Direktor


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Direktor
Der salesianische Direktor, Erstverantwortlicher der Gemeinschaft
Bei den franziskanischen Minderen Brüdern wird der Vorgesetzte der örtlichen
Ordensgemeinschaft Guardian genannt; in der Gesellschaft Jesu wird er Rektor genannt;
unter den Schülern Don Boscos erhält er den Titel Direktor bei den Salesianern und
Oberin*1 bei den Töchtern Mariä, Hilfe der Christen. „Der Obere einer jeden Hausge-
meinschaft führt den Titel Direktor“, heißt es in den jüngsten Konstitutionen der Salesi-
aner Don Boscos.1 „Jeder Kommunität steht eine Schwester mit ewigen Gelübden als
Oberin vor“, lesen wir in denjenigen der Töchter Mariä, Hilfe der Christen.2 In der
menschlichen Gesellschaft ist der Titel nie ohne Bedeutung im Blick auf das ausgeübte
Amt. Von einem Direktor erwartet man, dass er leitet*2.
Diese Rolle hat die Verantwortlichen beider Kongregationen immer sehr be-
schäftigt, insbesondere diejenige der Salesianer. In Letzterer gab es an verschiedenen
Orten eine anscheinend nicht zu unterdrückende Tendenz, vor allem seit Anfang des
zwanzigsten Jahrhunderts, die Rolle des Direktors auf die Aufgabe der Leitung sozialer
Werke zu reduzieren.3 Das geistliche Leben der Gemeinschaften hat sicherlich darunter
gelitten. Ein Priestermitbruder, der unter diesen Zuständen litt, schrieb mir eines Tages:
„Ich finde keine Instanz der brüderlichen Anteilname mehr in einem sehr weitgehenden
und tiefgründenden Sinn: keine Beichtväter mehr, welche die Spiritualität formen; keine
Direktoren mehr mit den Qualitäten von Verantwortlichen, von geistlichen Führern, das
ist der ‚schöne’ Tod der Rechenschaftsablage.“ Es ist wahr, dass die Unterscheidung,
die sich hier und da eingestellt hat, zwischen dem Werk und der Gemeinschaft, eine
Rückkehr zur Tradition der Ursprünge erleichtern könnte, die zu oft vergessen oder eher
einfach ignoriert wird, trotz wiederholter Instruktionen der obersten salesianischen Au-
torität, besonders von Don Rua, Don Albera, Don Ricaldone und Don Viganò, welche
die Verantwortung des Direktors hinsichtlich des Ordenslebens nachdrücklich betont
haben.4
Der Direktor ist von Amts wegen Träger der Autorität über die Gemeinschaft,
sein Titel ruft es treffend in Erinnerung. Jedoch machen die egalitäre „Personalisierung“
und die „Sozialisierung“, um die Sprache Don Viganòs5 über die Zeichen der gegenwär-
tigen Zeit aufzugreifen, daraus nun vorzugsweise den „Erstverantwortlichen“ innerhalb
salesianischer Gemeinschaften, deren Glieder alle „mitverantwortlich“ sind. Liest man
die in der Folge des 2. Vatikanischen Konzils erneuerten Konstitutionen der beiden Or-
densgemeinschaften, so hat diese Tendenz sich bei den Töchtern Mariä, Hilfe der Chris-
ten mehr durchgesetzt als bei den Salesianern. In einer offensichtlichen Sorge um die
Partizipation und die Gleichheit haben sie der Autorität der örtlichen Vorgesetzten nicht
dieselbe Hervorhebung wie die Salesianer gegeben. Die eine wie die andere Ordensge-
meinschaft haben ihr betreffendes Kapitel in den Konstitutionen mit dem Titel über-
schrieben: „Der Dienst der Autorität in der Hausgemeinschaft“6. Zu Beginn haben die
Salesianer, übereinstimmend mit dem Kanonischen Recht (Can. 608), diese Hausge-
meinschaft definiert: Eine Gemeinschaft von Mitbrüdern, die ein gemeinsames Leben in
*1 Italien. „dirretrice“, frz. „directrice“.
*2 „Leiten“ steht hier als Übersetzungsauswahl für das frz. Verb „diriger“, welches u.a. mit „führen“,
„lenken“, „regieren“ etc., wiedergegeben werden könnte.

