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1. BRIEF DES GENERALOBEREN
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DEN WEG IN TREUE GEHEN
Ein Gruß vor dem nahenden 28. Generalkapitel
Rom, den 8. September 2018
1. DIE STUNDE DES 28. GK UND DIE JUNGEN MENSCHEN. 2. WIE GEHT ES UNSERER
KONGREGATION? Welche Schwächen zeigen sich am meisten? 3. DER MISSIONSGEIST
DER KONGREGATION, QUELLE DER HOFFNUNG
Liebe Mitbrüder,
kürzlich wurde im Amtsblatt des Generalrates (Nr. 427) der Einberufungsbrief zum 28. GK
veröffentlicht. Als Ergebnis der Überlegungen des Generalrates im Monat April und meiner
persönlichen Sicht der Kongregation habe ich darin eingeladen, die vortreffliche Gelegenheit zu
bedenken, die unserer salesianischen Kongregation, wie übrigens bei jedem Generalkapitel, geboten
wird, einen weiteren Schritt nach vorne auf dem Weg der Treue zum Herrn auf den Spuren Don
Boscos zu tun.
In jener Nummer des Amtsblattes des Generalrates wurden viele Elemente erklärt und
konkretisiert, die von Seiten jeder Provinz und Visitatorie im Hinblick auf das Generalkapitel zu
berücksichtigen sind.
Nun nutzen wir die Veröffentlichung dieser Nummer des Amtsblattes, um weitere Überlegungen
und Beratungen des Generalrates sowie Informationen zum Ablauf und zu den Diensten der
Animation des Generaloberen und aller Generalräte zu übermitteln.
Meinerseits gibt mir diese neue Nummer des Amtsblattes die Gelegenheit, an Euch, liebe
Mitbrüder, einen Gruß zu richten und einen quasi familiären Brief zu schreiben, der eine
brüderliche und spontane Kommunikation sein soll.
In diesem Sinn möchte ich Euch sagen, dass ich mich sehr mit der Art und Weise identifiziere,
wie die ersten Generaloberen schrieben. Diese haben, gewiss in ganz anderen Umfeldern als den
unsrigen, ihren Mitbrüdern in einem so vertrauten Ton der Nähe geschrieben, dass es schien, als
wären alle Mitglieder der Kongregation in Reichweite; als ob sie alle in Valdocco lebten. Beim
Lesen vieler Briefe von Don Rua, Don Albera und Don Rinaldi habe ich dieses anrührende Gefühl
empfunden.
1. DIE STUNDE DES 28. GK UND DIE JUNGEN MENSCHEN
Darüber habe ich schon in dem Einberufungsbrief gesprochen. Sicherlich verlangt das nächste
Generalkapitel, welches vor unserer Tür steht, eine angemessene Vorbereitung jeder Provinz und
Visitatorie. Ich darf Euch versichern, dass wir als Generalrat dieses Ereignis mit großer Hoffnung
erwarten. Wir sind sicher, dass es eine Zeit der Gnade und des Ausgießens des Heiligen Geistes für
unsere Kongregation sein wird.
Ich kann bezeugen, dass ich bis heute eine große Menge an Botschaften, sowohl von den
Provinzen als auch von einzelnen Mitbrüdern, empfangen habe, die sich für das gewählte Thema

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bedanken und dazu ermutigen, es vorzubereiten und zu leben als eine große Gelegenheit, den Weg
in Treue fortzusetzen.
Vom Regulator des Generalkapitels habe ich den Vorschlag aufgenommen, an jedem Ort, in jeder
Provinz oder Visitatorie eine Beratung mit den jungen Menschen unserer Einrichtungen zu
organisieren. Ich möchte diesen letzten Punkt betonen.
Liebe Mitbrüder, ziehen wir die jungen Menschen, alle jungen Menschen zu Rate: die jungen
Menschen, die uns näher sind, die jungen Menschen, die entfernter sind, oder auch die jungen
Menschen, von denen wir eher distanziert sind. Fragen wir sie, was sie von uns erwarten, wie wir
ihnen helfen können und wie sie selbst uns helfen können, dem Herrn, wie Don Bosco, treuer zu
sein. Versäumen wir diese Gelegenheit nicht. Sie können zusammen mit uns Salesianern Don
Boscos weitere Hauptdarsteller unseres Kapitels sein. Ihre Teilnahme an der Kapitelsversammlung
wird – vermutlich – „symbolisch“ sein. Doch auch wenn sie nicht physisch an jedem Moment des
28. GK teilnehmen können, werden sie durch ihre jugendlichen, starken, mutigen und sogar
„kühnen“ Worte anwesend sein, die wir bereitwillig mit dem Herzen aufnehmen werden.
