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Bosco, Johannes
Biographische Anhaltspunkte
Giovanni Bosco, hervorgegangen von Francesco und Margherita Occhiena, seiner
Frau, am 16. August 1815 in dem Weiler Morialdo, Gemeinde Castelnuovo in
Piémont in den sardinischen Staaten, verlor im Alter von einundzwanzig Monaten
seinen Vater.1 Seine familiäre Situation erlaubte ihm erst im Januar 1831 im Alter
von fünfzehn Jahren richtige Studien zu beginnen, zuerst in seiner Heimatgemein-
de, dann in der benachbarten Stadt Chieri (1831-1835). 1835 begann er im Semi-
nar dieser Stadt die geistlichen Studien, die ihn 1841zum Priestertum führten.
Man wird ihn von nun an Don Bosco nennen. Anschließend nahm er drei Jahre
des ergänzenden pastoralen Studiums am „kirchlichen Konvikt“ von Turin auf
sich und begann seitdem ein Apostolat zugunsten der jungen Burschen dieser
Stadt, den mitunter straffälligen oder potentiell straffälligen Jugendlichen, was er
bald „Oratorium des heiligen Franz von Sales“ nannte. Dieses Werk festigte sich
1846 in dem Valdocco genannten Vorortviertel.
Um sich helfen zu lassen, sammelte er Menschen guten Willens um sich. Mit
den Jüngsten rief er 1859 eine Keimzelle einer Ordensgemeinschaft ins Leben, die
Fromme Gesellschaft des hl. Franz von Sales, während andere Nahestehende in
einer Gruppe ihm fest verbunden blieben, die er später (1876) salesianische Mi-
tarbeiter nennen wird. Während das einfache Oratorium sich ausweitete, wurde
Don Bosco zum Autor von religiösen Kleinschriften und übernahm die Führung
einer kleinen volkstümlichen apologetischen 诲诲め瞎瞐瞐 Zeitschrift, betitelt Letture cattoliche
(„Katholische Lektüren”). Eine große und schöne Kirche, Maria Hilfe der Chris-
ten geweiht, erhob sich durch seine Bemühungen 1868 in Valdocco und löste eine
Wallfahrt aus. Sein persönlicher Ruf als Wundertäter trug dazu bei, die Pilger
anzuziehen. 1872 fügte Don Bosco seiner männlichen Kongregation einen weibli-
chen Zweig hinzu, die Töchter Mariä Hilfe der Christen, und 1874 erreichte er die
Anerkennung seiner Konstitutionen durch die römischen Autoritäten.
Das bis zu dieser Zeit regionale Werk fing damals an, sich in Italien zu entwi-
ckeln, in Frankreich (1875) und jenseits des Meeres in Argentinien (1875). Die
Salesianer schufen in diesen Ländern vorzugsweise für die Armen und die Verlas-
senen Berufs- und Landwirtschaftsschulen wie auch höhere Schulen. Ihre Kon-
gregation war missionarisch geworden. In den letzten Jahren des Heiligen waren
vor allem zwei große Reisen bedeutsam, welche die Gestalt eines Triumphzuges
annahmen, die eine in Frankreich bis Paris und Lille (1883), die andere nach Bar-
celona in Katalonien (1886). 1884 akzeptierte ein erschöpfter Don Bosco in der
Person seines sehr treuen Schülers Micheal Rua, einen Vikar mit dem Recht auf
Nachfolge. Er starb am 31. Januar 1888, wurde von Pius XI. 1929 seliggespro-
chen und am 1. April 1934 kanonisiert.

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Don Bosco in der Geschichte der Spiritualität
In seiner Geschichte der italienischen Spiritualität spricht Massimo Petrocchi,
angekommen beim neunzehnten Jahrhundert, von Don Bosco mit folgenden Wor-
ten:
„Turin war grau und unsauber in seinen Konstruktionen und seinem Städte-
bau, es war das Ottocento! Aber welche großen Herzen sah man darin! Solcher
Art ist sicherlich der Grundzug, der alsbald in der Persönlichkeit des heiligen
Giovanni Bosco auftaucht (Castelnuovo d’ Asti, heute Castelnuovo Don Bosco
1815 – Turin 1888). Seine Güte und seine Liebe haben nichts Instinktives noch
„Gefühlsbetontes“; es sind dagegen die reichsten Früchte seiner charitas und sei-
ner pietas.
„Auf den ersten Blick kann es scheinen, dass die Aktion oder ein gewisser ju-
ridisch-kanonischer Formalismus in Don Bosco vorherrschen. Jedoch steht alles
in Verbindung mit einem sehr starken Innenleben, mit der Kontemplation selbst.
