Economia-a-Servizio-del-Carisma-e-della-Missione-Okonomie-im-D...


Economia-a-Servizio-del-Carisma-e-della-Missione-Okonomie-im-D...

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1.1 Page 1

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1.2 Page 2

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Kongregation für die Institute geweihten Lebens
und die Gesellschaften apostolischen Lebens
Ökonomie im Dienst des
Charismas und der Mission
Boni dispensatores multiformis gratiae Dei
(1 Petr 4,10)
ORIENTIERUNGSHILFEN
Gute Verwalter
der vielfältigen Gnade Gottes
(1 Petr 4,10)

1.3 Page 3

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Inhalt
Ökonomie im Dienst des Charismas
und der Mission
Kongregation für die Institute geweihten Lebens
und die Gesellschaften apostolischen Lebens
Einleitung4
I. Lebendige Erinnerung an die Armut Christi
8
Die Armut Christi als Neuheit des Evangeliums
8
‚Auf den Leib Christi zu‘
9
Eine Ökonomie mit menschlichem Antlitz
11
Die Ökonomie als Werkzeug des missionarischen Handelns der Kirche 12
Eine frohbotschaftliche Ökonomie des Teilens und der Gemeinschaft
14
Ausbildung im wirtschaftlichen Bereich
15
Der Drang, der Prophetie Gesichter zu geben
16
II. Der Blick Gottes: Charisma und Sendung
20
Spannung auf das künftige Reich hin
20
Der Blick, der weiter reicht: die Unterscheidung
21
Projektbezogenes Denken22
Charismen: die kirchliche Relevanz
23
Charismen: Fähigkeit zur Eingliederung
24
2

1.4 Page 4

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ordens
korrespondenz
Zeitschrift für Fragen des Ordenslebens
59. Jahrgang 2018, Sonderheft
III. Wirtschaftliche Dimension und Sendung
28
Die Tragfähigkeit der Werke
28
Das Stammvermögen30
Verantwortung, Transparenz und Vertrauen
32
Das Archiv34
Die vier Grundsätze von Evangelii gaudium
35
IV. Operative Hinweise
39
Die Wirtschaftsleitung40
Die administrative und betriebswirtschaftliche Güterverwaltung
45
Die Beziehungen in der Kirche
56
Schluss59
3

1.5 Page 5

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Einleitung
1. Dient einander als gute Verwalter hat – umreißt die Seinsweise desjeni-
der vielfältigen Gnade Gottes, jeder gen, der in der Nachfolge Christi und
mit der Gabe, die er empfangen hat seiner Frohbotschaft von der Gnade
(1 Petr 4,10).
erfüllt, das heißt mit einer Flut an Ga-
Der erste Petrusbrief bezieht sich auf ben überschüttet wird, die sich über das
die Schwierigkeiten, mit denen die Leben eines jeden Gläubigen ergießen.
christlichen Gemeinden in der römi- Petrus ruft nämlich dazu auf, seiner
schen Diaspora gegen Ende des ersten eigenen Begabung (chárisma) gemäß
Jahrhunderts zu kämpfen hatten: in als Diener zu leben (diakonía) und da-
einer Zeit besonderer Prüfungen für die bei Verwalter (oikonómoi) der Gnade zu
Kirche, die hier ein Schreiben von gro- werden (4,10).
ßer theologischer Bedeutung erhält. Der Die von Gott empfangenen Gaben wer-
Text richtet sich an die Heidenchristen, den als Charismen bezeichnet: nach
an die erwählten Fremden in der Dias- dem griechischen cháris, das vom Verb
pora in Pontus, Galatien, Kappadokien, charízomai abgeleitet ist, und dieses
der Provinz Asia und Bithynien (1,1). wiederum bedeutet: schenken, freigie-
Petrus will sie dazu ermutigen, fest in big oder großzügig sein, unentgeltlich
der Gnade Gottes zu stehen (5,12), und geben.
mahnt angesichts der Prüfungen und Das Neue Testament verwendet das
Schwierigkeiten zu Standhaftigkeit und Wort Charisma nur in Bezug auf Gaben,
geduldiger Beharrlichkeit (1,13; 4,19; die von Gott stammen. Das jeweilige
5,7–8).
Charisma ist keine allen verliehene,
Das vierte Kapitel des Schreibens glie- sondern eine besondere Gabe, die der
dert sich in drei Teile. Der erste ver- Geist zuteilt, „wie er will“ (1 Kor 12,11).1
weist auf die Parallelen zwischen dem Der Christ ist also berufen, ein Ökonom,
Leiden, das Christus selbst im Fleisch ein Verwalter der vielfältigen Gnade zu
erduldet hat, und der von den Christen werden, die sich auch vermittels der
geforderten Gesinnung (V. 1–2), der Charismen ausdrückt, und er ist beru-
zweite hebt die „Andersartigkeit“ der fen, sie zum Wohl aller in Umlauf zu
Christen in ihrem sozialen Lebensum- bringen. Jede Gabe wird aus dem un-
feld (V. 3–6) hervor; und die präzisen ermesslichen Gnadenschatz Gottes aus-
und kostbaren Hinweise im letzten Teil gegossen, mithin ist jedes solchermaßen
lenken die Aufmerksamkeit unter einem reich begabte Mitglied der Gemein-
eschatologischen Blickwinkel auf die schaft ein aktives und mitverantwort-
gemeinschaftliche Dynamik im Leben liches Mitglied des gemeinschaftlichen
der Christen (V. 7–11).
Lebens, und ihm ist bewusst, dass das,
Vers 10 – Dient einander als gute Ver- was ihm zur Verfügung steht, nicht sein
walter der vielfältigen Gnade Gottes, Eigentum, sondern ein Geschenk ist,
4
jeder mit der Gabe, die er empfangen das gehütet und nur zu einem Zweck

1.6 Page 6

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fruchtbar gemacht werden muss: für gegenwärtigen Augenblicks in Angriff
das Gemeinwohl, „weil es […] nur ge- genommen werden.“4
meinsam erreicht, gesteigert und auch In diesem Sinne sind die Institute ge-
im Hinblick auf die Zukunft bewahrt weihten Lebens und die Gesellschaften
werden kann.“2 Dieses Gemeinwohl ist apostolischen Lebens dazu aufgerufen,
wie ein Netz, das eine Vielzahl einan- auch durch die Art und Weise, wie sie
der dienender Gaben zusammenbringt, die Güter verwalten und mit ihnen wirt-
damit der Heilsplan Gottes zum Besten schaften, gute Verwalter der vom Geist
eines jeden Mannes und einer jeden empfangenen Charismen zu sein.
Frau vorankommt.
3. In den letzten Jahren hatten nicht
2. Die Kirche ist im Heilsplan Gottes wenige Institute geweihten Lebens und
„wie der treue und kluge Verwalter“, Gesellschaften apostolischen Lebens
der „die Aufgabe hat, sorgfältig für das mit wirtschaftlichen Problemen zu
zu sorgen, was ihm anvertraut wurde“, kämpfen. Man könnte beinahe sagen,
und wie dieser ist sie sich „ihrer Verant- dass die Kräfte in dem Maß schwinden,
wortung bewusst, die eigenen Güter mit in dem die Schwierigkeiten zunehmen.
Sorgfalt zu wahren und zu verwalten, Oft waren eine unzulängliche Aus-
nämlich im Licht ihrer Sendung zur bildung und ein Mangel an projekt-
Evangelisierung und in besonderer Sor- bezogenem Denken die Ursache für
ge gegenüber den Bedürftigen.“3
ökonomische Entscheidungen, die nicht
Unter den aktuellen historischen Um- nur die Güter, sondern das Überleben
ständen ist das geweihte Leben auf- der Institute selbst in Gefahr gebracht
gerufen, sich mit einem allgeminen haben. In Kenntnis dieser Situation hat
Rückgang der Berufungen und einer die Kongregation für die Institute ge-
fortdauernden wirtschaftlichen Krise weihten Lebens und für die Gesellschaf-
auseinanderzusetzen. Diese Situation ten apostolischen Lebens die Institute
spornt dazu an, „mit Realismus, Ver- und Gesellschaften ermutigt, sich die
trauen und Hoffnung die neuen Verant- Relevanz der wirtschaftlichen Belange
wortungen [zu] übernehmen, zu denen deutlicher vor Augen zu führen, und
uns das Szenario einer Welt ruft, die sie hierin mit praktischen Kriterien und
einer tiefgreifenden kulturellen Erneu- Hinweisen unterstützt.
erung und der Wiederentdeckung von Vor ebendiesem Hintergrund wurden
Grundwerten bedarf, auf denen eine auch die beiden Internationalen Sympo-
bessere Zukunft aufzubauen ist. Die sien über die Güterverwaltung organi-
Krise verpflichtet uns, unseren Weg neu siert. Das erste fand im März 2014 statt
zu planen, uns neue Regeln zu geben und befasste sich mit dem Thema Die
und neue Einsatzformen zu finden, auf Verwaltung der kirchlichen Güter der
positive Erfahrungen zuzusteuern und Institute des geweihten Lebens und der
die negativen zu verwerfen. So wird Gesellschaften apostolischen Lebens im
die Krise Anlass zu Unterscheidung und Dienste des humanum und der Sendung
neuer Planung. In dieser eher zuver- der Kirche;5 im Anschluss daran wur-
sichtlichen als resignierten Grundhal- den die Richtlinien für die Verwaltung
tung müssen die Schwierigkeiten des der kirchlichen Güter der Institute des
5

1.7 Page 7

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geweihten Lebens und der Gesellschaf- im Hinblick auf die Verwaltung der
ten apostolischen Lebens erarbeitet, die
Werke einige Mittel der Planung und
am 2. August 2014 erschienen sind.6
Kalkulation vorzuschlagen;
Die Richtlinien und Grundsätze für die die Institute geweihten Lebens und
Verwaltung der Güter „verstehen sich
Gesellschaften apostolischen Lebens
als Hilfestellung für die Institute, damit
auf allen Ebenen, von den Oberen bis
diese nun wieder kühn und prophetisch
hin zu den Mitgliedern, dazu anzure-
auf die Herausforderungen der heuti-
gen, dass sie die Ökonomie in Treue
gen Zeit reagieren und weiterhin ein
zum Charisma neu überdenken, da-
prophetisches Zeichen der Liebe Gottes
mit sie für die Kirche und für die
sein können.“7
Welt „noch heute die Vorposten der
In der Folgezeit richtete sich die Auf-
Achtsamkeit“ sind: „gegenüber allen
merksamkeit des Dikasteriums auch auf
Armen und allen Nöten – der materi-
die Bedeutung der Werke. Während das
ellen, sittlichen und geistlichen – zur
erste Symposium den Schwerpunkt auf
Überwindung von allem Egoismus in
die Rechenschaftsfähigkeit und auf den
der Logik des Evangeliums, die lehrt,
Schutz der Güter sowie auf die Auf-
auf die Vorsehung Gottes zu vertrau-
sichts- und Kontrollpflicht seitens der
en.“ 9
Oberen gelegt hatte, befasste sich das
zweite Symposium, das im November
2016 abgehalten wurde, mit dem cha-
rismatischen Aspekt: In Treue zum Cha-
risma die Wirtschaft neu überdenken.
1 Vgl. KONGREGATION FÜR DIE GLAU-
BENSLEHRE, Schreiben Iuvenescit Ecclesia
an die Bischöfe der katholischen Kirche
über die Beziehung zwischen hierarchi-
schen und charismatischen Gaben im
4. Im Fahrwasser des reichhaltigen Lehr-
Leben und in der Sendung der Kirche, Rom
amts von Papst Franziskus dient das hier
(15. Mai 2016), 4.
nun vorliegende Dokument in Weiter- 2 PÄPSTLICHER RAT FÜR GERECHTIGKEIT
führung der Richtlinien dem Zweck:
auch unter Berücksichtigung der von
den Oberen der Institute geweihten
Lebens und der Gesellschaften apos-
tolischen Lebens erbetenen und beim
Dikasterium eingegangenen Beiträ-
ge8 einen Weg des kirchlichen Nach-
UND FRIEDEN, Kompendium der Sozial-
lehre der Kirche, Rom (2. April 2004),
§164.
3 FRANZISKUS, Ap. Schr. in Form eines
„Motu Proprio“ Fidelis dispensator et
prudens über die Einrichtung einer neuen
Aufsichtsbehörde für die wirtschaftlichen
und administrativen Angelegenheiten des
denkens über die Güter und ihre
Verwaltung weiterzuverfolgen;
Heiligen Stuhls und des Staates der
Vatikanstadt (24. Februar 2014), Incipit.
einige Aspekte des kirchenrechtli- 4 BENEDIKT XVI., Enz. Caritas in veritate
chen Regelwerks hinsichtlich der
(29. Juni 2009), 21.
zeitlichen Güter mit besonderem
Beug auf die Praxis der Kongregati-
on für die Institute geweihten Lebens
und für die Gesellschaften apostoli-
schen Lebens herauszustellen und zu
5 KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE
GEWEIHTEN LEBENS UND FÜR DIE
GESELLSCHAFTEN APOSTOLISCHEN
LEBENS, La gestione dei beni degli Istituti
di vita consacrata e le Società di vita apos-
tolica a servizio dell’humanum e della
6
erläutern;
missione nella Chiesa. Atti del Simposio

1.8 Page 8

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Internazionale (Roma, 8–9 marzo 2014),
Vatikanstadt: Vatikanische Verlagsbuch-
handlung, 2014.
6 KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE
GEWEIHTEN LEBENS UND FÜR DIE
GESELLSCHAFTEN APOSTOLISCHEN
LEBENS, Rundschreiben Richtlinien für die
Verwaltung der kirchlichen Güter der
Institute des geweihten Lebens und der
Gesellschaften apostolischen Lebens (2.
August 2014), Verlautbarungen des
Apostolischen Stuhls Nr. 198.
7 Ebd., S. 7.
8 Ebd.
9 FRANZISKUS, Botschaft an die Teilnehmer
des internationalen Symposiums zum
Thema: „Die Verwaltung der kirchlichen
Güter der Institute geweihten Lebens und
der Gesellschaften apostolischen Lebens im
Dienst des humanum und der Sendung der
Kirche“ (8. März 2014).
7

1.9 Page 9

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I. Lebendige Erinnerung
an die Armut Christi
Die Armut Christi als
Neuheit des Evangeliums
seitig machen. Es ist die Hingabe, die in
die Schöpfung überströmt und sich voll
in der Menschwerdung des Wortes und
5. Die Neuheit des Evangeliums zu le- in seinem erlösenden Tod offenbart.“5
ben bedeutet, „ein Leben zu führen, das Zu Beginn seines öffentlichen Wirkens
die Armut Christi widerspiegelt, dessen hat Jesus in der Synagoge von Nazaret
ganzes Leben darauf konzentriert war, verkündet, das die frohe Botschaft den
den Willen des Vaters zu tun und den Armen gebracht wird (vgl. Lk 4,18; Jes
anderen zu dienen.“1
61,1). Wer ihm nachfolgen will, ist also
Papst Franziskus nutzt jede Gelegen- aufgerufen, Vermögen, Haus und Fa-
heit, uns wieder und wieder auf das milie zurückzulassen und seinen Weg
Zentrum der Sequela Christi auszu- mit einer Entäußerung zu beginnen (Lk
richten: „das ausdrückliche Verlangen 14,33; 18,22). Vor allem anderen fordert
nach vollständiger Gleichförmigkeit mit der Meister, dass man den Primat des
ihm“,2 seinem Leben, seiner Kenosis. Himmelreichs akzeptiert und folglich
Das Geheimnis der Menschwerdung ist auch lebt, dem nichts vorgezogen oder
Geheimnis der Armut: Er, der reich war, übergeordnet werden darf. Deshalb
wurde unseretwegen arm (vgl. 2 Kor werden die seliggepriesen, die arm sind
8,9). Am Kreuz wird „seine Armut […] vor Gott (Mt 5,3), weil sie die ersten
zur völligen Entäußerung gelangen“,3 Adressaten des Himmelreichs, das heißt
und wird er, genau wie der von Jesaja diejenigen sind, die es erwarten, erseh-
verkündete Gottesknecht, das Geheim- nen und annehmen können.
nis der Kenosis bis zur Neige erfahren.
7. Selig ist die Armut dann, wenn sie
6. „Die Armut Christi birgt in sich den die Person innerlich frei macht und
unendlichen Reichtum Gottes […]: Er befähigt, im Glauben und in der Liebe
[…] ist nicht nur der Meister, sondern zu wachsen: jener Liebe, deren Augen
auch der Künder und Garant jener er- für die Bedürfnisse der anderen offen
lösenden Armut, die dem unendlichen und deren Herz barmherzig genug ist,
Reichtum Gottes und der unerschöpfli- ihnen zu Hilfe zu eilen. Selig ist die
chen Macht seiner Gnade entspricht.“4 Armut, wenn sie von der Liebe dessen
Mithin wird die Kenosis für jeden beseelt ist, der die anderen wichtiger
Getauften und erst recht für jede gott- nimmt als sich selbst, und wenn sie auf
geweihte Person zum grundlegenden Gott vertraut, der jeden Tag für seine
Lebenskriterium. „Nach dem Beispiel Geschöpfe sorgt wie für die Lilien des
Christi gelebt, der, obwohl er reich war, Feldes und die Vögel des Himmels (vgl.
arm wurde (2 Kor 8,9), wird die Armut Mt 6,25–34).
Ausdruck jener Ganzhingabe, zu der Selig ist die Armut, die Jesus dem
8
sich die drei göttlichen Personen gegen- jungen Mann nahelegte, der traurig

1.10 Page 10

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wegging, weil er ein großes Vermögen
hatte (vgl. Mk 10,22) und es für sich
behalten wollte. Der Meister hatte ihm
vorgeschlagen, alles zu verkaufen, um
ihn zur echten und großzügigen in-
neren Freiheit und Barmherzigkeit zu
erziehen. Die Freiheit erzieht zur Liebe
und führt so zur Kontemplation des
Mysteriums Gottes.
nen neuen Grund, auf dem der Mensch
steht“.9 Mit ihrer Armut bezeugen die
Personen des geweihten Standes ein
wahrhaft menschliches Leben, das die
Güter relativiert, indem es auf Gott als
das absolute Gut verweist.10 Ihr einfa-
ches, bescheidenes und genügsames
Leben gewährt den Gottgeweihten voll-
ständige Freiheit in Gott.11
8. Das Zeugnis des geweihten Lebens „Auf den Leib Christi zu“
ist ein Leben im Stil der Armut. In der
Enzyklika Laudato si’ über die Sorge 9. „Der Mensch und insbesondere die
für das gemeinsame Haus stimmt Papst Armen: genau das ist der Weg der Kir-
Franziskus das Lob der Genügsamkeit che, weil es der Weg Jesu Christi gewe-
an: „Die christliche Spiritualität“, so sen ist.“12 Die Armen standen immer im
der Papst, „regt zu einem Wachstum Zentrum der Aufmerksamkeit Jesu, der
mit Mäßigkeit an und zu einer Fähig- bestrebt war, ihnen Würde, Leben und
keit, mit dem Wenigen froh zu sein. Es die Möglichkeit zu geben, ihre Mensch-
ist eine Rückkehr zu der Einfachheit, heit voll und ganz zu leben. Papst
die uns erlaubt innezuhalten, um das Franziskus erinnert im Kontext seines
Kleine zu würdigen, dankbar zu sein Lehramts immer und immer wieder
für die Möglichkeiten, die das Leben daran. „Ach, wie möchte ich eine arme
bietet, ohne uns an das zu hängen, was Kirche für die Armen!“13: Diese Worte,
wir haben, noch uns über das zu grä- die er kurz nach seiner Wahl geäußert
men, was wir nicht haben.“6 Mit ihrer hat, können durchaus als eine der
Entscheidung für die Armut, zu der sie Schlüsselaussagen seines Pontifikats
sich gemäß ihrem jeweiligen Charisma verstanden werden. „Für die Kirche ist
durch ein Gelübde oder eine andere die Option für die Armen in erster Linie
geheiligte Bindung bekennen, sind die eine theologische Kategorie und erst an
Personen des geweihten Lebens leben- zweiter Stelle eine kulturelle, soziolo-
dige und glaubwürdige Zeugen dafür, gische, politische oder philosophische
dass „die Genügsamkeit, die unbefan- Frage. Gott gewährt ihnen ‚seine erste
gen und bewusst gelebt wird, befreiend Barmherzigkeit’. Diese göttliche Vorlie-
[ist]. Sie bedeutet nicht weniger Leben, be hat Konsequenzen im Glaubensleben
sie bedeutet nicht geringere Intensität, aller Christen, die ja dazu berufen sind,
sondern ganz das Gegenteil.“7
so gesinnt zu sein wie Jesus (vgl. Phil
Die Armut der Gottgeweihten zielt dar- 2,5).“14
auf ab, „Gott als eigentlichen Reichtum
des menschlichen Herzens zu bezeu- 10. Diese Forderung, in die Fußstap-
gen“8 und zu bekennen, dass man in fen des Meisters zu treten und auf die
Christus einen besseren und bleibenden Nöte der Armen zu achten, hat sich
Besitz hat (Hebr 10,34): Der Glaube an in der ersten Jüngergemeinde konkre-
ihn „gibt dem Leben eine neue Basis, ei- tisiert. In der Apostelgeschichte (vgl.
9

2 Pages 11-20

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2.1 Page 11

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Apg 2,42–47; 4,32–37) wird die Kirche des Vaters, dessen Antlitz sich in Chris-
von Jerusalem als eine Versammlung tus Jesus offenbart, die Konkretheit
beschrieben, in der die Wohltätigkeit seiner Liebe, die in der Menschwerdung
und die Gemeinschaft der Güter, von des Sohnes greifbar wird (vgl. Phil 2,7),
denen jedem so viel zugeteilt wurde, führt dazu, ihn in allen Armen und
wie er nötig hatte (vgl. Apg 4,35), derart Ausgeschlossenen zu erkennen. Es geht
ausgeprägt waren, dass es unter ihnen nicht bloß darum, den Armen etwas zu
keinen gab, der Not litt (vgl. Apg 4,34). spenden: Man muss mit ihnen teilen
Was diese Gemeinde auszeichnete, war oder, besser noch, ihnen das zurücker-
ihr Festhalten nicht nur an der Lehre statten, was ihnen gehört. Die Männer
der Apostel, dem Brechen des Brotes und Frauen des geweihten Lebens, die
und den Gebeten, sondern auch an der die ungeschuldete Liebe des Vaters
Gemeinschaft, der Koinonia (Apg 2,42), erfahren haben, sind berufen, sich die
sowie daran, dass sie alles gemeinsam Spiritualität der Rückerstattung zu
hatten (vgl. Apg 2,44; 4,32) und von eigen zu machen, das heißt, das, was
den gemeinsamen Gütern jedem so viel ihnen gegeben worden ist, damit sie
zuteilten, wie er nötig hatte (Apg 2,45). ihren Mitmenschen dienen – ihr Leben,
Auch die große Kollekte, die Paulus in ihre Begabungen, ihre Zeit, die Güter,
den von ihm gegründeten Kirchen für von denen sie Gebrauch machen –,
die Mutterkirche in Jerusalem organi- aus freiem Willen zurückzuerstatten.
sierte (1 Kor 16,1–4; Röm 15,25–28; Es gilt „zu einer wirklichen Begegnung
2 Kor 8–9), ist eine Geste der Solida- mit den Armen“ zu gelangen „und der
rität, die den Horizont der kirchlichen Haltung des Teilens Raum [zu] geben,
Gemeinschaft erweitert.
die zum Lebensstil werden soll“16: Nach
Diese Texte sind ein Paradigma und dem Beispiel des heiligen Franziskus
eine Inspiration für das Sein und das von Assisi sine proprio zu leben wird so
Handeln der Jüngergemeinden aller zur höchsten Stufe der evangelischen
Zeiten und Orte. Den Christen war Armut.
und ist ihre Verantwortung bewusst, Die gottgeweihten Personen sind nicht
geeignete Formen zu finden, um die nur zur persönlichen Armut – „Die
Forderungen der Koinonia in die Praxis Armut ist heute ein Schrei. Wir alle
umzusetzen. Die Personen des geweih- müssen darüber nachdenken, ob wir
ten Lebens, die die Armut Christi in der ein wenig ärmer werden können“17 –,
Geschichte verkörpern und sich vom sondern auch zu einer gemeinschaftli-
Leben der ersten Gemeinden inspirieren chen Armut berufen; nicht nur die Mit-
lassen, sind dazu aufgerufen, sich die glieder, auch die Institutionen müssen
Dringlichkeit der Koinonia zu eigen zu sich von den Gütern lösen: „Die leeren
machen. Die Entscheidung für die Ar- Klöster gehören nicht euch, sie sind für
men wurzelt in der Entscheidung, dem das Fleisch Christi“.18 Mithin muss die
armen Christus nachzufolgen.
Gemeinschaft des geweihten Lebens in
der Armut solidarisch werden, denn
11. „Eine arme Kirche für die Armen tut „jede beliebige Gemeinschaft in der Kir-
ihren ersten Schritt, indem sie auf den che, die beansprucht, in ihrer Ruhe zu
10
Leib Christi zugeht.“15 Die Betrachtung verharren, ohne sich kreativ darum zu

