GesingReligion


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Don Bosco – Das Stichwort
„Ich will euch zeitlich und
ewig glücklich sehen“
18 · Don Bosco Magazin 4/2008
Nach der „Vernunft“ bildet
die „Religion“ die zweite und
zentrale Säule der Pädagogik
Don Boscos. Sie beschreibt
das ganzheitliche pädago­
gisch-pastorale Ziel Don
Boscos. Ihm ging es ja nicht
nur darum, „reife Menschen“
und „verantwor tungsbe­
wusste Bürger“ heranzubil­
den, sondern auch „gute
Christen“. Er war seinen Ju­
gendlichen daher nicht nur
Sozialarbeiter und Erzieher,
sondern immer auch Seelsor­
ger. „Ich will euch zeitlich
und ewig glücklich sehen“,
schrieb er ihnen 1884 in sei­
nem berühmten Rombrief.
Dabei verstand Don Bosco im
Kontext seiner Zeit unter „Re­
ligion“ freilich den katho­
lischen Glauben. Ausgehend
vom Bild eines menschen­
freundlichen Gottes, dessen
Lieblinge die Kinder und Ju­
gendlichen sind, ging es ihm
darum, diese die Freude der
Gotteskindschaft erfahren zu
lassen. „Bei uns besteht die
Heiligkeit in der Freude!“
sagte Don Boscos Schüler, der
hl. Dominikus Savio, ganz in
dessen Sinne. Und in der Tat
prägten Frohsinn und Freude
den Alltag im Oratorium. Da­
rüber hinaus waren die Glau­
bensunterweisung, die Feier
der christlichen Feste, die
Einübung ins Gebet, die Hin­
führung zu den Sakramen­
ten, insbesondere Messe und
Beichte, die Heiligenvereh­
rung und die Einübung in die
christlichen Tugenden für
Don Bosco selbstverständ­
liche Elemente einer christ­
lichen Erziehung. Dies alles
setzte ein stark vom katho­
lischen Glauben geprägtes
Milieu voraus, wie es im Pie­
mont des 19. Jahrhunderts
noch vorherrschte.
Wir stehen heute im Kontext
einer säkularen und zugleich
religiös pluralen Kultur. Viele
Inhalte und Formen, die zu
Zeiten Don Boscos fraglos
möglich waren, sind es längst
nicht mehr. Jugendstudien
und unsere alltäglichen Er­
fahrungen sagen uns, dass die
meisten Jugendlichen und
jungen Erwachsenen mit Kir­
che und christlichem Glau­
ben wenig oder nichts anzu­
fangen wissen. Andererseits
zeigt sich bei vielen die Sehn­
sucht nach Spiritualität und
Sinn. Junge Menschen haben
auch heute „ein Recht“ auf
Sinnorientierung und darauf,
die Frohe Botschaft kennen­
lernen zu dürfen, um sich
dann frei entscheiden zu kön­
nen.
Die Klopfzeichen
des Hl. Geistes
erkennen
Heute im Geist Don Boscos
mit und für junge Menschen
zu arbeiten, heißt ohne Zwei­
fel nach wie vor, seine ganz­
heitliche Sorge zu teilen und
mit Blick auf den Standort
und das Fassungsvermögen
der Jugendlichen im Sinne
der Gradualität mit ihnen
Glaubenswege zu gehen. Die
zweite Säule der Pädagogik
Don Boscos ist aus ihr nicht
wegzudenken. Sie bedeutet
im Sinne einer sich als missi­
onarisch verstehenden Kir­
che: „erziehend evangelisie­
ren und evangelisierend
erziehen“. Wie das möglich
ist, dafür gibt es gewiss keine
Patentrezepte!
Im Sinne Don Boscos heißt
die zweite Säule des Präven­
tivsystems aber auch heute,
„jedem Rede und Antwort zu
stehen, der nach der Hoff­
nung fragt, die euch erfüllt“
(1 Petr 3,15). Dafür ist das
überzeugende Lebens- und
Glaubenszeugnis nach wie
vor die entscheidende Basis.
Don Bosco selbst läge viel da­
ran, dass die salesianischen
Pädagogen und Seelsorger
sich für das interessieren, was
die jungen Menschen interes­
siert und bewegt; dass sie im
Sinne der Assistenz innerlich
und äußerlich dort präsent
sind, wo die jungen Men­
schen sind, um ihnen als
kompetente Gesprächspart­
ner zur Verfügung zu stehen;
dass sie ihre Lebenswelten
kennen zu lernen suchen und
an ihrem Leben Anteil neh­
men; und nicht zuletzt, dass
sie in den Fragen und Bedürf­
nissen der jungen Menschen
die Klopfzeichen des Hl.
Geistes zu erkennen vermö­
gen.
P. Reinhard Gesing (45)
leitet das Institut für
Salesianische Spiritualität in
Benediktbeuern.