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Der Heilige Stuhl
APOSTOLISCHES SCHREIBEN
TOTUM AMORIS EST
DES HEILIGEN VATERS
FRANZISKUS
ANLÄSSLICH DES 400. TODESTAGES
DES HEILIGEN FRANZ VON SALES
»Alles gehört der Liebe«. [1] In diesen seinen Worten können wir das geistliche Erbe des heiligen
Franz von Sales zusammenfassen, der vor vierhundert Jahren, am 28. Dezember 1622, in Lyon
verstarb. Er war etwas über fünfzig Jahre alt und seit zwanzig Jahren Bischof und „verbannter“
Fürst von Genf. Er war im Anschluss an seinen letzten diplomatischen Auftrag nach Lyon
gekommen. Der Herzog von Savoyen hatte ihn gebeten, Kardinal Moritz von Savoyen nach
Avignon zu begleiten. Gemeinsam sollten sie dem jungen König Ludwig XIII. die Ehre erweisen,
der sich nach einem siegreichen Feldzug in Südfrankreich auf dem Rückweg nach Paris über das
Rhonetal befand. Der müde und gesundheitlich angeschlagene Franz hatte seine Reise lediglich
aus einem Geist des Dienens angetreten. »Wenn es zu Ihrem Dienst nicht sehr nützlich wäre,
dass ich diese Reise unternehme, hätte ich sicherlich viele gute und handfeste Gründe, darauf zu
verzichten; aber wenn es Ihnen zu Diensten ist, werde ich mich, tot oder lebendig, nicht
verweigern, sondern ich werde selber gehen oder mich tragen lassen«. [2] Dies war sein
Temperament. Als er schließlich in Lyon ankam, nahm er im Kloster der Visitantinnen im
Gärtnerhaus Quartier, um nicht zu viel Unruhe zu stiften und zugleich, um freier zu sein, jeden zu
treffen, der es wünschte.
Schon seit geraumer Zeit beeindruckten ihn die »schwächlichen Größen des Hoflebens« [3] nicht
mehr und so verbrachte er auch seine letzten Tage damit, sein Hirtenamt in einer Abfolge von
Terminen auszuüben: Beichten, Gespräche, Vorträge, Predigten und die letzten, nie
ausbleibenden Briefe geistlicher Freundschaft. Der tiefe Grund für diesen ganz von Gott erfüllten
Lebensstil war ihm im Laufe der Zeit immer klarer geworden, und er hatte ihn in seiner berühmten

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Abhandlung über die Gottesliebe einfach und präzise formuliert: »Sobald der Mensch ein wenig
aufmerksam an Gott denkt, fühlt sein Herz eine gewisse beglückende Erregung, was beweist,
dass Gott der Gott des menschlichen Herzens ist«. [4] Dies ist die Synthese seines Denkens. Die
Gotteserfahrung ist eine Erkenntnis des menschlichen Herzens. Es handelt sich nicht um ein
Gedankenkonstrukt, sondern um ein Erkennen voller Staunen und Dankbarkeit, das aus der
Offenbarung Gottes resultiert. Im Herzen und durch das Herz findet jener feine und intensive
Prozess statt, durch den der Mensch Gott und zugleich sich selbst erkennt, den eigenen Ursprung
und die eigene Tiefe, die eigene Erfüllung im Ruf zur Liebe. Er entdeckt, dass der Glaube keine
blinde Bewegung ist, sondern in erster Linie eine Haltung des Herzens. Durch ihn vertraut sich der
Mensch einer Wahrheit an, die seinem Gewissen wie eine „sanfte Gemütsbewegung“ erscheint,
die in der Lage ist, ein entsprechendes und unabdingbares „Wohl-Wollen“ für jede geschaffene
Wirklichkeit zu wecken, wie er gern sagte.
So betrachtet versteht man, dass es für den heiligen Franz von Sales keinen besseren Ort gab,
um Gott zu finden und anderen bei der Suche nach ihm zu helfen, als im Herzen einer jeder Frau
und eines jeden Mannes seiner Zeit. Er hatte dies gelernt, indem er sich selbst von frühester
Jugend an mit großer Aufmerksamkeit beobachtete und das menschliche Herz ergründete.
Mit dem innigen Gefühl eines von Gott durchdrungenen Alltags hatte er bei der letzten Begegnung
in jenen Tagen in Lyon seinen Visitantinnen den Satz hinterlassen, mit dem er in ihnen die
Erinnerung an ihn künftig zu besiegeln wünschte: »Mit den beiden Worten: Nichts verlangen –
nichts abschlagen, habe ich euch alles gesagt«. [5] Damit ist jedoch nicht eine Übung des reinen
Voluntarismus gemeint, »ein Wille ohne Demut«, [6] jene subtile Versuchung auf dem Weg zur
Heiligkeit, die diese mit der Rechtfertigung aus eigenen Kräften verwechselt, mit der Überhöhung
des menschlichen Willens und des eigenen Könnens, »das […] sich in eine egozentrische und
elitäre Selbstgefälligkeit, ohne wahre Liebe« [7] übersetzt. Ebenso wenig handelte es sich dabei
um einen reinen Quietismus, ein passives unbeteiligtes Befolgen einer Lehre ohne Fleisch und
ohne Geschichte. [8] Dieser oben genannte Satz kam vielmehr aus der Betrachtung des Lebens
des menschgewordenen Sohnes Gottes. Es war am 26. Dezember und der Heilige sprach zu den
Schwestern, die gerade das Weihnachtsgeheimnis begingen: »Schaut auf das Jesulein in der
Krippe. Es erträgt Ungemach und Kälte und alles, was der himmlische Vater zulässt. Es weist
aber auch die kleinen Erleichterungen, die seine Mutter ihm verschafft, nicht ab. Haben wir je
gelesen, dass es seine Händchen nach der Mutterbrust verlangend ausgestreckt? Alles hat es der
Sorge und Fürsorge seiner Mutter überlassen. Auch wir sollen nichts verlangen – nichts
abschlagen, sondern alles, was Gott schickt, annehmen, Ungemach und Kälte«. [9] Es bewegt,
wie bedacht er darauf ist, die Sorge um das Menschliche als unerlässlich anzuerkennen. In der
Schule der Menschwerdung hatte er also gelernt, die Geschichte zu verstehen und sich
vertrauensvoll auf sie einzulassen.
Das Kriterium der Liebe

