weiter: „Am 15. November legten vor dem Generalobern Sac. Bosco
Giovanni die ewigen Gelübde ab: Priester Rua Michele, Priester Cagliero Giovanni, Priester
Francesia Giovanni, Priester Ghivarello Carlo, Priester Bonetti Giovanni, Kleriker Bonetti
Enrico, Kleriker Racca Pietro, die Laien Gaia Giuseppe und Rossi Domenico.“59
57 MB VII S. 161.
58 MB VII S. 162-164. Vgl: FDB 992, Epistolario 10. - Die kursiv gedruckten Hervorhebungen stammen von
mir.
59 MB VIII S. 241.
27

3.8 Page 28

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Am 6. Dezember kommen zur Liste der ‚auf ewig Gottgeweihten‘ hinzu: Priester Durando
Celestino, Laie Oreglia Federico, Kleriker Jarach Luigi, Kleriker Mazzarello Giuseppe und
Kleriker Berto Gioachino.60 ‚Gottgeweiht‘, das hatte Don Bosco viele Male in den
Konferenzen zur Vorbereitung auf die Gelübde erklärt, bedeutet, dass jemand ‚zu Gott
gehört‘, ‚Gott gewidmet ist‘. In der Redensart Don Boscos werden ‚Gotthingabe‘, ‚Profess‘
und ‚heilige Gelübde‘ zu Synonymen.
Johannes Bosco hat sich immer als ‚Gottgeweihter‘ empfunden
Johannes Bosco hat sich immer als ‚Gott zugehörig‘ gefühlt. Wenn die Sommernacht schön
war, traten Mama Margherita und ihre Kinder aus dem Haus und setzten sich auf die
Türschwelle (die noch da ist, wenn auch von der Zeit abgenutzt, aber als stummer Zeuge), um
die frische Luft zu genießen. Sie schauten nach oben, in Richtung des einzigen ‚Videos‘, das
es damals gab: der Himmel, voller Sterne. Die Mutter sagte mit leiser Stimme: „Es ist Gott,
der alles geschaffen hat und der so viele Sterne da obenhin gestellt hat.“ Und Giovanni fühlte
sich umhüllt von der geheimnisvollen Gegenwart dieser großen, unsichtbaren Person, die
allem das Leben gegeben hat – auch ihm; und den überall zu entdecken, seine Mutter gelehrt
hat: am Himmel, auf den herrlichen Feldern, im Antlitz der Armen und im Gewissen, das mit
seiner Stimme sprach: „Das hast du gut, das hast du schlecht gemacht.“ Er fühlte sich ‚in Gott
und von Gott eingesenkt und umgeben‘.
Das ist das größte Geschenk, das seine heilige Mutter ihm gemacht hat. Die ‚Gottgeweihtheit‘
vollzog Giovanni Bosco unbewusst schon als Kind an der Hand seiner Mutter. Giovanni
Bosco brauchte nie eine Kniebank, um zu beten. Er betete früh am Morgen, wenn die Mutter
ihn weckte, im Knien auf dem Fußboden in der Küche an der Seite der Brüder und der Mutter.
Und dann ‚sprach er mit Gott‘, betete überall: auf dem Rasen, auf dem Heu, während er einem
Rind nachlief, das sich verlaufen hatte, und wenn er zum Himmel empor schaute. Auf dem
Bauernhof Moglia fanden Mama Dorothea und der Schwager Giovanni ihn eines Tages auf
den Knien. „Er hielt das Buch zwischen den Händen; die Augen hatte er geschlossen, das
Gesicht war zum Himmel gerichtet.“61 Sie mussten ihn schütteln, so sehr war er in seine
Gedanken versunken. Die Jahre, in denen er noch ein ganz junger Landarbeiter war, waren
Jahre, „in denen in ihm zutiefst das Gefühl für Gott und die Kontemplation Wurzeln schlugen,
denen er sich hingeben konnte in der Einsamkeit und im Gespräch mit Gott während der
Arbeit auf den Feldern.“62
Allmählich wurde das Gebet für Giovanni Bosco (Bauernjunge, Student, Seminarist, Priester)
zu einer Atmosphäre, die jede Handlung umgab, ohne den Rhythmus des Handelns zu
unterbrechen. Papst Pius XI., der als junger Priester nur zwei Tage mit ihm, dem
Achtundsechzigjährigen, verbracht hatte, hatte entdeckt: Es war eine Atmosphäre, die jede
Handlung Don Boscos durchdrang. Und er beschrieb sie mit fünf Worten: „Don Bosco war
bei und mit Gott.“
Der Papst fordert die Ordensweihe mit den Gelübden
60 ebd.
61 MB I S. 196.
62 P. Stella, Don Bosco nella storia della Religiosità cattolica. Bd. I: Vita e Opere (Rom: LAS, 1979²) S.36.
28

3.9 Page 29

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Im Jahr 1857 vertraute Don Bosco seinem geistlichen Leiter Don Cafasso die Schwierigkeiten
an, auf die er bei dem Bemühen stieß, sein Werk stabil und sicher zu gestalten. Er hatte
gedacht, dass ein ernsthaftes Versprechen von Seiten der Besten seiner Mitarbeiter, bei ihm zu
bleiben und mit ihm zu arbeiten, ausreichen würde. Aber die Tatsachen gaben ihm nicht
Recht. Es gelang ihm nicht, Jugendliche und Kleriker festzuhalten, um ihm bei seinem
Unternehmen zu helfen. Don Cafasso dachte nicht lange darüber nach und gab ihm zur
Antwort: „Für euere Werke ist eine Ordenskongregation unverzichtbar…; und sie müsste von
der höchsten Autorität der Kirche approbiert werden. Und dann können Sie frei über ‚Ihre
Mitglieder‘ verfügen.“63
Don Bosco war noch nicht ganz davon überzeugt und fragte auch Msgr. Losana, Bischof von
Biella, um Rat. Dann wandte er sich schriftlich an seinen Erzbischof Msgr. Fransoni, im Exil
in Lyon. Seine Antwort lautete, „er möge sich nach Rom begeben, um den unsterblichen Papst
Pius IX. um Rat und geeignete Normen zu bitten“.64
Don Bosco gehorchte seinem Erzbischof, und im Einleitungsteil zu den Regeln der
Gesellschaft des hl. Franz von Sales, Ausgabe 1877,65 schrieb er: „In einer Kongregation oder
Ordensgesellschaft sind die Gelübde notwendig, damit alle Mitglieder durch ein Band des
Gewissens mit dem Obern verbunden sind; und der Obere halte sich und die an ihn
Gebundenen mit dem Oberhaupt der Kirche und folglich mit Gott selbst in Verbindung.“66
Praktisch alle sagten ihm, dass „der Samen nicht in die Höhe sprießen kann (Sendung), ohne
dass zu gegebener Zeit seine Wurzeln sich in die Tiefe ausstrecken“ (Ordensweihe).
Don Bosco zögerte nun nicht mehr. Er überzeugte sich davon, dass auch seine Helfer – über
ihre Absicht, bei ihm zu bleiben und wie er zu arbeiten, hinaus – ‚Gott gehören‘ mussten, um
ihr ganzes Leben dem Heil der Jugendlichen zu widmen: „Die Hingabe an Gott für eine Zeit,
verwandelt sich in den Jugendlichen, wenn sie sich angezogen fühlen, bei Don Bosco zu
bleiben, allmählich in Attraktivität hinsichtlich des kirchlichen und religiösen Standes.“67
3.2 Don Boscos Belehrung an die Salesianer
Vor den Salesianern „spricht Don Bosco von der Salesianischen Gesellschaft als Prophet und
Weissager… Sich bei Don Bosco einzufinden, gehört zu einem göttlichen Plan. Die einzelnen
Salesianer sind erwählt und vorherbestimmt, wie Don Bosco Instrument der Ehre Gottes und
des Heils der Seelen zu sein“.68
63 MB V S. 685.
64 MB V S. 701.
65 In dieser Einleitung, „für deren Erstellung D. Bosco sich von D. Barberis und anderen helfen ließ, werden
gerade „die evangelischen und spirituellen Prinzipien des Ordenslebens herausgestellt“ (G. Bosco,
Konstitutionen der Gesellschaft des hl. Franz von Sales 1858-1875. Introduzione und testi critici von F. Motto
(Rom: LAS 1982) S. 20).
66 Regole o Costituzioni della Società di S. Francesco di Sales secondo il Decreto di Approvazione del 3 aprile
1874 (E. Torino 1877) ‘Ai Soci Salesiani’, S. 19.
67 P. Stella, Don Bosco nella storia della religiosità cattolica. Bd. II: Mentalità religiosa e Spiritualità (Rom:
LAS, 1969) S. 393.
68 P. Stella, Don Bosco nella storia della religiosità cattolica. Bd. II: Mentalità religiosa e Spiritualità (Rom:
LAS, 1969) S. 402.
29