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der Einheit des Geistes führen „unter der Autorität des Obern“ und die „in Mitverant-
wortung zur Erfüllung ihrer apostolischen Sendung beitragen“7, während die Don-
Bosco-Schwestern in ihrer Beschreibung dieser selben Gemeinschaft einfach jeder von
ihnen nur vor Augen hielten, „durch einen besonderen Liebes- und Heilsplan des Vaters
im Namen des Herrn versammelt“ zu sein, mit Ordensschwestern, die in Mitverantwor-
tung ihre apostolische Verpflichtung erfüllen und denen „eine Schwester mit ewigen
Gelübden als Oberin“8 vorsteht, wie oben gesagt. Man wird in anderen Kapiteln der
Konstitutionen erfahren, dass der salesianische Direktor gewiss „Bruder unter Brüdern“
ist, aber unter Brüdern, „die seine Verantwortung und Autorität anerkennen“9, während
man von der Oberin, „Schwester unter Schwestern“, „mit einer besonderen Verantwor-
tung als beseelende und führende Kraft“10 erfährt, dass sie „den Dienst der Autorität
ausübt“ in der Folge anderer Dienste, insbesondere desjenigen, ‚Band der Einheit unter
ihren Schwestern’ zu sein, unter welchen man sie als Trägerin der „Hauptverantwortung
... für das religiöse Leben, die apostolischen Werke und die Güterverwaltung ... in Treue
zum Geist des Institutes“11 betrachtet. Das Beharren auf der Einheit liegt übrigens in der
geraden Linie der alten salesianischen Tradition, man wird es gleich sehen.
Der Direktor, Mittelpunkt der Ordensgemeinschaft
Don Bosco legte Wert auf das was der Direktor immer war, das Bild des Rektors
für die Gesamtheit der Kongregation, das einigende Prinzip seiner Gemeinschaft und
zugleich der Garant ihres salesianischen Charakters. Am 3. Februar 1876 anlässlich
einer Versammlung aller Direktoren merkte er, ohne anscheinend viel den zu anderen
Zeiten und Orten verabscheuten Zentralismus zu fürchten, an: „Dass unter uns der Vor-
gesetzte alles sei. Dass alle dem Generaloberen die Hand reichen, ihn stützen, ihm auf
jede Art helfen, dass alle um ihn einen Kreis bilden, dessen einziger Mittelpunkt er ist.
Der Generalobere hat die Regeln, von denen er sich nie entferne, sonst wäre der Mittel-
punkt nicht mehr ein einziger, sondern verdoppelt: Es gäbe den Mittelpunkt der Regeln
und den seines Willens. Es ist nötig, dass im Gegenteil der Generalobere sozusagen die
Regeln verkörpert, dass die Regeln und der Generalobere wie ein und dasselbe sind.
Das was dem Generaloberen im Verhältnis zur ganzen Gesellschaft zukommt, soll für
den Direktor in jedem Haus umgesetzt werden. Er soll eins sein mit dem Generaloberen,
und all die Glieder seines Hauses sollen eins sein mit ihm. Er soll ebenfalls auf eine
gewisse Art die Regeln in ihm selbst verkörpern.“12
Die Hausgemeinschaft wird damit beauftragt, der salesianischen Sendung an
einem bestimmten Ort eine konkrete Form zu geben. Wenn wir Don Bosco folgen, ist
„der Direktor derjenige, der die offizielle Verbindung sichert, zwischen der Gemein-
schaft in ihrer Sendung einerseits, und andererseits den höheren Vorgesetzten (und
durch sie, der ganzen salesianischen Gesellschaft), der hierarchischen Kirche und Gott
selbst, dessen Delegierter und Repräsentant er ist. Der Direktor ist der Erstverantwortli-
che der salesianischen Authentizität der Gemeinschaft, ihrer Treue zum salesianischen
Charisma.“ Der salesianische Direktor ist der Mittelpunkt der Einheit des „Hauses“, der
Mitbrüder und Jugendlichen, der Gemeinschaft und des Werkes als ganzes gesehen.13
Dieser Mittelpunkt, welcher nicht einem Pferd gleicht, das man erst auf die
Rennbahn setzen müsste, ist vielmehr sehr lebendig in seiner dreifachen Aufgabe als
„Vater, Lehrer und Vorgesetzter“, nach der Zusammenfassung des unter dem Vorsitz
(Francis Desramaut, Einhundert Schlüsselworte der salesianischen Spiritualität,
Art.: „Directeur“ – „Direktor“)

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Don Rinaldis abgehaltenen Kongresses.14 Diese mehrfache Rolle erfordert von ihm ei-
nen beständigen Aufenthalt in der Gemeinschaft. Ein Direktor, der, sogar unter ehren-
werten Vorwänden und umso mehr ohne sie, seine Zeiten der Abwesenheit vervielfa-
chen würde, würde dadurch das Funktionieren der Gemeinschaft beeinträchtigen. Der
Fehler wäre schwerwiegend. Hier stimmen wir mit Don Rua überein: „Der Direktor
muss die Mitte von allem sein, der Motor, von dem jede Kraft ausgeht“, ermahnte er die
Provinziale und die salesianischen Direktoren.15 Die Konstitutionen werden seine Auf-
gaben in dem Satz zusammenfassen: „Er ist der Erstverantwortliche für das Ordensle-
ben, die apostolischen Tätigkeiten und die Verwaltung der Güter.“16 Alle drei sind
wichtig, aber, so schrieb noch Don Rua, wenn es darum geht, eine Rangfolge unter ih-
nen einzurichten, so ist „das Entscheidendste, was (den Direktoren) einzuschärfen ist,
dass ihre besondere Sorge es sein muss, ihre Mitbrüder, Priester, Kleriker und Laien gut
zu leiten (...). Das große Problem, das durch den Mangel an geeignetem Personal verur-
sacht wird, besteht darin, dass mitunter die Direktoren sich selbst daran machen, direkt
bei den Jugendlichen zu arbeiten (...) und infolgedessen keine Zeit mehr finden, sich
dem Wohl der Mitbrüder zu widmen, ihre Rechenschaftsablagen entgegenzunehmen,
ihnen die erforderlichen Konferenzen zu halten, sie zu führen und zu bilden. Es liegt
hier ein ernster Irrtum vor und infolgedessen ein großer Ruin für die Kongregation (...).