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Durch die Erfahrung hatte er die Sehnsucht als die Wurzel eines jeden wahren geistlichen Lebens
und zugleich als den Ort seiner Verfälschung erkannt. Aus diesem Grund hatte er, der stark aus
der geistlichen Tradition schöpfte, die ihm vorausgegangen war, verstanden, wie wichtig es ist,
das Verlangen in einer ständigen Unterscheidungsübung unaufhörlich zu prüfen. Das
entscheidende Kriterium für seine Bewertung hatte er in der Liebe gefunden. Bei eben jenem
letzten Besuch in Lyon, am Stephanstag, zwei Tage vor seinem Tod, sagte er: »Wie ich schon
vorhin sagte, nicht die Größe der Arbeit ist es, die Gottes Wohlgefallen erregt, sondern die Liebe,
mit der wir sie ausführen […] Ich gehe noch einen Schritt weiter: Ein Mensch erduldet mit einer
Unze Liebe den Martertod für Gott. Gewiss, ein großes Verdienst, denn niemand kann mehr
geben als sein Leben. Ein anderer Mensch erträgt einen Nasenstüber mit zwei Unzen Liebe. Er
hat viel mehr Verdienst, denn die Liebe gibt den Dingen ihren Wert«. [10]
Überraschend konkret beschreibt er im weiteren Verlauf das schwierige Verhältnis zwischen
Kontemplation und Aktion: »Ihr wisst, dass das beschauliche Leben wertvoller ist als das tätige
Leben. Ist aber im tätigen Leben eine innigere Vereinigung mit Gott vorhanden, dann ist es
kostbarer als das beschauliche. Eine Küchenschwester steht bei den Kochtöpfen am offenen
Feuer; sie liebt Gott inniger und tiefer als eine andere, die sich der Beschauung hingibt. Das
materielle Feuer schadet nicht ihrer Liebe, ja es hilft ihr im Gegenteil, Gott noch wohlgefälliger zu
sein. Es ist gar nicht so selten, dass man bei einer Arbeit mit Gott ebenso vereint ist wie in der
Einsamkeit. Ich kann nur immer wieder das eine sagen: Wo mehr Liebe, da mehr
Vollkommenheit«. [11] Das ist die eigentliche Frage, die jede nutzlose Starre oder
Selbstbezogenheit schwungvoll überwindet: sich in jedem Moment, bei jeder Entscheidung, in
jeder Lebenslage zu fragen, wo sich die größere Liebe findet. Es ist kein Zufall, dass der heilige
Franz von Sales von Johannes Paul II. »Lehrer der göttlichen Liebe« [12] genannt worden ist,
nicht nur, weil er eine große Abhandlung darüber geschrieben hat, sondern vor allem, weil er ihr
Zeuge gewesen ist. Andererseits können auch seine Schriften nicht als eine am grünen Tisch
verfasste Theorie betrachtet werden, weit entfernt von den Sorgen der einfachen Menschen.
Seine Lehre ist vielmehr aus einem aufmerksamen Hören auf die Erfahrung hervorgegangen. Er
hat lediglich das in eine Lehre umgewandelt, was er mit Scharfsinn und vom Geist erleuchtet in
seinem einzigartigen und innovativen pastoralen Wirken gelebt und verstanden hat. Eine
Synthese dieser Vorgehensweise findet sich im Vorwort derselben Abhandlung über die
Gottesliebe: »Alles gehört der Liebe, alles liegt in der Liebe, alles ist für die Liebe, alles ist aus
Liebe in der heiligen Kirche«. [13]
Die Jahre der ersten Prägung: das Abenteuer, sich in Gott zu erkennen
Franz wurde am 21. August 1567 im Schloss von Sales in der Nähe von Thorens als Sohn von
François de Nouvelles, des Herren von Boisy, und Françoise de Sionnaz geboren. »Sein Leben
spielte sich im Übergang zwischen zwei Jahrhunderten ab, dem 16. und dem 17., er nahm das
Beste der Lehren und kulturellen Errungenschaften des ausgehenden Jahrhunderts in sich auf
und versöhnte das humanistische Erbe mit dem Streben nach dem Absoluten, das den

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mystischen Strömungen zu eigen war«. [14]
Nach der anfänglichen kulturellen Bildung, zunächst am Kolleg von La Roche-sur-Foron und dann
an jenem von Annecy, kam er nach Paris an das neu gegründete Jesuitenkolleg Clermont. In der
Hauptstadt des durch die Religionskriege verwüsteten Königreichs Frankreich erlebte er ganz aus
der Nähe das Drama zweier aufeinander folgender tiefer innerer Krisen, die sein Leben
unauslöschlich prägen sollten. Jenes inbrünstige Gebet in der Kirche St. Étienne-des-Grès vor der
Schwarzen Madonna von Paris entzündete in seinem Herzen inmitten der Dunkelheit eine
Flamme, die für immer in ihm lebendig bleiben sollte als Schlüssel für das Verständnis seiner
eigenen Erfahrung und der anderer. »Was auch kommen mag, Herr, in dessen Hand alles gelegt
ist und dessen Wege alle Gerechtigkeit und Wahrheit sind, […] ich will dich wenigstens in diesem
Leben lieben […] ich werde immer auf deine Barmherzigkeit hoffen und werde stets dein Lob
vermehren. […] Herr Jesus, du wirst immer meine Hoffnung und mein Heil im Land der Lebenden
sein«. [15]
So hatte er es in seinem Heft aufgezeichnet und wieder zur Ruhe gefunden. Diese Erfahrung wird
mit ihren Beunruhigungen und Fragen für ihn immer erleuchtend bleiben und ihm einen
einzigartigen Zugang zum Geheimnis der Beziehung Gottes zum Menschen eröffnen. Dies wird
ihm helfen, dem Leben der anderen zuzuhören und mit feinem Unterscheidungssinn die innere
Haltung zu erkennen, die das Denken mit dem Fühlen verbindet und die Vernunft mit den Affekten
und die den „Gott des menschlichen Herzens“ beim Namen nennt. Auf diese Weise lief Franz
nicht Gefahr, seiner persönlichen Erfahrung einen theoretischen Wert beizumessen und sie zu
verabsolutieren; aber etwas Außergewöhnliches, eine Frucht der Gnade wurde ihm zuteil: Er hatte
gelernt, in Gott seine eigenen Erfahrungen und die der anderen zu verstehen.
Obwohl er nie den Anspruch erhob, ein echtes theologisches System zu entwickeln, war seine
Reflexion über das geistliche Leben unbestreitbar von herausragendem theologischen Wert. Bei
ihm treten die wesentlichen Züge des Theologietreibens hervor, bei dem zwei Dimensionen nie
vergessen werden dürfen. Die erste ist das geistliche Leben, denn nur im demütigen und
beständigen Gebet, in der Offenheit für den Heiligen Geist, kann man das Wort Gottes verstehen
und zum Ausdruck bringen. Theologe wird man im Schmelztiegel des Gebets! Die zweite
Dimension ist das kirchliche Leben: in der Kirche und mit der Kirche fühlen. Auch die Theologie
hat unter der individualistischen Kultur gelitten, aber der christliche Theologe erarbeitet seine
Gedanken, indem er in die Gemeinschaft eingebettet ist und in ihr das Brot des Wortes bricht.
[16] Das Denken des Franz von Sales geht aus genau diesen beiden konstitutiven Zügen hervor,
am Rand der Kontoversen damaliger theologischer Schulen, aber mit großem Respekt vor ihnen.
Die Entdeckung einer neuen Welt
Nach Abschluss seiner humanistischen Studien widmete er sich der Rechtswissenschaft an der
Universität Padua. Bei seiner Rückkehr nach Annecy hatte er trotz des Widerstands seines Vaters