2.2 Page 12

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kümmern und wirksam daran mitzuar- Armut erinnert alle an die dringende
beiten, dass die Armen in Würde leben Notwendigkeit, sich der Wirtschaft der
können und niemand ausgeschlossen Ausgrenzung und Ungleichheit ent-
wird, läuft die Gefahr der Auflösung“.19 gegenzustellen, weil eine solche Wirt-
Die Gemeinschaft ist zur Unterschei- schaft tötet.23 Sie führt dazu, dass „der
dung gerufen: nicht, um die Armen in Mensch an sich […] wie ein Konsumgut
Kategorien einzuteilen, sondern um, betrachtet [wird], das man gebrauchen
wer immer sie auch sind und wo immer und dann wegwerfen kann. Wir haben
sie ihr begegnen, ihr Nächster zu sein die ‚Wegwerfkultur’ eingeführt, die
und die Armut kennenzulernen, die sie sogar gefördert wird. […] Die Ausge-
in der Länge und Breite, der Höhe und schlossenen sind nicht ‚Ausgebeutete’,
Tiefe der Liebe Christi zu bereichern sondern Müll, ‚Abfall’.“24
vermag (vgl. Eph 3,18–19).
Die frohbotschaftliche Glaubwürdigkeit
der Gottgeweihten hängt auch von ihrer
Eine Ökonomie mit
menschlichem Antlitz
Güterverwaltung ab. Man darf nicht der
Versuchung erliegen, das Streben nach
einem wirksamen Handeln auf der Ebe-
12. Der Mensch und sein wahrhaftiges ne des Evangeliums durch das Streben
Wohl müssen auch in der wirtschaftli- nach technischer und organisatorischer
chen Tätigkeit und, ganz grundsätzlich, Effizienz der materiellen Ressourcen
in der sozialen Organisation und im po- und der Werke zu ersetzen. In dieser
litischen Leben Vorrang haben. Daran Hinsicht muss den Höheren Oberen
erinnerte die Konstitution Gaudium et bewusst sein, dass nicht alle Methoden
spes, der zufolge „der Mensch Urheber, der Geschäftsführung den Grundsätzen
Mittelpunkt und Ziel aller Wirtschaft“ des Evangeliums entsprechen und mit
ist20 und auf deren Grundlage Benedikt der kirchlichen Soziallehre in Einklang
XVI. betonte, „dass das erste zu schüt- stehen.25 „Die Wirtschaft und ihre
zende und zu nutzende Kapital der Verwaltung sind nie ethisch und anth-
Mensch ist, die Person in ihrer Ganz- ropologisch neutral. Entweder tragen
heit“21. Die ökonomische Dimension ist sie dazu bei, gerechte und solidarische
daher eng mit der Person und der Sen- Beziehungen aufzubauen, oder sie
dung verknüpft. Die Entscheidungspro- schaffen Situationen der Ausgrenzung
zesse, die ihren Weg über die Wirtschaft und der Ablehnung.“26
nehmen, sind für das persönliche und
kollektive Leben relevant und müssen 13. Diese Aufmerksamkeit für die Per-
daher das frohbotschaftliche Zeugnis son, die mit all ihren Merkmalen und
mit seiner Aufmerksamkeit für die Be- Besonderheiten im Zentrum stehen
dürfnisse der Brüder und Schwestern muss, ruft auch innerhalb der Gemein-
erkennbar werden lassen.
schaften dazu auf, jede funktionalis-
Die Männer und Frauen des geweih- tische Mentalität immer und immer
ten Lebens wählen die Prophetie und wieder zu überwinden. Insbesondere
entziehen sich „der Diktatur einer durch die aufmerksame Beachtung
Wirtschaft ohne Gesicht und ohne und Wertschätzung aller und vor al-
ein wirklich menschliches Ziel.“22 Ihre lem der älteren Mitglieder. Konkret
11

2.3 Page 13

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geht es darum, unsere älteren Männer selbst und ihrer Beziehung zur und
und Frauen in die gemeinschaftliche Sendung in der Welt bewusst sind: „Ich
Dynamik einzubeziehen, indem man bin eine Mission auf dieser Erde, und
ihre Ressourcen – ihr Zeugnis und ihretwegen bin ich auf dieser Welt.“28
ihr Gebet – einfordert, ihre Erfahrung Daran hat der Papst anlässlich des ers-
und Weisheit würdigt und sie auch in ten Symposiums für die Generalökono-
diesem Lebensabschnitt an denjenigen men erinnert: „Die Institute geweihten
Formen des Dienens beteiligt, zu denen Lebens und die Gesellschaften aposto-
sie noch in der Lage sind. Eine derarti- lischen Lebens waren stets prophetische
ge Integration wird zu einem Zeichen Stimme und lebendiges Zeugnis der
des Widerspruchs in einer Gesellschaft, Neuheit, die Christus ist […]. Diese lie-
in der die Älteren Gefahr laufen, wie bevolle Armut ist Solidarität, Teilen und
Ausschussware aussortiert zu werden. Nächstenliebe und kommt zum Aus-
Wir wissen genau, dass diese Dynamik druck in der Nüchternheit, in der Suche
der Aufnahme und Wertschätzung in nach Gerechtigkeit und in der Freude
unseren Gemeinschaften nach wie vor über das Wesentliche, als Warnung vor
präsent ist: Die Institute setzen sich den materiellen Götzen, die den wahren
tatkräftig – und mit einem beträchtli- Sinn des Lebens verdunkeln.“29
chen Aufwand an Kraft und Vermögen Die Armut der Gottgeweihten muss
– dafür ein, eine würdige Versorgung daher liebevoll und darf nicht theore-
der älteren Schwestern und Brüder zu tisch sein.30 Sie stellt sich entschieden
gewährleisten.
gegen den Götzendienst des Geldes und
Ebenso sind die älteren Männer und erweist sich als ein prophetischer Ap-
Frauen des geweihten Lebens aufge- pell an eine Gesellschaft, die in vielen
rufen, die Vorschläge ihrer jüngeren Teilen der wohlhabenden Welt Gefahr
Brüder und Schwestern offen und läuft, den Sinn für das Maß und die
vertrauensvoll anzunehmen, sodass in Bedeutung der Dinge selbst zu verlie-
jeder Gemeinschaft die Worte des Pro- ren. Deshalb findet ihre Mahnung heute
pheten Joël wahrwerden können: Eure mehr als zu anderen Zeiten auch bei
Alten werden Träume haben und eure denjenigen Gehör, die im Wissen um
jungen Männer haben Visionen (3,1), die begrenzten Ressourcen des Planeten
und man nie der Versuchung des Über- dazu aufrufen, die Schöpfung zu res-
lebens erliegt.27
pektieren und zu bewahren, indem man
den Verbrauch reduziert, genügsam lebt
Die Ökonomie als Werkzeug und die eigenen Begehrlichkeiten im
des missionarischen
Handelns der Kirche
gebotenen Umfang zügelt.
Wenn der Bereich der Wirtschaft ein
Werkzeug ist, wenn das Geld dienen
14. Die Ökonomie zu überdenken be- und nicht herrschen soll, dann ist es
deutet, in den Prozess der Humanisie- notwendig, auf das Charisma, auf die
rung eingebunden zu sein, der uns, wie Leitung, auf die Ziele, auf die Bedürf-
der Lateiner sagen würde, humanissimi nisse und auf die sozialen und kirchli-
macht, das heißt zu Personen im wahrs- chen Implikationen der wirtschaftlichen
12
ten Sinne des Wortes, die sich ihrer Entscheidungen zu achten, die von den

2.4 Page 14

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Instituten geweihten Lebens und den im Hören auf das Wort Gottes und die
Gesellschaften apostolischen Lebens Geschichte. Dank dieser unermüdlichen
getroffen werden.31
unterscheidenden Aufmerksamkeit wird
es möglich sein, mit kreativer Klugheit
15. Bestätigt wird die dienende Funk- und bereitem Herzen Werke auszuwäh-
tion der zeitlichen Güter im Hinblick len, die „ausgesonderten, schwachen
auf die Verwirklichung der Ziele durch und zerbrechlichen Menschen“ neue
das Konzept des kirchlichen Vermögens Würde geben: „ungeborenen Kindern,
selbst. Das Vermögen der Institute ist armen, alten und kranken Menschen,
nämlich kirchliches Vermögen (Can. Schwerbehinderten“36. In seinem
634 § 1). Als ein solches gilt jedes Schreiben an alle Personen des geweih-
Vermögen öffentlicher juristischer Per- ten Lebens zum Jahr des geweihten
sonen (Can. 1257 § 1), die „auf ein Ziel Lebens hat Papst Franziskus erklärt:
hingeordnet sind, das mit der Sendung „Ich erwarte von euch konkrete Taten
der Kirche übereinstimmt“ (Can. 114 § der Aufnahme von Flüchtlingen, der
1), um „im Namen der Kirche die ihnen Nähe zu den Armen und der Kreativität
im Hinblick auf das öffentliche Wohl in der Katechese, in der Verkündigung
übertragene eigene Aufgabe [zu] erfül- des Evangeliums, in der Einführung in
len“ (Can. 116 § 1). Das Vermögen der das Gebetsleben. Folglich erhoffe ich
Institute trägt nämlich „zu eben jenen eine Verschlankung der Strukturen, die
Zielen der Förderung des Menschen, der Wiederverwendung der großen Häuser
Sendung und des karitativen und soli- für Werke, die den gegenwärtigen Er-
darischen Teilens mit dem Volk Gottes fordernissen der Evangelisierung und
bei: Besonders das Bemühen und die der Nächstenliebe mehr entsprechen,
Sorge um die Armen können, wenn sie und die Anpassung der Werke an die
als gemeinsame Verpflichtung gelebt neuen Bedürfnisse.“37
werden, dem Institut neue Lebenskraft Gleichzeitig bedarf es eines erneuerten
schenken.“32 Wie die Konzilskonstituti- Bewusstseins, um jene Wohlfahrtsmen-
on Gaudium et spes erklärt, bedient sich talität zu überwinden, die die Verluste
die Kirche „des Zeitlichen, soweit es ih- deckt, ohne bestehende Verwaltungs-
re eigene Sendung erfordert“, und „wird probleme zu lösen, und die damit
sogar auf die Ausübung von legitim großen Schaden anrichtet, weil sie
erworbenen Rechten verzichten, wenn Ressourcen verschwendet, die anderen
feststeht, dass durch deren Inanspruch- karitativen Werken zugutekommen
nahme die Lauterkeit ihres Zeugnisses könnten.38
in Frage gestellt ist“.33
Die Institute müssen sich nicht nur um
Die Treue zum Charisma und zur Mis- die Ergebnisse ihres Wirtschaftens, son-
sion bleibt mithin das grundlegende dern um den wirtschaftlichen Prozess in
Kriterium für die Bewertung der Werke, seiner Gesamtheit kümmern. „Die Sozi-
weil „die Rentabilität nicht das einzige allehre der Kirche hat immer bekräftigt,
Kriterium sein darf, das berücksichtigt dass die Gerechtigkeit alle Phasen der
wird“.35
Wirtschaftstätigkeit betrifft […]. So hat
Um die Wirtschaft zu überdenken bedarf jede wirtschaftliche Entscheidung eine
es einer aufmerksamen Unterscheidung moralische Konsequenz. […] Darum
13

2.5 Page 15

▲back to top
müssen die Regeln der Gerechtigkeit sind, leisten die Gottgeweihten einen
von Anfang an beachtet werden, wäh- echten Beitrag zur wirtschaftlichen,
rend der wirtschaftliche Prozess in gesellschaftlichen und politischen
Gang ist, und nicht mehr danach oder Entwicklung, „die, wenn sie wahrhaft
parallel dazu.“39
menschlich sein will, dem Prinzip der
Unentgeltlichkeit als Ausdruck der
Eine frohbotschaftliche
Ökonomie des Teilens und
der Gemeinschaft
Brüderlichkeit Raum geben muss.“
„Das Geschenk übertrifft seinem Wesen
nach den Verdienst, sein Gesetz ist das
Übermaß.“43 Das Übermaß entzieht sich
16. Die Institute geweihten Lebens und betriebswirtschaftlichen Parametern: Es
die Gesellschaften apostolischen Lebens ist das Maß der Liebe! „Denn die cha-
sind aufgerufen, „nach einem anderen rismatischen Gaben drängen die Gläu-
Verständnis von Wirtschaft und Fort- bigen, in voller Freiheit und in einer
schritt zu suchen“40. Brüderlichkeit, Soli- der Zeit entsprechenden Weise auf die
darität, Zurückweisung der Gleichgültig- Gabe des Heils zu antworten, indem sie
keit, Unentgeltlichkeit sind die wichtigste aus ihrem Leben eine Liebesgabe für die
Maßnahme gegen alle – auch die wirt- anderen und ein authentisches Zeugnis
schaftlichen – Konflikte und Grundlage des Evangeliums vor allen Menschen
für den Aufbau einer gerechten und machen.“44 Denn „in der Logik des
gleichen Gesellschaft, die bestrebt ist, so Evangeliums gibt man nur genug, wenn
gut als möglich die endgültige Heimat man alles gibt.“45
widerzuspiegeln: einen neuen Himmel
und eine neue Erde, in denen die Gerech- 17. Das geweihte Leben muss sich vom
tigkeit wohnt (2 Petr 3,13).
technokratischen Paradigma befreien
„Die Entwicklungshilfe braucht immer und jene Freiheit ausüben und entfalten,
mehr Techniker. Noch nötiger freilich die „in der Lage [ist], die Technik zu
hat sie weise Menschen mit tiefen Ge- beschränken, sie zu lenken und in den
danken, die nach einem neuen Huma- Dienst einer anderen Art des Fortschritts
nismus Ausschau halten, der den Men- zu stellen, der gesünder, menschlicher,
schen von heute sich selbst finden lässt, sozialer und ganzheitlicher ist.“46
im Ja zu den hohen Werten der Liebe, Alle sind zu einer ökologischen Umkehr
der Freundschaft, des Gebets, der Be- aufgerufen, die die Einzelnen und die
trachtung. Nur so kann sich die wahre Gemeinschaften in die Pflicht ruft: „Auf
Entwicklung voll und ganz erfüllen“.41 soziale Probleme muss mit Netzen der
Folglich muss die Entwicklung, wenn Gemeinschaft reagiert werden, nicht
sie wahrhaft menschlich sein will, den mit der bloßen Summe individueller
Charismen Raum geben. Die Grün- positiver Beiträge [...]. Die ökologische
dungscharismen sind nämlich mit vol- Umkehr, die gefordert ist, um eine
lem Recht in die „Logik des Geschenks“ Dynamik nachhaltiger Veränderung
hineingeschrieben, die „die Gerechtig- zu schaffen, ist auch eine gemein-
keit nicht ausschließt oder ihr in einem schaftliche Umkehr.“47 Als Bruderschaft
zweiten Moment und von außen hin- geweihten Lebens sollen wir uns diese
14
zugefügt wird“42; indem sie Geschenk Einladung zu eigen machen und die

2.6 Page 16

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Neuheit des Lebens freisetzen, die un- blick auf die Lebenshaltungskosten und
sere Charismen in sich bergen. Wir sind die Mühen der Verwaltungstätigkeit ein
auch heute noch dazu aufgerufen, uns gewisser Realitätsverlust begünstigt
Gott als lebendiges, heiliges und ihm worden und die Gefahr einer Dichoto-
wohlgefälliges Opfer darzubringen (vgl. mie zwischen Wirtschaft und Sendung
Röm 12,1), indem wir die besonderen entstanden ist.50
Fähigkeiten, die Gott jedem Einzelnen Ausgehend von der gemeinsamen
verliehen hat, wachsen lassen und Kre- menschlichen, ethischen und morali-
ativität und Begeisterung entfalten, um schen Motivation des Dienens zielt die
Lösungen zu finden für die Tragödien Ausbildung im wirtschaftlichen Bereich
dieser Welt.48
auf eine Wiederentdeckung der froh-
botschaftlichen Dimension der Wirt-
Ausbildung im
wirtschaftlichen Bereich
schaft ab, damit die wirtschaftlichen
Strukturen gemäß den Grundsätzen
der Unentgeltlichkeit, Brüderlichkeit
18. Im Hinblick auf eine veränderte und Gerechtigkeit und im Sinne einer
Mentalität und Praxis der Wirtschaft gelebten Logik des Geschenks verwaltet
und Verwaltung erfordert das Überden- werden, was einen echten Beitrag zur
ken der Wirtschaft „besondere Kompe- wirtschaftlichen, sozialen und politi-
tenzen und Fähigkeiten, […] es ist eine schen Entwicklung der Gesellschaft und
Dynamik, die das Leben aller und jedes der Kirche selber darstellt.51
Einzelnen betrifft. Es ist keine Aufgabe,
die irgendjemandem übertragen werden 19. Die Ausbildung hilft, in der kon-
kann, sondern sie umfasst die volle Ver- kreten Einzelsituation „in einen ent-
antwortung einer jeden Person.“49
schiedenen Prozess der Unterscheidung,
Alle Mitglieder der Institute geweihten der Läuterung und der Reform einzu-
Lebens und der Gesellschaften apostoli- treten“52. Ausbildungsprozesse im wirt-
schen Lebens müssen sich dafür verant- schaftlichen Bereich auf den Weg zu
wortlich fühlen, dass mit allergrößter bringen heißt, den Wandel zu begleiten,
Aufmerksamkeit darauf geachtet wird, indem man auch auf wirtschaftlicher
dass die Verwaltung der ökonomischen Ebene wieder neu die Notwendigkeit
Mittel immer realistisch im Dienst der spürbar werden lässt, sich an Jesus,
Ziele steht, in denen sich das eigene dem Herrn, auszurichten, um „Zeugen
Charisma ausdrückt.
einer anderen Art des Tuns, Handelns
Die zunehmende Komplexität der Ver- und Lebens zu sein“53. Hierzu wird eine
mögensverwaltung hat die Tendenz angemessene Vorbereitung im Licht der
verstärkt, Verantwortung zu übertragen Soziallehre der Kirche erforderlich sein.
und die betreffenden Angelegenheiten Denn „indem sie sich vollkommen in
an einige wenige oder sogar nur an den Dienst des Mysteriums der Liebe
eine einzige Person weiterzugeben oder Christi zum Menschen und zur Welt
zu delegieren; dies hat dazu geführt, stellen, nehmen die Ordensleute in
dass sich innerhalb der Gemeinschaften ihrem Leben veranschaulichend einige
Achtlosigkeit in wirtschaftlichen Din- Züge der neuen Menschlichkeit, für die
gen ausgebreitet hat und dass im Hin- die Soziallehre sich einsetzt, vorweg.“54
15

2.7 Page 17

▲back to top
Papst Franziskus hat in der Enzyklika sonen des geweihten Lebens, „empfängt
Laudato si’ gefordert, dass in den Se- von Gott die Fähigkeit, die Geschichte,
minaren und in den Ausbildungsstätten in der er lebt, zu beobachten und die
der Orden „zu einer verantwortlichen Ereignisse zu deuten: Er ist wie ein
Genügsamkeit, zur dankerfüllten Be- Wächter, der in der Nacht wacht und
trachtung der Welt und zur Achtsamkeit weiß, wann der Morgen kommt (vgl.
gegenüber der Schwäche der Armen Jes 21,11–12).“57 Daraus leiten sich kon-
und der Umwelt erzogen wird.“55
krete Verantwortlichkeiten im Hinblick
Dies bedeutet auch, eine inkarnierte auf unser soziales und ökonomisches
Spiritualität zu leben, die die Wirklich- Umfeld ab. „In den derzeitigen Unsi-
keit als Ort der Gottesmanifestation und cherheiten, in einer Gesellschaft, die
der Gottesbegegnung betrachtet; eine gewaltige Mittel zu mobilisieren ver-
kontemplative Haltung, die im konkre- mag, diese jedoch in kultureller und
ten Leben Gottes Stimme zu hören und moralischer Hinsicht und mit Blick auf
in jedem Menschen und insbesondere das Erreichen geeigneter Ziele nicht
in den am meisten Benachteiligten ausreichend reflektiert einsetzt“, müs-
sein Antlitz zu entdecken vermag. Eine sen die Personen des geweihten Lebens
Spiritualität, die weder Dichotomien den Drang verspüren, der Prophetie ein
noch Reduktionismus duldet:56 Die Ge- Gesicht zu geben: einer Prophetie, die
schichte, das alltägliche Leben sind ein uns dazu anspornt, „nicht zu kapitu-
geheiligter Raum, in dem das Wort sich lieren und vor allem für die künftigen
offenbart und die Wirklichkeit heraus- Generationen eine Sinnzukunft aufzu-
fordert und verklärt.
bauen. Man muss keine Angst haben,
Ein Ausbildungsprozess, der den Ansatz Neues vorzuschlagen“. Denn „durch
einer inkarnierten Spiritualität verfolgt, eine gemeinsame Anstrengung unserer
erzieht dazu, die Wirklichkeit aus der Vorstellungskraft ist es möglich, nicht
Sicht der Armen zu sehen, ihnen ge- nur die Institutionen, sondern auch die
genüber ein wirksames Mitgefühl zu Lebensstile zu verwandeln und für alle
entwickeln, sich des Leids anzunehmen Völker eine bessere Zukunft herbeizu-
und sich für die Förderung von Gerech- führen“.58
tigkeit, Frieden und der Unversehrtheit
der Schöpfung einzusetzen.
21. Einige Institute geweihten Lebens
Die dem jeweiligen Charisma entspre- und Gesellschaften apostolischen Le-
chende Ausbildung im wirtschaftlichen bens sind im Rahmen der jeweiligen
Bereich ist eine grundlegende Vor- Gesetzgebungen dabei, Initiativen um-
aussetzung dafür, dass in der Mission zusetzen, die man mit Gewinn erwägen
innovative und prophetische Entschei- und in Betracht ziehen könnte: Experi-
dungen getroffen werden können.
mentierfelder für die Kreativität der Lie-
be und gleichzeitig für die Erforschung
Der Prophetie ein Gesicht
geben
und Entdeckung neuer, von normativen
Garantien gestützter Planungen. Es
geht – im Kontext der Eingliederung –
20. „Der Prophet“, erklärt Papst Fran- darum, einen Vergleich zwischen den
16
ziskus in seinem Schreiben an die Per- Instituten und den Gesellschaften auf

2.8 Page 18

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den Weg zu bringen und mit der Hilfe
von Fachleuten zu erforschen, welcher
rechtliche Rahmen die Wirksamkeit
ihrer jeweiligen Dienste am besten be-
schützen und fördern kann.
Heutzutage werden Gesetze rascher
geändert, was zu Unsicherheit führt
und sich unweigerlich auf die ohnehin
schon prekäre Situation einiger Werke
auswirkt. Es geht darum, die Verbin-
dung zu jenen – auch akademischen
– Zentren zu stärken, die die Entwick-
lung der Legislative im Blick behalten
und deren mittel- und langfristige
Auswirkungen oder Einflüsse auf die
von den Instituten durchgeführten
Aktivitäten vorhersehen. Zudem wäre
zu wünschen, dass die Instanzen der
Zusammenarbeit mit den betreffenden
Organen der Bischofskonferenzen, die
die verschiedenen Dienste koordinieren
(Bildungswerke, medizinische, sozial-
medizinische sowie Hilfsleistungen),
intensiver genutzt würden. In diesem
Zusammenhang wäre die Einrichtung
permanenter Gesprächsrunden dem
Vorhaben zuträglich, auch gegenüber
den staatlichen Behörden eine gemein-
same Plattform zu etablieren.
6 FRANZISKUS, Enz. Laudato si’ (24. Mai
2015), 222 .
7 Ebd., 223.
8 JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Ap.
Schr. Vita consecrata (25. März 1996), 90.
9 BENEDIKT XVI, Enz. Spe salvi (30.
November 2007), 8.
10 JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Ap.
Schr. Vita consecrata (25. März 1996), 89.
11 Vgl. FRANZISKUS, Ansprache an die
Päpstlichen Vertreter, die an den Tagen des
Gebets und der Reflexion zum Jahr des
Glaubens teilnehmen (21. Juni 2013).
12 J. M. BERGOGLIO, Solo l’amore ci può
salvare, Vatikanstadt: Vatikanische
Versandbuchhandlung 2013, 113.
13 FRANZISKUS, Ansprache bei der Begeg-
nung mit den Medienvertretern (16. März
2013); vgl. FRANZISKUS, Ap. Schr.
Evangelii gaudium (24. November 2013),
198.
14 FRANZISKUS, Ap. Schr. Evangelii gaudium
(24. November 2013), 198.
15 FRANZISKUS, Ansprache bei der Pfingstvi-
gil mit den kirchlichen Bewegungen (18.
Mai 2013).
16 FRANZISKUS, Botschaft zum 1. Welttag
der Armen 2017 (13. Juni 2017), 3.
17 FRANZISKUS, Ansprache an die Schüler
der Jesuiten-Schulen in Italien und
Albanien (7. Juni 2013).
1 FRANZISKUS, Homilie bei der Eucharis-
tiefeier mit Bischöfen, Priestern und
Ordensleuten in der Mariä-Empfängnis-
Kathedrale in Manila (16. Januar 2015).
2 JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Ap.
Schr. Vita consecrata (25. März 1996), 18.
18 FRANZISKUS, Ansprache beim Besuch des
römischen Flüchtlingszentrums „Astalli“
(10. September 2013).
19 FRANZISKUS, Ap. Schr. Evangelii gaudium
(24. November 2013), 207.
20 ÖKUMENISCHES II. VATIKANISCHES
3 Ebd., 23; vgl. Phil 2,5–11.
KONZIL, Past. Konst. über die Kirche in der
Welt von heute Gaudium et spes, 63.
4 JOHANNES PAUL II., Ap. Schr. Redemptio-
nis donum über das gottgeweihte Leben im
Licht des Geheimnisses der Erlösung (25.
März 1984), 12.
5 JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Ap.
Schr. Vita consecrata (25. März 1996), 21.
21 BENEDIKT XVI., Enz. Caritas in veritate
(29. Juni 2009), 25.
22 FRANZISKUS, Ap. Schr. Evangelii gaudium
(24. November 2013), 55.
23 Vgl. ebd., 53 u. ff.
17