Als Beispiel und in demselben vertrauten Stil, mit dem ich diesen Brief begonnen habe, möchte
ich mit Euch allen zwei Botschaften, die mich kürzlich erreicht haben, teilen. Die erste ist eine
persönliche Nachricht auf „Facebook“; bei der anderen handelt es sich um das Zeugnis eines jungen
Menschen, den ich bei einer meiner letzten Visitationen getroffen habe.
Ich gebe beide Nachrichten so wieder, wie die jungen Menschen sie geschrieben haben, inklusive
der Grammatikfehler. Die erste Botschaft kam vor zwei Wochen von einer jungen Animatorin:
Lieber Don Angel,
ich habe gerade deine Botschaft zum 28. Generalkapitel gesehen und mich entschieden, dir zu
schreiben, um dir etwas mitzuteilen; das Thema des Kapitels erscheint mir wunderbar. Ich
habe mir schon ein wenig Zeit genommen, um über den Salesianer nachzudenken, den unsere
Wirklichkeit braucht und den wir junge Menschen benötigen. Dabei habe ich mich von
meiner persönlichen Erfahrung inspirieren lassen, die ich mit Salesianern gelebt habe, die
mich bei meinem ganzen Wachstum begleitet haben. Mir scheint, dass das Kapitel uns junge
Menschen in Ausbildung und Begleitung oder schon als junge Animatoren tätig direkt betrifft,
wenn wir sehr aufmerksam für die an uns gerichteten Gesten sind.
Ehrlich gesagt war ich manchmal ein wenig traurig, weil offensichtlich für einige Salesianer
andere Dinge wie Buchhaltung, Hauseinrichtung, die wirtschaftliche Lage, die Gebäude oder
die Verwaltung usw. mehr zu zählen scheinen.
Dennoch erfüllt mich die Einladung, die Dinge des Herzens an erste Stelle zu setzen, mit
Freude. Mich erfüllt die Herausforderung, die Wohlfühlzone zu verlassen, mit großer
Hoffnung, weil wir überzeugende und leidenschaftliche Salesianer brauchen, die einen Traum
haben und lebendige Zeugen der Liebe Christi sein können und uns ein Beispiel geben
können für alles, zu dem sich Don Bosco bekannte.
Ich glaube, dass wir uns so noch einmal für diesen Lebensstil begeistern können und so
unsere liebe Don-Bosco-Familie stärker wachsen lassen können, wobei wir natürlich unseren
eigenen Teil dazu beitragen müssen.
Ich trage dich im Herzen.
Ganz liebe Grüße
P.
Bei meiner letzten Visitation in Mexiko übergab mir ein Jugendlicher der Salesianischen
Jugendbewegung diesen Brief, nachdem er ihn öffentlich vorgelesen hatte.
Hallo Don Angel.
Zuerst möchte ich dich grüßen und dir für alles, was du tust, danken.

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Es ist eine echte Freude, ein wenig von der Erfahrung meiner Gemeinschaft als junger
Mensch der salesianischen Bewegung teilen zu können.
Ich heiße A.K. und bin 23 Jahre alt. Ich stamme aus dem Grenzgebiet, aus Nuevo Laredo in
Tamaulipas. Es ist wirklich eine Herausforderung, diese Worte zu schreiben und zu wissen,
dass sie vom Nachfolger Don Boscos gelesen werden. Unseres geliebten Don Bosco, der
Person, die tausende von jungen Menschen inspiriert hat, sich aus Liebe zu Gott zu bekehren,
unvergessliche Erfahrungen zu machen und sich selber besser kennenzulernen.
Ich kenne die Salesianer seit zehn Jahren. Ich halte es für einen großen Segen, die Geburt
eines Oratoriums aus einer echten Mülldeponie gesehen zu haben; die Freude zu sehen, wie
sich langsam eine Gemeinschaft gebildet hat, die arbeiten wollte, einen Unterschied machen,
einen Ort der Freude, des Zusammenlebens und des Friedens für unsere Kinder und
Jugendlichen pflegen wollte, einen Ort, um Christus frei zu lieben, indem man Zeit und Mühe
aufwendet.