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bereits seine grundsätzliche Lebensentscheidung getroffen. Am 18. Dezember 1593 wurde er zum
Priester geweiht, und Anfang September des darauffolgenden Jahres wurde er auf Einladung des
Bischofs Claude de Granier zu einer schwierigen Mission im Chablais berufen, einem zur Diözese
Annecy gehörenden Gebiet calvinistischen Bekenntnisses, das im Wirrwarr von Kriegen und
Friedensverträgen erneut unter die Kontrolle des Herzogtums Savoyen geraten war. Es waren
dichte und dramatische Jahre. Hier entdeckte er neben mancher starren Unnachgiebigkeit, die
ihm später zu denken geben sollte, seine Gaben als Vermittler und Mann des Dialogs. Er erwies
sich auch als Erfinder neuer und gewagter pastoraler Methoden, wie die berühmten „Flugblätter“,
die überall aufgehängt und sogar unter den Haustüren hindurchgeschoben wurden.
Im Jahr 1602 kehrte er nach Paris zurück, um im Auftrag von Granier und auf genaue Anweisung
des Apostolischen Stuhls eine heikle diplomatische Mission zu erfüllen, nachdem sich die
politisch-religiösen Verhältnisse im Gebiet des Bistums Genf zum wiederholten Mal geändert
hatten. Trotz der guten Absichten des Königs von Frankreich scheiterte die Mission. Er selbst
schrieb an Papst Clemens VIII.: »So war ich gezwungen, nach vollen neun Monaten
zurückzukehren, und habe kaum etwas erreicht«. [17] Dennoch erwies sich diese Mission für ihn
und für die Kirche als ein unerwarteter Reichtum in menschlicher, kultureller und religiöser
Hinsicht. In der freien Zeit, die die diplomatischen Verhandlungen zuließen, predigte Franz in
Gegenwart des Königs und des französischen Hofes, knüpfte wichtige Beziehungen und tauchte
vor allem ganz und gar in den geistlichen und kulturellen Aufschwung der modernen Hauptstadt
des Königreichs ein.
Dort hatte sich alles verändert und war dabei, sich weiter zu verändern. Er selbst ließ sich
berühren und hinterfragen von den großen Problemen, die in der Welt auftauchten, von der neuen
Art, sie zu betrachten, und von der überraschenden spirituellen Suche, die entstanden war, sowie
von den noch nie dagewesenen Fragen, die sich daraus ergaben. Kurzum, er erkannte diesen
wirklichen „Epochenübergang“, auf den man notwendigerweise in alter und neuer Sprache
antworten musste. Es war sicher nicht das erste Mal, dass er glühenden Christen begegnete, aber
es ging hier um etwas anderes. Das war nicht das von den Religionskriegen verwüstete Paris, das
er während seiner Ausbildungsjahre gesehen hatte, und auch nicht der erbitterte, in den Gebieten
des Chablais geführte Kampf. Es war eine unerwartete Wirklichkeit: Eine Menge »von Heiligen,
von wahren Heiligen, zahlreich und überall«. [18] Da gab es Menschen von Kultur, Sorbonne-
Professoren, Vertreter der Institutionen, Prinzen und Prinzessinnen, Diener und Dienerinnen,
Ordensmänner und Ordensfrauen. Eine auf vielfältige Weise nach Gott dürstende Welt.
Diesen Personen zu begegnen und ihre Fragen zu erkennen, war eine der bedeutendsten
Fügungen seines Lebens. Scheinbar nutzlose und erfolglose Tage wurden auf diese Weise zu
einer unvergleichlichen Schule, um die Stimmungen der Zeit verstehen zu lernen, ohne sich ihnen
anzubiedern. Der geschickte und unermüdliche Streiter verwandelte sich durch die Gnade in einen
feinsinnigen Interpreten der Zeit und außergewöhnlichen Seelenführer. Sein pastorales Wirken,
seine großen Werke (die Anleitung zum geistlichen Leben und die Abhandlung über die

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Gottesliebe), die Tausende von Briefen geistlicher Freundschaft, die daraus hervorgehen sollten
und innerhalb wie außerhalb von Klostermauern an Mönche und Nonnen, an Hofherren und -
damen sowie an einfache Menschen geschickt wurden, die Begegnung mit Johanna Franziska
von Chantal und selbst die Gründung des Ordens von der Heimsuchung Mariens im Jahr 1610
würden ohne diese innere Wende unverständlich bleiben. Evangelium und Kultur gingen also eine
fruchtbare Verbindung ein, aus der die Eingebung einer wirklichen Methode hervorging, die zur
Reife gelangt war und eine nachhaltige und reiche Ernte versprach.
In einem der allerersten Briefe der geistlichen Begleitung und Freundschaft, den er an eine der
Gemeinschaften schickte, die er in Paris besucht hatte, spricht Franz von Sales, wenn auch mit
tiefer Demut, von „seiner Methode“, die sich von anderen unterscheidet, im Hinblick auf eine echte
Reform. Es ist eine Methode, die auf Härte verzichtet und ganz und gar auf die Würde und die
Fähigkeit einer frommen Seele baut, trotz ihrer Schwächen: »Ich frage mich, ob es nicht noch ein
anderes Hindernis für Eure Reform gibt. Vielleicht haben jene, die diese Reform vorgeschlagen
haben, die Wunde zu rauh aufgerissen. […] Ich lobe ihre Methode, wenn sie auch nicht die meine
ist, vor allem nicht bei Seelen mit guter Verfassung, wie Ihr es seid. Ich glaube, dass es besser ist,
Euch einfach das Übel zu zeigen und Euch dann das glühende Eisen in die Hand zu drücken,
damit Ihr selbst das Übel ausbrennt. Jedenfalls soll Euch das nicht von einer Reform abhalten«.
[19] In diesen Worten scheint jene Sichtweise durch, die den salesianischen Optimismus berühmt
gemacht und in der Geschichte der Spiritualität ihren nachhaltigen Abdruck hinterlassen hat, um
dann immer wieder zur Blüte zu gelangen, wie zweihundert Jahre später im Fall von Don Bosco.
Wieder zurück in Annecy wurde er am 8. Dezember desselben Jahres 1602 zum Bischof geweiht.
Der Einfluss seines bischöflichen Dienstes auf das damalige Europa und die folgenden
Jahrhunderte scheint immens gewesen zu sein. »Er ist Apostel, Prediger, Schriftsteller, Mann der
Tat und des Gebets; darum bemüht, die Ideale des Konzils von Trient umzusetzen; beteiligt an der
Auseinandersetzung und am Dialog mit den Protestanten, wobei er jenseits der notwendigen
theologischen Diskussion immer mehr die Wirkkraft der persönlichen Beziehung und der Liebe
erfährt. Er war auch mit diplomatischen Missionen auf europäischer Ebene sowie mit sozialen
Aufgaben zur Vermittlung und zur Versöhnung betraut«. [20] Vor allem ist er ein Interpret des
Epochenwechsels und Seelenführer in einer Zeit, die auf neue Art nach Gott dürstet.
Die Liebe tut alles für ihre Kinder
Um 1620/1621, also bereits gegen Ende seines Lebens, richtete Franz an einen Priester seiner
Diözese Worte, die seine Sicht auf die damalige Zeit erhellen können. Er ermutigte ihn, seinem
Wunsch zu folgen und sich der Abfassung neuartiger Texte zu widmen, welche in der Lage waren,
die neuen Fragen aufzugreifen und deren Notwendigkeit zu erkennen. »Aber, mein Gott, ich muss
Ihnen sagen, die Erkenntnis der Launen der Welt lässt mich leidenschaftlich wünschen, die
göttliche Güte möge irgendeinen ihrer Diener anregen, nach dem Geschmack dieser armseligen
Welt zu schreiben«. [21] Der Grund für diese Ermutigung lag in seiner eigenen Sicht auf die Zeit:

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»Die Welt ist so empfindlich, dass man sie künftig nur mit parfümierten Handschuhen anzufassen
wagen darf, ihre Wunden nur mit Zibethpflaster verbinden. Was aber wichtig ist: Warum sollen die
Menschen geheilt und wozu sollen sie gerettet werden? Unsere Königin, die Liebe, tut alles für
ihre Kinder«. [22] Diese Einstellung ist nicht selbstverständlich und auch keine endgültige
Kapitulation angesichts einer Niederlage. Es war vielmehr die Einsicht eines sich vollziehenden
Wandels und der ganz evangeliumsgemäßen Notwendigkeit, zu verstehen, wie man ihn gestalten
kann.
Im Übrigen hatte er dasselbe Bewusstsein zur Reife und zum Ausdruck gebracht, als er im
Vorwort der Abhandlung über die Gottesliebe einführend schrieb: »Natürlich berücksichtigte ich
die Geistesverfassung unserer Zeit. Ich musste es tun; es ist sehr wichtig zu wissen, in welcher
Zeit man schreibt«. [23] Um das Wohlwollen des Lesers bittend beteuerte er dann: »Findest du
den Stil dieser Schrift verschieden von dem der „Philothea“ und fällt es dir auf, dass beide
Schriften abweichen von der Art, in der die „Verteidigung der Kreuzesfahne“ abgefasst ist, so
bedenke, dass man in 19 Jahren vieles lernt und verlernt, dass die Sprache des Krieges anders ist
als die des Friedens und dass man anders mit Anfängern als mit alten Gefährten spricht«.
[24] Doch wo soll man angesichts dieses Wandels anfangen? Nicht weit entfernt von eben der
Geschichte Gottes mit den Menschen. Daraus ergibt sich die eigentliche Absicht seiner
Abhandlung: »Ich habe nur daran gedacht, einfach und schlicht, ungekünstelt und ungeschminkt
die Geschichte der Entstehung, des Fortschritts und Verfalls der göttlichen Liebe, ihrer Werke,
Eigenschaften, Vorzüge und Erhabenheit zu beschreiben«. [25]
Die Fragen eines Epochenübergangs
Anlässlich seines vierhundertsten Todestages habe ich mir Gedanken über Franz von Sales’
Vermächtnis für unsere Zeit gemacht und dabei seine Flexibilität und seine Fähigkeit, Visionen zu
entwickeln, als erhellend empfunden. Teilweise als Geschenk Gottes, teilweise als Ergebnis
seiner persönlichen Natur und auch als Ergebnis seiner beständigen Achtsamkeit für das Erlebte,
hatte er den Wandel der Zeiten klar wahrgenommen. Er selbst hätte nie gedacht, darin eine
solche Gelegenheit zum Verkünden des Evangeliums erkennen zu können. Das Wort Gottes, das
er von Jugend an geliebt hatte, war in der Lage, sich seinen Weg zu bahnen und neue,
unvorstellbare Horizonte in einer Welt zu eröffnen, die sich in einem raschen Wandel befand.
Das ist es, was uns als wesentliche Aufgabe auch in diesem unserem Epochenübergang erwartet:
eine nicht selbstbezogene Kirche, frei von jeder Verweltlichung, aber in der Lage, sich in der Welt
zurechtzufinden, das Leben der Menschen zu teilen, gemeinsam unterwegs zu sein, zuzuhören
und aufzunehmen. [26] Das hat Franz von Sales getan, indem er mit Hilfe der Gnade seine Zeit
verstand. So lädt er uns ein, Abstand zu nehmen von einer übermäßigen Sorge um uns selbst, um
die Strukturen, um das gesellschaftliche Erscheinungsbild und uns vielmehr zu fragen, welches
die konkreten Bedürfnisse und die geistlichen Erwartungen unseres Volkes sind. [27] Daher ist es
auch heute wichtig, einige seiner grundlegenden Entscheidungen erneut zu bedenken, um den

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Wandel mit der Weisheit des Evangeliums zu durchdringen.
Die Brise und die Flügel
Die erste dieser Entscheidungen bestand darin, die glückliche Beziehung zwischen Gott und dem
Menschen erneut zu betrachten und einem jeden in seiner besonderen Situation noch einmal
anzutragen. Letztlich ist der eigentliche Grund und das konkrete Anliegen seiner Abhandlung ja
gerade, seinen Zeitgenossen die Faszination der Gottesliebe zu verdeutlichen. »Welches sind nun
die Bande, womit die göttliche Vorsehung unsere Herzen gewöhnlich an sich zieht?«.
[28] Ausgehend von der Bibelstelle Hosea 11,4 [29] definiert er diese gewöhnlichen Mittel als
»menschliche Bande« und »Fesseln der Liebe und Freundschaft«. »Gewiss, […] Gott zieht uns
nicht mit eisernen Fesseln an sich wie Stiere oder Büffel, sondern er wirbt um uns, er lockt uns
liebevoll an sich durch zarte und heilige Einsprechungen. Das sind Bande Adams und der
Menschlichkeit, sie entsprechen der Beschaffenheit des menschlichen Herzens, das von Natur
aus frei ist«. [30] Durch diese Bande hat Gott sein Volk aus der Sklaverei befreit, indem er es
lehrte, zu gehen, und indem er es an der Hand hielt, wie es ein Vater oder eine Mutter mit dem
eigenen Kind tut. Kein äußerer Zwang also, keine despotische und willkürliche Macht, keine
Gewalt. Vielmehr die überzeugende Form einer Einladung, die die Freiheit des Menschen nicht
anrührt. »Die Gnade«, fährt er fort und denkt dabei sicher an zahllose Lebensgeschichten, denen
er begegnet ist, »besitzt Kräfte, nicht um von unseren Herzen etwas zu erzwingen, sondern um
sie liebevoll anzulocken. Ihr wohnt heilige Gewalt inne, uns nicht zu vergewaltigen, sondern
unsere Freiheit zu einer liebenden zu gestalten. Sie wirkt kraftvoll, aber zugleich so mild, dass
unser Wille unter ihrer so machtvollen Tätigkeit nicht erdrückt wird. Sie drängt uns, unterdrückt
aber nicht unser freies Handeln, so dass wir, bei all ihrem kraftvollen Wirken, ihren Regungen
zustimmen oder widerstehen können, wie es uns gefällt«. [31]
Zuvor hatte er diese Beziehung mithilfe des kuriosen Beispiels des „Apodus“ beschrieben:
»Aristoteles spricht (Hist. an. 1,1) von gewissen Vögeln, er nennt sie „Apoden“ oder „Fußlose“,
deren Beine so kurz und deren Füße so schwach sind, dass sie sich ihrer nicht bedienen können;
es ist, wie wenn sie überhaupt keine hätten. Sinken diese Vögel einmal zur Erde herab, so bleiben
sie dort wie gefangen liegen und sind nicht imstande, sich zum Flug zu erheben. Da sie Beine und
Füße nicht gebrauchen können, vermögen sie sich nicht in die Luft zu erheben. Sie kauern am
Boden und gehen zugrunde, falls nicht ein günstiger Wind ihrem Unvermögen zu Hilfe kommt, sie
erfasst und in die Luft hinaufwirbelt, wie er es auch sonst noch mit anderem macht. Wenn sie
dann dem Antrieb und dem Schwung, den ihnen der Wind gibt, entsprechen und ihre Flügel
gebrauchen, dann hilft ihnen der Wind noch weiter und treibt sie immer mehr zum Flug voran«.
[32] So ist der Mensch: Von Gott zum Fliegen und zur Entfaltung seines vollen Potentials in der
Berufung zur Liebe geschaffen, läuft er Gefahr, unfähig zu werden zum Flug anzuheben, wenn er
zu Boden fällt und nicht bereit ist, seine Flügel wieder für die Brise des Geistes zu öffnen.
Hier ist also die „Form“, in der die Gnade Gottes sich an die Menschen richtet: Es ist jene der