3.10 Page 30

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Am Beginn des Buchs der Regeln schreibt Don Bosco einen langen Brief ‚An die
Salesianischen Mitglieder‘, vierzig Seiten, die die salesianischen Novizen etwa hundert Jahre
hindurch lasen und studierten. Don Bosco legt ausführlich die evangelischen Prinzipien und
seine Idee vom Ordensleben, der Gotthingabe, den Gelübden und dem salesianischen Leben
dar. Am Schluss schreibt er: „Empfangt die Gedanken, die als Andenken vorangestellt sind.
Ich hinterlasse sie euch vor meiner Abreise in meine Ewigkeit, von der ich spüre, dass sie sich
mir mit großen Schritten nähert.“69
Das ist der ‚harte Kern‘ und zugleich die herausragende Aussage dieser Seiten über unsere
Ordensweihe und unsere Gelübde. Mit Verehrung hören wir dieses ‚Erbe‘ unseres Gründers.
Der Gottgeweihte
Mit unseren Gelübden „weihen wir uns dem Herrn und stellen den eigenen Willen, die Mittel,
unsere physischen und moralischen Kräfte unter die Vollmacht des Obern, damit wir mit allen
ein Herz und eine Seele bilden, um die größere Ehre Gottes gemäß unseren Konstitutionen zu
fördern… Die Gelübde sind eine heroische Opfergabe… Die Kirchenlehrer vergleichen die
Ordensgelübde gewöhnlich mit dem Martyrium, weil – wie sie sagen – das, was den
Gelübden an Intensität fehlt, durch die Dauer ergänzt wird“.70
„Der Mensch, der sich Gott im Ordensleben weiht…, lebt mit größerer Reinheit des Herzens,
des Willens und der Werke; und konsequenterweise wird jedes seiner Werke, jedes Wort
spontan Gott dargeboten mit der Reinheit des Leibes und der Lauterkeit des Herzens.“71
„Durch die Beobachtung der Ordensgelübde kann der Ordensmann, bemüht um das, was zur
größeren Ehre Gottes gereicht, sich frei in den Dienst des Herrn stellen, indem er jeden
Gedanken an das Gegenwärtige und das Zukünftige vertrauensvoll in die Hände Gottes und
seiner Obern legt, die ihn vertreten.“72
„Wer ein Glas frischen Wassers aus Liebe zum himmlischen Vater darreicht, wird seinen Lohn
dafür empfangen. Wer die Welt verlässt, auf jede irdische Befriedigung verzichtet, Leben und
Mittel dahingibt, um dem göttlichen Meister zu folgen, welchen Lohn wird er dafür im
Himmel empfangen?“73
„In jedem unserer Ämter, in jeder unserer Arbeiten, in Leid oder Unbehagen, vergessen wir
nie, dass wir als Gottgeweihte uns nur für ihn anstrengen und nur von ihm unseren Lohn
erwarten sollen. Er führt genau Konto über jede kleine Sache, die in seinem Namen geschieht;
und es ist Bestandteil des Glaubens, dass er uns zu gegebener Zeit in reichem Maße vergelten
wird. Am Ende des Lebens, wenn wir uns vor seinem göttlichen Richterstuhl präsentieren
werden, wird er uns mit liebevollem Blick anschauen und uns sagen: Du bist in wenigem
69 Regole e Costituzioni della Società di S. Francesco di Sales secondo il Decreto di Approvazione del 3 aprile
1874 (Ed. Torino 1875) ‘Ai Soci Salesiani’, S. XLI.
70 Regole e Costituzioni della Società di S. Francesco di Sales secondo il Decreto di Approvazione del 3 Aprile
1874 (Ed. Torino 1877) ‘Ai Soci Salesiani’, S. 19.20.
71 Ebd. S. 16.
72 Ebd. S. 17.
73 Ebd. S. 18.
30