Während dieser Zeit war es schwierig, das Oratorium lebendig zu halten aufgrund des
schwierigen Umfeldes voll mit Drogen, Alkohol, Dealern, illegaler Einwanderung, wo die am
meisten Ausgesetzten Jungen und Mädchen sind. Der jeden Tag zu erlebende Kampf ist
schwierig, ein Kampf jeder gegen jeden.
Die Unterstützung der salesianischen Gemeinschaft und der Volontäre ist anzuerkennen, die
uns begleiten und versuchen, die jungen Menschen aus dieser Situation zu befreien. Aber
genauso gibt es junge Menschen, die von Jesus und Don Bosco begeistert sind, junge
Menschen, die ein zweites Zuhause gefunden haben, neue Freunde, einen Ort, wo wir uns frei
äußern und auf eine gesunde Art vergnügen können.
Deswegen möchten wir, die jungen Menschen von Nuevo Laredo, Don Bosco sagen, dass wir
so mutig wie er sein wollen und viele Situationen ertragen, ohne zu verzweifeln und ohne
aufzugeben. Wir kämpfen immer für unsere Träume, auch wenn wir nicht wissen, wie weit
wir kommen werden. Viele von uns fragen sich immer wieder, was wir gemacht haben, dass
wir auserwählt wurden, ein Oratorium kennenzulernen und in ihm zu leben, und um in ihm zu
lernen, das Beispiel von Don Bosco zu teilen.
Uns begeistert zu wissen, wie er seine Zeit und sein Leben den Bedürftigsten gewidmet hat
und ihnen einen Platz zum Leben gibt, indem er Menschen schickt, die uns folgen und mit
derselben Energie an Jesus glauben und gemäß seinem Beispiel leben.
Viele von uns können sich ein Leben ohne Don Bosco, ohne Salesianer nicht vorstellen und
wir können bestätigen, dass wir ohne ihn nicht auf eine „verrückte“ Art, voller Lachen und
großartiger Erfahrungen, von Gott begeistert wären. Don Bosco, du hast die Verlorenen
geleitet, die, ohne die Richtung ihres Lebens zu kennen, die Antwort in diesem Haus, dieser
Schule, dieser Kirche und diesem Spielhof gefunden haben.
Deshalb möchte ich dir, lieber Don Bosco, danken, weil du weiterhin junge Menschen drängst
und motivierst. Ich möchte dir danken, weil du meine große „Don-Bosco-Familie“ lebendig
hältst, in der ich die besten Augenblicke meines Lebens gelebt habe, in der ich tolle Menschen
kennengelernt habe, von denen ich immer noch lerne, vor allem die Freude darüber, Gott auf
eine Art zu lieben, an die ich niemals gedacht hätte; das Glück, ich selbst zu sein und das zu
machen, was mir gefällt, ohne Angst oder Verlegenheit, einfach im größtmöglichen Umfang
das salesianische Charisma zu leben und sagen zu können, das meine Wahl Christus im Stil
von Don Bosco ist.“
Diese zwei Zeugnisse sagen uns, wie wichtig für diese jungen Menschen der Lebensweg in dem
salesianischen Umfeld ist, in dem sie sich befinden, und wie dieses salesianische Umfeld sie zur
Begegnung mit Jesus gebracht hat und nach wie vor bringt. Gleichzeitig fordern sie von uns, ihnen
nahe zu sein, an ihrer Seite unterwegs zu sein, vor allem bei wichtigen Entscheidungen, bei den
tiefgehenden, die ihr Leben und ihr Herz wirklich berühren.
Beim Schreiben dachte ich: Das Zeugnis zweier junger Menschen sagt uns schon so viel; wieviel

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bedeutender werden erst die Worte tausender junger Menschen sein, welche uns zum Generalkapitel
erreichen werden. Sie werden uns erlauben, ihren Herzschlag zu hören, und sie werden die
Kapitelsversammlung nicht unberührt lassen, weil sie Ausdruck des Heiligen Geistes sein werden,
der gerade auch durch sie sprechen wird.
Liebe Mitbrüder, wir dürfen nicht vergessen, dass es die Kinder, Jugendlichen und jungen
Erwachsenen der Welt sind, die unserem Leben die Fülle geben, die unser Salesianisches „retten“.