2.9 Page 19

▲back to top
24 Ebd., 53.
25 Vgl. KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE
GEWEIHTEN LEBENS UND FÜR DIE
GESELLSCHAFTEN APOSTOLISCHEN
LEBENS, Rundschreiben Richtlinien für die
Verwaltung der kirchlichen Güter der
Institute des geweihten Lebens und der
Gesellschaften apostolischen Lebens (2.
August 2014), Verlautbarungen des
Apostolischen Stuhls Nr. 198, S. 18.
26 FRANZISKUS, Botschaft an die Teilnehmer
am zweiten int. Symposium zum Thema
der ökonomischen Verwaltung, organisiert
von der Kongregation für die Institute des
geweihten Lebens und der Gesellschaften
des Apostolischen Lebens (25. November
2016).
27 Vgl. FRANZISKUS, Homilie in der heiligen
Messe am Tag des geweihten Lebens (2.
Februar 2017).
28 Vgl. FRANZISKUS, Ap. Schr. Evangelii
gaudium (24. November 2013), 273.
29 FRANZISKUS, Botschaft an die Teilnehmer
des internationalen Symposiums zum
Thema: „Die Verwaltung der kirchlichen
Güter der Institute geweihten Lebens und
der Gesellschaften apostolischen Lebens im
Dienst des humanum und der Sendung der
Kirche“ (8. März 2014).
30 Vgl. ebd.
31 Vgl. FRANZISKUS, Botschaft an die
Teilnehmer am zweiten int. Symposium
zum Thema der ökonomischen Verwaltung,
organisiert von der Kongregation für die
Institute des geweihten Lebens und der
Gesellschaften des Apostolischen Lebens
(25. November 2016).
32 KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE
GEWEIHTEN LEBENS UND FÜR DIE
GESELLSCHAFTEN APOSTOLISCHEN
LEBENS, Für jungen Wein neue Schläuche.
Geweihtes Leben und noch offene Heraus-
forderungen seit dem Zweiten Vatikani-
schen Konzil. Leitlinien (6. Januar 2017),
28.
Teilnehmer am zweiten int. Symposium
zum Thema der ökonomischen Verwaltung,
organisiert von der Kongregation für die
Institute des geweihten Lebens und der
Gesellschaften des Apostolischen Lebens
(25. November 2016).
35 FRANZISKUS, Enz. Laudato si’ (24. Mai
2015), 187.
36 FRANZISKUS, Botschaft an die Teilnehmer
am zweiten int. Symposium zum Thema
der ökonomischen Verwaltung, organisiert
von der Kongregation für die Institute des
geweihten Lebens und der Gesellschaften
des Apostolischen Lebens (25. November
2016).
37 FRANZISKUS, Ap. Schr. an alle Personen
des geweihten Lebens aus Anlass des Jahrs
des Geweihten Lebens (21. November
2014), 4.
38 Vgl. KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE
GEWEIHTEN LEBENS UND FÜR DIE
GESELLSCHAFTEN APOSTOLISCHEN
LEBENS, Rundschreiben Richtlinien für die
Verwaltung der kirchlichen Güter der
Institute des geweihten Lebens und der
Gesellschaften apostolischen Lebens (2.
August 2014), Verlautbarungen des
Apostolischen Stuhls Nr. 198, S. 9 f. (1.1.).
39 BENEDIKT XVI., Enz. Caritas in veritate
(29. Juni 2009), 37.
40 FRANZISKUS, Enz. Laudato si’ (24. Mai
2015), 16.
41 PAUL VI., Enz. Populorum progressio (26.
März 1967), 20.
42 BENEDIKT XVI., Enz. Caritas in veritate
(29. Juni 2009), 34.
43 Ebd.
44 KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENS-
LEHRE, Schreiben Iuvenescit Ecclesia an
die Bischöfe der katholischen Kirche über
die Beziehung zwischen hierarchischen
und charismatischen Gaben im Leben und
in der Sendung der Kirche, Rom (15. Mai
2016), 15.
33 ÖKUMENISCHES II. VATIKANISCHES
45 FRANZISKUS, Ansprache an die Teilneh-
KONZIL, Past. Konst. über die Kirche in der
mer der Begegnung „Wirtschaft in
Welt von heute Gaudium et spes, 76.
Gemeinschaft“, die die Fokolar-Bewegung
18
34 Vgl. FRANZISKUS, Botschaft an die
organisiert hat (4. Februar 2017).

2.10 Page 20

▲back to top
46 FRANZISKUS, Enz. Laudato si’ (24. Mai
2015), 112.
47 Ebd., 219.
48 Vgl. ebd., 220.
49 FRANZISKUS, Botschaft an die Teilnehmer
am zweiten int. Symposium zum Thema
der ökonomischen Verwaltung, organisiert
von der Kongregation für die Institute des
geweihten Lebens und der Gesellschaften
des Apostolischen Lebens (25. November
2016).
50 Vgl. KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE
GEWEIHTEN LEBENS UND FÜR DIE
GESELLSCHAFTEN APOSTOLISCHEN
LEBENS, Rundschreiben Richtlinien für die
Verwaltung der kirchlichen Güter der
Institute des geweihten Lebens und der
Gesellschaften apostolischen Lebens (2.
August 2014), Verlautbarungen des
Apostolischen Stuhls Nr. 198, S. 18 (3.).
51 Vgl. ebd., S. 6 f.
52 FRANZISKUS, Ap. Schr. Evangelii gaudium
(24. November 2013), 30.
53 A. SPADARO, „Svegliate il mondo!“.
Colloquio di Papa Francesco con i
Superiori Generali, in: La Civiltà Cattolica,
165 (2014/1), 5.
54 PÄPSTLICHER RAT FÜR GERECHTIGKEIT
UND FRIEDEN, Kompendium der Sozial-
lehre der Kirche, Rom (2. April 2004), 540.
55 FRANZISKUS, Enz. Laudato si’ (24. Mai
2015), 214.
56 Vgl. KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE
GEWEIHTEN LEBENS UND FÜR DIE
GESELLSCHAFTEN APOSTOLISCHEN
LEBENS, Richtlinien für die Ausbildung in
den Ordensinstituten (2. Februar 1990), 17.
57 FRANZISKUS, Apostolisches Schreiben an
alle Personen des geweihten Lebens aus
Anlass des Jahrs des Geweihten Lebens
(21. November 2014), 2.
58 PÄPSTLICHER RAT FÜR GERECHTIGKEIT
UND FRIEDEN, Note: „Für eine Reform des
internationalen Finanzsystems im Hinblick
auf eine öffentliche Behörde mit universa-
ler Kompetenz“ (24. Oktober 2011).
19

3 Pages 21-30

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3.1 Page 21

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II. Der Blick Gottes:
Charisma und Sendung
Spannung auf das künftige
Reich hin
der Verantwortung eines jeden Instituts
und ist Aufgabe des gläubigen Denkens,
das für die Gegenwart des Reichs im
22. Die eschatologische Spannung ist Hier und Jetzt Zeugnis ablegt; es ist ein
Kennzeichen des geweihten Lebens und Prozess der kirchlichen Unterscheidung,
steht gleichzeitig für seine Dynamik, der durch die Werke vermittelt wird.
die sich in dem Gebet Komm, Herr
Jesus! ausdrückt (Offb 22,20). „Diese 23. Die Werke dürfen daher nicht mit
Erwartung ist alles andere als untätig: der Sendung gleichgesetzt werden; sie
auch wenn sie sich dem künftigen Reich bilden vielmehr die Art und Weise, wie
zuwendet, setzt sie sich in Arbeit und der Sendungsauftrag sichtbar wird. Sie
Mission um […]. Das geweihte Leben setzen den Sendungsauftrag voraus,
steht im Dienst dieser endgültigen Aus- ohne dass dieser sich jedoch in ihnen
strahlung der göttlichen Herrlichkeit, erschöpft oder über sie definiert. Wenn
wenn alle Menschen das Heil sehen letzteres der Fall ist – wie in der Ver-
werden, das von Gott kommt“.1 Das Ge- gangenheit möglicherweise geschehen
bet Komm, Herr Jesus! geht immer mit –, dann führt dies paradoxerweise dazu,
der Bitte Dein Reich komme einher (Mt dass die Werke keine Zukunft haben.
6,10).2 Gegenwart und Ewigkeit sind ei- Die Werke können sich ändern, die
nander nicht mehr nachgeordnet, son- Sendung aber bleibt der anfänglichen
dern eng verbunden; der Glaube „zieht charismatischen Eingebung treu, die im
Zukunft in Gegenwart herein, so dass Heute Gestalt annimmt; die Sendung
sie nicht mehr das reine Noch-nicht muss sich in den historischen Weg
ist. Dass es diese Zukunft gibt, ändert des Gottesvolkes einfügen6, und wer
die Gegenwart; die Gegenwart wird in einem kirchlichen Sendungsauftrag
vom Zukünftigen berührt, und so über- tätig ist, der muss bei dessen Verwirk-
schreitet sich Kommendes in Jetziges lichung aufmerksam bleiben für die
und Jetziges in Kommendes hinein.“3
Stimme des Geistes. Wenn dies gelingt,
Das Verhältnis zwischen Charisma und gewinnt man die Fähigkeit zurück, das
Zukunftsperspektive ist daher wesent- Charisma und die Werke, in denen es
lich für die eigentliche Sendung der sich ausdrückt, auf die Zukunft hin zu
Institute geweihten Lebens und der öffnen. Andernfalls aber laufen auch
Gesellschaften apostolischen Lebens,4 die innovativsten Werke Gefahr, unmit-
die dazu berufen sind, ihr jeweiliges telbare und zweifellos wirkungsvolle
Charisma im „Warten auf Kommendes Antworten zu geben, die aber nicht zur
von einer schon geschenkten Gegen- Prophetie hin geöffnet und daher weni-
wart her“5 zu leben. Auch im Hinblick ger im Sinne des Evangeliums sind.
auf die Verwaltung der Werke eine Zu- Die Sendung stellt nämlich eine un-
20
kunftsperspektive zu entwickeln liegt in auflösliche Verbindung zwischen der

3.2 Page 22

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Sequela Christi und dem Dienst an – absolut und die großen letztlich rela-
den Kleinen und Armen her. Aus einer tiv werden oder gar nicht mehr existent
besonderen Geisterfahrung entstanden sind. Der Blick ist mithin Ausdruck
und diese vertiefend, stellt eine echte einer gewissen Wahrnehmung der Ge-
Sendung innerhalb der Kirche einen schichte, die die aus der menschlichen,
Aspekt des Mysteriums Christi dar und wirtschaftlichen und verwalterischen
muss sich eine mystische Dimension Erfahrung erwachsenden Fragen in die
bewahren. Wenn zwischen charisma- größere und grundlegendere Frage des
tischer Sendung und den Werken eine Glaubens einzubinden weiß. Hierzu
Kluft entstünde, dann wären die Werke erklärt Evangelii gaudium lapidar: „Er-
ein Muster an Professionalität und Kön- innern wir uns daran, dass man niemals
nen, blieben jedoch ohne wahres Leben, auf Fragen antworten soll, die sich kei-
ohne Liebe, ohne Tiefe.
ner stellt“.8
Die weitsichtigen Worte, die Papst Ferner wird auf die Notwendigkeit hin-
Franziskus hierzu geäußert hat, sind gewiesen, dass „die Gewohnheiten, die
ein Ansporn, das persönliche und kol- Stile, die Zeitpläne, der Sprachgebrauch
lektive Zeugnis des Charismas als einen und jede kirchliche Struktur ein Kanal
Blick zu begreifen, der weiter reicht: werden, der mehr der Evangelisierung
eine gemeinsame Herangehensweise, der heutigen Welt als der Selbstbewah-
die das, was geschieht, aus dem Blick- rung dient.“9 Dies ist auch ein wesentli-
winkel Gottes sieht und deutet: „Nur ches Kriterium für die Art, wie das Ins-
im Blick Gottes liegt die Zukunft für titutsvermögen verwaltet und wie damit
uns. Wir brauchen jemanden, der den gewirtschaftet wird, denn es scheint,
weiten Acker Gottes besser kennt als dass sich hier zuweilen allzu individu-
den eigenen kleinen Garten und der uns elle Rollen und Sichtweisen und eine
garantiert, dass das, wonach unser Herz mangelnde Bereitschaft verfestigen,
strebt, keine leere Verheißung ist.“7
wirkungslose Praktiken und mittlerwei-
le überholte Richtlinien aufzugeben.
Der Blick, der weiter reicht:
die Unterscheidung
25. Der Blick, der weiter reicht, macht
es notwendig, einen Entwurf, das heißt
24. Das Aufeinandertreffen von Cha- eine spirituelle und kirchliche Erfah-
risma und Geschichte übt in der Unter- rung erkennbar werden zu lassen, die
scheidung, lehrt, die Dinge aus Gottes nach und nach Gestalt annimmt und
Blickwinkel zu betrachten, ist ein Ge- sich konkret, das heißt in Handlung
schenk, das hilft, mit anderen Augen ausdrückt. Keine vorgefasste Sichtwei-
zu sehen und das zu erkennen, was se, die einen ideellen und konzeptu-
anderen verborgen bleibt. Die Charis- ellen Rahmen braucht, sondern etwas
men lassen Kapazitäten zutage treten, Erlebtes, das sich (wie es der heilige
wo andere nur Unzulänglichkeit sehen. Ignatius von Loyola fordert) auf Zeiten,
Die Unterscheidung trainiert diesen Orte und Menschen und damit nicht
Blick für die Weite des Feldes Gottes, sie auf ideologische Abstraktionen bezieht.
verhindert, dass die kleinen Dinge – der Eine Zukunftsvision also, die sich der
kleine Garten, wie Papst Franziskus sagt Geschichte nicht aufzwingt und ver-
21

3.3 Page 23

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sucht, sie nach ihren eigenen Koordi- und der Globalisierung der gegenwär-
naten zu ordnen, sondern im Dialog tigen (sozioökonomischen, politischen,
mit der Wirklichkeit steht, sich in die legislativen) Veränderungen messen
Geschichte der Menschen einfügt, sich lassen, die obendrein aufgrund der
in der Zeit entfaltet. Und eine Straße, Komplexität der – auch verwalteri-
die beschritten wird. Einen Weg, der schen – Probleme, die es zu bewältigen
sich auftut, indem man ihn geht.
gilt, noch schwieriger zu durchschauen
Die offene Sichtweise bedeutet gleich- sind. In dieser Hinsicht kann man kaum
zeitig auch, dass man sich seinerseits den Anspruch erheben, unmittelbare
von der umgebenden Wirklichkeit an- Entscheidungen zu treffen; realistischer
sehen, sich von ihr in Frage stellen lässt wird es sein, gemeinsam darüber nach-
und sich selbst durch die Brille ihrer zudenken, welche Orientierungshilfen
Erfordernisse ansieht. Dies erlaubt es – sofern sie sich nicht auf unseren
dem geweihten Leben, in den Entschei- kleinen Garten beschränken – für die
dungen, die die Sendung und die Ver- nächste Zukunft tragfähig sein können.
waltung der Werke betreffen, den Blick Das Problem besteht nicht nur in der
auf das Wesentliche zu richten.
Kontinuität der Werke, die Ausdruck
Der Heilige Geist, ewige Quelle jeden des Charismas sind, sondern auch in
Charismas, ist Gemeinschaft der Liebe ihrer gesellschaftlichen und kirchlichen
zwischen dem Vater und dem Sohn. Relevanz, die sich in frohbotschaftli-
Diese entfaltet sich in einer zweifachen cher Wirksamkeit niederschlägt.
Bewegung des Geistes ad intra und ad Zu diesem Zweck ist es dringend er-
extra: Dialog und Beziehung zwischen forderlich, sich eine projektbezogene
Vater und Sohn, Gegenwart der Liebe Denkweise anzueignen. Diese wird sich
Gottes in der Geschichte. Diese Dyna- insbesondere darin äußern, dass man
mik wird zum Antrieb des geweihten Methoden und Hilfsmittel anwendet, um
Lebens: heute zur immerwährenden die Veränderungen und das Wachstum
Neuheit des Charismas zurückzukehren, des alltäglichen Wirkens vorwegzuneh-
um es in der Geschichte gegenwärtig men, zu überschlagen und zu steuern,
werden zu lassen. Die Beziehung zur damit den Personen, den Gemeinschaf-
Geschichte wird daher zur notwendigen ten und den Werken die Möglichkeit zu
Voraussetzung für die Lebendigkeit des Gebote steht, die heutige Welt und ihre
Charismas, das in dem Maße wirksam Erfordernisse mit größerem Weitblick zu
ist und bleibt, in dem es sich diesen deuten. Es wird also darum gehen, Stra-
zuinnerst und wesentlich relationalen tegien und Techniken der Analyse zu
Charakter zu eigen macht. Die Person entwickeln, um die tatsächliche Mach-
des geweihten Lebens trägt also in eine barkeit einer Maßnahme einzuschätzen,
sich verändernde Gesellschaft eine un- das heißt, die Informationen, die dem
veränderliche Liebe hinein.
Institut über frühere Projekte und die
in der Vergangenheit geleistete Arbeit
Projektbezogenes Denken
vorliegen, zu sammeln und auszuwer-
ten, aber auch Experten von außerhalb
26. Die Zukunftsfähigkeit eines Cha- hinzuziehen, sich über erfolgreiche Vor-
22
rismas muss sich an der Schnelligkeit gehensweisen anderer Institute zu infor-

3.4 Page 24

▲back to top
mieren und durch vernetztes Arbeiten Lebens genutzt werden. Das Teilen von
Kompetenzen und Kapazitäten zu bün- Erfahrung und Wissen verheißt frucht-
deln. Das projektbezogene Denken geht bare Prozesse der Unterscheidung im
von der spirituellen und kirchlichen Hinblick auf die Neuorganisierung der
Erfahrung aus, um die Zukunftsvision Werke zu dem Zweck, „den Sinn des
des Instituts durch einen strategischen eigenen Charismas zu wahren“.10
Arbeitsplan, der gemeinsame Wege
nutzt, konkret werden zu lassen.
Charismen:
die kirchliche Relevanz
27. Es bedarf weiterer Anstrengungen,
damit die charismatische Dimension 28. Was die Zukunftsvision betrifft,
dessen, was in den letzten Jahren in drückt sich die Relevanz vor allem in der
operativer und verwalterischer Hinsicht Kirchlichkeit des Charismas aus, einer
in die Wege geleitet worden ist, deut- Dimension, die Papst Franziskus nach-
licher aufscheint. Erst kürzlich haben drücklich unterstreicht: Die Charismen
mehrere Institute geweihten Lebens und „erneuern die Kirche und bauen sie auf.
Gesellschaften apostolischen Lebens Sie sind kein verschlossener Schatz, der
aus ihrer gefestigten Erfahrung heraus einer Gruppe anvertraut wird, damit sie
und auf der Grundlage der gelebten ihn hütet; es handelt sich vielmehr um
Wirklichkeit charismatisch inspirierte Geschenke des Geistes, die in den Leib
Dokumente erarbeitet. Darin haben sie der Kirche eingegliedert […] werden […].
vorgeschlagen, die legislativen und ad- Ein deutliches Zeichen für die Echtheit
ministrativen Strukturen ihrer Werke im eines Charismas ist seine Kirchlichkeit,
Licht der wesentlichen Bestandteile des seine Fähigkeit, sich harmonisch in das
Gründungscharismas zu überdenken Leben des heiligen Gottesvolkes einzu-
– Bestandteile, die sich neu zu einer or- fügen zum Wohl aller. […] Je mehr ein
ganischen Perspektive zusammenfügen, Charisma seinen Blick auf den Kern des
die die Dienste in wirtschaftlicher, ad- Evangeliums richtet, um so kirchlicher
ministrativer und finanzieller Hinsicht wird seine Ausübung sein.“11
ausrichtet. Dieser Ansatz beinhaltet Zwei Aspekte verdienen es, hervorge-
bekanntlich auch einige grundlegende hoben zu werden: Die Charismen sind
Indikatoren, anhand deren das Charis- kein verschlossener Schatz, und au-
ma selbst interpretiert wird. Als Beispiel thentisches Zeichen ihrer Kirchlichkeit
werden diejenigen Indikatoren ange- ist die „Fähigkeit, sich harmonisch in
führt, die Aufschluss darüber geben, ob das Leben des heiligen Gottesvolkes
der Dienst der Liebe im konsequenten einzufügen“.12
Bekenntnis zu den Werten des jeweili- Die Charismen am Leben zu erhalten
gen Institutscharismas gelebt wird, so- bedeutet, über die Kirchlichkeit des
wie jene, die die Evaluierung der Ziele Geschenks zu wachen: Ein Charisma
und der erwarteten Resultate betreffen. erneuert sich in der Zeit, um am Aufbau
Die oben erwähnten Dokumente – die der Kirche mitwirken zu können.13
oft das Ergebnis geduldiger und mühe-
voller Redaktionsarbeit sind – könnten 29. „Die Sendung des geweihten Le-
auch von anderen Familien geweihten bens ist universell. Sie erstreckt sich
23

3.5 Page 25

▲back to top
bei vielen Instituten auf die gesamte Gaben (vgl. Lumen gentium, 4), die von
Welt, kommt jedoch auch in den be- dem einen Geist Gottes ausgehen und
sonderen örtlichen Gegebenheiten zum das Leben der Kirche und ihr missiona-
Ausdruck.“14 Das Vermögen der Institute risches Wirken beseelen.“15
geweihten Lebens und der Gesellschaf-
ten apostolischen Lebens erhält seine 30. Die Diözesanbischöfe ihrerseits sind
Bedeutung nämlich nicht nur durch die gehalten, den Personen des geweihten
Interaktion mit der Ortskirche; vielmehr Lebens – die „lebendige Erinnerung an
ist seine Bestimmung für alle Dimen- die Lebens- und Handlungsweise Jesu
sionen der Universalität des kirchli- sind17 – mit Wertschätzung zu begeg-
chen Sendungsauftrags offen: für die nen, das heißt, eine rein auf Nutzen
Aufmerksamkeit gegenüber sämtlichen und Funktionalität gerichtete Wahr-
Formen der Armut, für Solidaritätspro- nehmung zu überwinden und zu einem
jekte in den Missionsgebieten und nicht besseren Verständnis des universalen
zuletzt für die Ausbildung der eigenen Diensts der gottgeweihten Männer und
Anwärter und für die Altenpflege.
Frauen sowie zu einer immer intensive-
Gleichwohl ist das geweihte Leben ren Zusammenarbeit zu gelangen. „Die
vollgültiges Mitglied der diözesanen Hirten sind aufgerufen, die Pluridimen-
Familie.15 Aus diesem Grund darf sich sionalität, die die Kirche darstellt und
die gebührende Autonomie – die zu in der die Kirche sich zeigt, zu achten,
wahren und zu schützen Aufgabe der ohne sie zu manipulieren.“18
Ortsordinarien ist (vgl. Can. 586 § 2) – Die Öffnung auf die Ortskirche hin und
nicht darin äußern, dass das betreffende das Bedürfnis und die Pflicht, zusam-
Institut den Pastoralplan des Bistums menzuarbeiten, kann nur von einem
missachtet oder ohne vorherige Konsul- theologischen Gemeinschaftsbegriff her
tation des Bischofs Werke schließt. „Es vollends verstanden werden. Wenn die
ist heute mehr denn je notwendig, die Gemeinschaft nicht Voraussetzung jed-
richtige Selbständigkeit und Ausnah- weder kirchlichen Beziehung ist, läuft
meregelung in den mit ihnen ausgestat- man Gefahr, in eine Logik wechselseiti-
teten Instituten in enger Verbindung ger Ansprüche zu verfallen. Deshalb ist
mit der Eingliederung zu leben, so dass es notwendig, Beziehungen zu fördern,
die charismatische Freiheit und die Ka- die sich auf das Prinzip der Gemein-
tholizität des geweihten Lebens auch im schaft gründen, das seinerseits auf der
Kontext der Teilkirche zum Ausdruck Brüderlichkeit und dem gemeinsamen
kommen. Letztere würde nicht voll und Handeln beruht.
ganz dem entsprechen, was Christus für
seine Kirche gewollt hat, wenn sie des Charismen: Fähigkeit zur
geweihten Lebens beraubt wäre, das Eingliederung
genauso zu ihrer wesentlichen Struktur
gehört wie die Laien und das Weiheamt. 31. Brüderlichkeit ist das Schlüsselwort,
Aus diesem Grund sprechen wir heute das die Authentizität des geweihten
im Licht des Zweiten Vatikanischen Lebens im Hinblick auf den Aufbau der
Konzils von der Ko-essentialität der Kirche besser als jedes andere zum Aus-
24
hierarchischen und charismatischen druck bringt. Die Charismen nämlich