4 Pages 31-40

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4.1 Page 31

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getreu gewesen, und ich werde dich zum Herrn über vieles machen; tritt ein in die Freuden
deines Herrn.“74
Die heiligen Gelübde
Gehorsam
„Der wahre Gehorsam, der uns vor Gott und den Menschen liebenswürdig macht, besteht
darin, in guter Gesinnung alles zu tun, was uns von unseren Konstitutionen und unseren
Obern aufgetragen wird. Sie sind ja die Garanten unserer Handlungen vor dem Angesicht
Gottes… Er besteht darin, dass wir uns fügsam erweisen auch in den schwierigen Dingen, die
unserer Eigenliebe entgegenstehen, und sie auch unter Leiden und Schmerzen auszuführen. In
diesen Fällen ist der Gehorsam sehr viel schwieriger, aber auch sehr verdienstvoll und führt
uns – wie uns Jesus Christus versichert – zum Besitz des Himmelreiches. Der Gottgeweihte
wird mit viel Vertrauen mit dem hl. Augustinus sagen: ‚Herr, gib mir das, was du befiehlst;
und befiehl mir das, was du willst‘.“75
Armut
Der Gottgeweihte „erscheint wie einer, der nichts mehr besitzt, der arm geworden ist, um
reich zu werden mit Jesus Christus. Er folgt dem Beispiel des Erlösers, der in der Armut
geboren wurde, in der Entbehrung aller Dinge gelebt hat und nackt am Kreuz gestorben ist…
Es ist wahr, dass wir zuweilen manches Unbehagen auf Reisen, bei den Arbeiten und in der
Zeit der Gesundheit oder Krankheit ertragen müssen. Manchmal werden wir Speisen,
Kleidung oder anderes haben, die nicht nach unserem Geschmack sind. Aber gerade in diesen
Fällen müssen wir uns daran erinnern, dass wir arm sind und dass wir, wenn wir davon
Verdienste haben wollen, die Konsequenzen ertragen müssen. Hüten wir uns gut vor einer Art
von Armut, die vom hl. Bernhard sehr getadelt wird. Es gibt solche, sagt er, die sich rühmen,
zur Armut berufen zu sein, aber nicht die Begleiterscheinungen der Armut wollen… Andere
sind zufrieden, arm zu sein, solange ihnen nichts fehlt.“76
Keuschheit
Die Keuschheit „ist die am meisten notwendige Tugend, die große Tugend, die engelhafte
Tugend, um die alle anderen Tugenden einen Kreis bilden… Der Erlöser versichert uns, dass
diejenigen, die diesen unschätzbaren Schatz besitzen, auch im sterblichen Leben den Engeln
Gottes ähnlich werden.
Tretet nicht in die Salesianische Gesellschaft ein, ohne euch mit einer klugen Person beraten
zu haben, die zu dem Urteil kommt, dass ihr diese Tugend bewahren könnt.“
Und sozusagen am Ende des langen Briefs schließt Don Bosco: „Wer sich mit den heiligen
Gelübden dem Herrn weiht, bringt eine der kostbarsten Opfergaben dar, die der göttlichen
Majestät am wohlgefälligsten sind.“77
Der Traum der gottgeweihten Salesianischen Gesellschaft
74 Ebd. S. 40.
75 Ebd. S. 19.27.
76 Ebd. S. 28.29.
77 Ebd. S. 30.31.41.
31

4.2 Page 32

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Am Ende des Jahres 1881 greift Don Bosco mit 66 Jahren zur Feder und teilt allen
Salesianern einen Traum mit, den er in der Nacht vom 10. auf den 11. September hatte. Es ist
der berühmte ‚Traum von den Diamanten‘.
Er wandelt mit den Direktoren der salesianischen Häuser umher, als – so erzählt Don Bosco -
„unter uns ein Mann erschien, der so majestätisch war, dass wir nicht den Blick auf ihn
richten konnten… Ein reich besetzter Mantel bedeckte seine Person… Auf der Vorderseite
stand mit Leuchtbuchstaben geschrieben: Fromme Salesianische Gesellschaft des Jahres
1881; und auf deren Streifen standen diese Worte: Wie sie sein soll. Zehn Diamanten von
außerordentlicher Größe und ungewöhnlicher Strahlkraft waren es, die es verhinderten, den
Blick auf diese erhabene Person zu richten, es sei denn nur unter großer Qual.
Fünf Diamanten schmückten den hinteren Teil des Mantels… Ein größerer und heller
leuchtender befand sich in der Mitte und trug die Aufschrift: Gehorsam. Auf dem ersten
rechts war zu lesen: Gelübde der Armut… Links auf dem, der am meisten hervorragte, stand:
Gelübde der Keuschheit… Diese Brillanten sandten Strahlen aus, die sich nach Art von
kleinen Flammen erhoben und verschiedene schriftliche Aussagen trugen…
Auf den Strahlen des Gehorsams: Fundament des ganzen Baues und Zusammenfassung der
Heiligkeit. Auf den Strahlen der Armut: Ihnen gehört das Himmelreich. Die Reichtümer sind
Dornen. Die Armut baut man nicht mit den Worten, sondern mit dem Herzen und dem
Handeln auf. Sie wird das Tor zum Himmel öffnen und euch herein lassen. Auf den Strahlen
der Keuschheit: Zusammen mit ihr kommen alle Tugenden. Diejenigen, die das reine Herz
haben, werden die geheimen Dinge Gottes und Gott selbst schauen…
Es erschien ein Licht, das ein Schild beleuchtete, auf dem zu lesen stand: Die Fromme
Gesellschaft der Salesianer im Jahr des Heils 1900 – wie sie zu sein Gefahr läuft“... Es
tauchte erneut die Person von vorher auf… Ihr Mantel war entfärbt, wurmstichig, abgenutzt.
Auf der Seite, auf der die Diamanten befestigt waren, war stattdessen eine tiefe Schadstelle…
Anstelle des Gehorsams war nichts anderes als eine breite und tiefe Schadfläche ohne
Aufschrift. Statt der Keuschheit: Begierde und hochmütiges Leben. Statt der Armut stand nun:
Bett, Kleidung, Trinken und Geld. Bei diesem Anblick waren alle erschrocken.“
Don Bosco setzt die Erzählung fort und sagt, dass in diesem Augenblick die milde Stimme
eines Jungen ihn ermahnte: „Diener und Instrumente des allmächtigen Gottes, beobachtet
und begreift. Fasst Mut und seid stark. Die Dinge, die ihr gesehen und gehört habt, sind eine
göttliche Warnung, die nun euch und euren Brüdern gilt; seid auf der Hut und versteht die
Botschaft richtig…
Predigt unermüdlich, sei es gelegen oder ungelegen. Aber das, was ihr predigt, tut auch
beständig, so dass eure Werke wie das Licht seien, das ihr euren Brüdern und euren Söhnen
weitergebt als gesicherte Tradition von Generation zu Generation.
Seid aufmerksam und begreift: Eure Meditation am Morgen und am Abend sei auf die
Beobachtung der Konstitutionen gerichtet. Wenn ihr euch so verhaltet, wird euch die Hilfe
des Allmächtigen nie fehlen. Ihr werdet bewunderungswürdig sein in den Augen der Welt und
der Engel; und eure Ehre wird die Ehre Gottes sein.“
Don Bosco schließt sein Manuskript mit folgenden Worten: „Dieser Traum dauerte die ganze
Nacht; und am Morgen fühlte ich mich ganz erschöpft… Unsere Gesellschaft ist vom Himmel
gesegnet; aber der will, dass wir unser Werk leisten. Den angedrohten Übeln wird vorgebeugt
32