Für sie hat uns der Herr gerufen und zu ihnen schickt er uns.
Weder rettet uns noch stärkt uns, was uns fern von den jungen Menschen hält. Wir werden nicht
salesianischer im Stile von Don Bosco durch die alleinige Verwaltung und Leitung von
Programmen und Projekten. Nur sie, die jungen Menschen, lassen unser Herz immer salesianischer
werden. So wie es den Jungen von Don Bosco geschah, die ihm mit Gottes Gnade erlaubten, sich
für jeden von ihnen hinzugeben bis zum letzten Atemzug seines Lebens.
Diese Überzeugung fordert von uns allen eine affektive und effektive Präsenz unter den
jungen Menschen. Eine der Ausdrucksformen der „Rückkehr zu Don Bosco“, die wir als
Programm für die Kongregation in den vergangenen Jahren angenommen haben und die immer
noch gelten muss, ist die affektive und effektive Präsenz unter den jungen Menschen. Sie bedeutet,
dass wir unser salesianisches Herz pflegen müssen, das angesichts der Wirklichkeit unserer jungen
Menschen zittert, das träumt und immer das Beste für sie hofft, das ihren Lebensstil teilen will, wie
die beiden jungen Erwachsenen es in ihren hier zitierten Briefen bezeugt haben. Sie brauchen uns
und wollen uns an ihrer Seite haben, um sie auf ihrem Lebensweg zu begleiten.
Liebe Mitbrüder, von meinen Reisen durch die salesianische Welt kehre ich immer bewegt
zurück. Mein Herz ist bereichert durch das Gute, das die Kongregation an vielen Orten tut. Und
gleichzeitig sage ich mir: „Wie anziehend wären die Gegenwart und die Zukunft unserer
Kongregation, wenn alle, jeder meiner salesianischen Mitbrüder, an welchem Ort der Welt auch
immer, das Vorhaben, immer mehr für unsere Kinder und Jugendlichen da zu sein, annehmen
würden!“
Zweifelsohne erfreut sich die Kongregation guter Gesundheit. Und gleichzeitig denke ich, dass
der Rombrief Don Boscos immer noch aktuell ist und bleibt. Nicht weil es in unseren
Niederlassungen kein salesianisches Klima gibt, sondern weil wir von uns selbst in diesem Sinn
immer mehr, viel mehr fordern müssen.
Unser Stolz sollte durch die Tatsache gegeben sein, dass jeder Junge, jedes Mädchen, jeder
Jugendliche und junge Erwachsene auf der Welt, der sich in einem salesianischen Haus befindet und
der die Gegenwart eines Salesianers als Freund, Bruder und Vater braucht, diesen immer finden
kann.
Liebe Mitbrüder, ohne dramatisieren zu wollen, wage ich zu behaupten, dass es in der heutigen
Welt eine große „Krise der Vaterschaft“ gibt. Es gibt viele Hinweise dafür und die Spezialisten auf
diesem Gebiet belegen es gut. In den salesianischen Häusern sollten unsere Jungen und Mädchen
ein Klima finden, das ihnen hilft, in Freiheit in allen Dimensionen ihres Lebens zu wachsen. Sie
sollten Menschen treffen, die sie auf diese Art begleiten können, um Wege gehen zu können, auf
denen sie sich zerbrechlich und unsicher fühlen. Sie sollten Erziehern begegnen, Salesianern Don
Boscos wie Laien, die, weil sie Don Bosco in ihren Herzen tragen und immer auf ihn
zurückkommen, bereit sind, alle jungen Menschen in deren verschiedenen Situationen so
anzunehmen, wie sie sind.
2. WIE GEHT ES UNSERER KONGREGATION?
Diese Frage wird mir oft bei den Visitationen in den Provinzen gestellt.
Während des 28. GK werden wir über den Zustand der Kongregation berichten. Es ist
offensichtlich, dass die Tiefe und Weite des Themas es nicht erlaubt, diese Frage hier in einer

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angemessenen Art und Weise zu beantworten.
Auf jeden Fall kann ich, liebe Mitbrüder, ehrlich und objektiv bestätigen, dass sich die
Kongregation guter Gesundheit erfreut. Wir gehen heiter gestimmt den Weg der Treue oder
versuchen ihn zu gehen. Mit unseren Stärken und Schwächen, wie es normal ist, aber wir folgen
den Spuren Don Boscos.