Die übliche Regel ist, dass der Direktor einen indirekten Einfluss auf die Schüler mittels
seines Personals, und einen direkten Einfluss auf das Personal ausüben soll.“17 Muss
man präzisieren, dass Don Rua, so wie er hier sprach, niemals daran dachte, die sicher-
lich für ihn wie für Don Bosco sehr direkten Beziehungen zu verbieten, die der salesia-
nische Direktor mit seinen Schülern im Pausenhof und beim ‚Wort zur Guten Nacht’
unterhält? Diese Beziehungen, die eine beständige Anwesenheit implizieren, wurden in
der salesianischen Erziehung immer als wesentlich betrachtet.18 Wir werden hier nur die
besondere Aufgabe des salesianischen Direktors als Ordensoberer berücksichtigen.
Die spirituelle Funktion des salesianischen Direktors in seiner Gemeinschaft
Im traditionellen salesianischen Haus erstreckt sich die Gemeinschaft auf die
Gesamtheit des Personals, ob Salesianer oder nicht, sowie auf die Schüler. Um nicht zu
sehr vom Thema abzuschweifen, konzentrieren wir uns hier auf die eigentliche Ordens-
gemeinschaft. Der Direktor ist der Erstverantwortliche für das Ordensleben ihrer Glie-
der.
Der Direktor oder die Oberin erfüllen diese Aufgabe erstens durch das Beispiel,
das sie ihren Brüdern oder ihren Schwestern geben. Das verstand sich für Don Rua und
Don Albera von selbst, nach welchen der Direktor, um ein richtiger Lehrer zu sein, zu-
erst ein Vorbild sein musste. „So beredt auch unser Wort erscheinen könnte, so groß der
Enthusiasmus ist, den es bei unseren Zuhörern hervorzurufen scheint, es bliebe ein toter
Buchstabe, wenn diejenigen, die uns hören, uns den bekannten Vorwurf wiederholen
könnten: Medice, cura teipsum, Arzt, heile dich selbst! oder: Qui alios doces, teipsum
non doces, Der du andere lehrst, dich selber belehrst du nicht!“, schrieb der erste an die
Provinziale und Direktoren von Amerika (...). „Welches Unheil für uns, wenn wir, be-
sorgt, unseren Untergebenen zu helfen, das Unkraut aus ihren Herzen zu reißen, unsere
Fehler im eigenen Herzen tiefe Wurzeln schlagen ließen und dieses Herz dem Acker
eines Faulenzers ähnlich würde! Möge Gott es nicht zulassen, dass wir, ständig damit
beschäftigt, die anderen auf dem Pfad der Tugend zu ermutigen, die ernste Verpflich-
(Francis Desramaut, Einhundert Schlüsselworte der salesianischen Spiritualität,
Art.: „Directeur“ – „Direktor“)

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tung vergessen, die wir am Tag der Ablegung unserer heiligen Gelübde auf uns ge-
nommen haben, unablässig in der Vollkommenheit voranzuschreiten! Oh! Seien wir tief
überzeugt, dass, je mehr sich ein Direktor bemüht, selbst in der Tugend voranzuschrei-
ten, sein priesterlicher Dienst fruchtbarer wird und die geistlichen Früchte seiner weisen
Führung reicher werden.“19
Danach, wie wir gerade gelesen haben, „führt“ und „belebt“ der Direktor (Ver-
ben, die ein Zeitalter der „Mitverantwortung“ und „Non-direktivität“ dem Wort „leiten“
vorgezogen hat) das geistliche Leben seiner Brüder. Er vollbringt dies bei den Salesia-
nern mit dem priesterlichen Charisma, das heute obligatorisch an seine Funktion gebun-
den ist.20 „Der Obere weist Wege, leitet und ermutigt. Von seiner Autorität macht er
diskreten Gebrauch“ 21, lesen wir in den neuen salesianischen Konstitutionen. Der sale-
sianische Direktor ist „Lehrer und Führer zur Heiligung“, schrieb Don Viganò22. Nach
den Konstitutionen von 1982 der Don Bosco Schwestern ist die Oberin „Schwester un-