Er ist vielleicht der Heilige, der im neunzehnten Jahrhundert am besten in sich die
Identität der Arbeit mit dem Gebet im Sinne des heiligen Paulus realisiert hat.
Seine praktische Aktivität war offen für die Gesamtheit an transzendenten Lösun-
gen; so sehr, dass man in seinem Fall von der „Ekstase der Tat“* hat sprechen
können. Aber gab es nur das? Deckte sich bei ihm die Arbeit mit dem Gebet? Man
hat zurecht bemerkt, dass für ihn der Sinn für das Gebet auch ein Zeichen der
Vollkommenheit war. Was die anderen mystischen Stadien betrifft: Wenn Don
Bosco „uns nicht seine persönlichen Erfahrungen der inneren Sammlung und des
mit dem gegenwärtigen Gott vereinten Lebens anvertraut, wenn er uns nicht eine
Theorie liefert über das Gebet der Vereinigung und die Betrachtung, so zeigt er
sich nichtsdestoweniger bereit, gewisse Stadien des geistlichen Lebens bei Perso-
nen, mit denen er das Leben teilte, als Vereinigung und liebevolle Ko-Präsenz zu
bezeichnen.“2 Seine Arbeit, wäre sie stets neben dem Gebet „getan“ worden ?
„Es ist nicht notwendig, hier den pädagogischen Gedanken Don Boscos in
Erinnerung zu bringen. Man wird hier nur hinzufügen, dass die Flucht vor dem
Müßiggang nicht reicht, dass es notwendig ist, sich von der Vertrautheit der Guten
umgeben zu fühlen und zu sein: „Wer geliebt sein will, muss zeigen, dass er
liebt“3. Das Kind muss in seinem Willen gebildet werden, der „einzigen Quelle
der wahren und reinen Liebe, der gegenüber die Sensibilität nur ein gefälschtes
Bild ist“. Die Tugend lockt wirklich das Kind, aber „weil sie der Schwäche seiner
Natur widerstrebt, interpretiert es diesen inneren Widerwillen als einen entgegen-
gesetzten Willen“4.
„Um seine Methode, „für das Heil zu sorgen“, zu verstehen, ist der beach-
* Pers. Anm. d. Ü.: Vgl. zum Begriff „Ekstase der Tat” die Ausführungen des hl. Franz von
Sales in der Abhandlung über die Gottesliebe, Buch VII, Kap. 4 (h.z.n.: DA, Band 4, S. 45):
„Was nun, mein lieber Theotimus, die heiligen Ekstasen betrifft, so gibt es deren drei Arten.
Die erste ist die des Verstandes, die andere die des Gemütes, die dritte die der Tat. Die erste
beruht auf glanzvoller Schönheit, die zweite auf der Inbrunst, die dritte auf dem Werk. Die
eine geschieht durch Bewunderung, die zweite durch fromme Hingabe, die dritte durch die
Tat.”
Francis Desramaut, Einhundert Schlüsselworte der salesianischen Spiritualität,
Art.: „Bosco, Giovanni” - „Bosco, Johannes”

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tlichste Text sein Giovane provveduto (Turin, neu herausgegeben 1847). Seine
sicherlich strenge Methode ist zu gleicher Zeit optimistisch: „Ich will euch eine
Art des christlichen Lebens lehren, die euch gleichzeitig froh und zufrieden ma-
chen kann, und euch zeigen, welche die wahren Unterhaltungen und die wahren
Freuden sind“.5 In seinem Präventivsystem ist der zentrale Punkt die sakramentale
„Methode“, auch für den Herzensfrieden. „Die oftmalige Beichte, schrieb er6, die
häufige Kommunion, die tägliche Messe sind die Säulen die ein erzieherisches
Gebäude stützen müssen, von dem man die Drohung und das Laster fernhalten
will.“7
Der heilige Johannes Bosco, Patron der Jugend
Er ist einer dieser Heiligen, denen man, wie es heißt, den lieben Gott ohne
Gewissensbisse anvertrauen würde.
(Und ich würde nicht soviel über all die Patentierten und Eigenwilligen des-
selben Berufes sagen.)
Man sieht sofort, dass er nicht nur ein Heiliger, sondern ein aufrichtiger Mann
ist.
Er ist klar wie ein Morgen des Maimonats und rund wie ein Apfel.
Ich liebe diese kräftigen gelockten Haare auf seiner Stirn und diesen Eindruck
von Stärke und Wendigkeit, den er gibt.