Die neun durchgeführten „Visite di insieme“ haben meine Aussage belegt, wie auch die
Beurteilung, die wir bei diesen Gelegenheiten mitgeteilt haben.
In diesem Zusammenhang gebe ich nur einige Hinweise in dem Bewusstsein, dass diese
keineswegs erschöpfend sind.
=> Die jungen Menschen sind weiterhin das Zentrum unserer Sendung und müssen es noch mehr
sein.
Und unter ihnen die Ärmeren und Bedürftigen. In diesen Jahren habe ich sehr darauf bestanden,
diesen Vorrang zu bekräftigen. Auch die Mitglieder des Generalrates haben dazu beigetragen, diese
Botschaft mithilfe eigener Beiträge in den verschiedenen Ländern zu verstärken.
Wir sind eine Kongregation, die vom Heiligen Geist für die jungen Menschen erweckt wurde,
und bei diesen absolut vorrangig für die Ärmeren und Bedürftigen.
Nicht in allen Salesianerhäusern weltweit sind die Adressaten arm. Sehr oft sind die Familien
einfache, bescheidene, arbeitsame Familien. Die Anwesenheit von anderen, weniger bedürftigen
Kindern erlaubt jedoch auch dank ihres Beitrages, vielen anderen Erziehung, Bildung und
Evangelisierung anzubieten, die quasi keine Möglichkeit dazu hätten, wenn sie nicht Don Bosco
und den salesianischen Häusern begegnet wären.
Ich erinnere alle Provinzen weltweit daran, dass, wenn sie eine Unterscheidung durchführen oder
eine Entscheidung jeglicher Art auf Provinzebene treffen müssen, sie dabei beachten müssen, dass
diese Entscheidung uns dabei helfen soll, dem Charisma und der vorrangigen Option für die
Bedürftigen noch treuer zu sein. Im Zweifelsfall muss dies das Kriterium sein: der Ärmste und der
Bedürftigste, wie das für Don Bosco galt.
=> Gemeinsam mit dem Vorrang der Anwesenheit unter den jungen Menschen und der Option für
die Ärmeren müssen Evangelisierung und Erziehung zum Glauben immer die Dringlichkeit unserer
Kongegration sein. „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“1, schreibt der Apostel
Paulus.
Nicht selten fühlen wir uns eingeschränkt. Die unterschiedlichen sozialen Umfelder bremsen uns
manchmal und nicht immer wissen wir, wie wir gut handeln können, oder wir fühlen uns energielos
... Dennoch wirken die Kräfte für die Umsetzung einer echten Evangelisierung und Erziehung zum
Glauben tatsächlich.
Dazu kommt die Sensibilität, auch die Familien unserer jungen Menschen in die salesianische
Sendung einzubeziehen. Wir sind uns dessen bewusst, dass die pastorale Arbeit mit den Familien
„ein schwebendes Problem“ bleibt. Wir haben es schon bei vielen Gelegenheiten gesagt, aber wir
sehen gerade Maßnahmen vor. Diese Jahre waren in diesem Sinne sehr beredt.
=> Wir sind dabei, im Bereich der Aus- und Weiterbildung erhebliche Anstrengungen zu
unternehmen, und zwar vor allem im Bereich der Ausbildung der Ausbilder. Diese betreffen sowohl
das Vornoviziat als auch die Aus- und Weiterbildung der Novizenmeister oder die Vorbereitung der
Ausbilder für andere Phasen.
Dazu gehört auch die Aufgabe, eine neue Geographie der Ausbildungshäuser festzulegen, die in
vier Regionen der Kongregation im Dialog mit dem Generaloberen und seinem Rat schon
vorangebracht worden ist: Die Aufgabe steht weiterhin an, weil es in einigen Provinzen in den
letzten Jahren tiefgreifende Veränderungen gegeben hat.
Diese Neuorganisation der Ausbildungshäuser betrifft die Regionen Mittel- und Nordamerika,
Latein- und Südamerika und die beiden europäischen Regionen. Die Regionen Afrika mit
1 1 Kor 9,16.

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Madagaskar, Südasien und Ostasien mit Ozeanien sind noch in Erwartung, aber mit der festen
Entschlossenheit seitens des Generaloberen und seines Rates, die Situation anzugehen.