ter Schwestern mit einer besonderen Verantwortung als beseelende und führende
Kraft.“23 In dieser Formulierung präzisiert die nicht belanglose Bezeichnung „besonde-
ren“, dass Führung und Animation die der Oberin eigenen Aufgaben sind. Bei den Sale-
sianern ist die erste Aufgabe des Direktors, in derselben Zeit, „die Gemeinschaft zu a-
nimieren, dass sie in Treue zu den Konstitutionen lebt und in der Einheit wächst.“ Aber
für das Gesamte zu sorgen reicht nicht aus, der Direktor hat nach den Konstitutionen
auch „die direkte Verantwortung für jeden Mitbruder“. Diese Verantwortung bedeutet:
„Er hilft ihm, die persönliche Berufung zu verwirklichen und unterstützt ihn bei der ihm
anvertrauten Arbeit“24.
Don Rua lag in hohem Maße die Qualität des geistlichen Lebens der Religiosen
am Herzen. „Erinnern wir uns, dass unsere lieben Mitbrüder vor allem um ihrer eigenen
Heiligung willen Salesianer geworden sind, wie es die heilige Ordensregel sagt, die un-
serer frommen Gesellschaft als erstrangiges Ziel die Heiligung ihrer Glieder vorlegt.
Infolgedessen besteht die erste, die allererste Verpflichtung eines Direktors genau darin,
sich mit großer Sorgfalt um sein salesianisches Personal zu kümmern“25.
Der salesianische Direktor soll also das gemeinschaftliche Gebetsleben fördern
und für die Genauigkeit eines jeden in der Ausübung seines religiösen Lebens sorgen.
Die Praxis der Gelübde durch die seinen liegt auf eine gewisse Art in seiner Verantwor-
tung. Folglich hat er die Aufgabe, zu informieren und zu korrigieren, obgleich immer in
einer echten väterlichen Art, ohne Bitterkeit und nie öffentlich. Die Rolle eines Förde-
rers des geistlichen Lebens, die ihm obliegt, ist in einem tiefen Sinne zu verstehen, aus
einer Dynamik der Gottesliebe, die nach „Vollkommenheit“ strebt. Der Direktor bietet
sich jedem als vertrauter Führer für die geistliche Begleitung an, in der Achtung des
Gewissens, jedoch wenn möglich, bis zur Eröffnung des Herzens, nach dem Wunsch
Don Boscos, für den „der Direktor der geborene Beichtvater derjenigen war, die zur
Kongregation gehörten.“26
Das geistliche Gespräch des Direktors mit dem Ordensmann
(Francis Desramaut, Einhundert Schlüsselworte der salesianischen Spiritualität,
Art.: „Directeur“ – „Direktor“)

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In der alten salesianischen Tradition, ist das eigentliche Gespräch der Führung
rendiconto genannt worden, d.h. Abgabe der Rechenschaft oder Rechenschaftsablage27.
Das Wort und sein Inhalt stammten von Don Bosco aus der zweiten Abfassung (1877)
seiner Einleitung zu den salesianischen Konstitutionen. Man las darin, dass das rendi-
conto „mindestens monatlich“ stattfinden und folgende „die Hauptpunkte“ ansprechen
sollte: „1. Die Gesundheit; 2. Die Studien; 3. Ob man seine Tätigkeit gut erfüllen kann
und welchen Eifer man darin aufbringt; 4. Ob man seine religiösen Übungen ohne
Schwierigkeiten ausführen kann und mit welcher Sorgfalt man sie erfüllt; 5. Wie man
sich während der Gebetszeiten und der Betrachtung verhält; 6. Mit welcher Häufigkeit
und welcher Andacht man sich den Sakramenten nähert; 7. Ob man seine Gelübde beo-
bachtet und ob man keinen Zweifel über seine Berufung empfindet. Aber wohlgemerkt,
das rendiconto bezieht sich nur auf das forum externum, es behandelt nicht (die Materie)
der Beichte, außer wenn der Mitbruder sich selbst zu seinem geistlichen Wohl eröffnet.