4.3 Page 33

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werden, wenn wir über die Tugend und die oben genannten Laster predigen; wenn wir das,
was wir predigen, praktizieren und an unsere Brüder mit einer in der Praxis bewährten
Tradition dessen weitergeben, was geschaffen wurde und was wir noch schaffen werden…
Maria, Hilfe der Christen, bitte für uns.“78
Irgendein salesianischer Historiker hat gesagt, dass in diesem Traum wenig Traum und viel
väterliche Ermahnung unseres heiligen Gründers steckt. Das mag so sein. Es tut aber der
Kraft der Aussagen (zum großen Teil aus der Bibel entnommen), die Don Bosco, zusammen
mit Gott, allen seinen Söhnen schenkt, keinen Abbruch. Sie müssen als tragende Grundlinien
für unser Leben und als Argument unserer Meditation gelten, um im Geist von ‚gottgeweihten
Salesianern‘ leben zu können.
4. Unsere Konstitutionen, der Weg der Treue
4.1 Die erste Fotografie, die Don Bosco gewollt hat
November 1875. Don Bosco steht kurz davor, seinen Traum, die ersten salesianischen
Missionare nach Südamerika in Richtung Patagonien zu schicken, zu verwirklichen. Und zum
ersten Mal in seinem Leben möchte er eine Fotografie. Er muss das Ereignis verewigen, um
es im großen Stil bekannt zu machen, weil es den Salesianern und ihren Jugendlichen als
Ansporn dienen soll. Zu diesem Zweck wendet er sich an den qualifiziertesten Fotografen von
Turin, Michele Schemboche.79 Im Studio des Fotografen sitzt er Modell mit den zehn
Missionaren in ‚offizieller Kleidung‘. Die Fotografie zeigt in den Einzelheiten die ganze
Bedeutung, die Don Bosco diesem Ereignis beimessen will. Die Teilnehmer sind auf
spanische Art mit dem charakteristischen Mantel bekleidet und tragen auf der Brust das
Kruzifix der Missionare. Der argentinische Konsul erscheint in Paradeuniform. Don Bosco
trägt den klerikalen Umhang (Ferraiolo) und die klerikale Kopfbedeckung (Zucchetto,
Pileolus), wie bei den großen Anlässen, wenn er etwa vor dem Papst erscheint. Von seinem
Platz aus überreicht er dem Anführer der Aussendung, Don Cagliero, ein Buch. Es sind die
Regeln der Salesianischen Gesellschaft. Er möchte dieser Geste, die für ihn einen tiefen Sinn
hat, Bedeutung verleihen.
Sein Nachfolger Don Rua wird später schreiben: „Als der ehrwürdige Don Bosco seine ersten
Söhne nach Amerika schickte, wollte er, dass ihn die Fotografie in deren Mitte darstellt,
während er Don Giovanni Cagliero, dem Anführer der Aussendung, das Buch unserer
Konstitutionen überreicht. Wie viele Dinge hat Don Bosco mit diesem Verhalten sagen
wollen! Es war, als hätte er sagen wollen: ‚Ihr werdet die Meere überqueren, werdet euch in
unbekannte Länder begeben, werdet mit Menschen verschiedener Sprachen und Sitten zu tun
haben, werdet wahrscheinlich großen Wagnissen ausgesetzt sein. Ich selbst möchte euch
begleiten, euch bestärken, euch trösten, euch beschützen. Aber das, was ich nicht selber tun
kann, wird dieses Büchlein tun. Bewahrt es als kostbaren Schatz‘.“80
4.2 Ein langer und dornenreicher Weg
78 C. Romero, die Träume Don Boscos. Edizione critica (Turin: Elle Di Ci, 1978) S. 63-71.
79 G. Solda, Don Bosco nella fotografia del‘800. 1861-1888 (Turin: SEI, 1987) S. 124.
80 Lettere circolari di Don Rua ai Salesiani (Torino: Tipografia Salesiana, 1910) S. 409.
33

4.4 Page 34

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Meine Lieben, ich lade Euch ein, mit mir den langen und dornenreichen Weg noch einmal zu
gehen, den unser heiliger Gründer für dieses ‚Büchlein‘ unserer Regeln auf sich nehmen
musste.
Nachdem er unsere Kongregation gegründet hatte, musste Don Bosco die Regeln (oder
Konstitutionen) verfassen und dafür die Approbation seitens der kirchlichen Autorität
erlangen. Es war die Norm, zuerst die Approbation der Diözese einzuholen und dann
eventuell die päpstliche. Aber da der Erzbischof von Turin sich in jenen Jahren in Lyon im
Exil befand und sich die Beziehungen mit ihm durch dritte Personen, die Don Bosco nicht
gerade wohlgesinnt waren, als schwierig gestalteten, dachte unser Gründer, er könne sich
direkt an den Papst wenden.
Er glaubte, es handele sich um eine einfache und kurze Angelegenheit. In Wirklichkeit war
die erste Fassung (1858) der Schlusspunkt von mehr als zehn Jahren erzieherischer
Erfahrungen, die er im Oratorium gemacht hatte. Es waren 58 Artikel, aufgeteilt in neun kurze
Kapitel. Es wurde schlicht und einfach ausgesagt, dass die Gesellschaft aus Klerikern und
Laien bestünde, die durch die Gelübde geeint und gewillt seien, sich dem Wohl der armen
Jugend zu weihen und die ‚katholische Religion‘ unter den einfachen Leuten ‚in Wort und
Schrift‘ aufrechtzuerhalten.
Die Seiten spiegelten ein Klima heiterer Familiarität wieder. Der Obere war der Vater einer
großen Familie. Die Spiritualität, die sich daraus ergab, war einfach und im Evangelium
verwurzelt. Die Mitglieder weihten sich Gott, indem sie sich vornahmen, Christus‘, dem
göttlichen Erlöser‘, nachzufolgen, der ‚damit begonnen hatte, zu handeln und zu belehren‘.
Und ihre Sendung bestand in der Praxis der Liebe zu den Jugendlichen, besonders zu den
ärmsten, und zum ‚einfachen Volk‘. Das war das überaus einfache Charisma, das die neue
Ordensgesellschaft in der Kirche zu leben gewillt war.
Vier Jahre zuvor hatte ein von Minister Rattazzi erlassenes Gesetz die ‚religiösen
Zusammenschlüsse‘, d.h. die Orden und Kongregationen, aufgehoben und ihre Häuser und
Güter ‚eingezogen‘. Dieses Gesetz, das zunächst nur auf Piemont angewendet wurde, sollte
bald auf ganz Italien ausgedehnt werden. Damit das nicht unserer Gesellschaft widerfahre,
hatte Don Bosco (auf den Rat desselben Ministers, der ihn schätzte) einen Artikel eingefügt,
in dem bekräftigt wurde, dass die Salesianer ganz und gar Ordensleute vor der Kirche seien;
aber auch Bürger, die ihre gesellschaftlichen Rechte vor dem Staat bewahrten. Diese
Formulierung (die sogar das Gefallen des Papstes Pius IX. fand) war eine absolute Neuheit,
die der Kirche neue Perspektiven erschloss: Wenn sie die Formulierung annahmen, hätten die
Ordensleute ab sofort keine Schikanen mehr vom Staat zu befürchten gehabt.
Bezüglich der ‚einfachen und kurzen Angelegenheit‘ hatte sich Don Bosco gewaltig geirrt.
Seit dem ersten Abdruck (1855) bis zur endgültigen Approbation vergingen fast zwanzig
Jahre.81 Don Bosco litt sehr darunter. Er fasste den ganzen leidvollen Weg so zusammen:
„Man nahm sich unsere armen Regeln vor und fand bei jedem Wort eine unüberwindbare
Schwierigkeit. Diejenigen, die mehr zu meinen Gunsten hätten tun können, waren die, welche
am entschlossensten eine gegenteilige Meinung vertraten.“82 Don Boscos Klage war in der Tat
nicht unbegründet: Das beweisen „die Korrekturen, die Ergänzungen, die
Meinungsänderungen, die Neubearbeitungen und die Abänderungen, die in den fast zwanzig
81 Vgl. M. Wirth, Da Don Bosco ai nostri giorni. Tra storia e nuove sfide (Rom: LAS, 2000) S. 145.
82 MB IX S. 499. In dieser letzten Zeile deutet Don Bosco die schweren Hindernisse an, die von Msgr. Gastaldi,
der 1871 Erzbischof von Turin geworden war, geltend gemacht wurden.
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4.5 Page 35