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kostbaren und sehr menschlichen Bande Adams. Gottes Macht ist immer und uneingeschränkt
dazu in der Lage, den Menschen wieder in den Flug zurückzuversetzen und doch sorgt seine
Sanftmut dafür, dass die freie Zustimmung dazu nicht eingeschränkt oder nutzlos ist. Es ist am
Menschen, sich zu erheben oder sich nicht zu erheben. Obwohl die Gnade ihn ohne sein Zutun
bei seinem Erwachen berührt hat, will sie doch nicht, dass der Mensch sich ohne seine eigene
Einwilligung erhebt. So kommt er zu seiner abschließenden Überlegung: »Theotimus, die
Gnadenanregungen kommen uns zuvor und machen sich bemerkbar, ehe wir noch an sie denken
können; haben wir jedoch einmal ihre Gegenwart gefühlt, so steht es bei uns, ihnen
beizustimmen, mitzuwirken und ihnen zu folgen oder ihnen die Zustimmung zu verweigern und sie
abzuweisen. Ohne unser Zutun machen sie sich uns fühlbar, aber unsere Einwilligung bewirken
sie nicht ohne unser Zutun«. [33] Deshalb handelt es sich bei der Beziehung zu Gott immer um
eine Erfahrung des Beschenktwerdens, die die Tiefe der Liebe des Vaters bezeugt.
Diese Gnade macht den Menschen jedoch niemals passiv. Sie führt zum Verständnis, dass die
Liebe Gottes radikal allem vorausgeht und dass sein erstes Geschenk darin besteht, dass man
sich aus eben seiner Liebe empfängt. Jeder Mensch hat jedoch die Pflicht, an der eigenen
Verwirklichung mitzuwirken, indem er seine Flügel vertrauensvoll für die Brise Gottes öffnet. Hier
sehen wir einen wichtigen Aspekt unserer menschlichen Berufung: »Im Schöpfungsbericht der
Genesis befiehlt Gott Adam und Eva, fruchtbar zu sein. Die Menschheit hat den Auftrag, die
Schöpfung zu verwandeln, aufzubauen und sich untertan zu machen in dem positiven Sinn, aus
ihr und mit ihr zu erschaffen. Was kommen wird, hängt nicht von einem unsichtbaren
Mechanismus ab, einer Zukunft, in der die Menschheit ein passiver Beobachter wäre. Nein, wir
sind Akteure, wir sind – wenn ich das Wort etwas dehnen darf – Mit- Schöpfer«. [34] Dies ist, was
Franz von Sales gut verstanden und in seinem Dienst als Seelenführer weiterzugeben versucht
hat.
Wahre Frömmigkeit
Eine zweite wichtige Entscheidung war jene, die Frömmigkeit thematisiert zu haben. Auch in
diesem Fall hatte der Epochenwechsel, wie in unseren Tagen, nicht wenige Fragen zu diesem
Thema aufgeworfen. Insbesondere zwei Aspekte sollten auch heute verstanden und neu
verbreitet werden. Der erste betrifft die Idee der Frömmigkeit selbst, der zweite ihre universale und
populäre Wesensart. So geht es auch am Anfang der Philothea an erster Stelle darum,
anzugeben, was mit Frömmigkeit gemeint ist: »Deshalb musst du zunächst wissen, was die
Tugend der Frömmigkeit ist. Es gibt nur eine wahre Frömmigkeit, an falschen und irrigen
Spielarten dagegen eine ganze Reihe. Wenn du die echte nicht kennst, kannst du dich leicht
verirren und einer unbrauchbaren, abergläubischen nachlaufen«. [35]
Die Beschreibung der falschen Frömmigkeit durch Franz von Sales ist köstlich und bleibt immer
aktuell. Unschwer können wir uns in dieser Beschreibung wiederfinden, die eine probate Spitze
gesunden Humors enthält: »Wer gern fastet, hält sich für fromm, weil er fastet, obgleich sein Herz