8. Ob man Kummer oder innere Unruhe oder auch Abneigung jemandem gegenüber
empfindet; 9. Ob man Kenntnis von irgendeiner Unordnung hat, der es zu begegnen
gilt, vor allem wenn es darum geht, eine Beleidigung Gottes zu verhindern.“28 Die mo-
natliche Regelmäßigkeit und das Schema des Gespräches, wie es bald in einer konstitu-
tionellen Verfügung festgelegt wurde, waren noch bis kurz nach dem 2. Vatikanischen
Konzil verpflichtend, wie der Artikel 48 der Konstitutionen von 1966 bezeugt. Dann
wurde die Regel erheblich gelockert. In den erneuerten Konstitutionen von 1984 wurde
aus der monatlichen Rechenschaftsablage eine „häufige“ und „brüderliche“ „Ausspra-
che“ des Ordensmannes mit seinem Direktor. Er spricht dabei „vertrauensvoll über sein
Leben und seine Tätigkeit und, wenn er es wünscht, auch über den Zustand seines Ge-
wissens“.29 Die aktuellen Satzungen nahmen bestmöglich die alten Vorschriften auf. Es
heißt da: „In einem Klima des Vertrauens treffe sich jeder Mitbruder häufig mit dem
Direktor, spreche mit ihm über seinen Gesundheitszustand, den Fortgang seiner aposto-
lischen Arbeit, die Schwierigkeiten, die er im Ordensleben und in der brüderlichen Lie-
be hat, sowie über all das, was zum Wohl der einzelnen und der Gemeinschaft beitragen
kann.“30 In der Zeit der Mitverantwortung verblasste der Direktor als Führer, und die
brüderliche Aussprache verdrängte die Rechenschaftsablage gegenüber den Ordensobe-
ren.
Die Töchter Mariä, Hilfe der Christen haben der Aussprache jeder Schwester mit
ihrer Vorgesetzten einen innigen konstitutionellen Artikel gewidmet, der fest in der
Tradition des Institutes verwurzelt ist. Er spricht von der Nützlichkeit dieser Aussprache
und bestimmt klar die monatliche Regelmäßigkeit: „Das persönliche Gespräch, das jede
von uns mit ihrer Oberin führen soll, dient vor allem dazu, die Gemeinschaft zu festi-
gen, den Willen Gottes zu entdecken und das praktische Leben besser nach dem Geist
des Instituts auszurichten. Diese Begegnung soll in einer Atmosphäre des Glaubens und
der Liebe, des gegenseitigen Vertrauens, der Aufrichtigkeit und Verschwiegenheit
(segretezza) jeden Monat stattfinden. Das so geführte Privatgespräch ist nach der Vor-
stellung Don Boscos, eine unentbehrliche Voraussetzung, damit wir persönlich und in
der Gemeinschaft immer mehr im Selbstverständnis als Töchter Mariä, Hilfe der Chris-
ten wachsen.“31
Die Ermahnung des 2. Vatikanischen Konzils an die Ordensoberen: Sie sollen
(Francis Desramaut, Einhundert Schlüsselworte der salesianischen Spiritualität,
Art.: „Directeur“ – „Direktor“)

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„ihre Autorität im Geist des Dienstes an ihren Brüdern ausüben, so dass sie Gottes Lie-
be zu jenen zum Ausdruck bringen“ (Perfectae caritatis, Nr. 14), ist in der salesiani-
schen Welt aufgenommen worden, wo übrigens der Direktor, um es recht zu verstehen,
nur mit den weisen Lektionen Don Boscos übereinzustimmen braucht.32 Er bedeutet für
seine Brüder weit mehr als ein Vorgesetzter und Meister, „in der Einfachheit und der
Zuneigung eines Bruders und Freundes“, um eine Formulierung Don Alberas anlässlich
seiner Amtseinführung als Generaloberer aufzugreifen.33 Seine Führung ist nicht pater-
nalistisch. Sie erfordert ein reiches Zusammenspiel von Qualitäten. Der gute salesiani-
sche Direktor ist ein Mann Gottes, demütig, losgelöst, fähig zu ertragen, zu verzeihen,
zu ermutigen, schließlich der es verdient, geliebt zu werden.34
(Francis Desramaut, Einhundert Schlüsselworte der salesianischen Spiritualität,
Art.: „Directeur“ – „Direktor“)

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Anmerkungen
1 „Il superiore di ciascuna comunità locale prende il nome di direttore“ (Konstitutionen
SDB, Art. 176.) In Frankreich erhält er (vielleicht etwas missbräuchlich) an den salesia-
nischen Schulen den Titel „supérieur“, um jede Verwechslung mit dem Leiter der Ein-
richtung zu vermeiden, der offiziell den Namen „directeur“ trägt.