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Jahren der Gestaltung des Textes aufeinander folgten… Diese armen Hefte, diese einfachen
und ‚gequälten‘ Seiten geben Zeugnis davon, wie viel Don Bosco die Abfassung gewisser
Artikel oder Kapitel gekostet hat.“83
Es gab zwei Punkte, an denen sich die hauptsächlichen Kritiken entzündeten und in denen
Don Bosco nie nachgeben würde: die Unterscheidung in jedem Salesianer zwischen dem
‚Ordensmann‘, der der Kirche unterstand, und dem ‚Bürger, der die gesellschaftlichen Rechte
beibehielt‘ (der Bezug zu den ‚Zivilgesetzen‘ bereitete Schwierigkeiten, weil er wie eine
Anerkennung des Staates, der die Kirche verfolgte, aussehen konnte); und die Vollmacht des
Obern der Kongregation, die Salesianer, die er für würdig hielt, zu den heiligen Weihen
zuzulassen.
Am 3. April 1874 wurde der Text der Regeln, der in manchen Punkten überarbeitet worden
war, endlich approbiert. Aber als letzten Schritt bedurfte es des persönlichen Votums des
Papstes Pius IX. Das geschichtlich-spirituelle Vorwort (Proemium) wurde fallen gelassen.
Neu aufgenommen wurde die ‚Normalisierung‘ des Noviziats und der Studien. Ferner wurde
die Formel ‚bürgerliche Rechte‘ in ‚uneingeschränkten Besitz der eigenen Güter‘
umgewandelt. Und die ‚Vollmacht der Zulassung zu den Weihen‘ wurde zunächst nur als
‚Privileg‘ für die Dauer von zehn Jahren gewährt.84
Don Bosco löste mit einem Telegramm aus Rom das große Fest in Valdocco aus, wo man im
Gebet die ersehnte Approbation erwartete. Er bekannte aber, dass, wenn er vorher gewusst
hätte, was es ihn kosten würde, sein Mut wahrscheinlich geschwunden wäre‘.
4.3 Heiligkeit der von der Kirche approbierten Regeln
Sofort danach setzte von Seiten Don Boscos selbst das Gefühl des Respekts vor der neu
erworbenen Heiligkeit der salesianischen Regeln ein. Dieses Büchlein war nicht länger das
‚Kampffeld‘, auf dem Korrekturen, Ergänzungen und Überarbeitungen getätigt und bearbeitet
wurden. Es war die Darstellung (die im Wesentlichen in dem langen Meinungsstreit unberührt
geblieben war) des äußerst schlichten Charismas, das die neue Ordensgesellschaft in
demütiger Grundhaltung in die Kirche eingebracht und das die Kirche approbiert hat.
Don Bosco schrieb in dem Brief ‚an die salesianischen Mitglieder‘, der in das Buch der
Regeln einführen sollte: „Unsere Konstitutionen wurden endgültig vom Heiligen Stuhl am 3.
April 1874 approbiert. Diese Tatsache… versichert uns, dass wir uns in der Beobachtung
unserer Regeln auf stabile, sichere und – wir können sagen - unfehlbare Grundlagen stützen,
weil das Urteil des Oberhauptes der Kirche, das sie sanktioniert hat, unfehlbar ist.“85 Mit
seinem praktischen Gespür fährt Don Bosco sogleich fort: „Aber welche Wertschätzung die
Approbation auch immer mit sich bringen mag, sie würde nur wenig Frucht bringen, wenn
diese Regeln nicht gekannt und treu beobachtet würden.“86
83 G. Bosco, Costituzioni della Società di S. Francesco di Sales 1858-1875. Introduzione e testi critici a cura di
F. Motto (Rom: LAS 1982) S. 15.
84 Vgl. M. Wirth, Da Don Bosco ai nostri giorni. Tra storia e nuove sfide (Rom: LAS, 2000) S. 154-155.
85 Regole o Costituzioni della Società di S. Francesco di Sales secondo il Decreto di Approvazione del 3 aprile
1874 (Ed. Torino 1877) ‘Ai Soci Salesiani’, S. 3. - (Man kann anmerken, dass, als Don Bosco 1875 diese
Aussagen in der Einleitung zur ersten Veröffentlichung der approbierten Konstitutionen schrieb, gerade fünf
Jahre vergangen waren seit der Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit beim I. Vatikanischen Konzil.)
86 Ebd. S. 3.
35