Selbstverständlich wird sich das Generalkapitel sehr qualifiziert über die Aus- und Weiterbildung
der Salesianer Don Boscos äußern als Antwort auf das vom Kapitel gestellte Thema: „Welche
Salesianer für die jungen Menschen von heute?” Es wird zweifellos eine großartige Gelegenheit
bieten, die wir uns zubilligen, um gerade heute noch treuer zu sein und auf das zu antworten, was
der Herr von uns erwartet, in einer Welt und in einer komplexen Gesellschaft, wo das salesianische
Charisma von großer Aktualität ist und notwendiger als je zuvor.
=> Nicht geringer sind die Anstrengungen, die die Kongregation in Bezug auf die wirtschaftliche
Lage und die wirtschaftliche Transparenz in allen Teilen der Welt unternimmt. Wir wissen, dass die
Wirklichkeit nicht einheitlich ist. Dennoch ist es wichtig zu wissen, dass viele bedeutende Schritte
gegangen werden.
=> Die Wirklichkeit der sozialen Kommunikation ist in den Provinzen uneinheitlich. Einige haben
viele bedeutende Schritte unternommen, um die soziale Kommunikation nicht nur auf den
Gebrauch der technischen Mittel zu beschränken, sondern sie als Sprache wertzuschätzen, als
Mittel, das Profil der Seelsorge zu schärfen, und immer mit der klaren Option, das Gute, das getan
wird, sichtbar und bekannt zu machen.
In anderen Gebieten der Welt ist die Wirklichkeit noch ärmlicher und müssen wir weiterhin
wachsen.
Welche Schwächen zeigen sich am meisten?
=> Die auffälligste, die, wie ich zu sagen wagen würde, dem apostolischen Ordensleben (oder dem
Leben der aktiven Orden) in der ganzen Kirche gemeinsam ist, besteht in der Schwäche unseres
Zeugnisses als Geweihte, also als Zeugen Gottes. Unser Leben muss – eher durch unser Sein als
nur unser Tun – die Menschlichkeit Gottes inmitten der Welt sichtbar und transparent machen.
Liebe Mitbrüder, das 27. GK hat sich dieser Realität sehr gut gestellt und wir sind seither
beachtliche Schritte gegangen; aber dieser Aspekt ist immer noch einer der schwächeren Punkte. In
der Tat fühlen wir uns wohler im Tun, wenn wir schöpferisch tätig sind, beim Verwalten und
Organisieren, als wenn wir durch unsere Art zu leben, zu beten, zu reden und zu arbeiten davon
Zeugnis geben, dass wir Gott geweiht sind. Ich wage zu sagen, dass dies „unsere Achillesferse“ ist.
=> Und wir müssen in den nächsten Jahren auch im Identitäts- und Zugehörigkeitsgefühl zu
unserer Kongregation weiter wachsen.
Wir erinnern uns sicher, zumindest diejenigen in der Kongregation, die nicht mehr so jung sind,
an die von Don Egidio Viganò gegebene Warnung in Bezug auf die Gefahr der Unbestimmtheit.
Nach dreißig Jahren liegt die Gefahr gerade in einer schwachen salesianischen Identität, in einem
geringen Zugehörigkeitssinn. Sie lässt sich bei einigen Mitbrüdern feststellen, von denen ein
bedeutender Teil aus Priestern besteht, die einen Bischof suchen, der sie in seine Diözese
inkardiniert. Manchmal sind wir sehr weit entfernt von jener Liebe zu Don Bosco, die der junge
Johannes Cagliero folgendermaßen ausdrückte: „Bruder oder nicht Bruder, ich bleibe bei Don
Bosco“.2
Zwei weitere Elemente erachte ich als sehr bedeutend. Von ihnen habe ich in den 70 Provinzen
und Visitatorien gesprochen, in denen ich inzwischen zur Visitation war.
Seit den ersten Monaten zu Beginn meines Dienstes als Generaloberer habe ich begonnen etwas
zu erahnen, was ich mit dem Generalrat geteilt habe und was wir gemeinsam vertieft haben.