2 „Ad ogni comunità è preposta una professa di voti perpetui come Direttrice“
(Konstitutionen FMA, Art. 163).
3 Das 21. Generalkapitel der Salesianer bedauerte dies noch 1978, als es empfahl, diese
sozialen Leitungsaufgaben an ihrem vierten und letzten Platz zu belassen, nach dem
Dienst an der salesianischen Einheit und Identität, der pastoralen Leitung und der sale-
sianischen Sendung, der Orientierung der Aufgaben der Erziehung und Förderung (CG
21, Nr. 52-53).
4 Vgl. besonders die Ricordi confidenziali ai direttori Don Boscos; die Rundbriefe Don
Ruas, 24. August 1894, 25. April 1901, 19. März 1902 und 1. November 1906; das Ma-
nuale del Direttore von Don Paolo Albera (1915); den Rundbrief desselben Don Albera
mit Datum vom 23. April 1917 an die Provinziale und Direktoren; das Resoconto dei
Convegni tenuti dai Direttori Salesiani a Valsalice nell'estate del 1926 (unter dem
Vorsitz Don Rinaldis), in: Atti 36, 24. September 1926, S. 484-495; den Brief Don
Egidio Viganòs über „l'animazione del direttore salesiano“, in Atti 306, Oktober-
Dezember 1982, S. 3-30; das kleine Buch, das von Egidio Viganò präsentiert wurde: Il
Direttore salesiano. Un ministero per l'animazione e il governo della comunità locale
(Rom, éd. S.D.B., 1986); und nachfolgend die Studien über „le directeur salésien selon
don Bosco et notre tradition“ und „le directeur animateur de la communauté“, von Jo-
seph Aubry, in: Avec Don Bosco vers l'an 2000 (Rome, 1990), S. 300-334.
5 Vgl. obige Einführung, S. 24.
6 „Servizio dell'autorità nella comunità locale“ (Konstitutionen SDB, Art. 170-183); „Il
servizio di autorità nella comunità locale“ (Konstitutionen FMA, Art. 163-170).
7 „La comunità locale è composta da confratelli che abitano in una casa legittimamente
eretta e fanno in essa vita comune in unità di spirito sotto l'autorità del superiore,
operando corresponsabilmente per la missione apostolica“ (Konstitutionen SDB, Art.
175).
8 „Ogni nostra comunità è adunata nel nome del Signore per un disegno di amore e di
salvezza. Vive in una casa legittimamente costituita e si organizza secondo le
Costituzioni e le esigenze della missione. Le suore che vi sono chiamate dall'obbedienza
svolgono corresponsabilmente l'impegno apostolico ricevuto dall'Istituto a servizio delle
giovani nella Chiesa particolare. Ad ogni comunità è preposta una professa di voti
perpetui come Direttrice.“ (Konstitutionen FMA, Art. 163.)
9 „E' al centro della comunità, fratello tra fratelli, che riconoscono la sua responsabilità e
autorità“ (Konstitutionen SDB, Art. 55).
(Francis Desramaut, Einhundert Schlüsselworte der salesianischen Spiritualität,
Art.: „Directeur“ – „Direktor“)

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10 Vgl.: „La Direttrice è nella comunità sorella tra le sorelle, con una specifica
responsabilità di animazione e di guida“ (Konstitutionen FMA, Art. 52).
11 „La Direttrice è vincolo di unione fra le sorelle e favorisce l'apertura della comunità
all'ispettoria, all'Istituto e alla Chiesa. E' la prima responsabile della vita religiosa, delle
opere apostoliche e dell'amministrazione dei beni nella fedeltà allo spirito dell'Istituto.
Esercita il servizio di autorità secondo le Costituzioni ... „ (Konstitutionen FMA, Art.
164).
12 „Tra di noi il Superiore sia tutto. Tutti diano mano al Rettor Maggiore, lo sostengano,
lo aiutino in ogni modo, si faccia da tutti un centro unico intorno a lui. Il Rettor
Maggiore poi ha le Regole; da esse non si diparta mai, altrimenti il centro non resta più
unico, ma duplice, cioè il centro delle Regole e quello della sua volontà. Bisogna invece
che nel Rettor Maggiore quasi s'incarnino le Regole: che le Regole ed il Rettor
Maggiore siano come la stessa cosa. Ciò che avviene pel Rettor Maggiore riguardo a
tutta la Società, bisogna che avvenga pel Direttore in ciascuna casa. Essa deve fare una
cosa sola col Rettor Maggiore e tutti i membri della sua casa devono fare una cosa sola
con lui. In lui ancora devono essere come incarnate le Regole.“ (MB XII, 81.) - (Anm.
d.Ü.: Im letzten Satz obigen Zitates folgt die Übersetzung dem frz. Text von Desramaut:
„Il doit aussi en quelque sorte incarner les Règles en lui-même“.)