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voll Rachsucht ist. Vor lauter Mäßigkeit wagt er nicht, seine Zunge mit Wein, ja nicht einmal mit
Wasser zu benetzen, aber er schrickt nicht davor zurück, sie in das Blut seiner Mitmenschen zu
tauchen durch Verleumdung und üble Nachrede. – Ein anderer hält sich für fromm, weil er täglich
eine Menge Gebete heruntersagt, obwohl er nachher seiner Zunge alle Freiheit lässt für
Schimpfworte, böse und beleidigende Reden gegen Hausgenossen und Nachbarn. – Der eine
entnimmt seiner Geldbörse gern Almosen für die Armen, aber er kann aus seinem Herzen nicht
die Liebe hervorbringen, seinen Feinden zu verzeihen. – Der andere verzeiht wohl seinen
Feinden, seine Gläubiger befriedigt er aber nur, wenn ihn das Gericht dazu zwingt«. [36] Dies sind
offensichtlich Laster und Schwierigkeiten aller Zeiten, auch der heutigen, und der Heilige schließt:
»Gewöhnlich hält man alle diese Menschen für fromm, sie sind es aber keineswegs«. [37]
Die Neuheit und die Wahrheit der Frömmigkeit sind hingegen anderswo zu finden, nämlich in einer
tief mit dem göttlichen Leben in uns verbundenen Wurzel. Auf diese Weise setzt »die wahre und
lebendige Frömmigkeit […] die Gottesliebe voraus; ja sie ist nichts anderes als wahre Gottesliebe.
Freilich nicht irgendeine Liebe zu Gott«. [38] In seiner glühenden Vorstellung ist Frömmigkeit »mit
einem Wort: […] nichts anderes als Gewandtheit und Lebendigkeit im geistlichen Leben. Sie lässt
die Liebe in uns oder uns in der Liebe tätig werden mit rascher Bereitschaft und Freude«.
[39] Deshalb steht sie nicht neben der Liebe, sondern ist eine Ausprägung von ihr und zugleich
führt sie zu ihr. Sie ist wie eine Flamme im Verhältnis zum Feuer: Sie belebt seine Intensität, ohne
seine Beschaffenheit zu verändern. »So unterscheidet sich die Frömmigkeit von der Gottesliebe
nicht anders, als die Flamme vom Feuer. Wenn das geistliche Feuer der Liebe hohe Flammen
schlägt, dann heißt es Frömmigkeit. Die Frömmigkeit fügt zum Feuer der Liebe nur die lodernde
Flamme froher Bereitschaft hinzu, Entschlossenheit und Sorgfalt nicht nur in der Beobachtung der
göttlichen Gebote, sondern auch der himmlischen Ratschläge und Einsprechungen«. [40] Eine so
verstandene Frömmigkeit hat nichts Abstraktes. Sie ist vielmehr ein Lebensstil, eine Art und
Weise, das konkrete tägliche Leben zu leben. Sie nimmt die kleinen Dinge des Alltags auf und
deutet sie, Essen und Kleidung, Arbeit und Freizeit, Liebe und Elternschaft, das Achten auf
berufliche Pflichten; kurzum, sie erleuchtet die Berufung eines jeden.
Hier erkennt man die Verwurzelung der Frömmigkeit im Volk, wovon gleich die ersten Zeilen der
Philothea sprechen: »Die vor mir über die Frömmigkeit schrieben, hatten fast ausnahmslos Leser
im Auge, die ein Leben fern von weltlichen Geschäften führten, oder solche, die sie zur Weltflucht
bewegen wollten. Ich dagegen will gerade jenen helfen, die in der Stadt, im Haushalt oder bei Hof
leben und durch ihren Stand notwendigerweise oft mit anderen zusammenkommen«. [41] Aus
diesem Grund irrt sich gewaltig, wer die Frömmigkeit in irgendeinen geschützten und reservierten
Bereich verbannen möchte. Vielmehr ist sie etwas, das allen gehört und für alle da ist, wo immer
wir sind, und jeder kann sie entsprechend seiner eigenen Berufung ausüben. Wie der heilige Paul
VI. anlässlich des vierhundertsten Geburtstages des heiligen Franz von Sales schrieb, »ist die
Heiligkeit nicht das Vorrecht der einen oder anderen Klasse, sondern an alle Christen ergeht die
dringende Aufforderung: „Mein Freund, rück weiter hinauf“ ( Lk 14,10); alle sind gehalten, den
Berg Gottes zu besteigen, wenn auch nicht alle auf demselben Weg. „Der Herr, der Handwerker,

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der Kellner, der Fürst, die Witwe, die junge Frau, die Braut müssen ihre Frömmigkeit anders
praktizieren. Mehr noch, die Ausübung der Frömmigkeit muss an die Stärken, die Tätigkeiten und
die Pflichten jedes Einzelnen angepasst werden“«. [42] Die säkulare Stadt zu durchqueren und
dabei die Innerlichkeit zu bewahren, den Wunsch nach Vollkommenheit mit jeder Lebenslage zu
verbinden und eine Mitte wiederzuentdecken, die sich nicht von der Welt abgrenzt, sondern lehrt,
sie zu bewohnen, sie zu schätzen, aber auch zu lernen, den richtigen Abstand von ihr zu nehmen:
Das war seine Absicht, und es ist nach wie vor eine wertvolle Lehre für jede Frau und jeden Mann
unserer Zeit.
Das ist das Konzilsthema der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit: »Mit so reichen Mitteln zum
Heile ausgerüstet, sind alle Christgläubigen in allen Verhältnissen und in jedem Stand je auf ihrem
Wege vom Herrn berufen zu der Vollkommenheit in Heiligkeit, in der der Vater selbst vollkommen
ist«. [43] „Je auf ihrem Wege“. »Es geht also nicht darum, den Mut zu verlieren, wenn man
Modelle der Heiligkeit betrachtet, die einem unerreichbar erscheinen«. [44] Die Mutter Kirche stellt
sie uns vor Augen, nicht damit wir versuchen, sie zu kopieren, sondern damit sie uns ermutigen,
den einzigartigen und besonderen Weg zu gehen, den der Herr für uns vorgesehen hat. »Worauf
es ankommt, ist, dass jeder Gläubige seinen eigenen Weg erkennt und sein Bestes zum
Vorschein bringt, das, was Gott so persönlich in ihn hineingelegt hat (vgl. 1 Kor 12,7)«. [45]
Die Ekstase des Lebens
All dies veranlasste den heiligen Bischof, das christliche Leben in seiner Gesamtheit als »Ekstase
der Tat und des Lebens« [46] zu betrachten. Es geht dabei nicht um eine einfache Flucht oder
einen Rückzug in die Innerlichkeit, geschweige denn um einen traurigen und grauen Gehorsam.
Wir wissen, dass diese Gefahr immer im Glaubensleben besteht. Denn »es gibt Christen, deren
Lebensart wie eine Fastenzeit ohne Ostern erscheint. [...] Ich verstehe die Menschen, die wegen
der schweren Nöte, unter denen sie zu leiden haben, zur Traurigkeit neigen, doch nach und nach
muss man zulassen, dass die Glaubensfreude zu erwachen beginnt, wie eine geheime, aber feste
Zuversicht, auch mitten in den schlimmsten Ängsten«. [47]
Die Freude erwachen zu lassen, genau darum geht es Franz von Sales in seiner Beschreibung
der „Ekstase der Tat und des Lebens“. Dank ihr leben wir »dann nicht nur ein gesittetes,
rechtschaffenes und christliches Leben, sondern ein übernatürliches, geistliches, Gott
hingegebenes und ekstatisches, d. h. ein Leben, das in jeder Hinsicht außerhalb und über unserer
naturhaften Beschaffenheit steht«. [48] Hier befinden wir uns auf den zentralen und leuchtendsten
Seiten seiner Abhandlung. Die Ekstase ist das glückliche Übermaß des christlichen Lebens, das
über das Mittelmaß des reinen Befolgens hinausgeht: »Nicht stehlen, nicht lügen, keine
Unkeuschheit treiben, zu Gott beten, nicht sinnlos schwören, seinen Vater lieben und ehren, nicht
töten, – das heißt entsprechend der natürlichen Vernunft leben. Aber all sein Hab und Gut
aufgeben, die Armut lieben, sie die ganz holde Herrin nennen und sich ihr gegenüber auch so
verhalten, Schmach und Schimpf, Verachtung, Verfolgung und Martyrium als Seligkeit und Glück