2 Vgl. MB VI, 334. Anm. d. Ü.: Deutsche Übersetzung nach: Bildet eine umfassende Bewegung zum Heil der
Jugendlichen!“ Botschaft des Generalobern Don Pascual Chávez Villanueva SDB an die Jugendlichen im
Jubiläumsjahr 2009; zu finden unter: https://iss.donbosco.de/content/download/876/4030/file/GOanJugend2009.pdf

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Ich wurde sehr überrascht, als Papst Franziskus Ende November 2016 die Vereinigung der
Generaloberen zu einer Privataudienz empfing: Das vom Papst gewollte Treffen mit den 117
Generaloberen dauerte über drei Stunden und fand in dem Saal der Bischofssynode statt.
Der Papst erzählte uns von dem, was er im Herzen trug. Er sprach, wie ein Vater mit den eigenen
Kindern spricht, in sehr guter Kenntnis unserer Bedingungen als Ordensleute. Er sprach ganz offen
zu uns, ohne Aufnahmegerät, ohne Fernsehen oder andere Mittel, und er bot uns seine Vision der
Kirche und des Ordenslebens an.
An einem gewissen Punkt hat uns der Papst seine große Sorge in Bezug auf zwei große
Probleme, die die Kirche belasten, mitgeteilt. Mit außergewöhnlicher Stärke hat er uns gesagt, dass
diese Probleme Klerikalismus und Machtstreben heißen.
Es ist leicht, unmittelbar an unsere Kongregation zu denken, weil in einigen Häusern diese
Versuchungen kraftvoll an die Tür klopfen und es Mitbrüder gibt, die ihnen nachgeben.
Auf der anderen Seite sind sie so subtile Versuchungen, dass sie sich als nützlich erweisen, bis
dahin, dass sie als eine ganz normale, angemessene und sogar korrekte Form des Handelns
erscheinen.
Mit Klerikalismus soll nicht Bezug auf die Lage der Salesianerpriester genommen werden. In
unserer Kongregation sind 70 % der Salesianer auch Priester. Es ist eine schöne Art, die eine
Ordensberufung zu leben, zu der wir berufen sind: Salesianer Don Boscos zu sein, als
Salesianerpriester oder als Salesianerbrüder.
Klerikalismus hat dagegen viel mit dem Glauben zu tun, dass du alle Autorität hast und alles
durch deine Hände gehen muss, weil du Priester bist. Es hat etwas mit der Versuchung der
Karrieremacherei zu tun. Es hat viel zu tun mit der Schaffung von Abhängigkeiten – und es gibt
Mitbrüder, die es lieben, Personen zu haben, die „von ihnen abhängig“ sind.
Die zweite Gefahr betrifft die Versuchung der Macht. Und wenn ich „Macht“ sage, beziehe ich
mich nicht unmittelbar auf die Autorität. Wenn diese im evangelischen Geist des Dienstes gelebt
wird, besteht keine Gefahr des Machtstrebens ... Aber wenn die Verantwortung, das Amt, die
Autorität als Macht gelebt werden (nicht selten voller Stolz) und sich als Ausübung von Macht über
andere verstehen, weil diese von unseren wirtschaftlichen Ressourcen abhängig sind oder von der
Vergabe einer Arbeit oder davon, dass sie von dem einen oder anderen je nach Gusto des Gebers
profitieren ... In diesen Fälle ist es also notwendig, zu einem Leben gemäß dem Evangelium
zurückzukehren, um sich nicht in dem feinen, von der Versuchung der Macht gewobenen Netz zu
verfangen.
Und wir dürfen nicht glauben, liebe Mitbrüder, dass wir gegen dieses Risiko immun sind. Jeden
Tag, von heute an, müssen wir uns in Hinblick auf dieses Risiko vor dem Herrn prüfen und seine
Gnade erbitten, um ständig in der Dimension der Gabe und des einfachen und aufrichtigen Dienstes
zu leben.
3. DER MISSIONSGEIST DER KONGREGATION, QUELLE DER HOFFNUNG
Liebe Mitbrüder, ich kann meinen Brief nicht abschließen, bevor ich mich nicht auf eine letzte
Realität bezogen habe, die ich als bedeutend erachte.
Wir wissen aus unseren Konstitutionen und Satzungen, dass wir in der Kirche juristisch als
Kongregation apostolischen Lebens anerkannt sind mit einem Charisma, das die jungen Menschen
bevorzugt und unter diesen die Ärmeren und Verlassenen.
Wir gehören nicht zu den offiziell als „missionarisch“ anerkannten Kongregationen. Das stimmt.