13 J. Aubry, Avec Don Bosco vers l'an 2000, S. 303.
14 Eine Idee, entwickelt im zweiten Thema des Resoconto dei Convegni der salesiani-
schen Direktoren, Sommer 1926, in: Atti 36, S. 484-495.
15 „Il direttore deve essere il centro di tutto, il motore da cui parte ogni forza“ (M. Rua,
Brief an die Provinziale und Direktoren, 25. April 1901; L.C., S. 226).
16 „Egli è il primo responsabile della vita religiosa, delle attività apostoliche e
dell'amministrazione dei beni.“ (Konstitutionen SDB, Art. 176).
17 „Il punto più culminante da inculcarsi ai direttori si è che la cura loro speciale
dev'essere d'indirizzare bene i confratelli e preti e chierici e laici (...). Il grande
inconveniente prodotto dalla mancanza di personale adatto è che, alle volte, i direttori
medesimi si mettono a lavorare direttamente coi giovani (...) e intanto non si trova il
tempo per coltivare i confratelli, ricevere i rendiconti, far loro le debite conferenze,
vedere se abbisognino di qualche cosa, dirigerli, formarli. Questo è un grave sbaglio e
perciò una grande rovina per la Congregazione. (...) il direttore deve per regola
ordinaria influire sugli allievi indirettamente, cioè per mezzo del suo personale ed
influire direttamente sul personale.“ (M. Rua, Brief an die Provinziale, 25. Dezember
1902, L.C. S. 301-303).
18 Vgl. hierzu die Artikel „Religiöse Erziehung“ und „Präventivsystem“ (Education
religieuse et Système préventif).
19 „Per quanto eloquente potesse parere la nostra parola, per quanto entusiasmo paresse
(Francis Desramaut, Einhundert Schlüsselworte der salesianischen Spiritualität,
Art.: „Directeur“ – „Direktor“)

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eccitare ne' nostri uditori, ella rimarrebbe infruttuosa, se coloro che ci ascoltano
potessero ripeterci il noto rimprovero: Medice, cura teipsum, o quelle altre parole: Qui
alios doces, teipsum non doces! (...) Che sventura per noi se, intenti ad aiutare i nostri
dipendenti a sradicare dal loro cuore le erbe cattive, noi lasciassimo che i nostri difetti
mettessero profonde radici, che il nostro cuore divenisse simile al campo del pigro! Dio
non permetta che, occupati continuamente a spingere innanzi gli altri nel sentiero della
virtù, dimentichiamo la stretta obbligazione, contratta nel giorno in cui emettemmo i
santi voti, di avanzarci ognora nella perfezione. Oh ! persuadiamoci bene che più un
Direttore si studia di progredire egli stesso nella virtù, più sarà fecondo il suo ministero
sacerdotale, e più saranno abbondanti i frutti spirituali della sua saggia direzione.“ (M.
Rua, Brief an die Provinziale und Direktoren in Amerika, 24. August 1894; L.C., S.
110.) Betreff Don Albera, vgl. seinen Brief vom 23. April 1917 an die Provinziale und
Direktoren, mit dem Titel: „Consigli ed avvisi per conservare lo spirito di D. Bosco in
tutte le Case“, dessen erster Untertitel „Modelli e Maestri“ lautet, in: P. Albera, L.C., S.
215.
20 Konstitutionen SDB, Art. 177. Don Egidio Viganó hat dem priesterlichen Charisma
des Direktors seinen Brief an die Salesianer vom 16. Juli 1982 gewidmet, L.C., S. 443-
465.
21 „Il superiore orienta, guida e incoraggia, facendo un uso discreto della sua autorità“
(Konstitutionen SDB, Art. 65).
22 „Maestro e guida di santificazione“, in: Brief an die Salesianer, 16. Juli 1982; L.C.,
S. 457-462.
23 Vgl. oben, Nr. 10.
24 „Suo primo compito è animare la comunità perchè viva nella fedeltà alle Costituzioni
e cresca nell'unità. Coordina gli sforzi di tutti tenendo conto dei diritti, doveri e capacità
di ciascuno. Ha responsabilità diretta anche verso ogni confratello: lo aiuta a realizzare
la sua personale vocazione e lo sostiene nel lavoro che gli è affidato“ (Konstitutionen
SDB, Art. 55 bc.).