3.6 Page 26

▲back to top
manifestieren ihre frohbotschaftliche und die Gegenwart kleiner und großer
Authentizität in der Brüderlichkeit und Werke charakterisiert haben: eine Ge-
innerhalb unserer Gemeinschaften aus schichte, die von der Interpretation
Brüdern und Schwestern. Die Sozial- ortskirchlicher Erfordernisse und Be-
lehre der Kirche lädt mit Nachdruck dürfnisse geprägt gewesen ist.
dazu ein, Mittel und Wege zu finden,
um die Brüderlichkeit in der Praxis als 32. Ein isoliertes Nachdenken – so als
ein Prinzip unserer Wirtschaftsordnung ob die mit der Verwaltung der Werke
anzuwenden. Wo andere Denkströmun- verbundenen Probleme ausschließlich
gen lediglich von Solidarität sprechen, die Institute geweihten Lebens und der
spricht die Soziallehre der Kirche von Gesellschaften apostolischen Lebens
Brüderlichkeit, weil eine brüderliche beträfen – ist heute nicht mehr zulässig.
Gesellschaft auch solidarisch ist, wäh- Hier zeigt sich eine Situation, die histo-
rend das Gegenteil, wie zahlreiche rische Ursachen hat: Man hat praktisch
Erfahrungen bestätigen, nicht immer immer von „unseren“ Werken gespro-
zutrifft.
chen, die von den Ortskirchen folge-
Brüderlichkeit ist also ein Lebensstil, richtig als die „Werke der Ordensleute“
„der die Fähigkeit zum Zusammenleben wahrgenommen worden sind.
und zur Gemeinschaft einschließt. Jesus Der heutige kirchliche Kontext erfor-
erinnerte uns daran, dass Gott unser dert einen echten Mentalitätswechsel:
gemeinsamer Vater ist und dass dies das Bemühen, gemeinsam mit anderen
uns zu Brüdern und Schwestern macht. kirchlichen Subjekten über mögliche
Die Bruderliebe kann nur gegenleis- Lösungen nachzudenken, die – über das
tungsfrei sein und darf niemals eine konkrete Problem einer verwalterischen
Bezahlung sein für das, was ein anderer Kontinuität hinaus – die kirchliche
verwirklicht, noch ein Vorschuss für Relevanz unserer Werke gewährleisten.
das, was wir uns von ihm erhoffen.“19 In Daraus folgt, dass der Weg der Umkehr
diesem Sinne müssen wir „wieder spü- ein gemeinschaftlicher Weg ist. Die Zu-
ren, dass wir einander brauchen, dass kunft der Werke geht uns als Kirche an
wir eine Verantwortung für die anderen und muss von uns als Kirche angegan-
und für die Welt haben“.20
gen werden.
Verantwortung bedeutet, sich auch auf Die Fähigkeit, sich in die Kirche ein-
die Logik einer neuen Verwaltungskul- zugliedern, bildet den eigentlichen
tur einzulassen, die das jeweilige orts- Ursprung der Werke, die ja nicht ent-
kirchliche Umfeld respektiert und nutzt. standen sind, um Projekte aufzugreifen,
Eine solche Kultur wird durch einen die nichts mit den Bedürfnissen der
gemeinsamen Dialog und dadurch ver- Menschen zu tun haben. Das Problem
wirklicht, dass Kriterien für den Schutz der Eingliederung wird heute unter dem
und die Förderung eines kirchlichen Stichwort des gemeinsamen Handelns
Vermögens entwickelt werden, das über thematisiert: Dieses „regt dazu an, zu-
die unbeweglichen Sachen hinausgeht sammenzuarbeiten, zu teilen und den
und auch die Erfahrungen, das Wissen, Weg zu bereiten für Beziehungen, die
die Kompetenzen und die Professio- von einem geteilten Verantwortungs-
nalität umfasst, die die Vergangenheit bewusstsein geleitet sind. Dieser Weg
25

3.7 Page 27

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öffnet das Feld für neue Strategien, ist ein Schatz an Werten, der vieles
neue Stile, neue Haltungen. [...] ‚Ge- in sich vereint: Glaubwürdigkeit, Zu-
meinsam handeln’ heißt in der Tat, die sammenhalt und Stimmigkeit einer
Arbeit nicht auf die einsame Genialität projektbezogenen und verwalterischen
eines Individuums aufzubauen, son- Vision; Professionalität, die nicht nur
dern auf die Zusammenarbeit vieler. Es für Wirksamkeit und Effizienz, sondern
heißt mit anderen Worten ‚ein Netzwerk auch für das Lernen sensibel und offen
zu schaffen’, um die Gaben aller zu ist; Erfahrung, die sich auch der zeit-
nutzen, ohne allerdings die unwieder- lichen Kontinuität, vor allem aber der
holbare Einzigartigkeit jedes Einzelnen Innovation und Kreativität verdankt.
zu verkennen“, und es heißt, „mutige Die Verlässlichkeit entwirft eine neue
Schritte zu gehen, damit ‚Sich-treffen Hierarchie der Präferenzen und mithin
und gemeinsam Handeln’ nicht nur ein auch der Prioritäten von Anerkennung
Slogan ist, sondern ein Programm für und Relationalität. Man muss heute – in
die Gegenwart und für die Zukunft.“21 dem Bewusstsein, dass die vielfältigen
Diese Einladung zur Zusammenarbeit Personen sich umso eher auf unsere
richtet sich auch an die Institute ge- Situationen einlassen, je eher wir uns
weihten Lebens und die Gesellschaften auf die Wirklichkeit einlassen, der wir
apostolischen Lebens, die angespornt eingegliedert sind – mehr in eine kirch-
werden, „mutiger über die Grenzen liche Beziehungskultur investieren.
des eigenen Instituts hinauszugehen,
um auf lokaler und globaler Ebene zu-
sammen gemeinsame Projekte für die
Bildung, die Evangelisierung und für
soziale Maßnahmen zu erarbeiten“.22
1 JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Ap.
Schr. Vita consecrata (25. März 1996), 27.
2 Vgl. ebd.
3 BENEDIKT XVI, Enz. Spe salvi (30.
33. Gemeinsam handeln beinhaltet
November 2007), 7.
auch eine Koordination und ein Mitei-
nander auf der Ebene der Planung und
Verwaltung, eine Mentalität, Kultur
4 Vgl. JOHANNES PAUL II., Nachsynodales
Ap. Schr. Vita consecrata (25. März 1996),
27.
und Praxis, die, ernsthaft umgesetzt, 5 BENEDIKT XVI, Enz. Spe salvi (30.
das Fortbestehen nicht weniger Werke,
November 2007), 9.
ihre frohbotschaftliche Wirksamkeit
und ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit
garantieren könnten. Die Wirksamkeit
bezeugt das Evangelium der Liebe;
die Tragfähigkeit eine Kirche, die ein
Netzwerk der Solidarität schafft, um die
Qualität und Verlässlichkeit der Dienste
zu fördern.
Ein Netzwerk der Solidarität, das nicht
nur von der Qualität des Angebots,
sondern vor allem von der Verlässlich-
6 Vgl. FRANZISKUS, Ap. Schr. Evangelii
gaudium (24. November 2013), 130 und
weiter unten.
7 FRANZISKUS, Ansprache an die Versamm-
lung der Kongregation für die Bischöfe (27.
Februar 2014), 1.
8 FRANZISKUS, Ap. Schr. Evangelii gaudium
(24. November 2013), 155.
9 Ebd., 27.
10 JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Ap.
Schr. Vita consecrata (25. März 1996), 63.
26
keit getragen wird. Die Verlässlichkeit 11 FRANZISKUS, Ap. Schr. Evangelii

3.8 Page 28

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Gaudium (24. November 2013), 130.
12 Ebd.
13 Vgl. ebd., 130–131.
14 KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE
GEWEIHTEN LEBENS UND FÜR DIE
GESELLSCHAFTEN APOSTOLISCHEN
LEBENS, Rundschreiben Richtlinien für die
Verwaltung der kirchlichen Güter der
Institute des geweihten Lebens und der
Gesellschaften apostolischen Lebens (2.
August 2014), Verlautbarungen des
Apostolischen Stuhls Nr. 198, S. 15 (2.1.).
15 Vgl. KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE
DES GEWEIHTEN LEBENS UND DIE
GESELLSCHAFTEN DES APOSTOLISCHEN
LEBENS – KONGREGATION FÜR DIE
BISCHÖFE, Leitlinien für die gegenseitigen
Beziehungen zwischen Bischöfen und
Ordensleuten in der Kirche Mutuae
relationes (14. Mai 1978), 18.
16 FRANZISKUS, Ansprache an die Teilnehmer
an der Internationalen Tagung für Bischofs-
vikare und Delegaten für das geweihte Leben
(28. Oktober 2016), 1; vgl. KONGREGATION
FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Schreiben
Iuvenescit Ecclesia an die Bischöfe der
katholischen Kirche über die Beziehung
zwischen hierarchischen und charismati-
schen Gaben im Leben und in der Sendung
der Kirche, Rom (15. Mai 2016), 10.
17 JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Ap.
Schr. Vita consecrata (25. März 1996), 22.
18 FRANZISKUS, Ansprache an die Teilneh-
mer an der Internationalen Tagung für
Bischofsvikare und Delegaten für das
geweihte Leben (28. Oktober 2016), 1.
19 FRANZISKUS, Enz. Laudato si’ (24. Mai
2015), 228.
20 Ebd., 229.
21 FRANZISKUS, Ansprache an die Mitglieder
des Industriellenverbands Confindustria
(27. Februar 2016).
22 FRANZISKUS, Ap. Schr. an alle Personen
des geweihten Lebens aus Anlass des Jahrs
des Geweihten Lebens (21. November
2014), 3.
27

3.9 Page 29

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III. Wirtschaftliche Dimension und Sendung
Die Tragfähigkeit der Werke
verlangt oft mutiges Handeln: Es geht
nicht darum, alles zu verkaufen oder
34. „Die dringende Herausforderung, alle Werke aufzugeben, sondern um
unser gemeinsames Haus zu schützen, eine ernsthafte Entscheidungsfindung
schließt die Sorge ein, die gesamte […]. In bestimmten Fällen kann die
Menschheitsfamilie in der Suche nach Entscheidungsfindung nahelegen, ein
einer nachhaltigen und ganzheitlichen Werk am Leben zu erhalten, das Verlus-
Entwicklung zu vereinen, denn wir te hervorbringt – wobei man gut darauf
wissen, dass sich die Dinge ändern kön- achten muss, dass diese nicht durch Un-
nen.“1 Im gegenwärtigen historischen fähigkeit oder mangelnde Sachkenntnis
Kontext nehmen die Institute geweihten erzeugt werden“.3
Lebens und die Gesellschaften aposto- Um die Tragfähigkeit der Werke zu be-
lischen Lebens die Herausforderungen urteilen, muss eine Methode angewandt
an, vor die unsere Zeit sie stellt, und su- werden, die jeden Aspekt und alle
chen nach prophetischen Antworten im denkbaren Wechselbeziehungen in den
Sinne einer aufmerksamen und respekt- Blick nimmt, das heißt gleichzeitig die
vollen wirtschaftlichen und mensch- charismatische, die relationale und die
lichen Entwicklung. Die veränderten wirtschaftliche Dimension sowohl jedes
Bedürfnisse und die verschiedenen einzelnen Werkes als auch des Instituts
kulturellen, sozialen und normativen in seiner Gesamtheit berücksichtigt.
Kontexte erfordern einerseits oft die
Abkehr von nicht mehr angemessenen 35. Charismatische Dimension und
Vorgehensweisen und andererseits ei- Projektbezogenheit. „Daher müssen wir
nen kühnen und kreativen Ansatz, um uns noch einmal damit auseinander-
„die Ziele, die Strukturen, den Stil […] setzen, welche Sendung sich aus dem
zu überdenken“.2
Charisma ergibt, und überprüfen, ob
In seiner Botschaft an die Teilnehmer die charismatische Identität der Grün-
des zweiten von der Kongregation für dungsinstanzen in den Besonderheiten
die Institute geweihten Lebens und für der operativen Antworten zum Tragen
die Gesellschaften apostolischen Lebens kommt [...] So kann es passieren, dass
veranstalteten Symposiums erinnert Werke unterhalten werden, die nicht
Papst Franziskus daran, dass „treu zu mehr mit dem heutigen Ausdruck der
sein […] uns zu einem beständigen Sendung in Einklang stehen, sowie Im-
Bemühen um Entscheidungsfindung mobilien, die sich für die Werke, die ihr
[verpflichtet], damit die Werke, den Charisma leben, als nicht mehr funkti-
Charismen entsprechend, auch weiter- onal erweisen.“4 Es gilt zu bestimmen,
hin wirkkräftige Mittel sein können, um „welche Werke und Maßnahmen fortge-
vielen Menschen die Zärtlichkeit Gottes setzt, aufgegeben oder geändert werden
28
zu bringen. […] Die Treue zum Charisma sollen und wo sich neue Grenzen für

3.10 Page 30

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Entwicklungswege und das Zeugnis sollen,6 bedarf es positiver Beziehun-
der Sendung auftun, die auf die heu- gen. Im Reichtum der Beziehungen, die
tigen Bedürfnisse eingehen und dabei die Brüderlichkeit ausmachen, lernen
dem eigenen Charisma vollständig treu die Personen des geweihten Lebens,
bleiben“.5
dass die Sendung von Menschen ge-
Es gilt, eine Mentalität zu überwinden, tragen wird, die bereit sind, Leben und
die meint, die Planung und Projektie- Glauben zu teilen und Erfahrungen der
rung der Aktivitäten und der Werke Gemeinschaft und Zusammenarbeit zu
lasse sich nicht mit der Offenheit für die machen. Brüderliche Beziehungen, die
Neuheit des Geistes vereinbaren. Das auf aufrichtiger Wertschätzung und
Gegenteil ist der Fall: Viele Eingebun- wechselseitigem Vertrauen basieren,
gen werden deshalb nicht umgesetzt, werden somit zu kostbaren Ressourcen,
weil ihnen kein Projekt und/oder keine mit denen gewirtschaftet werden kann.
Planung zugrunde liegt. Es werden kei- Unter diesen Bedingungen werden die
ne Ziele formuliert, die Art und Weise Werke auch dann in einem Geist der
der Durchführung wird nicht näher be- Offenheit, der Gemeinschaft und der
stimmt und die ökonomisch-finanzielle Mitverantwortung verwaltet, wenn
Machbarkeit nicht überprüft. All das diese Aufgabe einigen wenigen Gott-
führt leicht zu einer Diskrepanz zwi- geweihten anvertraut werden muss.
schen Ideal und praktikabler Realität, In manchen Fällen werden sie jedoch
zwischen Sendung und Wirtschaft, weil Einzelnen anvertraut, ohne für deren
Einschätzungen und Bewertungen nicht Tätigkeit regelmäßige Termine der Dis-
stichhaltig und die getroffenen Vorkeh- kussion und Überprüfung vorzusehen.
rungen nicht wirksam genug sind.
Dies kann, auch ungewollt, zu einer
Die Notwendigkeit der Planung und Personalisierung der Verwaltung und
Projektierung darf auf keinen Fall als dazu führen, dass man nur in den Gren-
Abkehr von den Idealen, als Beschrän- zen der eigenen Talente, Eigenarten und
kung der Kreativität oder als mangeln- Empfindlichkeiten nach Möglichkeiten
des Vertrauen in die Vorsehung ver- sucht, auf die jeweiligen konkreten
standen werden. Wo die charismatische Situationen zu reagieren. Zudem ge-
Zielsetzung anerkannt wird, stellt sich schieht es oft, dass man sich nicht um
im Gegenteil die Ökonomie im Rahmen die Ausbildung eventueller Nachfolger
eines konkreten und wirkungsvollen kümmert, die für eine gebührende Kon-
Projekts in den Dienst der Prophetie.
tinuität des Werkes sorgen könnten.
Die Projektierung und/oder Planung,
36. Beziehungsdimension und Brüder- die von einem wechselseitigen Zuhö-
lichkeit. Wie oben bereits gesagt, ist ren ausgeht, vermittelt einen Überblick
es unabdingbar, eine Wirtschaft mit über die Werke und darüber, wie auf
menschlichem Antlitz wiederzuentde- Bedürfnisse reagiert wird, und stellt
cken, in der der Mensch und sein wah- eine Möglichkeit dar, den Drang nach
res Wohl nie aus dem Blickfeld geraten. Selbstbezüglichkeit sowie Spaltungen
Wenn die Würde jeder menschlichen und Meinungsverschiedenheiten da-
Person und das Gemeinwohl im Mit- durch zu überwinden, dass man nach
telpunkt der Aufmerksamkeit stehen gemeinsamen Lösungen sucht, die für
29

4 Pages 31-40

▲back to top

4.1 Page 31

▲back to top
alle vorteilhaft und bereichernd sind. Das Stammvermögen
Es geht darum, sich von der Ideologie
des Homo oeconomicus loszusagen, der 38. Im Sinne einer geordneten und
in seinem Verlangen nach Gütern uner- weitblickenden Verwaltung ist eine um-
sättlich ist und dessen Entscheidungen fassende Bestandsaufnahme des Insti-
auf den größtmöglichen persönlichen tutsvermögens unter Berücksichtigung
Nutzen abzielen, und stattdessen die der kirchenrechtlichen Vorschriften
Herausforderung eines Homo fraternus notwendig, die den Unterhalt des Ins-
in den Ring zu werfen, der es nie müde tituts gewährleisten und das Erreichen
wird, sich für die Brüderlichkeit zu ent- der institutionellen Zwecke erleichtern
scheiden.7
sollen (sog. Stammvermögen). Daher
ist es ratsam, gezielt die geeigneten
37. Charismen und wirtschaftliche Initiativen zu ergreifen, um die dem
Dimension. Das wirtschaftlich-finan- Stammvermögen zugehörigen Güter zu
zielle Gleichgewicht der Aktivitäten erfassen und, sofern noch nicht gesche-
der Institute geweihten Lebens und der hen, die nötigen formalen Zuweisungen
Gesellschaften apostolischen Lebens vorzunehmen.
darf nicht das einzige Kriterium sein, Hierzu soll im Eigenrecht eines jeden
anhand dessen die Nachhaltigkeit der Instituts festgelegt werden, welche Au-
Werke beurteilt wird. Allerdings ist es torität dafür zuständig ist, die Zuwei-
nötig, daran zu erinnern, dass zwischen sung durch entsprechenden Beschluss
Charisma und Vermögensverwaltung vorzunehmen. Eine solche Festlegung
kein Widerspruch besteht; eine Ver- soll mit dem folgenden oder einem
waltung, die sich nach den Kriterien ähnlichen Wortlaut im grundlegenden
der Wirtschaftlichkeit richtet, erstickt Rechtsbuch oder in einem anderen
das Charisma nicht, sondern schafft die normativen Dokument des Eigenrechts
Voraussetzungen für die Verfolgung enthalten sein: Das Stammvermögen
und Verwirklichung gemeinsamer Ziele. besteht aus allen unbeweglichen und be-
Um die Kontinuität und Lebendigkeit weglichen Sachen, die durch rechtmäßi-
des Charismas zu gewährleisten, ist ge Zuweisung dazu bestimmt sind, die
eine Arbeitsweise erforderlich, die we- wirtschaftliche Sicherheit des Instituts
der oberflächlich noch naiv sein darf. zu gewährleisten. Für das Vermögen
Die Erfahrung des Dikasteriums zeigt, des gesamten Instituts wird eine solche
dass dort, wo den Problemen auf der Zuweisung vom Generalkapitel oder mit
Verwaltungsebene nicht genügend Auf- der Zustimmung seines Rates vom Ge-
merksamkeit geschenkt wird, letztlich neraloberen vorgenommen. Für das Ver-
die Sendung selbst verlorengeht.
mögen einer Provinz wie auch für das
Das geweihte Leben bietet der Welt Vermögen einer rechtmäßig errichteten
dann ein frohbotschaftliches Zeugnis, Niederlassung wird sie vom Provinz-
wenn es den apostolischen Anhauch kapitel oder ähnlichen Versammlungen
am Leben erhält und die Tragfähigkeit (vgl. Can. 632) oder mit Zustimmung
der Werke durch ihre gewissenhafte seines Rates vom Provinzoberen vor-
und ausgewogene Verwaltung gewähr- genommen und vom Generaloberen
30
leistet.
bestätigt.

4.2 Page 32

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39. Das aus unbeweglichen oder be- c) diejenigen beweglichen Sachen, die
weglichen Sachen bestehende Stamm- dem Unterhalt des Instituts, der Provinz
vermögen garantiert den Unterhalt des oder der Ordensniederlassung und der
Instituts, der Provinzen und der recht- Verwirklichung der jeweiligen Ziele
mäßig errichteten Niederlassungen und dienen. Solche Sachen werden als un-
ihrer Mitglieder und stellt die Erfüllung bewegliche behandelt und dem Stamm-
seines Sendungsauftrags sicher. Der vermögen rechtmäßig zugewiesen. Es
Wortbestandteil „Stamm“ versteht sich handelt sich nicht um Sachen, die der
als Garantie dafür, dass die Hinordnung ordentlichen Wirtschaftsverwaltung
auf ein Ziel, „das mit der Sendung der dienen, sondern um bewegliche Sachen,
Kirche übereinstimmt“ (Can. 114 §§ die entsprechend den Hinweisen in § 84
1–2), und auf die spezifische Sendung in den verschiedenen vom Finanzsys-
der Institute geweihten Lebens und der tem vorgesehenen Formen kapitalisiert
Gesellschaften apostolischen Lebens und investiert werden;
nicht außer Acht gelassen werden darf.8
Rechtmäßig dem Stammvermögen zu- d) diejenigen unbeweglichen und be-
gewiesen werden können:
weglichen Sachen, die aufgrund ihrer
historischen oder künstlerischen Be-
a) unbewegliche Sachen wie beispiels- deutung und ihrer Kostbarkeit die so-
weise die Orte, an denen die Gemein- genannten Kulturgüter, das historische
schaft ihrer Tätigkeit nachgeht, wohnt, Gedächtnis des Instituts, der Provinz
ihre älteren oder kranken Mitglieder oder der Ordensniederlassung bilden;
pflegt; Güter, die in kunstgeschichtli- solche Sachen können ein Geschenk,
cher Hinsicht von besonderer Bedeu- aber aufgrund der Erfordernisse der Be-
tung sind oder sich – wie beispielsweise wahrung und Instandhaltung auch eine
das Mutterhaus – auf die Wurzeln und wirtschaftliche Bürde sein;
das Gedächtnis des Institutes selber be-
ziehen. Die Größe dieses Vermögens soll e) der Schutz- und Sicherheitsfonds, der
den wirtschaftlichen Kapazitäten des in einem angemessenen Verhältnis zu
Instituts, der Provinz oder der Ordens- den Werken des Instituts, der Provinz
niederlassung entsprechen;
oder der Ordensniederlassung zu stehen
hat und das Institut für den Fall schüt-
b) diejenigen unbeweglichen Sachen, zen soll, dass es Aktivitäten nachgeht,
die dem Unterhalt des Instituts, der die mit beträchtlichen wirtschaftlichen
Provinz oder der Ordensniederlassung Risiken verbunden sind (sog. Sicher-
dienen. Es handelt sich um sogenanntes heitsfonds).
gewinnbringendes Vermögen, das allein
oder zusätzlich zu den ordentlichen 40. Bei der Entscheidung darüber,
Einkünften den Lebensunterhalt der ju- welche Vermögensgegenstände dem
ristischen Person bildet. In solchen Fäl- Stammvermögen eingegliedert werden
len ist zu vermeiden, dass ein solches sollen, muss bedacht werden, welches
Vermögen den einzigen Grund darstellt, diejenigen Güter sind, ohne die die ju-
weshalb die Rechtsperson überhaupt ristische Person nicht die Mittel hätte,
existiert, oder dass es angehäuft wird; das ihr eigene Ziel zu erreichen; außer-
31