Dennoch wissen wir auch, dass die missionarische Dimension der Kongregation für Don Bosco
wesentlich und vorrangig war. Das ist so und muss auch für uns heute so sein.
Unter diesem Aspekt wird sich die Kongregation weiterhin guter Gesundheit erfreuen, wenn sie
den eigenen missionarischen Charakter weiter beibehält und verstärkt.

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Ich empfinde aus diesem Grund eine große Freude und ich danke dem Herrn viele Male für diese
Gabe und dafür, dass Er sich weiterhin um unsere Kongregation kümmert und viele Mitbrüder dazu
beruft, die eigene missionarische salesianische Berufung ad gentes, ad vitam [= zu den Völkern auf
Lebenszeit] zu leben.
In diesen Jahren habe ich bei vielen Mitbrüdern die Anworten auf diesen Ruf des Herrn wachsen
sehen.
Ich habe gesehen, wie dieser Ruf und die Verfügbarkeit der Mitbrüder in den Provinzen sehr
geachtet wird, auch auf Kosten der Tatsache, Mitbrüder der eigenen Provinz zu „verlieren“, um sie
anderen Gebieten der Kongregation anzubieten.
Ich betone die gezeigte Großzügigkeit einiger Provinzen, die viele menschliche Gründe gehabt
hätten zu sagen, dass ihre Bedürfnisse es nicht erlauben, den anderen zu helfen. Dennoch haben sie
aus der Perspektive des Glaubens und in dem Glauben, dass der Herr ruft, alle Verfahren erleichtert.
Ich habe schließlich gesehen, wie im Angesicht einer besonderen Hilfsanfrage, zum Beispiel bei
der Gründung der neuen Niederlassung im Flüchtlingslager Palabek (Uganda) mit Schaffung einer
internationalen Gemeinschaft, verschiedene Provinziale hervorragende Mitbrüder zur Verfügung
gestellt haben, die sie auch selber gebraucht hätten.
Dies alles spricht von einer Sicht des Glaubens; spricht von einem Sinn für die Kirche und die
Gemeinschaft; spricht von Großzügigkeit.
Vergessen wir nicht, dass Gott sich bei der Großzügigkeit nie besiegen lässt.
Im letzten Jahr ist die Anzahl der Mitbrüder um 60% gestiegen, die nach einer ernsthaften
geistlichen Unterscheidung für sich persönlich und auf Provinzebene und anschließend im Dialog
mit dem Generaloberen und dem Generalrat für die Missionen ihre Verfügbarkeit für die Missio ad
gentes, ad vitam zum Ausdruck gebracht haben.
Ohne Zweifel ist die Antwort auf den missionarischen Ruf eine der großen Segnungen und ein
sicherer Weg der Treue zur Kongregation, zusammen mit der evangelisierenden und erzieherischen
Leidenschaft für die jungen Menschen, mit der salesianischen Leidenschaft, auf der Seite der
Ärmeren und der Bedürftigen zu stehen, in Verbindung mit dem wachsenden Wunsch, immer mehr
Familien zu begleiten auf dem Weg des Glaubens und der Berufungsfindung ihrer Kinder.
Ich grüße Euch, liebe Mitbrüder.
Ich möchte es in demselben vertrauten und nahen Ton tun, den ich diesem Brief geben wollte,
um Euch zu vermitteln, was ich im Herzen trage.
Danke Euch allen und jedem von Euch für die großzügige Antwort auf den Herrn mit einem
salesianischen Herzen.
Danke für das Leben eines jeden von Euch, meine lieben salesianischen Mitbrüder, die ihr der
wahre Reichtum und das Vermögen unserer Kongregation seid.
Danke, dass Ihr einen vortrefflichen und authentischen Weg gemäß dem Evangelium leben wollt,
mit Don Bosco, wie Don Bosco. Danke, dass Ihr Salesianer seid, auf die die heutige Welt und
unsere jungen Menschen warten und die sie benötigen.
Unsere Mutter Maria, die Helferin der Christen, folge und begleite uns.
Sie hat alles getan, Sie folgt uns, indem sie alles tut.
Und Don Bosco folgt uns, indem er uns wie seine Söhne geleitet und seine geliebte
Kongregation lenkt.
Mit aufrichtiger Zuneigung
Ángel FERNÁNDEZ ARTIME, SDB
Generaloberer