25 „Ricordiamoci che i nostri cari Confratelli si sono fatti salesiani anzitutto per
conseguire la propria santificazione, come si esprime la santa Regola, che pone come
fine primario di nostra Pia Società la santificazione de' suoi membri. Perciò il primo, il
primissimo obbligo di un Direttore è appunto questo, di aver molta cura del personale
salesiano.“ (M. Rua, Brief an die salesianischen Provinziale und Direktoren, 25. April
1901; L.C., S. 260).
26 Nach einer Erinnerung Don Lemoynes über die Exerzitien von 1873, wiedergegeben
in MB X, 1094. Es ist bekannt, dass ein römisches Dekret von 1901 den Ordensoberen
verboten hat, die Beichte ihrer Untergebenen zu hören.
27 Die französische Formulierung „rendement de compte“ stellt einen Italianismus dar.
Vgl. über das traditionelle rediconto vor allem den langen Rundbrief Don Ricaldones,
24. Juli 1947, in Atti 142, 112 S.
(Francis Desramaut, Einhundert Schlüsselworte der salesianischen Spiritualität,
Art.: „Directeur“ – „Direktor“)

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28 „I punti principali su cui devono versare i rendiconti sono questi: 1. Sanità. 2. Studii.
3. Se si possono disimpegnar bene le proprie occupazioni e qual diligenza si mette in
esse. 4. Se s'abbia comodità d'adempiere le pratiche religiose e qual diligenza si pone in
eseguirle. 5. Come si diporti nelle orazioni e nelle Meditazioni. 6. Con qual frequenza e
divozioni si vada ai Sacramenti. 7. Come si osservano i voti, e se non vi siano dubbi in
fatto di vocazione. Ma si noti bene che il rendiconto si raggira solamente in cose esterne
e non di confessione, a meno che il socio ne facesse egli stesso argomento per suo
spirituale vantaggio. 8. Se abbia dei dispiaceri o perturbazioni interne, od astio per
qualcuno. 9. Se conosce qualche disordine cui porre rimedio specialmente quando si
tratta d'impedire l'offesa di Dio.” (Regole o Costituzioni ..., 1877, S. 24).
29 „Fedele alla raccomandazione di Don Bosco, ogni confratello s'incontra
frequentemente con il proprio superiore in un colloquio fraterno. E' un momento
privilegiato di dialogo per il bene proprio e per il buon andamento della comunità. In
esso parla con confidenza della sua vita e attività e, se lo desidera, anche della sua
situazione di coscienza.“ (Konstitutionen SDB, Art. 70.)
30 „In un clima di fiducia ogni confratello si incontri frequentemente con il direttore e
gli manifesti lo stato della propria salute, l'andamento del lavoro apostolico, le difficoltà
che trova nella vita religiosa e nella carità fraterna, e tutto ciò che può contribuire al
bene dei singoli e della comunità“ (Satzungen SDB, 1984, Art. 49).
31 „Momento privilegiato per rafforzare la comunione, scoprire la volontà di Dio e
approfondire nella vita pratica lo spirito dell'Istituto, è il colloquio personale che ognuna
di noi avrà con la sua Superiora. Questo incontro si svolgerà mensilmente, in un clima
di fede e di carità, di reciproca fiducia, lealtà e segretezza. Così attuato il colloquio
diverrà – secondo il pensiero di don Bosco – elemento insostituibile per la crescita
personale e comunitaria nella nostra identità di Figlie di Maria Ausiliatrice“
(Konstitutionen FMA, Art. 34). Vgl. auch: „Si dedichi (la direttrice) con particolare
sollecitudine agli incontri personali e promuova nella comunità validi rapporti fraterni.
Orienti e stimoli le sorelle per una risposta sempre più consapevole alla vocazione“
(ibidem, Art. 52).
32 Vgl. seine Ricordi confidenziali ai direttori, die in ihrer ersten Version einzig für Don
Rua bestimmt waren, den ersten Direktor des Hauses.
33 „Io mi presento a voi non già col linguaggio d'un superiore e di un maestro, bensì
colla semplicità e coll'affetto d'un fratello e di un amico“. (P. Albera, Brief an die Sale-
sianer, 25. Januar 1911; L.C., S. 8).
34 Dies ist eine der Schlussfolgerungen von J. Aubry, in: Avec don Bosco vers l'an
2000, S. 314.
(Francis Desramaut, Einhundert Schlüsselworte der salesianischen Spiritualität,
Art.: „Directeur“ – „Direktor“)