Überall, wo dieser Bosco die Hand anlegt, da fühlt man, dass Autorität zuge-
gen ist.
Autorität und Sanftmut, Gottesliebe und Liebe zu all diesen Kindern ohne
Vater, die ihm anvertraut sind.
Überall, wo es arme Kinder gibt, ist er gefragt:
Diese Jugend, diese ganze Armut, mit dem Morgenstern auf der Stirn, das
wär’s, die Kirche die er wünscht.
Eine tatkräftige Kirche, mit Säge und Hammer, da sie glaubt, arbeitet und aus
Leibeskräften singt:
Und er stellt sich in die Mitte wie Mose; voll von Weisheit und Ordnung,
reich an Worten als auch an Trost und den Sakramenten.
Er ist es, der die Welt neu gestalten wird, und er weiß wie:
Behaltet Eure Theorien, Ihr anderen, Eure Dispute und Eure Regierung!
Ich habe dieses ganze Kindervolk um mich, das wächst und mit mir den lie-
ben Gott kennenlernt!
Dieses ganze Volk bei mir, das lernt zu lesen und sich seiner Finger zu bedie-
nen.
„Mein Vater hört nicht auf, mit mir zu arbeiten, und ich arbeite mit ihm.“
Hört das, meine Kinder, denn das sind die Worte Jesu Christi.
Francis Desramaut, Einhundert Schlüsselworte der salesianischen Spiritualität,
Art.: „Bosco, Giovanni” - „Bosco, Johannes”

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Die Arbeit ist diese Sache, wo niemand ohne all die anderen auskommen
kann.
Diese Aufgabe, mit aller Kraft, alle miteinander die Schöpfung fortzusetzen,
sie ist die unsere.
„Kommt zu mir, alle die ihr arbeitet und Lasten zu tragen habt“, spricht der
Herr.
Das Kreuz; und mein Leib, wenn ihr danach verlangt, ihn zu essen; wenn es
etwas Besseres gäbe, hätte ich es euch gesagt.
Und deshalb, wenn der Tag beendet ist, die Woche beendet ist und es morgen
Sonntag ist, wäscht sich der Arbeiter, voll von Eisen und von Öl; er hat sein wei-
ßes Hemd angezogen.
Und erfüllt von Verlangen nach dem, was man ihm beigebracht hat, was wie
Brot und wie Wasser ist, wie ein Sohn und wie ein kleiner Junge wirft er sich in
die Arme des heiligen Johannes Bosco.
O Vater, hier ist in Ihren Armen dieser Mensch, voll Einfachheit, voll Ver-
trauen und ganz selbstverständlich:
Sagen Sie, ist es wahr, dass wir alle in den Himmel kommen werden, und
dass wir das Reich besitzen werden?
O Vater, weil ich nun zu arbeiten verstehe und weil ich den Bart am Kinn ha-
be, das ist kein Grund, dass ich jemals aufhöre, in Ihren Armen Ihr kleiner Junge
zu sein:
Ich öffne das Herz, ich öffne den Mund, und Sie, Vater, sagen Gott, dass er
mir das tägliche Brot gibt, und dass er all unseren Kameraden Gerechtigkeit
schenkt, weil wir Christen sind:
Wir haben wieder angefangen, an Gott zu glauben, wir haben in der Kirche
denjenigen wiedergewonnen, der der Stärkste ist.
Wir haben wiedergefunden, auf etwas, auf Leben und Tod zu schwören.
Weil wir betagt sind, ist dies nicht ein Grund, aufzuhören, Kinder zu sein, die
Kinder, die Männer, die Frauen, all das gleicht einem einzigen Stück.
All das hängt eng zusammen, all das ist ganz klein und das ist immens.
All das bewegt sich und all das wächst und all das ist zusammengekettet und
all das will zusammenkommen, und all das beginnt!
Johannes Bosco, Patron der Jugend, bitte für uns!
Paul Claudel
am Fest des heiligen Johannes Bosco
31. Januar 19388
Francis Desramaut, Einhundert Schlüsselworte der salesianischen Spiritualität,
Art.: „Bosco, Giovanni” - „Bosco, Johannes”

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Anmerkungen
1 Dieser Artikel ist von besonderer Art. Man wird in der obigen Einleitung einen kurzen Über-
blick der spirituellen Erfahrung und der Spiritualität Don Boscos lesen können.
2 P. Stella, Don Bosco nella storia della religiosità cattolica, Bd. II, Zürich, 1969, S. 345 u.
478. Die Referenzstellen der Beschreibung von Massimo Petrocchi sind jene des italieni-
schen Orginals.