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ansehen, vollkommene Keuschheit bewahren, – und schließlich inmitten der Welt und in diesem
sterblichen Dasein ein Leben ständigen Verzichtes, ständiger Entsagung und Selbstverleugnung
führen, gegen alle Meinungen und Behauptungen der Welt und gegen den Strom schwimmen, –
das heißt nicht mehr menschlich, sondern übermenschlich leben, das ist nicht in uns leben,
sondern außer uns und über uns. Da aber niemand so über sich selbst hinausgehen kann, wenn
ihn nicht der ewige Vater zieht ( Joh 6,44), so muss diese Art zu leben eine ständige Entrückung,
eine fortwährende Ekstase der Tat und des Wirkens sein«. [49]
Es ist ein Leben, das die Quellen der Freude wiederentdeckt hat, gegen all sein Vertrocknen,
gegen die Versuchung der Selbstbezogenheit. In der Tat, »die große Gefahr der Welt von heute
mit ihrem vielfältigen und erdrückenden Konsumangebot ist eine individualistische Traurigkeit, die
aus einem bequemen, begehrlichen Herzen hervorgeht, aus der krankhaften Suche nach
oberflächlichen Vergnügungen, aus einer abgeschotteten Geisteshaltung. Wenn das innere Leben
sich in den eigenen Interessen verschließt, gibt es keinen Raum mehr für die anderen, finden die
Armen keinen Einlass mehr, hört man nicht mehr die Stimme Gottes, genießt man nicht mehr die
innige Freude über seine Liebe, regt sich nicht die Begeisterung, das Gute zu tun. Auch die
Gläubigen laufen nachweislich und fortwährend diese Gefahr. Viele erliegen ihr und werden zu
gereizten, unzufriedenen, empfindungslosen Menschen«. [50]
Zu dieser Beschreibung der „Ekstase der Tat und des Lebens“ fügt Franz schließlich zwei auch für
unsere Zeit wichtige Klarstellungen hinzu. Die erste betrifft ein wirksames Kriterium, das hilft, die
Wahrheit eben dieses Lebensstils zu erkennen. Die zweite betrifft deren tiefe Quelle. Hinsichtlich
des Kriteriums für die Unterscheidung stellt er fest, dass die Ekstase zwar einerseits ein wirkliches
Aus-sich-selbst-Hinausgehen mit sich bringt, andererseits aber kein Aufgeben des Lebens
bedeutet. Es ist wichtig, dies nie zu vergessen, um gefährliche Abwege zu vermeiden. Mit anderen
Worten: Wer meint, sich Gott zu nähern, aber nicht die Nächstenliebe lebt, täuscht sich und die
anderen.
Wir finden hier dasselbe Kriterium, das er auf die Qualität der wahren Frömmigkeit angewandt
hatte. »Sieht man also einen Menschen, der im Gebet entrückt ist, so dass er über sich hinaustritt
und sich zu Gott erhebt, aber kein ekstatisches, d. h. Gott hingegebenes, höheres Leben führt,
[…] besonders [durch] dauernde Liebe, – glaube mir, Theotimus, dann sind diese Entrückungen
sehr zweifelhaft und gefährlich«. Sehr deutlich fällt seine Schlussfolgerung aus: »Was mag es
denn einer Seele nützen, in Gott durch das Gebet entrückt zu sein, wenn sie in ihrem Verhalten
und Leben von irdischen, niedrigen und naturhaften Affekten mitgerissen wird? Über sich im
Gebet und unter sich im Leben und Wirken, engelhaft in der Betrachtung und tierhaft im Verhalten
sein […]. Das ist mit einem Wort ein sicheres Zeichen, dass solche Entrückungen und Ekstasen
nur Blendwerk und Irreführung des bösen Feindes sind«.[51][1] Das ist im Wesentlichen das,
woran schon Paulus die Korinther im Hohelied der Liebe erinnerte: »Wenn ich alle Glaubenskraft
besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts. Und wenn
ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib opferte, um mich zu rühmen, hätte

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aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts« (1 Kor 13,2-3).
Für Franz von Sales ist das christliche Leben daher nie ohne Ekstase, und dennoch ist die
Ekstase ohne Leben nicht echt. Ein Leben ohne Ekstase läuft nämlich Gefahr, sich auf einen
matten Gehorsam zu reduzieren, auf ein Evangelium, das seine Freude vergessen hat. Auf der
anderen Seite setzt sich eine Ekstase ohne Leben leicht der Illusion und Täuschung des Bösen
aus. Die großen Gegensätze des christlichen Lebens lassen sich nicht ineinander auflösen. Wenn
überhaupt, erhält der eine den anderen in seiner Echtheit. So gibt es Wahrheit nicht ohne
Gerechtigkeit, Wohlgefallen nicht ohne Verantwortung, Spontaneität nicht ohne Gesetz, und
umgekehrt.
Was hingegen den tiefen Ursprung dieser Ekstase betrifft, so verbindet Franz von Sales sie weise
mit der Liebe, die der menschgewordene Sohn offenbart hat. Einerseits ist »die Liebe die erste
Wirklichkeit und der Urgrund unseres frommen und geistlichen Lebens. Durch sie leben,
empfinden und erregen wir uns« und andererseits ist »unser geistliches Leben […] so, wie unsere
Affektregungen sind«, da beides stimmt, ist klar, dass »ein Herz ohne Regung und ohne Affekte
[…] keine Liebe« hat, wie auch, dass »es kein liebendes Herz, das ohne Affektregungen wäre«,
gibt. [52]Aber die Quelle dieser Liebe, die das Herz anzieht, ist das Leben Jesu Christi. »Nichts
drängt das Herz des Menschen mehr als die Liebe« und der Höhepunkt dieses Drängens ist, dass
»Jesus Christus […] für uns gestorben [ist]. Er hat uns durch seinen Tod das Leben geschenkt.
Wir leben nur, weil er gestorben ist. Er ist für uns, unseretwegen und in uns gestorben«. [53]
Dieser Hinweis ist bewegend und er zeigt neben einer erleuchteten und nicht selbstverständlichen
Sicht der Beziehung zwischen Gott und Mensch auch das enge emotionale Band, das den
heiligen Bischof mit Jesus verband. Die Wahrheit der Ekstase des Lebens und des Tuns ist keine
allgemeine, sondern jene, die sich in der Form der Liebe Jesu zeigt, die am Kreuz ihren
Höhepunkt erreicht. Diese Liebe hebt die Existenz nicht auf, sondern lässt sie in einer
außergewöhnlichen Weise erstrahlen.
Aus diesem Grund beschreibt der heilige Franz von Sales den Kalvarienberg schließlich mit einem
sehr schönen Bild als den »Berg der Liebenden«. [54] Dort und nur dort wird verständlich, dass
»man das Leben nicht ohne die Liebe und nicht die Liebe ohne den Tod des Erlösers haben
[kann]. Im Übrigen ist alles entweder ewiger Tod oder ewige Liebe und die ganze christliche
Weisheit besteht darin, gut zwischen diesen beiden zu wählen«. [55] So kann er seine
Abhandlung mit einem Verweis auf den Schluss einer Rede des heiligen Augustinus über die
Liebe beschließen: »Was ist treuer als die Liebe? Nicht dem Vergänglichen, sondern dem Ewigen
treu. Sie erträgt alles im gegenwärtigen Leben, weil sie alles über das zukünftige Leben glaubt:
Sie erträgt alles, was uns hier zum Ertragen gegeben ist, weil sie auf alles hofft, was ihr dort
verheißen ist. Sie hat zu Recht nie ein Ende. Praktiziert deshalb die Liebe und tragt Früchte der
Gerechtigkeit, indem ihr auf heilige Weise mit ihr umgeht. Und wenn ihr, zu ihrem Lob, noch
andere Dinge findet, die ich euch jetzt nicht gesagt habe, dann soll man es an eurem