4.3 Page 33

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dem muss der Umfang dieser Güter dem aufhaltsame Beschleunigung der wirt-
Wesen, den Zielen und den Bedürfnis- schaftlichen und finanziellen Systeme
sen besagter juristischer Person ange- legt nahe, die einzelnen dem Stamm-
messen sein; und es muss berücksich- vermögen eingegliederten Güter (in den
tigt werden, dass bestimmte Güter ihrer zeitlichen Abständen, die man für die
Natur nach nicht verfügbar sind, solan- sinnvollsten hält) einer regelmäßigen
ge die betreffende juristische Person be- Prüfung zu unterziehen.
steht, und dass es nicht zulässig ist, die
Zuweisung zum Stammvermögen allein Verantwortung, Transparenz
deshalb nicht vorzunehmen, weil man und Vertrauen
die kirchenrechtlichen Vorschriften
hinsichtlich der Veräußerung umgehen 41. Die Prinzipien der Verantwortung,
will. Die Bildung eines solchen Vermö- der Transparenz und des Vertrauenser-
gens ist nämlich zum Schutz und als halts bedingen sich gegenseitig: Es gibt
Garantie für die Vermögensgegenstände keine Verantwortung ohne Transparenz,
selbst gedacht.
Transparenz schafft Vertrauen, und die
Für eine korrekte Verwaltung der dem eine wie die anderen wird mit Vertrauen
Stammvermögen zugewiesenen Güter erwidert.
muss der Immobilienbestand des Insti- Die Verantwortung ist das Bewusstsein,
tuts, der Provinz oder der Ordensnieder- das den Evangelisierungsauftrag im
lassung exakt aufgelistet und müssen Hinblick auf das Vermögen der Kirche
die Katasterdaten, die Herkunft der prinzipiell ausrichtet.
Immobilien, eventuelle Verbindlichkei- Das Wissen um die relevanten Faktoren
ten, die Beschaffenheit der Vermögens- schafft die wesentlichen Voraussetzun-
gegenstände und ihr Erhaltungszustand gen dafür, zielführende Entscheidungen
spezifiziert werden; es ist mehr als rat- zu treffen und gegebenenfalls zu opti-
sam, die Modalitäten der vollständigen mieren oder sogar grundlegend zu mo-
oder teilweisen Überlassung der Immo- difizieren. Vor allem die aufmerksame
bilien an Dritte regelmäßig zu überprü- und frühzeitige bilanzielle Erfassung
fen; es ist hilfreich, eine eigene Liste mit der Wirkungen der Verwaltung ermög-
den unbeweglichen und beweglichen licht es, nötigenfalls einzuschreiten,
Sachen aufzubewahren, die historisch bevor unumkehrbare negative Situati-
oder künstlerisch besonders bedeutend onen entstehen. Umgekehrt vergeudet
oder wertvoll sind; und schließlich ist ein nicht hinlänglich kontrolliertes
es immer notwendig, darauf zu achten, wirtschaftliches Handeln Ressourcen
dass die Verwaltung der dem Stamm- und widerspricht damit der grundle-
vermögen zugewiesenen Güter auch genden Position der Kirche, dass bei
weiterhin mit dem Sendungsauftrag der Nutzung der Güter daran zu denken
des Instituts übereinstimmt, damit ist, dass diese in letzter Instanz auf das
dieses nicht mit Besitztümern oder Ak- Gemeinwohl hingeordnet sind, dem
tivitäten überfrachtet wird, die seiner „in umfassender Weise gedient werden
institutionellen Identität fremd sind. [muss]: nicht unter dem eingeschränk-
So gesehen ist ein Stammvermögen ten Blickwinkel von Teilvorteilen, die
32
kein abgeschirmtes Vermögen. Die un- daraus gezogen werden können, son-

4.4 Page 34

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dern auf der Grundlage einer Logik, die Risiken und neuen Wegen einher, die
auf eine denkbar breite Übernahme von möglicherweise eingeschlagen werden
Verantwortung abzielt.“9
müssen.
Diese Verantwortung besteht insbe- In dieser Hinsicht leuchtet der enge
sondere gegenüber der zivilen und Zusammenhang zwischen Verantwor-
kirchlichen Gemeinschaft und vor tung und Transparenz unmittelbar ein.
allem gegenüber dem eigenen Insti- Besonderes Augenmerk liegt hierbei
tut. Es handelt sich folglich um eine nicht nur auf der mit der jeweiligen
Verantwortung, bei der es einerseits Rolle (der Oberen, der Ökonomen und
darum geht, wem man rechenschafts- Verwalter, der Mitarbeiter) verbun-
pflichtig ist, und andererseits darum, denen Verantwortung, sondern – wie
die eigenen Verwaltungsentscheidun- oben bereits angedeutet – auch auf der
gen schlüssig begründen zu können. Überprüfbarkeit der Begründung und
Aus der Verantwortung ergibt sich Motivation der administrativen und
nicht zuletzt die Forderung nach Über- wirtschaftlichen Entscheidungen und
wachung und Kontrolle. Diese dürfen auf der entsprechenden Pflicht, auf
jedoch nicht als Beschränkung der aufkommende Probleme oder kritische
Autonomie der Einrichtungen oder als Punkte zu reagieren.
mangelndes Vertrauen gedeutet wer- Bekanntlich werden von den Gesetz-
den, sondern dienen der Gemeinschaft, gebungen zunehmend umfassende und
der Transparenz und dem Schutz derer, genaue Transparenzregeln aufgestellt,
die heikle Verwaltungsaufgaben wahr- um das korrekte und legale Verhalten
nehmen.10
jedes einzelne Subjekts und gleichzeitig
die wirtschaftliche Tragfähigkeit der
42. Im engeren Sinne auf das weiter Werke des Instituts zu gewährleisten.
oben Ausgeführte bezogen steht der Diese Regeln, so muss hinzugefügt
Begriff „Transparenz“ für die Fähigkeit, werden, werden immer komplexer und
über die Aktivitäten, die getroffenen strenger. Mithin ist es eine Pflicht, für
Entscheidungen und die erzielten die entsprechenden professionellen
Resultate Rechenschaft abzulegen. Kompetenzen und Verfahrensweisen zu
Rechenschaftsberichte und Bilanzen sorgen; und das nicht nur auf der Ebe-
vermitteln – als Instrumente der Trans- ne der einzelnen Organisationseinheit,
parenz – ein zusammenfassendes und sondern dort, wo es um mehrstufige
doch auch genaues Bild von den entfal- Strukturen geht, auch auf nationaler
teten Aktivitäten und ihren Ergebnissen und internationaler Ebene.
und fördern zugleich in den Verwaltern
die Fähigkeit, über ihre Arbeit, ihre 43. Rechenschaftsberichte und Bilan-
Entscheidungen und, allgemeiner ge- zen tragen zu einer größeren Glaub-
sprochen, ihr Verhalten Rechenschaft würdigkeit des sie erstellenden Subjekts
zu geben. Rechenschaftsberichte för- und damit auch zu einem Vertrau-
dern außerdem eine umsichtige Ver- enszuwachs bei. „Ohne Regeln kein
mögensverwaltung. Denn mit einem Vertrauen“,11 das heißt, das Vertrauen
geschärften Bewusstsein geht eine grö- wird nicht zuletzt durch Regeln erzeugt,
ßere Präzision bei der Einschätzung von die die Verantwortlichkeiten festlegen
33

4.5 Page 35

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und die Transparenz überprüfen. Das zur kurz-, mittel- und langfristigen
Vertrauenskapital darf nicht durch Überprüfung der unternommenen Ini-
Situationen oder Ereignisse aufs Spiel tiativen; deshalb ist festzulegen, nach
gesetzt werden, die die Glaubwürdigkeit welchen Kriterien die Akten erfasst,
der Institute geweihten Lebens und der nach welchem System sie geordnet
Gesellschaften apostolischen Lebens in und wie sie kategorisiert werden sollen.
der zivilen oder kirchlichen Gemein- Jeder kirchliche Vermögensverwalter
schaft beschädigen; ohne dieses Kapital muss daran erinnert werden, dass es in
wird das persönliche und kollektive seiner Verantwortung liegt, die Doku-
Zeugnis der Armut des geweihten Le- mentation in Übereinstimmung mit den
bens selbst „problematisch“. Eine Kultur Vorschriften des Kirchenrechts aufzu-
und Praxis der Transparenz ist nämlich bewahren.
untrennbar mit der Treue zur eigenen Eine Inventarisierung der Güter ist
charismatischen Geschichte und Tradi- auch nach Erwerb, Bau, Schenkung
tion des Armutsgelübdes und mit einer und jedem anderen Akt erforderlich,
ausgewogenen Regelung der Abhän- der das Vermögen vergrößert, verändert
gigkeit und Beschränkung verbunden, oder verkleinert. Insbesondere müssen
mit der das Vermögen verwendet und alle Dokumente aufbewahrt werden,
darüber verfügt werde kann (vgl. Can. die belegen, wer der rechtmäßige Ei-
600). Der Zusammenhang zwischen gentümer der unbeweglichen und der
anerkannter Treue und dem Einsatz von beweglichen Sachen ist. Eine adäquate
Instrumenten wie Rechenschaftsberich- Verwaltungsdokumentation ist ein Ins-
ten und Bilanzen spiegelt sich in der trument, um sich über die administrati-
gemeinsamen Erfahrung: Je transpa- ven Abläufe im Institut zu informieren;
renter die Verwaltung ist, desto größer auf der Grundlage der verfügbaren
ist auch die Wahrscheinlichkeit und Ressourcen angemessen zu planen; im
Verfügbarkeit öffentlicher wie privater Streitfall Rechtsansprüche zu belegen;
Ressourcen.
administrative Vorgänge transparent zu
machen; das historische Gedächtnis zu
Das Archiv
bewahren; und zu erforschen, wie sich
das Charisma in den jeweiligen Epo-
44. Der Kodex des kanonischen Rechts chen verwirklicht hat. In diesem Punkt
hält in den Canones 1283 und 1284 zu hat der Bereich der kirchlichen Archive
einer geordneten Archivierung an und hier und da noch nachzuarbeiten und,
schreibt im Hinblick auf eine effizi- wenn möglich, eine angemessene Ver-
ente Verwaltung und Buchhaltung die waltungsmentalität zu entwickeln, die
Anfertigung und regelmäßige Aktuali- den modernen Technologien entspricht.
sierung des Bestandsverzeichnisses der Wenn man die besagten Technologien
anvertrauten Güter und Werte sowie einsetzt, ist es überdies ratsam, an ei-
eine sorgfältige Ablage und Aufbewah- nem anderen sicheren Ort eine Kopie
rung der Dokumente und insbesondere der wichtigsten Dokumente aufzube-
der Belege und Risikogarantien vor. wahren, damit nicht, wenn das Unglück
Die Archive sind, wenn sie gut geführt es will, die gesamte Dokumentation
34
werden, ein nützliches Instrument verlorengeht.12

4.6 Page 36

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Die vier Grundsätze von
Prozess der geistlichen, menschlichen,
Evangelii gaudium
ökonomischen und zivilen Veränderung
dar, doch es muss darauf hingewiesen
45. Im Licht der Kriterien, die Papst werden, dass dieser Prozess sich durch
Franziskus der gesamten Kirche in die aus dem jeweiligen Charisma aus-
seinem Apostolischen Schreiben Evan- strömenden Wirklichkeiten und lang-
geli gaudium vorgelegt hat, lassen sich fristig vollzieht.
einige wesentliche Merkmale einer von Es gilt, den Beginn von Prozessen zu
den Charismen der Institute geweihten begünstigen und zu begleiten und un-
Lebens und der Gesellschaften aposto- geachtet der unmittelbaren Ergebnisse,
lischen Lebens inspirierten Verwaltung die bei allem Verantwortungsgefühl
herausstellen, „welche die Entwicklung und auch in der besten aller Absichten
des sozialen Zusammenlebens und den allzu sehr ins Blickfeld rücken können,
Aufbau eines Volkes leiten, wo die Ver- mit Zukunftsvisionen den Blick zu
schiedenheiten sich in einem gemeinsa- schärfen, der weiter reicht. „Der Raum“,
men Vorhaben harmonisieren.“13
so betont die Enzyklika Lumen fidei,
„lässt die Vorgänge erstarren, die Zeit
46. Die Zeit steht über dem Raum.14 hingegen führt sie in die Zukunft und
„Prozesse in Gang setzen“,15 davon drängt, voll Hoffnung voranzugehen.“17
spricht der Heilige Vater oft: Das ge-
weihte Leben ist aufgerufen, Prozesse 47. Die Wirklichkeit ist wichtiger als
in Gang zu setzen, es ist zu einer neu- die Idee.18 „Heute hinterfragt uns die
en Projektbezogenheit aufgefordert. Wirklichkeit, heute lädt die Wirklichkeit
„Viele Jahre lang waren wir versucht uns ein, wieder ein wenig Sauerteig, ein
zu glauben – und viele von uns sind wenig Salz zu sein. [...] Eine gesegnete
mit dieser Vorstellung aufgewachsen –, Minderheit, die erneut eingeladen ist,
dass die Ordensfamilien mehr Räume Sauerteig zu sein, Sauerteig zu sein in
besitzen als Prozesse in Gang setzen Übereinstimmung mit dem, was der
müssen, und das ist eine Versuchung. Heilige Geist in das Herz eurer Gründer
Wir müssen Prozesse in Gang setzen, und in euer eigenes Herz eingegeben
nicht Räume besitzen.“16 Ein erstes hat. Das ist es, was heute gebraucht
Merkmal aller Ausdrucksformen, die wird.“19
aus den Charismen erwachsen, besteht Nachdrücklich und wirkungsvoll betont
darin, dass ihr Antrieb nicht in erster Papst Franziskus das Übergewicht der
Linie ökonomisch und nicht einfach Wirklichkeit. Die Idee ist die Frucht
darauf ausgerichtet ist, Machträume zu einer gedanklichen Entwicklung, die
besetzen; vielmehr drückt sich in ihm nie dagegen gefeit ist, sich von der
eine Idealität aus, ein Blick, der weiter Wirklichkeit abzulösen und zur Sophis-
reicht und die Bedürfnisse der Männer terei zu verkommen. Auch in unseren
und Frauen – vor allem der Kleinsten Instituten laufen wir zuweilen Gefahr,
und Schwächsten – zu verstehen und logische und klare Vorgaben und Do-
in eine projektbezogene Mentalität um- kumente zu verfassen, die durchaus an-
zusetzen vermag. Das Einbrechen der sprechend formuliert sein können, sich
Charismen in die Geschichte stellt einen aber von unserer Wirklichkeit und von
35

4.7 Page 37

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den Personen entfernen, zu denen wir sich nicht von begrenzten Perspektiven
gesandt sind. Zuweilen nämlich lassen und Einzelfragen in Beschlag nehmen
wir uns von der Neuheit der Initiativen, lassen, es muss das größere Wohl im
der Behältnisse blenden und vergessen, Blick haben, das allen zugutekommen
dass die wichtigste Veränderung von wird.
uns und unserem Willen und unserer Dieses Prinzip ist gemäß dem Bild des
Fähigkeit abhängt, sie wahr werden zu Polyeders zu verstehen, das die Unter-
lassen. Die Logik der Menschwerdung schiede zusammenfügt. Diese wollen
(1 Joh 4,2) ist das Leitkriterium dieses von einer Kultur des Dialogs, einem
Prinzips.
beharrlichen Weg der Suche nach dem
Die Werke unserer Institute entstehen allgemeinen Interesse getragen sein:
aus dem Hören auf Gott und als Re- Wir sind aufgefordert, Bindungen und
aktion auf die Bedürfnisse konkreter Beziehungen zu knüpfen, um das, was
Menschen: nicht aus abstrakten Reiß- nicht homogen ist, auf verschiedenen
brettentwürfen, sondern als konkrete Ebenen (von der lokalen bis hin zur glo-
Antwort auf die Bedürfnisse echter balen) und in verschiedenen Kontexten
Menschen, deren Leben, Geschichte und (vom materiellen bis hin zum spiritu-
Probleme wir kennen. Insbesondere die ellen) zu verschränken. Das bedeutet,
neuerliche Beschäftigung mit den his- dass man lernen muss, zusammenzuar-
torischen Ursprüngen der Institute ge- beiten: zwischen Gemeinschaften, zwi-
weihten Lebens und der Gesellschaften schen Instituten und Kongregationen,
apostolischen Lebens macht deutlich, mit den Laien, mit allen, die das Gute
dass die Inspiration des Charismas und wollen und danach streben.
die Sorge für die Geringsten, die Armen Das geweihte Leben kann den Ortskir-
und die Ausgegrenzten untrennbar mit- chen helfen, sich der weltkirchlichen
einander verbunden sind.
Dynamik zu öffnen, und seinerseits of-
Das geweihte Leben ist auch heute noch fen sein für den Atem der Ortskirche, in
dazu berufen, auf die Fragen zu ant- der es lebt und apostolisch wirkt, ohne
worten, die die Geschichte stellt. Und dass es dabei der Versuchung erliegt, zu
dies geschieht häufig durch einfache denken, „dass der Teil (unser kleiner Teil
Erfahrungen: Wir hören dem Leben zu, oder unsere Sicht der Welt) dem kirchli-
aus dem die Eingebungen erwachsen – chen Ganzen übergeordnet ist“.21
Eingebungen, an denen immer etwas
Wahres ist –, um sodann unsere Projek- 49. Die Einheit wiegt mehr als der Kon-
te auf den Weg zu bringen. Das Leben flikt.22 Wir sind aufgerufen, die Konflik-
steht immer an erster Stelle; das Leben te zu akzeptieren, uns auf sie einzulas-
ist es, das mit demütiger Aufmerksam- sen – ohne unsere Hände in Unschuld
keit „gehört und beachtet“ wird.
zu waschen, aber auch ohne uns in
sie zu verstricken –, um sie in neue
48. Das Ganze ist dem Teil übergeord- Prozesse zu verwandeln, die auch in
net.20 Wir sind aufgerufen, den Blick den Unterschieden, die als solche ange-
zu weiten, um immer das größere Wohl nommen werden müssen, Gemeinschaft
zu sehen. Das geweihte Leben darf sich stiften. „Außerdem besteht die Gemein-
36
nicht in sich selbst verschließen, es darf schaft auch darin, sich gemeinsam

4.8 Page 38

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und vereint den wichtigsten Fragen zu
stellen: Leben, Familie, Friede, Kampf
gegen die Armut in all ihren Formen,
Religionsfreiheit und Erziehung. Insbe-
sondere sind die Bewegungen und die
Gemeinschaften zur Zusammenarbeit
aufgerufen, um dazu beizutragen, die
Wunden zu heilen, die von einer globa-
lisierten Mentalität erzeugt wurden, die
den Konsum in den Mittelpunkt stellt
und Gott und die wesentlichen Werte
des Daseins vergisst.“23
Auf diese Weise wird die Solidarität
– in ihrem tiefsten Sinn und als Her-
ausforderung verstanden – zu einem
Stil, einer bestimmten Art, Geschichte
aufzubauen, einem lebendigen Raum,
wo die Konflikte, die Spaltungen und
die Gegensätze zu einer vielgestaltigen
Einheit gelangen können, die neues Le-
ben hervorbringt. Ziel ist nicht der Syn-
kretismus und auch nicht, dass eines im
anderen aufgeht; Ziel ist vielmehr eine
Lösung auf einer höheren Ebene, bei der
das kostbare Potential der kontrastie-
renden Polaritäten bewahrt bleibt.
Gesellschaften apostolischen Lebens (2.
August 2014), Verlautbarungen des
Apostolischen Stuhls Nr. 198, S. 8 f. (1.1.).
5 Ebd., S. 9.
6 Vgl. FRANZISKUS, Ap. Schr. Evangelii
gaudium (24. November 2013), 203.
7 Vgl. ebd., 91.
8 Vgl. JOHANNES PAUL II., Nachsynodales
Ap. Schr. Vita consecrata (25. März 1996),
4, 72.
9 PÄPSTLICHER RAT FÜR GERECHTIGKEIT
UND FRIEDEN, Kompendium der Sozial-
lehre der Kirche, Rom (2. April 2004), 167.
10 Vgl. KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE
GEWEIHTEN LEBENS UND FÜR DIE
GESELLSCHAFTEN APOSTOLISCHEN
LEBENS, Rundschreiben Richtlinien für die
Verwaltung der kirchlichen Güter der
Institute des geweihten Lebens und der
Gesellschaften apostolischen Lebens (2.
August 2014), Verlautbarungen des
Apostolischen Stuhls Nr. 198, S. 10 (1.2.).
11 PÄPSTLICHER RAT FÜR GERECHTIGKEIT
UND FRIEDEN, Note des Hl. Stuhls über
die Weltkonferenz zur Entwicklungsfinan-
zierung in Doha (18. November 2008), 3c.
12 Vgl. PÄPSTLICHE KOMMISSION FÜR DIE
KULTURGÜTER DER KIRCHE, Die pastorale
Funktion der kirchlichen Archive (2.
Februar 1997).
1 FRANZISKUS, Enz. Laudato si’ (24. Mai
2015), 13.
13 FRANZISKUS, Ap. Schr. Evangelii gaudium
(24. November 2013), 221.
2 FRANZISKUS, Ap. Schr. Evangelii gaudium
(24. November 2013), 33.
14 Vgl. ebd., 225; vgl. auch FRANZISKUS,
Enz. Lumen fidei (29. Juni 2013), 57.
3 FRANZISKUS, Botschaft an die Teilnehmer
am zweiten int. Symposium zum Thema
der ökonomischen Verwaltung, organisiert
von der Kongregation für die Institute des
15 FRANZISKUS, Ansprache bei der Begeg-
nung mit Priestern und Personen des
geweihten Lebens im Mailänder Dom (25.
März 2017).
geweihten Lebens und der Gesellschaften
16 Ebd.
des Apostolischen Lebens (25. November
2016).
17 FRANZISKUS, Enz. Lumen fidei (29. Juni
2013), 57.
4 KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE
GEWEIHTEN LEBENS UND FÜR DIE
GESELLSCHAFTEN APOSTOLISCHEN
LEBENS, Rundschreiben Richtlinien für die
Verwaltung der kirchlichen Güter der
18 FRANZISKUS, Ap. Schr. Evangelii gaudium
(24. November 2013), 231–233.
19 FRANZISKUS, Ansprache bei der Begeg-
nung mit Priestern und Personen des
Institute des geweihten Lebens und der
geweihten Lebens im Mailänder Dom (25.
37

4.9 Page 39

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März 2017).
20 Ebd., 234–237.
21 FRANZISKUS, Ansprache bei der Begeg-
nung mit Priestern und Personen des
geweihten Lebens im Mailänder Dom (25.
März 2017).
22 FRANZISKUS, Ap. Schr. Evangelii gaudium
(24. November 2013), 226–230.
23 FRANZISKUS, Ansprache an die Teilneh-
mer des 3. Weltkongresses der kirchlichen
Bewegungen und der neuen Gemeinschaf-
ten (22. November 2014).
38

4.10 Page 40

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IV. Operative Hinweise
50. Bei der Vermögensverwaltung und Treue zum Charisma. Jedes Charisma
der Betreibung der Werke schaut die Un- ist „immer eine lebendige Wirklichkeit“
terscheidung „auf die Ausrichtung, die und aufgerufen, „sich in schöpferischer
Ziele, die Bedeutung sowie auf die gesell- Treue zu entfalten“.3 Treue zum Charis-
schaftlichen und kirchlichen Auswirkun- ma heißt mithin, dass die praktischen
gen der wirtschaftlichen Entscheidungen Entscheidungen im jeweiligen Kontext
der Institute des geweihten Lebens“.1 Aus den Identitätsmerkmalen des Instituts
dieser Perspektive lassen sich die Hori- entsprechen.
zonte der Wirklichkeitsdeutung und ei- Armut. Eine „verantwortliche Auste-
nige grundlegende Kriterien für besagte rität“,4 eine „gesunde Demut und eine
Unterscheidungsarbeit bestimmen.
glückliche Genügsamkeit“5 begünstigen
Die großen Horizonte, in die sich die die Loslösung von einer Sichtweise, die
wirtschaftlichen Tätigkeiten einfügen, die Güter als Eigentum betrachtet, und
sind: eine Ökonomie, die den Men- erzeugen eine besondere Bereitschaft,
schen, den ganzen Menschen und in „den Schrei der Armen zu hören, der
besonderer Weise die Armen im Sinn Armen aller Zeiten und der neuen Ar-
hat; eine Lesart, die die Ökonomie als men“.6
Werkzeug des missionarischen Han- Respekt vor der Kirchlichkeit der Gü-
delns der Kirche begreift; und schließ- ter. Die Güter der Institute geweihten
lich eine frohbotschaftliche Ökonomie Lebens und der Gesellschaften apo-
des Teilens und der Gemeinschaft.
stolischen Lebens sind kirchliches
Diese Horizonte verdichten sich zu eini- Vermögen (Can. 634 § 1) und auf das
gen grundlegenden Kriterien.
Erreichen kircheneigener Zwecke hin-
geordnet (Can. 1254). Bei ihrer Verwen-
51. Treue zu Gott und zum Evangelium. dung sind die Institute daher gehalten,
Jedes geweihte Leben stellt Gott, stellt ihren Charakter zu bewahren und die
die Sequela Christi an oberste Stelle. betreffenden kirchenrechtlichen Ver-
Jeder Mann und jede Frau des geweih- ordnungen zu respektieren.
ten Lebens muss sich vor allem an Ihm Tragfähigkeit der Werke. Die Werke
ausrichten, Ihn betrachten, Ihn nach- der Institute bestehen nicht losgelöst
ahmen, Ihm in Keuschheit, Armut und von ihrem gesellschaftlichen und wirt-
Gehorsam nachfolgen, um zu einem schaftlichen Kontext. Ein Werk ist folg-
treuen Verkünder der Frohen Botschaft lich dann tragfähig, wenn es ein ange-
zu werden. Unverzichtbar ist hierbei messenes ökonomisches Gleichgewicht
„die Gabe des Hörens: des Hörens auf wahrt und die verfügbaren Ressourcen
Gott, so dass wir mit Ihm den Schrei des adäquat nutzt.
Volkes hören; des Hörens auf das Volk, Notwendigkeit der Rechenschaftslegung.
so dass wir dort den Willen wahrneh- Rechenschaftslegung heißt, dass man
men, zu dem Gott uns ruft.“2
imstande ist, Entscheidungen, Maßnah-
39