4.6 Page 36

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4.4 Der ständige Refrain Don Boscos und Don Ruas
Von diesem Zeitpunkt an wird die Beobachtung der Regeln (d.h. der Gotthingabe und der
Sendung) zum ständigen Refrain oder Kehrreim Don Boscos. Im Rundfbrief vom 6. Januar
1884 formuliert und wiederholt, betont und erneuert er diese Einladung:
„Beobachtet unsere Regeln, jene Regeln, die die Heilige Mutter Kirche zu approbieren sich
gewürdigt hat, und zwar zu unserer Führung, für das Wohl unserer Seele und zum geistlichen
und zeitlichen Vorteil unserer geliebten Jugendlichen. Diese Regeln haben wir gelesen,
studiert; und jetzt sind sie Gegenstand unserer Versprechen und der Gelübde, mit denen wir
uns dem Herrn weihen. Deshalb empfehle ich euch aus tiefstem Herzen, dass niemand Worte
des Bedauerns, oder schlechter noch, des Bereuens darüber äußert, sich in dieser Weise dem
Herrn geweiht zu haben…
Manch einer von euch könnte sagen: Aber die Beobachtung unserer Regeln kostet Mühe. -
Die Beobachtung der Regeln kostet Mühe für den, der sie nicht gern einhält; für den, der sie
vernachlässigt hat. Aber in den Eifrigen, in denen, die das Wohl der Seele lieben, wird diese
Befolgung, wie der Göttliche Erlöser gesagt hat, zum süßen Joch, zur leichten Last…
Und zudem, meine Lieben, wollen wir vielleicht mit der Kutsche ins Paradies fahren?... Wir
haben uns Gott geweiht, nicht um zu befehlen, sondern um zu gehorchen; nicht um uns an die
Geschöpfe zu klammern, sondern um die Liebe zum Nächsten zu üben, angeleitet allein von
der Liebe Gottes; nicht um ein wohlhabendes Leben zu führen, sondern um arm zu sein mit
Jesus Christus, mit Jesus Christus hier auf Erden zu leiden, um uns seiner Ehre im Himmel
würdig zu erweisen.“87
Don Rua, erster Nachfolger Don Boscos, der ‚die lebende Regel‘ genannt wurde und heute
seliggesprochen ist, bezeichnete die Regeln so: „Buch des Lebens, Mark des Evangeliums,
Hoffnung unserer Erlösung, Maß unserer Vollkommenheit, Schlüssel zum Paradies. Verehrt
sie als die schönste Erinnerung und die kostbarste Reliquie unseres so sehr geliebten Don
Bosco!“88
4.5 Die Erneuerung der Konstitutionen
Nach dem II. Vatikanischen Konzil wurde ein Besonderes Generalkapitel einberufen (1971-
1972), um die Konstitutionen vollständig umzuarbeiten. Dabei sollten die zwei vom Konzil
angezeigten Forderungen eingehalten werden: Rückkehr zum ursprünglichen Charisma der
Kongregation und Anpassung der Konstitutionen an die Erfordernisse der Zeit.
Es waren fast sieben Monate intensiver Arbeit, „in einem lebendigen und zuweilen
angespannten Klima zwischen den Protagonisten der Tradition und denen des Wandels durch
Erneuerung, zwischen den Anforderungen der Einheit und denen der Dezentralisierung oder
87 Lettere circolari di Don Bosco e di Don Rua ed altri loro scritti ai Salesiani (Torino: Tipografia Salesiana,
1989) S. 21-22.
88 Lettere circolari di Don Rua ai Salesiani (Torino: Tipografia Salesiana, 1910) S. 123.
36

4.7 Page 37

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auch zwischen den Anforderungen der zentralen Autorität und denen der
Mitverantwortung.“89
In ihrem Inhalt und in ihrem Stil ergeben die erneuerten Konstitutionen „eine weniger
juridische als vielmehr spirituelle Lebensregel, die nicht nur Vorschriften formulierte, sondern
auch evangelische, theologische und salesianische Motivationen gab“.90 Die erneuerten
Regeln wurden ‚ad experimentum‘ für sechs Jahre und dann für weitere sechs Jahre
approbiert.
Im Jahr 1984 billigte das 22. Generalkapitel nach weiterer engagierter Arbeit den endgültigen
Text unserer erneuerten Regeln. Dieser Text wurde schließlich vom Heiligen Stuhl am 25.
November 1984 approbiert. Der Generalobere Don Egidio Viganò, siebter Nachfolger Don
Boscos, konnte in der Schlussansprache des Generalkapitels erklären: „Es ist ein organischer,
tiefsinniger, verbesserter, vom Evangelium durchdrungener Text, reich an Unverfälschtheit
der Ursprünge, offen gegenüber der Universalität und ausgerichtet auf die Zukunft, nüchtern
und würdevoll, reich an ausgeglichenem Realismus und an Aneignung der konziliaren
Prinzipien. Es ist der Text, der gemeinsam in Treue zu Don Bosco und als Antwort auf die
Herausforderungen der Zeit überdacht wurde.“91
4.6 Die Worte des Testaments
Don Bosco schrieb in den letzten drei Jahren seines Lebens nach und nach in ein Notizbuch
sein ‚geistliches Testament‘. Die unregelmäßige und mühselige Schrift weist auf den Mangel
an Sehkraft und seine physische Erschöpfung hin. Der Stil ist schmucklos, ausdrucksstark und
wirkungsvoll. Derjenige, der die kritische Ausgabe besorgt hat, schreibt: „Man könnte so wie
in einem Spiegel ein Selbstbildnis Don Boscos herauslesen… Angesichts gewisser Passagen
kann man sich nur schwer dem Eindruck entziehen, einen ‚heiligen‘ Text vor sich zu haben,
so durchströmt ist er von uneitlen und unvergänglichen Worten.“92 In diesem ‚Testament‘
widmet Don Bosco fünf Seiten der Begrüßung seiner Salesianer. Ich gebe hier die
wesentlichen Worte wieder:
„ Meine lieben und geliebten Söhne in Jesus Christus.
Bevor ich in meine Ewigkeit abreise, muss ich euch gegenüber einige Pflichten erfüllen… Vor
allem danke ich euch mit der lebhaftesten Zuneigung meines Herzens für den Gehorsam, den
ihr mir entgegengebracht habt, und für all das, was ihr getan habt, um die Kongregation zu
erhalten und zu verbreiten…
Ich empfehle euch, meinen Tod nicht zu beweinen… Anstatt zu weinen, fasst feste und
wirksame Entschlüsse, unerschütterlich zu bleiben in der Berufung bis zum Tod…
89 M. Wirth, Da Don Bosco ai nostri giorni. Tra storia e nuove sfide (Rom: LAS, 2000) S. 451.
90 M. Wirth, ebd. S. 452.
91 22. GK, 134 (ACG 311; 1984).
92 F. Motto, ‚Memorie dal 1841 al 1884-5-6. A‘ suoi figliouli salesiani‘, in P. Braido, Don Bosco Educatore.
Scritti e testimonianze (Rom: LAS 1992²) S. 391.
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4.8 Page 38