3 Nach einem Brief Don Boscos 1884.
4 Nach P. Scotti, La dottrina spirituale di Don Bosco, Turin, 1939, S. 71-72.
5 G. Bosco, Il giovane provveduto per la pratica dei suoi doveri ..., Turin, Ausg. v. 1931, S. 5.
6 G. Bosco, Il sistema preventivo nella educazione della gioventù, 1877.
7 „Una Torino grigia e squallida nelle sue strutture architettoniche ed urbanistiche, quella
dell'Ottocento. Ma quali altri grandi cuori essa ha visto! Questo è certo il tratto che subito ap-
pare nella personalità di san Giovanni Bosco (Castelnuovo d'Asti, ora don Bosco, 1815 – To-
rino, 1888). La sua bontà, la sua carità non sono qualcosa di istintivo, di „sentimentale“, sono
invece il prodotto più ricco della sua charitas e della sua pietas. A prima vista puo' sembrare
che in don Bosco primeggi l'azione o un certo formalismo giuridico-canonistico; ma tutto va
inserito nella sua fortissima vita interiore, nella sua stessa contemplazione. Forse è il santo
che, nell'Ottocento, ha maggiormente attuata l'identità paolina del lavoro come orazione. Es-
sendo la stessa attività pratica elevata globalmente a soluzioni trascendenti, si è potuto parla-
re, per don Bosco, di „estasi dell'azione“. Ma è stato solo cosi' ? Il lavoro ha coinciso con la
preghiera? E' stato giustamente notato che per don Bosco il gusto della preghiera è manife-
stazione anche di perfezione; per quanto riguarda poi gli altri stadi mistici, se don Bosco „non
ci confida sue personali esperienze di raccoglimento e di stato unitivo e presenziale, se anche
non ci dà una teoria sulla orazione unitiva e sulla contemplazione, nondimeno ci si dimostra
disposto a spiegare come unione e come compresenza amorosa certi stadi di vita spirituale ri-
scontrati in persone con le quali convisse“ (P. Stella). O il lavoro è stato „fatto“ sempre ac-
canto alla preghiera? Non c'è bisogno di ricordare qui il pensiero pedagogico di don Bosco.
Solo va aggiunto che la fuga dell'ozio non basta, bisogna essere e sentirsi circondati dalla fa-
miliarità dei buoni: „chi vuole essere amato bisogna che faccia vedere che ama“ (Da una let-
tera di don Bosco del 1884). Il fanciullo deve essere istruito nella volontà „unico sorgente del
vero e puro amore, di cui la sensibilità non è che una falsa immagine“. La virtù seduce si' il
fanciullo, ma „poichè ripugna alla debolezza della sua natura, interpreta questa interna ripu-
gnanza come una volontà contraria“ (In P. Scotti, La dottrina spirituale di Don Bosco, Tori-
no, 1939, p. 71-72.) Il testo più notevole di don Bosco per comprendere il suo metodo di
„provvedere alla salvezza“ è Il giovane provveduto (Torino, 1847 ed edizioni seguenti). Il
suo metodo è sicuramente austero, ma al tempo stesso ottimistico: „io voglio insegnarvi un
modo di vita cristiana, che possa nel tempo stesso rendervi allegri e contenti e mostrarvi quali
sono i veri divertimenti e i veri piaceri“ (G. Bosco, Il giovane provveduto per la pratica dei
suoi doveri religiosi, Torino, ed. 1931, p. 5.) Nel sistema preventivo, anche per la tranquillità
del cuore, il metodo centrale è per don Bosco il „metodo“ sacramentale: „la frequente Con-
fessione“, egli scriveva, „la frequente Comunione, la Messa quotidiana sono le colonne che
devono reggere un edifizio educativo, da cui si vuole tener lontane la minaccia e la sferza“
(G. Bosco, Il sistema preventivo nella educazione della gioventù, Torino, 1877.)“ – M. Pe-
trocchi, Storia della spiritualità italiana (secc. XIII-XX), Roma, Edizioni di storia e letteratu-
ra, 1984, S. 513-516.
8 Claudel notiert am selben Tag in seinem Tagebuch, dass er dieses Gedicht „fast in einem
einzigen Zug” geschrieben hat und ohne zu wissen, dass es am Fest dieses Heiligen und am
fünfzigsten Jahrtag seines Todes war. Dieses Gedicht ist in der Zeitschrift „Vie intellectuelle
am 10. Februar 1938 erschienen.
Francis Desramaut, Einhundert Schlüsselworte der salesianischen Spiritualität,
Art.: „Bosco, Giovanni” - „Bosco, Johannes”