5 Pages 41-50

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5.1 Page 41

▲back to top
men und Ergebnisse offenzulegen. Die Staat und Kirche, die Besonderheiten
gebührende Autonomie der Institute der Tätigkeitsbereiche, den Umfang
geht also mit verantwortungsbewusst der Tätigkeit –recht viele verschiedene
getroffenen und umgesetzten be- Modelle. So sind die Werke in einigen
triebswirtschaftlichen Entscheidungen Fällen Eigentum der Institute geweih-
einher, wobei die Rechenschaftslegung ten Lebens oder der Gesellschaften
gemäß den allgemein- und eigenrecht- apostolischen Lebens, während diese in
lichen Bestimmungen erfolgt.
anderen Fällen mittels bestimmter juris-
tischer Personen agieren, die häufig als
52. In den konkreten Situationen rich- Stiftung oder Gesellschaft organisiert
ten sich die Kriterien der Unterschei- sind.
dung nach der Charakteristik und den
vernünftigen Traditionen eines jeden 54. Ferner darf im Hinblick auf die
Instituts und nach den Besonderheiten einzelnen Institute geweihten Lebens
des jeweiligen rechtlichen und sozialen und Gesellschaften apostolischen Le-
Kontexts.
bens sowie auf ihre Provinzen oder
Die Dimensionen und die Organisa- diesen gleichgestellte Teile des Instituts
tionsstrukturen, die Art der durchge- (vgl. Can. 620) auch die Anwendung
führten Aktivitäten, der geographische der staatlichen Gesetze niemals außer
Wirkungsbereich, die geltenden Geset- Acht gelassen werden. Der Verweis des
zesordnungen und die Modelle der Be- Kirchenrechts auf die Bestimmungen
ziehung zwischen Staat und Kirche sind des weltlichen Vertragsrechts (Can.
Merkmale, in denen sich die einzelnen 1290) und nicht zuletzt der Rückgriff
Institute geweihten Lebens und Gesell- auf vertragliche Instrumente zwischen
schaften apostolischen Lebens zuweilen Staat und Kirche stärken die Einhaltung
erheblich voneinander unterscheiden. der weltlichen Gesetze mit denselben
Man muss sich dieser Unterschiede Wirkungen auch im kanonischen Recht
mithin bewusst sein: nicht, um von den (Can. 22).
grundlegenden Kriterien abzuweichen, Aufgrund der Notwendigkeit, an den
sondern um sie unter den jeweiligen grundlegenden Kriterien festzuhalten
historischen Bedingungen Gestalt an- und dabei gleichzeitig auch die spezi-
nehmen zu lassen.
fischen Gegebenheiten zu berücksichti-
gen, empfiehlt es sich, teils allgemeine
53. Im Hinblick auf die Güterver- und teils besondere praktische Hinweise
waltung erhalten die Organisations- zu formulieren, damit die charakteristi-
strukturen der einzelnen Institute sche Beschaffenheit der jeweiligen Kon-
geweihten Lebens und Gesellschaften texte und Adressaten gewahrt bleibt.
apostolischen Lebens besondere Be-
deutung. Auch wenn nämlich das Ver- Die Wirtschaftsleitung
mögen, das dem Lebensunterhalt der
Gemeinschaften dient, in der Regel 55. Allgemeines Recht und Eigenrecht
im Besitz der Institute ist, gibt es bei Da es sich um kirchliches Vermögen
den Werken – bedingt etwa durch die handelt, unterliegt das zeitliche Vermö-
40
Modalitäten der Beziehungen zwischen gen der Institute geweihten Lebens und

5.2 Page 42

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der Gesellschaften apostolischen Le- der Aufnahme und der Ausbildung der
bens, sofern nicht ausdrücklich anders Mitglieder, ihrer Rechte und Pflichten,
verfügt, den Bestimmungen in Buch V der Dispens von den Gelübden und der
Kirchenvermögen (vgl. Can. 635 § 1).
Entlassung von Mitgliedern und auch
Neben den Bestimmungen im V. Buch der Verwaltung der Güter.“8
des Kodex des kanonischen Rechts un- Veräußerungen und Maßnahmen, die
terliegt die Verwaltung der zeitlichen der öffentlichen juristischen Person
Güter im Falle der Ordensinstitute den zum Nachteil gereichen könnten,
Canones 634–640, im Falle der Säku- bedürfen der Erlaubnis des Heiligen
larinstitute dem Canon 718 und im Falle Stuhls. Allerdings erteilt die Kon-
der Gesellschaften apostolischen Lebens gregation für die Institute geweihten
dem Can. 741.
Lebens und für die Gesellschaften apo-
Jedes Institut geweihten Lebens und stolischen Lebens ihre Erlaubnis in den
jede Gesellschaft apostolischen Lebens rechtlich vorgesehenen Fällen (vgl. Can.
erlässt außerdem eigene Normen, die 638 § 3), ohne eventuelle wirtschaft-
die Verwendung und Verwaltung des liche Folgen zu tragen. Die Erlaubnis
Vermögens angemessen regeln (vgl. gewährleistet, dass das Geschäft „den
Can. 635).
Zweckbestimmungen des Kirchenver-
mögens entspricht. Die Verantwortung,
56. Der Papst
die sich aus ihrem Eingreifen ergibt,
„Kraft des Leitungsprimats hat der bezieht sich ausschließlich auf die kor-
Papst die oberste Verwaltung und Ver- rekte Ausübung der kirchlichen Gewalt.
fügung über alle Kirchengüter“ (Can. Die Erlaubnis, um die es hier geht, ist
1273) und übt die Jurisdiktionsgewalt folglich kein Akt einer eigentumsrecht-
über sie aus, die ihm als der obersten lichen, sondern einer verwaltungsrecht-
Autorität der Kirche zukommt. Diese lichen Befugnis, die sicherstellen soll,
Befugnis, einzugreifen, gründet sich dass das Vermögen der öffentlichen
nicht darauf, dass der Papst etwa der juristischen Personen in der Kirche für
Eigentümer der kirchlichen Güter wäre, einen guten Zweck verwendet wird.“9
sondern auf seine Funktion als Ober- Es ist Praxis des Dikasteriums, den
haupt der Kirche.7
Höchstbetrag zu übernehmen, den die
Bischofskonferenzen für die jeweiligen
57. Die Kongregation für die Institute Regionen festgelegt haben.
geweihten Lebens und für die Gesell-
schaften apostolischen Lebens
58. Generalkapitel
Die Kongregation für die Institute Im geweihten Leben entspricht die
geweihten Lebens und für die Gesell- Wirtschaftsleitung dem Charisma, der
schaften apostolischen Lebens „erledigt Sendung und dem Rat der Armut. Die
alles, was nach Maßgabe des Rechts betriebswirtschaftlichen Entscheidun-
bezüglich des Lebens und der Tätigkeit gen, mit denen diese Dimensionen
der Institute und Gesellschaften beim sichergestellt werden sollen, müssen
Heiligen Stuhl liegt, insbesondere hin- angemessene Formen der Gemeinschaft
sichtlich der Genehmigung der Kons- gewährleisten und sollten es daher
titutionen, der Leitung des Apostolats, vermeiden, die ökonomischen Entschei-
41

5.3 Page 43

▲back to top
dungen einer einzelnen Gruppe oder bestimmen (vgl. Can. 638 § 1 und Can.
Person zu überlassen.
1281).
Dem Generalkapitel, „das nach Vor-
schrift der Konstitutionen die höchste 59. Obere und Rat
Autorität in dem Institut besitzt“ (Can. In wirtschaftlichen und administrati-
631 § 1), obliegt es, in wirtschaftlicher ven Belangen zieht der Obere gemäß
und administrativer Hinsicht die grund- allgemeinem und Eigenrecht (vgl. Can.
legenden Richtlinien zu bestimmen und 627 und 638 § 1) im Rahmen der vom
einen charismatischen Plan für das Generalkapitel festgelegten grundle-
betreffende Institut zu erarbeiten, der genden Richtlinien und insbesondere
auch in diesem Bereich Hinweise bietet. im Hinblick auf die Handlungen der
Der charismatische Plan wird auf ei- außerordentlichen Verwaltung seinen
nem Weg kirchlicher Gemeinschaft, der Rat hinzu.
den Willen Gottes zu erkennen sucht,
konzipiert und soll Frucht einer ge- 60. Provinzkapitel und Provinzobere
meinsamen Sichtweise sowie Ausdruck Wo ein Provinzkapitel abgehalten wird,
eines synodalen Prozesses sein, der in redigiert dieses in Anlehnung an den
der Zeit vor dem Kapitel beginnt und vom Generalkapitel verabschiedeten
an dessen Ende überprüft wird, ob die charismatischen Plan des Instituts den
Inhalte des Kapitels berücksichtigt wor- Plan für den jeweiligen Bezirk.
den sind.
Gemäß den vom allgemeinen und vom
Die operativen Entscheidungen bezüg- Eigenrecht festgesetzten Normen legt
lich der Güter und der Werke werden der Provinzobere mit seinem Rat dem
vom Generaloberen mit seinem Rat in- Generaloberen mit seinem Rat diejeni-
nerhalb eines gemeinsamen Bezugsrah- gen Maßnahmen vor, die der Genehmi-
mens und vernünftigerweise nicht unter gung bedürfen.
dem Druck einer Notsituation getroffen. Über eventuelle kritische Punkte hat
D a s G e n e r a l k a p i t e l s o l l e i n er den Generaloberen, der kraft seiner
ökonomisches Direktorium oder einen Vollmacht über das gesamte Institut ge-
vergleichbaren Text vorbereiten und mäß Can. 622 in Kenntnis gesetzt wer-
verabschieden, der auch im Licht der den muss, frühzeitig und mit äußerster
mit der Zeit gereiften Erfahrung ein Gewissenhaftigkeit zu informieren.
Handeln fördert, das soweit irgend
möglich dem Charisma des Instituts, 61. Vermögensverwaltungsrat
seinem Sendungsauftrag und dem Rat Gemäß Can. 1280 hat das Eigenrecht
der Armut entspricht.
für das Institut oder für die Provinzen
Das Generalkapitel soll den Höchstbe- einen Vermögensverwaltungsrat oder
trag für die Handlungen der außeror- ein ähnlich bezeichnetes Gremium vor-
dentlichen Verwaltung der einzelnen zusehen.
Provinzen festlegen.
Die Zusammensetzung dieses Gremi-
Das Eigenrecht des Instituts soll die ums kann für die Mitarbeit professio-
Handlungen der außerordentlichen nell qualifizierter Laien und Laiinnen
Verwaltung und die notwendigen Ver- offen sein. Der für die Genehmigung
42
fahrensweisen zu deren Umsetzung der Handlungen der außerordentlichen

5.4 Page 44

▲back to top
Verwaltung zuständige Obere wird ne- eigenrechtliche Bestimmungen fest-
ben der Zustimmung seines Rates (vgl. gelegt werden. Außerdem sollen der
Can. 627 § 1) auch die Meinung (vgl. Gegenstand des Mandats, die Dauer der
Can. 127 § 2, 2a) des Vermögensverwal- Beauftragung und die Ernennung der
tungsrates einholen.
Mitglieder geregelt werden. Wo dies
zweckmäßig ist, soll die Beteiligung
62. Verwaltungsordnung
professionell qualifizierter Laien und
Wenn dies zweckdienlich ist, kann Laiinnen vorgesehen werden.
der zuständige Obere gemeinsam mit
seinem Rat – insbesondere in den 64. Ökonom
Instituten, die sozial relevante Wer- Ob der Ökonom gewählt oder ernannt
ke betreiben – eine Verwaltungsord- wird, ist Sache des Eigenrechts. In bei-
nung zur Anwendung bringen, die in den Fällen muss jedoch auf die wach-
Übereinstimmung mit den Vorgaben sende Bedeutung einer angemessenen
des charismatischen Plans und des Professionalität hingewiesen werden,
ökonomischen Direktoriums praktische die mit der Identität der einzelnen In-
Hinweise bietet.
stitute (vgl. Can. 587 § 1), der Bereit-
Neben vielen anderen Aspekten hat die schaft zur Zusammenarbeit, den für die
Verwaltungsordnung zu regeln, über Aufgabe selbst wesentlichen Eignungen
welche Inhalte, auf welche Weise und in (vgl. Can. 636 § 1) und der Loslösung
welchen Fristen die zuständigen Oberen von den Gütern vereinbar ist.
informiert werden und über welche Analog zur kirchenrechtlichen Vorschrift
Aktivitäten sie Rechenschaftsberichte hinsichtlich der Einsetzung der Oberen
erhalten sollen; das gilt sowohl für die (Can. 624 §§ 1 und 2) soll das Eigenrecht
institutsinternen Aktivitäten als auch die Amtszeit der Ökonomen begrenzen
für die mit diesem verbundenen Werke und für eine angemessene Rotation
und zivilen Einrichtungen. Schließlich sorgen, indem es schon im Vorfeld ge-
ist sicherzustellen, dass diejenigen, die eignete Weiterbildungsmaßnahmen und
auf institutioneller Ebene für Kontroll- Zeiten der Freistellung vorsieht.
maßnahmen zuständig sind, den zu- Es ist Sache des Eigenrechts, festzule-
ständigen Oberen regelmäßig über den gen, ob der Ökonom auch Ratsmitglied
Erfolg ihrer Tätigkeit informieren.
sein kann. Es ist zweckdienlich, dass der
Damit sie ihre Wirkung entfalten kann, Ökonom an denjenigen Versammlungen
soll die Verwaltungsordnung innerhalb teilnimmt, in denen der Rat des Oberen
des Instituts bekannt sein und regel- über wirtschaftliche Angelegenheiten
mäßig im Rahmen eines idealerweise berät, und, auch wenn er kein Ratsmit-
schon bei ihrer Verabschiedung festge- glied ist und daher kein Stimmrecht hat,
legten Verfahrens überarbeitet werden. dafür sorgt, dass der Obere und sein Rat
über die Informationen verfügen, die
63. Kommissionen
für eine ausgewogene Entscheidung
Für die Möglichkeit, zu spezifischen notwendig sind.
Fragen oder rechtlich-ökonomischen Der Ökonom ist Mitglied ex officio des
Angelegenheiten Kommissionen oder Vermögensverwaltungsrats, von dem in
Arbeitsgruppen einzusetzen, sollen § 61 die Rede ist.
43

5.5 Page 45

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Das Eigenrecht soll die Rechenschafts- Vertreter gesetzten Akte sind diesem
pflicht des Ökonomen (vgl. Can. 636 § zuzurechnen und dieser muss dafür
2 und 1284 § 3) nach Verfahrensweisen haften. Wenn er unerlaubt handelt, ist
festlegen, die der Obere mit seinem Rat der betreffende Akt dem Institut zu-
bestimmt und regelmäßig evaluiert.
zuschreiben, das hierfür haftet, seinen
Empfohlen werden effiziente Formen Vertreter jedoch auf Schadenersatz
der Koordination zwischen dem Gene- verklagen kann (vgl. Can. 1281 § 3 und
ralökonomen, den Provinzökonomen Can. 639).
und den Verantwortlichen der Werke.
Jedes einzelne Mandat des gesetzli-
chen Vertreters ist immer in schriftli-
65. Gesetzlicher Vertreter
cher Form und inhaltlich präzise und
Gegenüber Dritten handelt das Institut vollständig zu erteilen; es ist dafür zu
als juristische Person im Bereich des sorgen, dass es ordentlich zu den Akten
kirchlichen wie des weltlichen Rechts genommen wird.
durch den gesetzlichen Vertreter (vgl. Im Sinne einer angemessenen Unter-
Can. 118).
scheidung der Zuständigkeiten ist es
Dieser setzt Akte im Namen und Auf- vorzuziehen, dass das Amt des gesetz-
trag des betreffenden Instituts, führt lichen Vertreters nicht vom Oberen und
dessen Willen aus, den die rechtmäßi- nicht vom Ökonomen wahrgenommen
gen Oberen und die zuständigen Gremi- wird, sofern die weltliche Gesetzgebung
en nach Maßgabe des allgemeinen und nichts anderes vorsieht.
des Eigenrechts zum Ausdruck gebracht Die Organisationsstrukturen, die das
haben, und geht für das Institut Ver- Institut im Hinblick auf den Zuständig-
bindlichkeiten gegenüber Dritten ein. keitsbereich des gesetzlichen Vertreters
Aus diesem Grund kann der gesetzliche anwendet, sollen vor allem im Fall
Vertreter, wenn dies ratsam erscheint eines Handelns gegenüber den weltli-
und wenn er nicht ohnehin Ratsmit- chen Ordnungen auch extern bekannt
glied ist, an denjenigen Versammlun- sein. Die präzise Benennung derjenigen
gen des Rats des Oberen teilnehmen, in Personen, die ermächtigt sind, Ent-
denen zivilrechtlich relevante Entschei- scheidungen zu treffen und das Institut
dungen getroffen werden.
zu vertreten, ist Voraussetzung für die
Der gesetzliche Vertreter handelt immer Herstellung institutioneller Beziehun-
und ausschließlich in den Grenzen des gen zu Dritten.
Mandats: Er kann die Akte der ordent-
lichen Verwaltung vornehmen; für die 66. Zusammenarbeit mit externen
Akte der außerordentlichen Verwaltung Fachleuten
braucht er die Ermächtigung des zu- Aufgrund der zunehmenden Komplexi-
ständigen Oberen. Handelt er jedoch tät der wirtschaftlich-administrativen
ohne oder gegen sein Mandat oder über Gegebenheiten ist die Zusammenarbeit
dieses hinaus, vertritt er nicht mehr das mit externen Fachleuten oft unumgäng-
Institut.
lich. Bei ihrer Wahl sind Personen zu
Wenn der gesetzliche Vertreter ungül- bevorzugen, die sich der Besonderhei-
tig handelt, trägt das Institut keinerlei ten der Institute bewusst und in dem
44
Verantwortung; die vom gesetzlichen jeweiligen Tätigkeitsbereich erfahren

5.6 Page 46

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sind; dabei sollte vermieden werden, ten Subjekt eine uneingeschränkte
dass unterschiedslos immer wieder ein Handlungsvollmacht im Namen und
und derselbe Experte hinzugezogen Auftrag des Instituts zu verleihen, birgt
wird.
ein erhebliches Risiko unangemes-
Das professionelle Verhältnis soll so sener Verhaltensweisen und steht im
geordnet werden, dass die Ziele der Widerspruch zu den Forderungen der
Tätigkeit und die Vorlage auf der Basis Gemeinschaft.
eindeutiger und befristeter Verträge er-
stellter Kostenvoranschläge im Vorfeld Die administrative und
festgelegt werden.
Es empfiehlt sich, zu evaluieren, ob die
festgelegten Ziele erreicht worden sind;
betriebswirtschaftliche
Güterverwaltung
zu diesem Zweck sollten auch von be- 69. Zivile Rechtspersönlichkeit
sagten Fachleuten regelmäßige Berichte Die Institute geweihten Lebens und
über die ausgeführte Tätigkeit verlangt die Gesellschaften apostolischen Le-
werden.
bens versuchen, wenn möglich, in den
Ländern, in denen sie tätig sind, auch
67. Interne Kontrolle
die weltliche Rechtspersönlichkeit zu
Durch eigenrechtliche Normen sind erwerben.
Formen der internen Kontrolle festzu- Das Vermögen wird außer in Ausnah-
legen, die es den zuständigen Personen mefällen, aus schwerwiegenden Grün-
– und insbesondere dem Oberen mit den und mit Erlaubnis des zuständigen
seinem Rat – ermöglichen, die Tätigkeit Oberen nicht auf physische Personen
des Ökonomen, des gesetzlichen Ver- überschrieben. Der Obere, der die Er-
treters und der beauftragten Fachleute laubnis gewährt hat, hat dafür zu sor-
mithilfe eines ausgewogenen Systems gen, dass das Eigentum baldmöglichst
an vorherigen Ermächtigungen, Re- mit einem nach weltlichem Recht gül-
chenschaftslegungen und anschließen- tigen Akt auf das Institut überschrieben
den Überprüfungen zu überwachen.
wird.
Alle diejenigen, die aufgrund eines Dort, wo das Institut das Vermögen auf
rechtmäßigen Auftrags an der kirch- verschiedene Subjekte überschreiben
lichen Vermögensverwaltung beteiligt muss, die physische Personen sind, hat
sind, sind angehalten, ihre Aufgaben der Obere, der die Erlaubnis gewährt
nach Maßgabe des Rechts im Namen hat, dafür zu sorgen, dass, um Recht-
der Kirche zu erfüllen (vgl. Can. 1282). streitigkeiten zu vermeiden, eine an-
gemessene Dokumentation aufbewahrt
68. Delegationen
wird, die die tatsächlichen Eigentums-
Besondere Achtsamkeit empfiehlt sich verhältnisse belegt.
bei der Delegation von Verwaltungsauf-
gaben. Der Inhalt, die – auch zeitlichen 70. Formen des Erwerbs
– Grenzen und die Ausübungsmodalitä- Die Arbeit der Mitglieder – die in-
ten solcher Delegationen müssen genau nerhalb oder in den vom Eigenrecht
festgelegt sein. Generalvollmachten erlaubten Modalitäten und mit der Er-
sind zu vermeiden: Einem bestimm- laubnis des zuständigen Oberen außer-
45

5.7 Page 47

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halb der eigenen Werke verrichtet wird 71. Gemeinschaft der Güter (vgl. § 10)
(vgl. Can. 671) –, stellt eine ordentliche Das Institut hat Normen festzulegen,
Form des Unterhalts dar.
die eine angemessene interne Ver-
Laut Can. 668 § 3 erwirbt ein Ordens- teilung der Güter in einem Geist der
angehöriger alles, was er durch seine Gemeinschaft und nach dem Vorbild
eigene Fähigkeit und Arbeit oder im der ersten christlichen Gemeinden (vgl.
Hinblick auf das Institut erwirbt, für Apg 4,34–35) gewährleisten. Auf diese
das Institut. Was er aufgrund einer Weise werden – im Dienst der apostoli-
Pension, einer Unterstützung oder einer schen Ziele – nicht nur die materiellen
Versicherung irgendwie erhält, wird für Güter und der Ertrag der Arbeit jedes
das Institut erworben, sofern im Eigen- Einzelnen, sondern auch die Zeit, die
recht nichts anderes festgelegt ist. Falls Begabungen und die persönlichen Fä-
nichts Gegenteiliges feststeht, gelten higkeiten geteilt, um großzügig für die
Gaben, die Oberen oder Verwaltern Bedürfnisse der weniger wohlhabenden
jedweder, auch privaten, kirchlichen Gemeinschaften zu sorgen und damit in
juristischen Person geschenkt werden, der Gegenwartswelt ein prophetisches
als der juristischen Person selbst über- Zeichen der Brüderlichkeit zu setzen.
eignet (vgl. Can. 1267 § 1).
Das Institut hat die Pflicht, den Mit- 72. Stammvermögen (vgl. §§ 38–40)
gliedern das zur Verfügung zu stellen, Das Eigenrecht soll festlegen, ob die
was sie gemäß den Konstitutionen be- Zuweisung der Güter des Instituts zum
nötigen, um das Ziel ihrer Berufung zu Stammvermögen dem Generalkapitel
erreichen (vgl. Can. 670).
oder dem Generaloberen mit Zustim-
Das Eigenrecht legt die Verfahrens- mung seines Rates obliegt. Ebenso soll,
weisen für eine gültige Annahme von was die Güter einer Provinz oder einer
Schenkungen fest; zu beachten sind rechtmäßig errichteten Niederlassung
dabei die Merkmale und die Beschaf- betrifft, das Eigenrecht festlegen, ob die
fenheit des schenkenden Subjekts, die Zuweisung dem Provinzialkapitel oder
Quellen, aus denen diese mutmaßlich anderen, ähnlichen Versammlungen
stammen, sowie eventuelle Rechte Drit- (vgl. Can. 632) oder dem Provinzoberen
ter. Nicht angenommen werden dürfen mit Zustimmung seines Rates obliegt
Schenkungen, die zur Finanzierung von und ob sie der Bestätigung durch den
Initiativen bestimmt sind, die in ihren Generaloberen bedarf.
Zielen oder in den Mitteln, diese zu er- Das Stammvermögen soll sich aus un-
reichen, nicht mit der Lehre der Kirche beweglichen und beweglichen Sachen
übereinstimmen.
zusammensetzen, die den Unterhalt
Auch wenn sie in ihnen ein Geschenk des Instituts, der Provinzen und der
der Vorsehung erkennen, dürfen die rechtmäßig errichteten Niederlassungen
Institute keine Schenkungen mit Be- gewährleisten und die Erfüllung des
lastungen annehmen (vgl. Can. 1300), Sendungsauftrags sicherstellen.
ohne die Zulässigkeit der Belastung, Die Zuweisung der einzelnen Sachen
die Fähigkeit, sie zu bedienen, und das zum Stammvermögen soll einer regel-
eventuelle Vorhandensein von Rechten mäßigen Prüfung unterzogen werden.
46
Dritter sorgsam geprüft zu haben.
Die rechtmäßige Zuweisung ist unab-