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Wenn ihr mich in der Vergangenheit geliebt habt, liebt mich auch in Zukunft durch die genaue
Befolgung unserer Konstitutionen…
Auf Wiedersehen, liebe Söhne, auf Wiedersehen. Ich erwarte euch im Himmel. Dort werden
wir über Gott, über Maria, die Mutter und Stütze unserer Kongregation, sprechen…. Dort
werden wir in Ewigkeit diese unsere Kongregation preisen; die Beobachtung ihrer Regeln hat
ja in starkem und wirksamem Maße dazu beigetragen, uns zu retten.“93
Dieses Testament enthält kostbare und anspruchsvolle Worte für uns alle. Ich glaube, dass
nach dem Evangelium das Buch der Regeln das zweite Buch für unsere tägliche Meditation
sein muss. Es wird die fortwährende Nahrung unserer Salesianität und die Verwirklichung der
Mahnung aus dem ‚Traum von den Diamanten‘ sein: „Eure Meditation am Morgen und am
Abend sei auf die Befolgung der Konstitutionen gerichtet.“
5. Don Bosco als Gründer „einer umfassenden Bewegung von Menschen,
die auf verschiedene Weise zum Heil der Jugend wirken“ (Konst. 5)
Als Gesellschaft vor 150 Jahren ins Leben gerufen, sind wir uns dessen noch bewusster
geworden, dass unser Vater nicht nur an uns gedacht hat, sondern dass er immer schon „eine
umfassende Bewegung von Menschen“ schaffen wollte, „die auf verschiedene Weise zum
Heil der Jugend wirken“ (Konst. 5). Wir sind gedacht als Verkünder und als Animatoren einer
charismatischen Familie. So drückte es das Besondere Generalkapitel aus: „Einer
übernatürlichen Weisung folgend, sollte Don Bosco innerhalb der Familie, die sich auf ihn
beruft, eine religiöse Gemeinschaft mit einer speziellen, die Sendung belebenden und
beseelenden Funktion gründen. Er verwirklichte seinen Plan stufenweise, indem er zunächst
mit den Besten seiner Jugendlichen in freundschaftliche Beziehungen trat. Hierauf setzte er
sie zur Probe in der praktischen Übung der Nächstenliebe ein. Der nächste Schritt war ein
Versprechen. Schließlich aber führte er sie zur Gotthingabe durch die Gelübde. So entstand
die erste salesianische Gemeinschaft.“94
5.1 „Die Söhne des Oratoriums, verstreut in der ganzen Welt“
Der Pädagogikprofessor Giuseppe Rayneri schrieb in einer kurzen Veröffentlichung zu Ehren
Don Boscos: „An einem Sonntagnachmittag des Jahres 1851 (Don Bosco war 36 Jahre alt,
und es fehlten noch gut acht Jahre bis zur Gründung der Salesianischen Gesellschaft) wurde
ein Lotterie veranstaltet. Es gab viele Sieger und somit auch viele zufriedene Gesichter.
Zuletzt warf Don Bosco vom Balkon aus Karamellen nach rechts und nach links in die Runde.
Und es gab auch viele, die den Mund voll Süßigkeiten hatten. Es war klar, dass sich die
„Evviva“-Rufe vervielfältigten. Don Bosco kam vom Balkon herunter, wurde gepackt und
wie zum Triumph als Zeichen der Freude hochgehoben. Da rief ein junger Student: „O Don
Bosco, wenn Sie doch alle Teile der Welt und in einem jeden davon viele Oratorien sehen
könnten!“ Don Bosco (es kommt mir so vor, als sähe ich ihn) wandte den majestätischen und
milden Blick ringsum und antwortete: „Wer weiß, ob nicht der Tag kommen wird, an dem die
Söhne des Oratoriums über die ganze Welt zerstreut sein werden!“95
Wer heute die Welt betrachtet, kann sehen, dass Don Bosco ein Prophet war.
93 F. Motto, ebd. 410-411.
94 BGK, 496.
95 MB IV S. 318.
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4.9 Page 39

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5.2 Das weite Netz der Don-Bosco-Familie
Don Bosco war keiner, der strahlende, aber trügerische Hoffnungen weckte. Er war keiner,
der freudige, aber gehaltlose Worte verbreitete. Don Bosco war ein großer und kräftiger
Baum. Er hatte das göttliche Leben in sich und gab es weiter. Wir Salesianer sind die schönste
und schöpferischste Frucht seiner ganzheitlichen Gotthingabe und seiner Leidenschaft, die
Jugendlichen, besonders die armen und gefährdeten, die Fülle des menschlichen und
christlichen Lebens erlangen zu sehen.
Aber wir sind nicht die einzige Frucht dieses großen und starken Baumes. Das Besondere
Generalkapitel erklärte: „Die Salesianer können ihre Berufung in der Kirche nicht allseitig
neu überdenken ohne Bezugnahme auf alle jene, die zusammen mit ihnen das Vermächtnis
ihres Gründers weitertragen. Aus diesem Grunde suchen sie nach einer größeren Einheit aller,
doch mit Rücksicht auf die authentische Verschiedenheit eines jeden.“96 Das erfordert die
gleiche und gemeinsame salesianische Berufung von dem Moment an, in dem es sich um eine
einzige göttliche Berufung „zur geordneten Verwirklichung, wenn auch in vielschichtigem
Einsatz, des Heils der bedürftigen und unversorgten Jugend nach dem Geist Don Boscos“97
handelt.
Und Don Bosco sieht ‚die Söhne des Oratoriums in aller Welt zerstreut‘, ein weites Netz von
Personen, die ihr Leben den armen und gefährdeten Jugendlichen mit der gleichen
Leidenschaft für Gott und für die jugendlichen Söhne Gottes widmen. Dieses weite Netz,
entstanden am Anfang der von Don Bosco selbst gegründeten Gruppen (zuerst die
‚Gesellschaft des heiligen Franz von Sales‘, dann das Institut der Töchter Mariens, der
Helferin der Christen, die Vereinigung der Salesianischen Mitarbeiter und die Vereinigung der
Verehrer Mariens, der Helferin der Christen) breitete sich nach und nach weiter aus und bildet
die große Don-Bosco-Familie, die heute 26 Gruppen umfasst.
Es sind auch andere Gruppen entstanden, die darauf warten, dass die Voraussetzungen reifen,
um formal als Mitglieder der Don-Bosco-Familie anerkannt zu werden. In der Zwischenzeit
bereitet man die Grundlage vor, auf der noch weitere Gruppen sich entfalten und sich
einbringen könnten.
Wir Salesianer, der ‚erstgeborene‘ Kern, der im Eifer der Leidenschaft Don Boscos
aufgekeimt ist, sind von ihm aufgerufen, ein großes Herz zu haben, das alle Mitglieder der
Don-Bosco-Familie als Brüder und Schwestern annimmt und anerkennt; eine dankbare und
freudige Annahme der Verschiedenheiten als Ausdrucksform des Geistes, der sich in vielen
Sprachen kundtut; der Wille, zusammen zu gehen auf ein gemeinsames Ziel hin: das Reich
Gottes den Jugendlichen und den Armen zu bringen.
5.3 Was Don Bosco fühlte und sah
Don Giulio Barberis, von Don Bosco 1874 zum ‚Novizenmeister‘ für die ganze Salesianische
Gesellschaft ernannt, sagte beim ‚Seligsprechungsprozess‘ unter Eid aus, dass Don Bosco
96 BGK, 151
97 BGK, 171.
39