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Lebenswandel erkennen«. [56]
Das ist es, was durch das Leben des heiligen Bischofs von Annecy aufscheint und – nochmals –
einem jeden von uns als Erbe übergeben ist. Der vierhundertste Jahrestag seiner Geburt in den
Himmel helfe uns dessen treu zu gedenken. Auf seine Fürsprache gieße der Herr die Gaben des
Heiligen Geistes reichlich auf dem Weg des heiligen und gläubigen Gottesvolkes aus.
Rom, Sankt Johannes im Lateran, am 28. Dezember 2022.
FRANZISKUS
[1] Franz von Sales, Abhandlung über die Gottesliebe, Vorwort, in Deutsche Ausgabe der Werke
des heiligen Franz von Sales (DASal), Band III, Eichstätt 2004, 36.
[2] Ders., A Monsieur Sylvestre de Saluces de la Mente, Abbé d'Hautecombe (3. November
1622), in Œuvres de Saint François de Sales, XXVI, Annecy 1932, 490-491.
[3] Ders., An eine Dame (19. Dezember 1622), in DASal VI, 362.
[4] Ders., Abhandlung über die Gottesliebe, I, 15, in DASal III , 87.
[5] Ders., 23. Gespräch - Letzte Unterredung unseres seligen Vaters über verschiedene Fragen
der Schwestern von Lyon, zwei Tage vor seinem seligen Tode, am Fest des heiligen Stephanus
1622, in DASal II, 329.
[6] Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate (19. März 2018), 49: AAS 110 (2018), 1124.
[7] Ebd., 57: AAS 110 (2018), 1127.
[8] Vgl. ebd., 37-39: AAS 110 (2018), 1121-1122.
[9] Franz von Sales, 23. Gespräch - Letzte Unterredung unseres seligen Vaters über verschiedene
Fragen der Schwestern von Lyon, zwei Tage vor seinem seligen Tode, am Fest des heiligen
Stephanus 1622, in DASal II, 329.

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15
[10] Ebd., 319.
[11] Ebd.
[12] Schreiben an Yves Boivineau, Bischof von Annecy, anlässlich des 400. Jahrestages der
Bischofsweihe des heiligen Franz von Sales, 23. November 2002, 3: Insegnamenti di Giovanni
Paolo II, XXV/2 (2002), 767.
[13] Franz von Sales, Abhandlung über die Gottesliebe, Vorwort, in DASal III, 36.
[14] Benedikt XVI., Generalaudienz, 2. März 2011: Insegnamenti VII/1 (2011), 270.
[15] Franz von Sales, Akt der heroischen Hingabe, in DASal XI, 328–329.
[16]Vgl. Franziskus, Ansprache an die Mitglieder der Internationalen Theologischen Kommission
(29. November 2019): L’Osservatore Romano, 30. November 2019, 8.
[17] Franz von Sales, Brief an Papst Clemens VIII. von Ende Oktober 1602, in DASal VIII, 77.
[18] H. Bremond, L’humanisme dévot, in Histoire littéraire du sentiment religieux en France depuis
la fin des guerres de religion jusqu’à nos jours, Grenoble 2006, 131.
[19] Franz von Sales, Brief an die Ordensfrauen “Filles Dieu” vom 22. November 1602, in DASal
VII, 188.
[20] Benedikt XVI., Generalaudienz, 2. März 2011: Insegnamenti, VII/1 (2011), 272.
[21] Franz von Sales, An M. Pierre Jay aus den Jahren 1621 oder 1622, in DASal VIII, 336.
[22] Ebd., 337.
[23] Ders., Abhandlung über die Gottesliebe, Vorwort, in DASal III, 39.
[24] Ebd., 46.
[25] Ebd., 38.
[26] Vgl . Begegnung mit Bischöfen, Priestern, Ordensleuten, Seminaristen und Katecheten,
Bratislava, 13. September 2021: L’Osservatore Romano, 13. September 2021, 11-12.
[27] Vgl. ebd.

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16
[28] Franz von Sales , Abhandlung über die Gottesliebe, II, 12, in DASal III, 129.
[29] Mit menschlichen Fesseln [Vulg: in funiculis Adam] zog ich sie, / mit Banden der Liebe. Ich
war da für sie wie die, / die den Säugling an ihre Wangen heben. / Ich neigte mich ihm zu und gab
ihm zu essen.
[30] Franz von Sales , Abhandlung über die Gottesliebe, II, 12, in DASal III, 129.
[31] Ebd., 130 .
[32] Ebd., II, 9, 121.
[33] Ebd., II, 12, 132.
[34] Franziskus, Wage zu träumen! Mit Zuversicht aus der Krise, München 2020, 11.
[35] Franz von Sales, Anleitung zum geistlichen Leben, I, 1, in DASal I, 33.
[36] Ebd.
[37] Ebd.
[38] Ebd., 34.
[39] Ebd.
[40] Ebd., 35.
[41] Ebd., Vorwort, 25.
[42] Apostolisches Schreiben Sabaudiae gemma zum vierhundertsten Geburtstag des heiligen
Kirchenlehrers Franz von Sales (29. Januar 1967): AAS 59 (1967), 119.
[43] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 11.
[44] Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate, 11: AAS 110 (2018), 1114.
[45] Ebd.
[46] Franz von Sales , Abhandlung über die Gottesliebe, VII, 6, in DASal IV, 50.
[47] Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 6: AAS 105 (2013), 1021-

2.7 Page 17

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17
1022.
[48] Franz von Sales , Abhandlung über die Gottesliebe, VII, 6, in DASal IV, 50.
[49] Ebd., 50-51.
[50] Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 2: AAS 105 (2013), 1019-1020.
[51] Franz von Sales, Abhandlung über die Gottesliebe, VII, 7, in DASal IV, 53.
[52] Ebd., 52.
[53] Ebd., VII, 8, 55f.
[54] Ebd., XII, 13, 316.
[55] Ebd.
[56] Sermones 350, 3: PL 39, 1535.
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