5.8 Page 48

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hängig davon, wie die weltliche Ord- beschafft werden; die Feststellung und
nung der jeweiligen Länder das Stamm- Planung der Modalitäten der Rück-
vermögen klassifiziert, eine Erfordernis zahlung eventuell zu diesem Zweck
des Kirchenrechts.
gemachter Anleihen; die sorgfältige
Es müssen Kriterien festgelegt werden, Einschätzung des Verkäufers.
nach denen das Stammvermögen zu
verwalten ist. Ferner ist vorzusehen, 74. Neubauten
dass dieses in der Bilanz des Instituts, Die Planung und Konstruktion von
der Provinz und der rechtmäßig er- Neubauten soll dort, wo es nötig ist, in
richteten Niederlassung sowohl unter Angriff genommen werden; hierbei sind
Vermögens- als auch unter wirtschaft- dieselben Forderungen zu berücksich-
lichen Aspekten eigens ausgewiesen tigen, die soeben für den Erwerb von
wird; in einem geeigneten Abschnitt Immobilien aufgestellt worden sind,
des Begleitberichts müssen die vorge- und muss besondere Sorgfalt auf die
nommenen Veränderungen, die erziel- Phase der Analyse und darauf verwen-
ten Resultate und ihre Bestimmung det werden, präzise Hinweise für die
aufgeschlüsselt und erläutert werden.
Bauplanung zu formulieren.
Was gebaut wird, soll von seiner Cha-
73. Erwerb von Immobilien
rakteristik her nüchtern und funktional
Ob ein Erwerb von Immobilien ratsam sein; bequem zu handhaben; auf bau-
ist, sollen die Institute mit großer Auf- licher Ebene und von der Ausstattung
merksamkeit und unter Berücksichti- her minimal wartungsintensiv; und es
gung sämtlicher Aspekte prüfen, die soll in Zeiten einer schwierigen Verwal-
mit der zu treffenden Entscheidung tungs- und Berufungssituation leicht an
zusammenhängen.
Dritte überlassen oder für andere Zwe-
Der Erwerb ist in Übereinstimmung cke nutzbar gemacht werden können.
mit dem charismatischen Plan aus- Aufmerksame Sorge ist auf die Defini-
schließlich unter solchen Modalitäten tion und spätere Kontrolle adäquater
durchzuführen und zu regeln, die den Verfahrensweisen für die Auftragser-
Bestimmungen des vor Ort geltenden teilung und darauf zu verwenden, dass
weltlichen Rechts und des Steuerrechts Planung und Durchführung den örtli-
entsprechen.
chen rechtlichen Vorgaben entsprechen.
Der Entscheidungsprozess soll Folgen-
des in Betracht ziehen: die Billigung 75. Genehmigungen des Heiligen
eines spezifischen Investitionsplans, Stuhls für die eventuelle Aufnahme
der die wichtigsten Faktoren wie etwa von Krediten
den Erwerbszweck klar benennt; den Für den Erwerb neuer Sachen sowie für
Umfang und die Funktion im Hinblick den Neu- und Umbau von Immobilien
auf das Ziel; die Übereinstimmung mit soll das Eigenrecht die nötigen Be-
technischen und städtebaulichen Stan- dingungen für die Gültigkeit der Akte
dards; die Möglichkeit eines zukünf- festlegen.
tigen Wiederverkaufs; die nötigen fi- Erwerb, Neu- und Umbauten erfordern,
nanziellen Mittel oder die Modalitäten, obwohl es sich um Akte der außerordent-
unter denen diese ganz oder teilweise lichen Verwaltung handelt, unabhängig
47

5.9 Page 49

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vom Betrag gemäß Can. 638 § 3 keine Vertrags nicht zur Verfügung stehen,
Erlaubnis seitens der Kongregation für sind die möglichen Konsequenzen zu
die Institute geweihten Lebens und für bedenken, die sich daraus ergeben.
die Gesellschaften apostolischen Lebens.
Eine Erlaubnis ist dort erforderlich, wo 77. Unentgeltlich zur Verfügung
das Institut geweihten Lebens oder die gestellte Güter
Gesellschaft apostolischen Lebens zur Für die Verträge, in denen ein Ver-
Finanzierung der betreffenden Maß- mögensgegenstand unentgeltlich zur
nahme einen Kredit aufnehmen muss, Verfügung gestellt wird, gilt im Gro-
der den für die jeweilige Region vorge- ßen und Ganzen dasselbe wie für die
sehenen Höchstbetrag überschreitet. Die Vermietung. Zu berücksichtigen sind
Dokumentation, die bei Antragstellung die vom Eigentümer zu tragenden Be-
vorgelegt werden muss, ist dieselbe wie lastungen und Kosten sowie eventuell
die weiter unten in § 88 beschriebene. anfallende Umbauten oder außeror-
dentliche Instandhaltungsmaßnahmen.
76. Vermietung von Immobilien
Im Fall einer Vermietung von Ver- 78. Genehmigungen des Heiligen
mögensgegenständen an Dritte und Stuhls für Vermietungen, Darlehen
allgemein immer dann, wenn Verträge und ähnliche Verträge
geschlossen werden, die den Vermö- Um Miet-, Darlehens-, Pacht-, Nut-
gensgegenstand gegen Entgelt in die zungs- und Wohnverträge sowie
Verfügung Dritter geben, muss der Verträge über die Überlassung durch
Mieter sorgfältig überprüft werden; es Nießbrauch abzuschließen, ist, wenn
ist sicherzustellen, dass die Zwecke, für der Vertragsgegenstand den für die
die die Sache verwendet wird, nicht jeweiligen Regionen festgesetzten
vom Sendungsauftrag des Instituts Höchstbetrag überschreitet und der Ver-
abweichen, dass sie der besonderen trag eine Gültigkeitsdauer von mehr als
Charakteristik der zeitlichen Güter der neun Jahren hat, die Genehmigung der
Kirche nicht widersprechen und dass sie Kongregation für die Institute geweih-
nicht ohne ausdrückliche Genehmigung ten Lebens und für die Gesellschaften
des Eigentümers mit der Zeit verändert apostolischen Lebens erforderlich.
werden können; sicherzustellen ist In dem Antrag, der vom Generaloberen
ferner, dass die Immobile mit ihrer mut- mit Zustimmung seines Rates gestellt
maßlichen Nutzung vereinbar ist.
werden muss, sind die Gründe des Ge-
Das Verhältnis muss korrekt und unter suchs zu erläutern; außerdem muss dem
Beachtung der Formulierungsmodali- Antrag der Vertragsentwurf beiliegen.
täten des Vertrags und seiner Klauseln
eingegangen werden. Diese sollen auch 79. Schätzung des
die Modalitäten und Konditionen be- Immobilienvermögens
rücksichtigen und regeln, unter denen Über die kirchenrechtlichen Vorschrif-
der Vermögensgegenstand nach Ablauf ten zu den Genehmigungen hinaus (vgl.
des Vertrags zurückgegeben werden Can. 638 §§ 3 und 4) sollen die Institute
muss. In Anbetracht der Tatsache, dass geweihten Lebens und die Gesellschaf-
48
die Güter dem Institut für die Dauer des ten apostolischen Lebens ein vertieftes

5.10 Page 50

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Nachdenken über die Modalitäten einer – vorzugsweise von einer Bank oder
Schätzung des Immobilienvermögens Versicherung angemessene Garantien
auf den Weg bringen. Diese Modalitäten eingeholt werden.
sollen mit der Eigenart des kirchlichen Wenn andere mit dem Verkauf beauf-
Vermögens vereinbar sein, vor allem tragt werden, so muss dieser Auftrag
dann, wenn dieses ganz oder teilweise schriftlich erteilt und besonders auf alle
ungenutzt bleibt, um potentiell nicht Klauseln geachtet werden; insbeson-
vertretbare Kosten zu vermeiden.
dere darf nicht versäumt werden, jede
Bedingung der Durchführung sowie die
80. Veräußerung von Immobilien
Höhe der Provision, die dem Makler zu-
Die Veräußerung von Immobilien ist in erkannt werden soll, genau festzulegen.
Übereinstimmung mit dem charismati- Das Erteilen von Exklusivmandaten ist
schen Plan des Instituts vorzunehmen nach Möglichkeit zu vermeiden.
(vgl. § 58). Das Eigenrecht soll das Ver- Abzulehnen sind Angebote, die auf-
fahren für eine nach kirchlichem und grund der Eigenschaften des Bietenden,
weltlichem Recht gültige Durchführung aufgrund der für die Durchführung vor-
eines Verkaufs, eines Tauschs oder einer gesehenen Modalitäten oder aufgrund
Schenkung von unbeweglichen Sachen der mutmaßlichen Zahlungsmittel den
festlegen. Zu bevorzugen ist der Einsatz Werten des Instituts nicht zu entspre-
von Verfahrensweisen, die, wenn mög- chen scheinen.
lich, das Einholen mehrerer Angebote Laut Can. 1298 dürfen kirchliche Ver-
begünstigen.
mögensgegenstände, sofern es sich
Es empfiehlt sich vor allem dort, wo die nicht um Geschäfte von äußerst ge-
Situation des Instituts dies erlaubt, die ringer Bedeutung handelt, ohne eine
Möglichkeit einer Überlassung an an- besondere, vom zuständigen Oberen
dere kirchliche Einrichtungen zu prüfen schriftlich erteilte Erlaubnis nicht an
und dabei auf jeden Fall Veräußerungen die eigenen Verwalter oder an Personen
zu vermeiden, die für das Gemeinwohl verkauft oder vermietet werden, die mit
der Kirche von Nachteil sind.
diesen bis zum vierten Grad blutsver-
Ehe Verhandlungen in die Wege geleitet wandt oder verschwägert sind.
werden, soll bei einer unabhängigen
und kompetenten Quelle der Marktwert 81. Genehmigung des Heiligen Stuhls
der betreffenden Immobilie erfragt und für den Verkauf oder die Schenkung
sorgfältig geprüft werden, ob die Sache von Immobilien
vollumfänglich und frei verfügbar ist, Wenn der Wert des Vermögensgegen-
ob eventuelle Vorzugsrechte bestehen, standes den für die jeweiligen Regionen
ob ihr rechtmäßiger Erwerb ausreichend festgesetzten Höchstbetrag überschreitet,
dokumentiert ist und ob die Sache den ist es laut Can. 638 § 3 notwendig, die
geltenden städtebaulichen Vorschriften Genehmigung der Kongregation für die
entspricht. Zu berücksichtigen sind au- Institute geweihten Lebens und für die
ßerdem die steuerlichen Auswirkungen. Gesellschaften apostolischen Lebens
Bei der Wahl des Vertragspartners soll einzuholen.
dessen Leumund berücksichtigt und Alle den Höchstbetrag überschreitenden
sollen – im Falle einer Ratenzahlung Veräußerungen gemäß Can. 638 § 3
49

6 Pages 51-60

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6.1 Page 51

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unterliegen – unabhängig davon, ob die sollen, werden von der Kongregation
Güter dem Stammvermögen zugewie- für die Institute geweihten Lebens und
sen sind oder nicht – ad validitatem der für die Gesellschaften apostolischen
Genehmigung durch die Kongregation Lebens nicht ohne vorherige Überprü-
für die Institute geweihten Lebens und fung der Ursachen genehmigt, die diese
für die Gesellschaften apostolischen Bedürfnisse generieren.
Lebens.
Wenn die Veräußerungen unabdingbar
Der Antrag auf Genehmigung muss sind, um Schulden zu begleichen, die
vom Generaloberen mit Zustimmung das Institut bei der Durchführung seiner
seines Rates gestellt werden; darin ist apostolischen Werke gemacht hat, muss
der gerechte Grund darzulegen (vgl. bei Antragstellung der ökonomisch-
Can. 1293 § 1); zu bestimmen, wie der finanzielle Sanierungsplan vorgelegt
erzielte Erlös verwendet werden soll werden.
(vgl. Can. 1294 § 2); das Gutachten Die Kongregation für die Institute
eines nach Möglichkeit vereidigten geweihten Lebens und für die Gesell-
Sachverständigen (vgl. Can. 1293 § schaften apostolischen Lebens kann
1,2°) und außerdem für die Institute laut Can. 1293 § 2 verlangen, dass wei-
päpstlichen Rechts die Einschätzung tere Sicherheitsvorkehrungen getroffen
des Ortsbischofs der Diözese, in der die werden, um eventuellen Schaden für
Immobilie liegt, und für die Institute die Kirche zu vermeiden.
diözesanen Rechts und die rechtlich Wenn es um die Veräußerung von
selbständigen Klöster die Zustimmung Immobilien im römischen Stadtgebiet
des Ortsordinarius der Diözese, in der geht, setzt die Kongregation für die Ins-
die Immobilie liegt, beizufügen (vgl. titute geweihten Lebens und für die Ge-
Can. 615).
sellschaften apostolischen Lebens, ehe
Wenn die zu veräußernden Sachen sie die Genehmigung erteilt, das Staats-
teilbar sind, wird, damit die Erlaubnis sekretariat und die Güterverwaltung
gültig ist, im Antrag gegebenenfalls des Apostolischen Stuhls in Kenntnis,
aufgeführt, welche Teile bereits veräu- um zu überprüfen, ob diese eventuell
ßert worden sind (vgl. Can. 1292 § 3). interessiert sind.
Die Erlaubnis ist auch für den Verkauf Für die Genehmigung der Veräußerung
mehrerer Objekte erforderlich, deren von Sachen in Malta gelten die im
Gesamtwert den Höchstbetrag über- Statutum vom 6. Juli 1988 festgelegten
schreitet (vgl. Can. 1292 § 2).
Bestimmungen.
Diese Normen gelten, auch wenn die Unbewegliche Sachen im Nahen Osten
betreffenden Verträge mit anderen fallen in die Zuständigkeit der Kongre-
öffentlichen Rechtspersonen abge- gation für die orientalischen Kirchen.
schlossen worden sind, für den Verkauf
unbeweglicher Sachen, für den Tausch 82. Genehmigung des Heiligen Stuhls
von Vermögensgegenständen und für für Gegenstände von künstleri-
Schenkungen, sofern ihr Wert den schem oder historischem Wert und
Höchstbetrag überschreitet.
Votivgaben
Verkäufe, mit denen unmittelbare fi- Die Veräußerung von künstlerisch oder
50
nanzielle Bedürfnisse gedeckt werden historisch wertvollen Gegenständen

6.2 Page 52

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bedarf auch dann der Erlaubnis, wenn das Vorgehen legal und die Investition
der Betrag die Höchstgrenze nicht über- ethisch vertretbar ist, wobei insbeson-
schreitet. Wo solche Gegenstände einer dere die institutionellen Zielsetzungen
Prüfung unterzogen werden, ist nach des Instituts und die Versorgungsbe-
den betreffenden Vorgaben des weltli- dürfnisse seiner Mitglieder zu berück-
chen Rechts zu verfahren.
sichtigen sind.
Dieselbe Regelung gilt für die Veräuße- Hinsichtlich der technischen Komple-
rungen von der Kirche gestifteten Vo- xität der betreffenden Schritte gelten
tivgaben. Der Verkauf heiliger Reliquien die Hinweise, die weiter oben bereits
ist unter keinen Umständen erlaubt bezüglich der ökonomischen Entschei-
(vgl. Can. 1190 § 1).
dungen und der Auswahl der Fachleute
Sakralgegenstände können, wenn sie formuliert worden sind.
einer öffentlichen kirchlichen Rechts-
person gehören, nur von einer anderen 85. Werke (vgl. § 34 )
öffentlichen kirchlichen Rechtsperson Es wird empfohlen zu prüfen, ob grö-
erworben werden (vgl. Can. 1269).
ßere Werke unbeschadet der allgemein-
und eigenrechtlichen Bestimmungen
83. Veräußerungen ohne die
vom Institut geweihten Lebens oder von
erforderliche Erlaubnis
der Gesellschaft apostolischen Lebens
Laut Can. 1296 muss immer dann, getrennt werden können. Entsprechen-
wenn kirchliche Vermögensgegenstän- de Lösungen müssen auf der Grundlage
de ohne Beachtung der kirchenrecht- der besonderen Umstände gesucht
lichen Vorschriften, aber nach staat- werden und die Treue des Werkes zum
lichem Recht gültig veräußert worden Institutscharisma und die Überein-
sind, der zuständige Obere entscheiden, stimmung mit der für die Beziehungen
ob geeignete Schritte eingeleitet werden zwischen Staat und Kirche geltenden
sollen, um die Rechte der Kirche geltend Ordnung gewährleisten.
zu machen.
Besondere Aufmerksamkeit hat den im
Laut Can. 1377 wird jeder, der kirch- Sinne des Evangeliums bedeutsamen
liche Vermögensgegenstände ohne die Werken zu gelten, die jedoch aufgrund
erforderliche Erlaubnis veräußert, mit des veränderten Kontexts und der ver-
einer gerechten Strafe belegt.
änderten allgemeinen Umstände von
einem strukturellen wirtschaftlichen
84. Finanzielle Investitionen
Ungleichgewicht gekennzeichnet sind.
Bei der Verwendung und Verwaltung Die Institute sollen Lösungen prüfen,
der Gelder, die nicht unmittelbar zur die verhindern, dass die negativen wirt-
Finanzierung der Institutstätigkeit be- schaftlichen Entwicklungen das Ziel
nötigt werden (sog. finanzielle Investi- beeinträchtigen, das der Sendung der
tionen) ist die technische Komplexität Kirche entspricht (vgl. Can. 114 § 1).
der marktwirtschaftlichen Vorgänge Auch in anderen Werken zeigt sich
zu beachten und hat die Auswahl der ein oft systemisches ökonomisches
angebotenen Finanzprodukte umsichtig Ungleichgewicht. Das sie betreibende
und nach angemessenen Kriterien zu Institut soll die Vereinbarkeit mit den
erfolgen. Es muss geprüft werden, ob verfügbaren oder dafür vorgesehenen
51

6.3 Page 53

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Mitteln realistisch einschätzen und ge- Staatsgebiet leitet die Kongregation für
wissenhaft die nötigen Entscheidungen die Institute geweihten Lebens und für
treffen.
die Gesellschaften apostolischen Lebens
Im Falle wirtschaftlicher oder betrieb- das Gesuch an die Päpstliche Kommis-
licher Schwierigkeiten ist es ratsam zu sion für die Aktivitäten juristischer Per-
prüfen, ob Formen der Zusammenarbeit sonen der Kirche im Gesundheitswesen
mit anderen Instituten möglich sind weiter, die sodann gegebenenfalls ihre
oder ob das Werk selbst dergestalt um- Zustimmung erteilt.
gewandelt werden kann, dass es nach
wie vor als Werk der Kirche, aber unter 87. Aufnahme eines Kredits
anderen Modalitäten fortgeführt wird. Das Eigenrecht soll die Modalitäten für
Die Klugheit empfiehlt, Entscheidungen eine gültige vertragliche Regelung von
nicht aufzuschieben, damit sich negati- Darlehen, Verschuldungen, Hypotheken
ve wirtschaftliche Entwicklungen nicht oder Verpfändungen festlegen.
verfestigen oder sogar die Schließung Die zuständigen Oberen sollen gemäß
des Werkes unumgänglich wird.
Can. 639 § 5 davon absehen, die Über-
Wenn die Betreibung übermäßig kom- nahme schuldrechtlicher Verpflich-
plex oder mühsam geworden ist, sind tungen zu genehmigen, solange nicht
Strukturen zu bevorzugen, die es erlau- sicher feststeht, dass der Schuldzins aus
ben, dass das Vermögen und die Kon- den ordentlichen Einkünften bezahlt
trolle des Werkes beim Institut bleibt, und die Gesamtschuld in nicht allzu
während die Geschäftsführung nach langer Zeit durch rechtmäßige Amorti-
Modalitäten, unter denen das Charisma sation getilgt werden kann.
des Instituts angemessen respektiert Ob diese Vorschrift im Wesentlichen
und der Sendungsauftrag adäquat wei- eingehalten werden kann, hängt vor
terverfolgt werden kann, Dritten anver- allem dann, wenn es sich um bedeu-
traut wird.
tende Werke handelt, die in nicht
homogene Rechtskontexte eingebettet
86. Genehmigungen des Heiligen sind, von der Übernahme und Nutzung
Stuhls für die Auflösung von Werken geeigneter Organisationsstrukturen,
Für die Veräußerungen von Werken ist, wirksamer Verfahren und Instrumente
wenn der Wert den für die jeweilige der bilanziellen Erfassung, effektiver
Region festgelegten Höchstbetrag über- Modalitäten der verwalterischen Re-
schreitet, die Erlaubnis der Kongrega- chenschaftslegung und adäquater Auf-
tion für die Institute geweihten Lebens sichtsorgane und Kontrollinstrumente
und Gesellschaften apostolischen Le- ab. Dem Oberen mit seinem Rat obliegt
bens einzuholen.
es zu prüfen, ob der ihm zur Genehmi-
Die Antragstellung erfolgt unter den- gung vorgelegte Antrag auf Aufnahme
selben Modalitäten, wie sie für die Ver- eines Kredites ausreichend durchdacht
äußerung von Immobilien vorgesehen und ob alle nötigen Voraussetzungen
sind (vgl. § 81).
für eine verantwortungsbewusste Ent-
Für die Auflösung oder Neuorgani- scheidung erfüllt sind. Er wird – gege-
sation medizinischer oder sozialme- benenfalls auch mit Blick auf die Höhe
52
dizinischer Werke auf italienischem einer bereits bestehenden Verschul-

6.4 Page 54

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dung – erwägen müssen, ob die für die er selbst und nicht die juristische Person
Tilgung bestimmten voraussichtlichen dafür haften müssen (vgl. Can. 639 § 3).
Einkünfte realistisch prognostiziert
sind.
88. Genehmigung des Heiligen Stuhls
Wenn zur Absicherung der Finanzie- für die Finanzierungen
rung eine Bürgschaft übernommen Wenn der Umfang der finanziellen
werden soll, muss deren Angemessen- Operation den für die jeweiligen Regi-
heit aufmerksam geprüft und müssen onen festgesetzten Höchstbetrag über-
die technischen Modalitäten ihrer schreitet, ist für die Gültigkeit des Akts
Übernahme sowie die möglichen Kon- die Erlaubnis der Kongregation für die
sequenzen in Betracht gezogen werden. Institute geweihten Lebens und für die
Der Prozess der Prüfung wird vor allem Gesellschaften apostolischen Lebens
dann sehr streng sein müssen, wenn für erforderlich.
ein zwar angegliedertes oder beteiligtes, Der Antrag muss vom Generaloberen
im rechtlichen Sinne aber selbständiges gestellt werden, nachdem dieser die
Subjekt gebürgt werden soll.
Zustimmung seines Rates eingeholt hat;
Der Obere mit seinem Rat soll im Hin- er muss die Gründe aufzeigen sowie die
blick auf ihre tatsächliche Tragfähigkeit Gesamtverschuldung des Instituts und
eine regelmäßige Überprüfung der fi- den Tilgungsplan darlegen.
nanziellen Gesamtsituation verlangen Wenn die Finanzierung mit einer Kri-
und dort, wo ihr Volumen, ihre Zusam- sensituation der Werke in Zusammen-
mensetzung oder ihre absehbare Ent- hang steht, erteilt die Kongregation für
wicklung auf eine kritische Situation die Institute geweihten Lebens und für
hindeuten, frühzeitige Vorkehrungen die Gesellschaften apostolischen Le-
erwägen und treffen.
bens die Genehmigung erst, nachdem
Zu berücksichtigen sind, wenn vorhan- man den Ursachen der wirtschaftlichen
den, eventuelle Risiken im Zusammen- Schwierigkeiten auf den Grund gegan-
hang mit möglichen Wertschwankun- gen ist.
gen.
Wenn es um erhebliche Beträge geht
Gemäß Can. 639 § 1 ist eine juristische und keine ordnungsgemäße Bilanz
Person, die sich, auch mit Erlaubnis vorliegt, hätte das Dikasterium auch die
der Oberen, Schulden und Verbindlich- Möglichkeit, ein Finanzierungsverfah-
keiten aufgeladen hat, gehalten, selbst ren nicht zu genehmigen.
dafür zu haften. Wenn ein Ordensan-
gehöriger mit Erlaubnis seines Oberen 89. Verbundene weltliche
eigene Vermögensgegenstände mit Einrichtungen
Schulden und Verbindlichkeiten belas- Die Besonderheit der Beziehungen zwi-
tet hat, muss er persönlich dafür haften; schen Staat und Kirche in den einzelnen
wenn er dagegen im Auftrag des Oberen Ländern und die konkreten organisato-
Institutsgeschäfte abgeschlossen hat, rischen Entscheidungen des jeweiligen
muss das Institut dafür haften (vgl. Can. Instituts bedingen das häufige Vor-
639 § 2). Wenn der Ordensangehörige kommen weltlicher Einrichtungen, die
ohne irgendeine Erlaubnis des Oberen mit der kirchenrechtlichen juristischen
Verbindlichkeiten eingegangen ist, wird Person verbunden sind.
53