4.10 Page 40

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1876, als er gerade mal drei Häuser eröffnet hatte, erzählte, dass er im Traum gesehen habe,
wie sich die Kongregation in allen Teilen der Erde ausgebreitet hätte. „Menschen aller
Hautfarben, mit jeder Art von Bekleidung und aus allen Nationen waren vereinigt… Da waren
sehr viele Salesianer, die wie an der Hand Gruppen von Jungen und Mädchen führten. Dann
kamen andere mit weiteren Gruppen. Dann nochmal andere und wieder andere, deren
Großteil ich nicht kannte und nicht unterscheiden konnte. Aber sie waren in unbeschreiblicher
Zahl da.“98
Ein Jahr später, im Januar 1877, in der üblichen Jahreskonferenz zu Ehren des hl. Franz von
Sales, wandte er sich „an alle Professen, Mitglieder und Aspiranten des Oratoriums und kam
auf ein Samenkorn zu sprechen, das noch ausgesät werden müsste, das Werk der
Salesianischen Mitarbeiter: „Es wurde gerade erst begonnen, und es gehören schon viele
dazu… Es wird nicht lange dauern, dann werden wir ganze Bevölkerungen und Städte im
Herrn vereint in einem geistlichen Band mit der Salesianischen Kongregation sehen… Es
werden nicht viele Jahre vergehen, bis ganze Städte und Bevölkerungsgruppen sich von den
Salesianern durch nichts anderes unterscheiden, als durch ihre Wohnungen. Wenn es jetzt
hundert Mitarbeiter gibt, wird ihre Zahl auf Tausende und Abertausende ansteigen. Wenn wir
jetzt zu Tausend sind, werden wir dann zu Millionen sein. Wir müssen uns nur bemühen,
diejenigen anzunehmen und einzutragen, die am besten geeignet sind. Ich hoffe, dass das der
Wille des Herrn sein wird.“99
Heute haben wir vor unseren Augen nicht die statische, sondern die dynamische, nicht die auf
heute festgelegte, sondern die auf morgen ausgerichtete Verwirklichung dessen, was Don
Bosco in jenen Träumen gehört und gesehen hat, in denen Gott ihm auf geheimnisvolle Weise
die Zukunft eröffnet hat. Don Stella kommentiert: „Don Bosco ließ Projekte aufleuchten, die
etwas Grandioses, wenn nicht gar Utopisches an sich hatten.“100 Die Don-Bosco-Familie ist
eines dieser großartigen Projekte, das aber nicht utopisch bleibt. Es wird von uns allen, den
Mitgliedern dieser Don-Bosco-Familie, abhängen.
Schluss
Liebe Mitbrüder, ich hatte Euch eingeladen, die Geschichte der Anfänge unserer
Kongregation zu erzählen. Nun gut, ich selbst habe einen ersten Versuch gemacht. Ich habe
allerdings nicht nur an das erinnert, was geschehen ist, sondern versucht, aus der vergangenen
Geschichte zu lernen. Unsere Anfänge sind die beste Anleitung dafür, auch weiterhin die
salesianische Geschichte mit Lebenskraft und Fruchtbarkeit zu schreiben. Ich wollte jene
Elemente herausstellen, die nach meinem Dafürhalten bestimmend gewesen sind für das gute
Gelingen dieses wunderbaren Planes Gottes: die Jugendlichen, unsere Identität als
gottgeweihte Apostel, die Treue zu Don Bosco, die Konstitutionen; das Bewusstsein,
integrierender Bestandteil der Don-Bosco-Familie zu sein und eine Funktion der
unersetzbaren Animation im Inneren derselben zu haben.
Es scheint mir keine Übertreibung zu sein, wenn ich sage, dass an den Anfängen der
Kongregation die Jugendlichen die wahren „Mitbegründer“ zusammen mit Don Bosco
waren. Einige Jugendliche bildeten ja den ersten Kern, der sich dafür engagierte, eine
98 MB XII S. 466.
99 MB XIII S. 81.
100 P. Stella, Don Bosco nella storia della religiosità cattolica. Vol. II: Mentalità religiosa e Spiritualità (Rom:
LAS, 1969) S. 368.
40

5 Pages 41-50

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5.1 Page 41

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Gesellschaft oder Kongregation zu errichten. Ich wünsche mir, dass dieser Jahrestag in jedem
Salesianer den Mut erneuert, den Jugendlichen die gottgeweihte salesianische Berufung
vorzuschlagen, und dass es tatsächlich zu einer Periode großer Fruchtbarkeit an Berufen
kommt.
Die Feier des 150. Jahrestags der Entstehung unserer Kongregation soll uns helfen, uns
unserer Identität als gottgeweihte Personen bewusst zu werden, die dem Primat Gottes
geweiht sind, in der Nachfolge des gehorsamen, armen und keuschen Christus, und die sich
ganz den Jugendlichen widmen. Diese unsere Identität müssen wir mit Freude leben und sie
beweisen im Eifer der Evangelisierung und im pastoralen Engagement, inspiriert am
Lebensprogramm Don Boscos, zum Ausdruck gebracht in dem Leitwort „Da mihi animas,
cetera tolle“.
Das Bewusstsein, dass wir den ganzen Don Bosco in den Konstitutionen finden und dass
unsere Treue zu ihm den Weg durch die Treue zu unserem Lebensentwurf nimmt, wird zum
Aufruf, die Konstitutionen zu vertiefen, zu meditieren und zu beten. Sie zeigen uns den Weg
der Treue zum Charisma Don Boscos und zu unserer Berufung. Ich würde sogar sagen, dass
nur der Salesianer, der aus den Konstitutionen seinen Lebensentwurf macht, zur Inkarnation
und zum lebendigen Abbild Don Boscos heute wird. Dieser Weg einer Umkehr durch eine
immer vollständigere Verwirklichung der Verpflichtungen der Heiligung, wie sie von der
Lebensregel vorgezeichnet sind, wird jeden von uns dazu bringen, die eigene Ordensprofess
zu erneuern, und zwar genau am 18. Dezember, dem Jahrestag, als Ausgangspunkt für eine
erneuerte Hingabe unseres Lebens an Gott und die Jugendlichen. Wie Don Bosco.
Das zunehmende Bewusstsein, dass Don Bosco nicht nur an eine Kongregation gedacht hat,
sondern immer schon „eine umfassende Bewegung von Menschen“ schaffen wollte, „die auf
verschiedene Weise zum Heil der Jugend wirken“ (Konst. 5), muss uns daran erinnern, dass
wir als Kongregation in der Don-Bosco-Familie eine besondere Verantwortung für die
Einheit des Geistes und die brüderliche Zusammenarbeit haben. Wir können nicht außerhalb
derselben leben, weil sie unsere Familie ist. Sie kann nicht wachsen und sich nicht
vervielfältigen ohne uns, ihr Herz und ihren Animator.
Ich vertraue Maria, der heiligen Mutter Gottes und Helferin der Christen, alle und einen jeden
von Euch an, während wir die Verkündigung des Herrn feiern und uns freudig und dankbar an
den 75. Jahrestag der Heiligsprechung unseres geliebten Gründers und Vaters Don Bosco
erinnern. Maria, die Helferin der Christen, und Don Bosco mögen uns helfen, freudig,
großherzig und treu unsere salesianische Berufung zu leben und in ihr den Weg unserer
Heiligung zu finden.
Euch in Zuneigung und Wertschätzung verbunden,
Don Pascual Chávez Villanueva
Generaloberer
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5.2 Page 42

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