6.5 Page 55

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Das Eigenrecht hat festzulegen, unter bende Vermögen an das Institut ge-
welchen Modalitäten mit dem Institut weihten Lebens oder an die Gesellschaft
verbundene weltliche Einrichtungen apostolischen Lebens, an eine andere
geschaffen und mit Vermögen ausge- verbundene weltliche Einrichtung oder
stattet werden sollen.
an ein anderes Institut oder eine andere
Obwohl es sich bei solchen Einrichtun- Gesellschaft mit ähnlicher Charakte-
gen um juristisch selbständige Subjekte ristik übergeht. Auf keinen Fall dürfen
handelt, rechtfertigt ihre Verbindung weltliche Einrichtungen ganz gleich
mit den Instituten eine besondere welcher Form dazu benutzt werden,
Sorgfalt bei ihrer Gründung und Be- die kirchenrechtlichen Kontrollen zu
treibung. Die Tätigkeit solcher Einrich- umgehen.
tungen kann nämlich den guten Ruf
des Instituts gefährden und, sofern die 90. Genehmigung des Heiligen Stuhls
betreffenden weltlichen Gesetze dies so für die Übertragung von Vermögen
vorsehen, dazu führen, dass das Institut auf weltliche Einrichtungen
für Schulden der verbundenen Einrich- Wenn der Wert des Vermögens, das
tung haftet.
auf die weltliche Einrichtung übertra-
Unbeschadet der Einhaltung der kir- gen werden soll, den für die jeweilige
chenrechtlichen Bestimmungen muss Region festgesetzten Höchstbetrag
die Leitung der verbundenen weltlichen überschreitet, ist, auch wenn besagte
Einrichtungen in Übereinstimmung mit Einrichtung mit dem Institut verbunden
dem Charisma der Institute geweihten ist, die Erlaubnis der Kongregation für
Lebens und der Gesellschaften aposto- die Institute geweihten Lebens und für
lischen Lebens ausgeübt werden. Hier die Gesellschaften apostolischen Lebens
gibt es eine große Vielfalt an zielfüh- erforderlich. Bei Antragstellung ist zu
renden Modalitäten, zum Beispiel: dass berücksichtigen, was in § 81 des vor-
man in den Statuten der verbundenen liegenden Dokuments über die Immobi-
weltlichen Einrichtungen Ziele vor- lien und in § 86 über die Werke gesagt
sieht, die denen der Institute geweihten worden ist.
Lebens und der Gesellschaften aposto-
lischen Lebens entsprechen; dass man 91. Die Rechenschaftspflicht
den Leitungsorganen der Institute und (vgl. §§ 41–43)
der Gesellschaften die Befugnis erteilt, Die vom Kirchenrecht vorgesehene all-
die Verantwortlichen der verbundenen gemeine Rechenschaftspflicht (vgl. Can.
weltlichen Einrichtungen zu ernennen 636 §2) begünstigt eine ordentliche
und ihre Akte der außerordentlichen Verwaltung und gewährleistet die Trag-
Verwaltung zu genehmigen; dass man fähigkeit der Institute geweihten Lebens
seitens der Verantwortlichen der ver- und der Gesellschaften apostolischen
bundenen weltlichen Einrichtungen Lebens.
eine Rechenschaftspflicht gegenüber Jede Aufstellung im Bereich der Re-
den Instituten festschreibt; dass man chenschaftslegung und der Bilanzen
in die Statuten besagter Einrichtungen soll sich nach dem Grundsatz der
eine Klausel einfügt, die im Fall ihrer Verhältnismäßigkeit richten. Deshalb
54
Auflösung vorsieht, dass das verblei- wird sie in der Praxis vor allem den

6.6 Page 56

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Empfänger mit seiner besonderen Definition der mittel- und langfristigen
Beschaffenheit, seinen Dimensionen, Ziele (sog. strategische Planung), bei
seiner spezifischen Tätigkeit und dem der Wirtschafts- und Finanzplanung
historischen und sozialen Umfeld seines (sog. Budget) und bei der Überprüfung,
Wirkens berücksichtigen.
die in itinere über das Erreichen der
Daher erfordert die Rechenschafts- gesteckten Ziele Aufschluss geben soll
pflicht zwingend eine Buchführung, (sog. Controlling), auf geeignete Ins-
die den organisatorischen Dimensionen trumente zurückzugreifen, das heißt,
und Eigenschaften der jeweiligen Insti- kompetente Personen und Verfahren
tute angemessen ist und die es auf jeden der Durchführung auszuwählen, die in
Fall erlaubt, mithilfe entsprechender einem angemessenen Verhältnis zu den
Informationssysteme diejenigen Daten Dimensionen und Besonderheiten der
abzurufen, die über die Vermögens-, Tätigkeit stehen.
Wirtschafts- und Finanzsituation der
Gemeinschaften und der Werke Auf- 92. Die Anwendung des weltlichen
schluss geben. In dieser Hinsicht stellt Rechts
der Jahresabschluss das geeignete Die Einhaltung des weltlichen Rechts ist
Instrument dar, um verantwortungsbe- in jedem Fall erforderlich. Besonderes
wusste Entscheidungen zu erarbeiten Augenmerk hat auf der Behandlung der
und so die Transparenz der Verwaltung Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
und gleichzeitig die Glaubwürdigkeit zu liegen, denen gegenüber das weltli-
des Instituts innerhalb des eigenen Be- che Arbeits- und Sozialrecht gemäß den
zugsrahmens zu steigern.
Grundsätzen der kirchlichen Soziallehre
Für Institute, die in mehreren Ländern genauestens zu beachten ist. Die Be-
vertreten sind, empfiehlt sich die An- schäftigten sollen gerecht und anstän-
wendung geeigneter Buchungsmetho- dig entlohnt werden, sodass sie in der
den, um den Vergleich und gegebenen- Lage sind, angemessen für ihre eigenen
falls die Zusammenfassung der Daten Bedürfnisse und die ihrer Angehörigen
zu ermöglichen.
zu sorgen (vgl. Can. 1286).
Für die Werke ist eine gesonderte Buch- Des Weiteren ist auf den Schutz der
führung erforderlich; wenn es sich um Gläubiger, die steuerlichen Belastungen
größere Werke handelt, ist es dringend und Vorsorgeaufwendungen sowie auf
angeraten, die Bilanzen einer Rech- die Verhütung von Straftaten zu achten.
nungsprüfung zu unterziehen. Bei Wer-
ken von besonderer sozialer Bedeutung 93. Archiv (vgl. § 44)
kann die Erstellung einer Sozialbilanz Gemäß Can. 1283 und 1284 muss in
dazu beitragen, dass die Ergebnisse der jedem Institut zwecks einer effizient
eigenen Tätigkeit stärker ins Bewusst- organisierten Verwaltung und Buchhal-
sein rücken und sich die Transparenz tung ein wirtschaftlich-administratives
der institutionellen Beziehungen und Archiv vorhanden sein. Für die Anfer-
der Mittelbeschaffung erhöht.
tigung und regelmäßige Aktualisierung
Hinsichtlich der Werke ist es auch im der Bestandsverzeichnisse der anver-
Sinne einer effizienten Verwendung trauten Güter und Werte sowie eine
der verfügbaren Mittel ratsam, bei der akkurate Ablage und Aufbewahrung
55

6.7 Page 57

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der Buchführungsunterlagen und der Diözesanpastoral oder in dieser zuge-
Risikogarantieverträge ist gewissenhaft hörigen Ämtern und Häusern tätig;
Sorge zu tragen.
diese weibliche Dienstamtlichkeit, deren
Professionalität allgemein anerkannt
Die Beziehungen in der
ist, besitzt eine eigene Erfahrung und
Kirche
Kompetenz. Es obliegt den höheren
Oberinnen, gemäß den Verfügungen
94. Beziehungen zur Ortskirche
von Can. 681 § 2 mit den betreffenden
(vgl. §§ 28–30)
Ortskirchen Verträge zu schließen und
Die höheren Oberen sollen die Orts- alles, was den Dienst der Gottgeweihten
kirche an den Plänen des Instituts wie und die wirtschaftlichen Aspekte be-
auch an den Mühen der Verwaltung trifft, genau zu definieren.
teilhaben lassen. In diesem Sinne ist vor
der Schließung einer Gemeinschaft oder 95. Zusammenarbeit der Institute
eines Werkes – die der vorherigen Hin- (vgl. §§ 31–33)
zuziehung des Diözesanbischofs bedarf Um zu einer Zusammenarbeit zwischen
(vgl. Can. 612 und 678 § 3) – die Mög- den Instituten zu ermutigen, sollen vor
lichkeit konkreter alternativer Lösungen allem dann, wenn auf der Ebene des
zu prüfen.
Charismas und der Werke eine Affinität
Die Institute päpstlichen Rechts haben, besteht, regelmäßige Versammlun-
ehe sie bei der Kongregation für die gen der Generalökonomen angeregt
Institute geweihten Lebens und für die werden: Es gilt, gemeinsame Zeiten
Gesellschaften apostolischen Lebens der Weiterbildung und des Studiums
die Genehmigung für die Veräußerung mit Dozenten und Fachleuten aus den
von Immobilien und die Auflösung von Tätigkeitsbereichen der Institute zu
Werken beantragen, die schriftliche fördern; Formen der Kooperation bei
Meinung des Ortsordinarius der Diözese der Organisation und Durchführung
einzuholen, in der die Immobilie liegt. der nötigen Verwaltungs- und Buchhal-
Gemäß Can. 638 § 4 haben die Institute tungsarbeiten zu realisieren; konkrete
diözesanen Rechts und die rechtlich Formen verantwortlicher Solidarität zu
selbständigen Klöster (vgl. Can. 615) entwickeln, die sich etwa darin ausdrü-
für dieselben Geschäfte die schriftliche cken können, dass man Fonds zuguns-
Zustimmung des Ortsordinarius einzu- ten von Instituten einrichtet, die sich in
holen.
größeren Schwierigkeiten befinden.
Die rechtlich selbständigen Klöster, Die Konferenzen der höheren Oberen
auf die sich Can. 615 bezieht, sollen sollen nicht nur die Zusammenarbeit
dem Ortsordinarius einmal jährlich und den Dialog fördern, sondern au-
Rechenschaft über ihre Verwaltung ßerdem die jeweils aktuellen soziopoli-
geben. Letzterer hat das Recht, in die tischen und legislativen Veränderungen
wirtschaftlichen Verhältnisse einer Or- verstehen helfen und so dazu beitragen,
densniederlassung diözesanen Rechts dass die einzelne Institute wirksamere
Einsicht zu nehmen (vgl. Can. 637).
Entscheidungen treffen. Dort, wo dies
Zahlreiche Frauen des geweihten Le- möglich ist, sind Kommissionen aus
56
bens sind auch auf Vollzeitbasis in der Männern und Frauen des geweihten

6.8 Page 58

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Lebens und weltlichen Fachleuten für maßnahmen und den Unterhalt der Ins-
Wirtschaftsfragen vorzusehen, an die titutsmitglieder betreffen oder Teil einer
die Institute sich wenden können, um strategischen Entscheidung im Hinblick
Erfahrungen auszutauschen und – vor auf den Erhalt oder die Auflösung der
allem wenn die Dimensionen und die Werke oder eines Insolvenzverfahrens
Mittel eher bescheiden sind – um Rat, sind, das die Beziehungen zu den Gläu-
Unterstützung, bewährte Verfahrens- bigern regelt.
hinweise und Begleitung bitten können. Die Forderung, eine Erlaubnis einzuho-
len, soll ein Anlass zum offenen Dialog
96. Beziehungen zur Kongregation für sein, der unbeschadet der gebührenden
die Institute geweihten Lebens und Autonomie der Institute den Respekt
für die Gesellschaften apostolischen vor der Kirchlichkeit der Güter und der
Lebens
für die Kirche typischen gemeinschaft-
Die vorgeschlagenen Zeiten der Vertie- lichen Dynamik wahrt.
fung, die Treffen im Dikasterium und Wenn erhebliche wirtschaftliche Prob-
der regelmäßige Überblick über Stand leme bestehen, kann dieses Dikasterium
und Leben der Institute geweihten Le- durch apostolische Visitatoren und
bens und der Gesellschaften apostoli- päpstliche Kommissare direkt in das
schen Lebens (vgl. Can. 592 § 1) sind Leben der Institute und Gesellschaften
wirksame Mittel, einander kennenzu- eingreifen. Diese Fälle sind als Zeichen
lernen und so die notwendige Gemein- der Fürsorge des Heiligen Stuhls aufzu-
schaft der Institute geweihten Lebens fassen, dem die Aufgabe anvertraut ist,
und der Gesellschaften apostolischen sich der Institute anzunehmen, sie zu
Lebens mit dem Heiligen Stuhl zu ge- fördern und über sie zu wachen.
währleisten.
Im periodischen Bericht ist besonders 97. Ausbildung im wirtschaftlichen
auf die von dieser Kongregation ge- Bereich (vgl. §§ 18–19)
forderten Hinweise10 bezüglich der Es ist besondere Aufgabe der Oberen,
wirtschaftlichen Situation der Institute sowohl unter dem weitergefassten
geweihten Lebens und der Gesellschaf- Blickwinkel der kirchlichen Soziallehre
ten apostolischen Lebens und bezüglich als auch unter besonderer Fokussierung
ihrer voraussichtlichen Entwicklung zu auf wirtschaftlich-administrative Pro-
achten, damit diese auch im Hinblick blemfelder Weiterbildungen im wirt-
auf diplomatische Gespräche mit den schaftlichen Bereich zu initiieren oder
Staaten über die notwendige Informati- zu intensivieren.
onsgrundlage verfügt.
Von besonderer Bedeutung für die
Eine reiflichere Erwägung der Vor- Ausbildung im wirtschaftlichen Bereich
schriften bezüglich der Erlaubnisse sind die Haushaltspläne; diese sollen
(vgl. Can. 638 § 3) wäre vor allem bei nicht ausschließlich unter ihren unver-
Veräußerungen oder anderen Akten, die meidlichen technischen Aspekten, son-
sich negativ auf die Vermögenssitua- dern als eine Chance betrachtet werden,
tion des Instituts auswirken könnten, in der Gemeinschaft, in der Mitverant-
und insbesondere dann wünschenswert, wortung und in der Fähigkeit zu wach-
wenn die Akte die nötigen Vorsorge- sen, das Leben und die Entwicklung der
57

6.9 Page 59

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Werke in Übereinstimmung sowohl mit
der Sendung als auch mit dem charis-
matischen Plan des gesamten Instituts
und/oder der Provinz zu planen.
Unbeschadet der gebührenden Autono-
mie der Institute müssen – vor allem in
verwalterisch komplexen Situationen
– gemeinsam mit katholischen Uni-
versitäten oder anderen spezialisierten
Einrichtungen, die nicht nur fachlich
kompetent sind, sondern zudem um
die Besonderheit des geweihten Lebens
wissen, geeignete Formen einer bestän-
digen Weiterbildung angestrebt werden.
Aufmerksame Sorge ist auf die Ausbil-
dung der Ökonomen und der anderen
Institutsmitglieder zu verwenden, die in
wirtschaftlichen Dingen Verantwortung
tragen.
Die Oberen sollen sich die nötigen Vor-
aussetzungen aneignen, um sich zu den
Themen, die ihnen vorgelegt werden,
ein Urteil zu bilden.
Auch die Ausbildung der Laien, die mit
den Instituten zusammenarbeiten sol-
len, darf nicht vernachlässigt, sondern
es muss sichergestellt werden, dass ihr
Beitrag dem Charisma entspricht und
sich ganz in den Dienst der Sendung
stellt. Neben Angeboten, die auf Erhalt
und Vervollkommnung der nötigen be-
ruflichen Kompetenz ausgerichtet sind,
soll auch die Möglichkeit bestehen, dass
die an den Werken des Instituts betei-
ligten Laien eine gezielte, organische
und permanente ganzheitliche Bildung
erhalten.
des Apostolischen Lebens (25. November
2016).
2 FRANZISKUS, Ansprache bei der Gebetsvi-
gil zur Vorbereitung auf die Bischofssynode
über die Familie (4. Oktober 2014).
3 FRANZISKUS, Botschaft an die Teilnehmer
am zweiten int. Symposium zum Thema
der ökonomischen Verwaltung, organisiert
von der Kongregation für die Institute des
geweihten Lebens und der Gesellschaften
des Apostolischen Lebens (25. November
2016).
4 Vgl. ebd.
5 Ebd.
6 Ebd.
7 Vgl. PÄPSTLICHER RAT FÜR DIE GESET-
ZESTEXTE, La funzione dell’autorità
ecclesiastica sui beni ecclesiastici (12.
Februar 2004), in: Communicationes 36
(2004), 24–32.
8 JOHANNES PAUL II., Ap. Konst. Pastor
Bonus (28. Juni 1988), 108 § 1.
9 Vgl. PÄPSTLICHER RAT FÜR DIE GESET-
ZESTEXTE, La funzione dell’autorità
ecclesiastica sui beni ecclesiastici (12.
Februar 2004), in: Communicationes 36
(2004), 24–32.
10 KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE
GEWEIHTEN LEBENS UND FÜR DIE
GESELLSCHAFTEN APOSTOLISCHEN
LEBENS, Leitlinien zur Abfassung des
periodischen Berichts über Stand und
Leben der Institute des geweihten Lebens
und der Gesellschaften apostolischen
Lebens (vgl. CIC can. 592 §1) Anlage zum
Prot. n. SpR 640/2008.
1 FRANZISKUS, Botschaft an die Teilnehmer
am zweiten int. Symposium zum Thema
der ökonomischen Verwaltung, organisiert
von der Kongregation für die Institute des
geweihten Lebens und der Gesellschaften
58

6.10 Page 60

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Schluss
98. Die Personen des geweihten Lebens zugleich frei und gehorsam, eifrig und
sind berufen, gute Verwalter der viel- beharrlich, sanftmütig und stark in der
fältigen Gnade Gottes (1 Petr 4,10) und Festigkeit ihres Glaubens sind.“
treue und kluge Verwalter zu sein (Lk Die Männer und Frauen des geweihten
12,42), und sie haben die Aufgabe, für Lebens sind dadurch, dass sie den evan-
das, was ihnen anvertraut worden ist, gelischen Rat der Armut annehmen,
gewissenhaft zu sorgen.
lebendige Erinnerung an Christus, der
Wir sind „Empfänger von Talenten […], für die Armen arm gewesen ist. Wäh-
die Gott ‚jedem nach seinen Fähigkeiten’ rend sie mit ihrem Leben Zeugnis dafür
zukommen lässt (Mt 25,15). Zunächst ablegen, dass sie die kostbare Perle ge-
einmal sehen wir: wir haben Talente, in funden haben (Mt 13,45–46), entschei-
den Augen Gottes sind wir ‚talentiert’. den sie sich, das Schicksal der Armen
Deswegen kann niemand sich für unnütz zu teilen, weil „die evangelische Armut
halten, niemand kann von sich sagen, […] ein Wert an sich [ist], ruft doch die
er sei so arm, dass er nicht irgendetwas erste Seligpreisung zur Nachahmung
den anderen geben könnte. Wir sind von des armen Christus auf.“
Gott erwählt und gesegnet. Er möchte
uns mit seinen Gaben überhäufen, mehr 99. Die Armen drängen uns zu kon-
noch als ein Papa oder eine Mamma dies kreten Entscheidungen und dazu, auch
für ihre Kinder tun möchten. Und Gott, in den äußeren Anzeichen ein kon-
der kein Kind aus den Augen verliert, sequent einfaches und bescheidenes
vertraut einem jeden einen Auftrag an.“ Leben zu führen. Dazu berufen, dem
Der Primat gebührt dem Geschenk der armen Christus nachzufolgen, werden
Berufung, „lebendige Erinnerung an die wir neue Formen suchen müssen, um
Lebens- und Handlungsweise Jesu als die Freude des Evangeliums durch ein
fleischgewordenes Wort gegenüber dem klareres Zeugnis persönlicher wie ge-
Vater und gegenüber den Brüdern und meinschaftlicher Armut auszudrücken.
Schwestern“ zu sein.
Noch heute vermehrt der Herr für uns
Die Welt braucht immer Menschen, die die fünf Brote und die zwei Fische (Joh
die Gnade Gottes zur Ganzhingabe be- 6,9) und geht dabei von den Gaben aus,
fähigt, „Männer und Frauen […], die ein die so viele Brüder und Schwestern in
Leben in Armut mit seinen unbekann- unsere Hände legen, um den Hunger der
ten Lebensumständen wagen können, Notleidenden zu stillen. Die Vorsehung
denen Schlichtheit und Demut etwas zu leben heißt, das annehmen zu kön-
bedeuten, die den Frieden lieben und nen, was Gott für unser Leben schickt,
sich auf keine Kompromisse einlassen, und die Hände zu öffnen, um es den
die sich um volle Selbstverleugnung Armen zurückzugeben.
und Loslösung von den irdischen Din- Die Güter und die Werke sind uns als
gen bemühen, Männer und Frauen, die Geschenk der göttlichen Vorsehung an-
59

7 Pages 61-70

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7.1 Page 61

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vertraut, damit wir unseren Sendungs- der es erlaubt, den korrekten Umgang
auftrag erfüllen. Ihre korrekte Verwal- mit den materiellen Dingen einzuschät-
tung, für die der vorliegende Text einige zen und auch in selbstloser und nicht
Hinweise liefert, erlaubt es uns, nach besitzergreifender Weise die eigenen
dem evangelischen Rat der Armut zu Beziehungen und Willensantriebe zu
leben und den Charismen treu zu sein, leben“.
die den Gründern und Gründerinnen
im Dienst der Sendung der Kirche ge-
schenkt worden sind.
Genehmigt vom Heiligen Vater
Das Lehramt von Papst Franziskus be- in der Audienz vom 12. Dezember 2017
tont in seinen Ansprachen häufig, dass
man weniger von der Armut und mehr
von den Armen sprechen sollte. Dann Vatikanstadt, den 6. Januar 2018
sind die Armen das Prinzip, das alle Fest der Erscheinung des Herrn
und jeden einschließt und die Wege der
Sendung kennzeichnet; in der Span- João Braz Kard. de Aviz
nung auf das Himmelreich hin verwirk- Präfekt
licht die Kirche sich selbst und wird in
ihr das geweihte Leben fruchtbar.
„Vergessen wir nicht, dass für die Jün- + José Rodríguez Carballo OFM
ger Christi die Armut vor allem in der Erzbischof Sekretär
Berufung besteht, dem armen Christus
nachzufolgen. Sie ist der Weg, auf dem
wir ihm nachfolgen und auf dem wir
mit ihm unterwegs sind, ein Weg, der
zur Seligkeit des Himmelreiches führt
(vgl. Mt 5,3; Lk 6,20). Wahre Armut
bedeutet, ein demütiges Herz zu haben,
das als Geschöpf um die eigene Be-
grenztheit und Sündhaftigkeit weiß und
darum der Versuchung von Allmachts-
vorstellungen, die Unsterblichkeit vor-
täuscht, widerstehen kann. Die Armut
ist eine Herzenshaltung, die verhindert,
dass wir Geld, Karriere und Luxus als
1 FRANZISKUS, Homilie in der heiligen
Messe zum Welttag der Armen (19.
November 2017).
2 JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Ap.
Schr. Vita consecrata (25. März 1996), 22.
3 PAUL VI., Ap. Schr. Evangelica testificatio
(29. Juni 1971), 31.
4 JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Ap.
Schr. Vita consecrata (25. März 1996), 90.
5 FRANZISKUS, Botschaft zum 1. Welttag
der Armen 2017 (13. Juni 2017), 4.
Lebensziel und Grundvoraussetzungen
des Glücks betrachten. Es ist vielmehr
die Armut, die die Voraussetzungen
schafft, um trotz unserer Grenzen im
Vertrauen auf die Nähe Gottes und
getragen von seiner Gnade in Freiheit
die persönliche und gesellschaftliche
Verantwortung wahrzunehmen. Die so
60
verstandene Armut wird zum Maßstab,

7.2 Page 62

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