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KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE DES GEWEIHTEN LEBENS
UND DIE GESELLSCHAFTEN DES APOSTOLISCHEN LEBENS
NEUBEGINN IN CHRISTUS
EIN NEUER AUFBRUCH DES GEWEIHTEN LEBENS
IM DRITTEN JAHRTAUSEND
Instruktion
INHALT
Einleitung
Im Blick auf das leuchtende Antlitz Christi
In den Spuren Christi
Fünf Jahre nach dem Apostolischen Schreiben Vita
Consecrata
Von der Hoffnung ausgehen
Erster Teil
Das geweihte Leben Präsenz der Liebe Christi inmitten der
Menschheit
Ein Weg in der Zeit
Für die Heiligkeit des ganzen Gottesvolkes
In Sendung für das Reich
Fügsam dem Geist
Zweiter Teil
Mut zur Annahme der Prüfungen und Herausforderungen
Den Sinn und die Qualität des geweihten Lebens
wiederfinden
Die Aufgabe der Obern und Oberinnen
Die ständige Weiterbildung
Die Weckung von Berufungen
Die Ausbildungswege
Einige besondere Herausforderungen
Dritter Teil
Das geistliche Leben an erster Stelle
Von Christus ausgehen
Die »Gesichter« Christi betrachten
Das Wort Gottes
Gebet und Kontemplation
Die Eucharistie als der bevorzugte Ort der Begegnung mit

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dem Herrn
Das Antlitz Christi in der Prüfung
Die Spiritualität der communio
Communio zwischen den alten und neuen Charismen
Communio mit den Laien
Communio mit den Hirten
Vierter Teil
Zeugen der Liebe
Christus erkennen und ihm dienen
In der Phantasie der Liebe
Das Evangelium verkünden
Dem Leben dienen
Die Wahrheit verbreiten
Die Öffnung für die großen Dialoge
Die heutigen Herausforderungen
Vorwärts und nach oben gewandt
EINLEITUNG
Im Blick auf das leuchtende Antlitz Christi
1. Im Blick auf das gekreuzigte und leuchtende Antlitz1 und im Zeugnis
seiner Liebe vor der Welt folgen die geweihten Personen am Beginn des
dritten Jahrtausends freudig der eindringlichen Einladung des hl. Vaters
Johannes Paul II., hinauszufahren: »Fahrt hinaus auf den See!« (Lk 5, 4).
Diese Worte, die in der ganzen Kirche widerhallten, haben neue, große
Hoffnung geweckt; sie haben den Wunsch nach einem intensiveren
evangelischen Leben geweckt und Horizonte des Dialogs und der Sendung
aufgetan.
Mehr als je zuvor erscheint die Aufforderung Jesu, hinauszufahren, als
eine Antwort auf das Drama der Menschheit, die ein Opfer von Haß und
Tod geworden ist. Der Heilige Geist wirkt immer in der Geschichte und
kann aus den menschlichen Dramen ein Verständnis der Ereignisse
wachsen lassen, das sich dem Geheimnis des Erbarmens und des Frieden
unter den Menschen öffnet. Denn aus den Wirren der Nationen erweckt
der Geist in vielen die Sehnsucht nach einer anderen Welt, die bereits
schon jetzt mitten unter uns ist. Johannes Paul II. versichert dies den
Jugendlichen, wenn er sie auffordert, »Wächter des Morgens« zu sein, die
wachsam und unverzagt den Morgen erwarten.2
Das dramatische Weltgeschehen der vergangenen Jahre habt den Völkern
gewiß neue und schwerwiegende Fragen auferlegt, zusätzlich zu denen,
die ohnehin schon vorhanden waren und in Verbindung mit der Ordnung
einer globalisierten Gesellschaft entstanden sind, die ambivalent ist in
einer Wirklichkeit, in der »nicht nur Technologie und Wirtschaft

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globalisiert sind, sondern auch Unsicherheit und Angst, Kriminalität und
Gewalt, Unrecht und Krieg«.3
In dieser Situation sind die geweihten Personen vom Geist zu einer
ständigen Umkehr gerufen, um der prophetischen Dimension ihrer
Berufung neue Kraft zu geben. Durch ihre Berufung, »ihr eigenes Sein in
den Dienst des Gottesreichs zu stellen, indem sie alles verlassen und die
Lebensweise Christ in größerer Nähe nachahmen, übernehmen sie eine
wichtige pädagogische Rolle für das gesamte Volk Gottes«.4
Der Heilige Vater macht sich in seiner Botschaft an die Mitglieder der
letzten Plenaria unserer Kongregation zum Sprecher dieser Erwartung. Er
schreibt: »Die Kirche rechnet mit der ständige Hingabe dieser
ausgewählten Schar ihrer Söhne und Töchter, mit ihrem Wunsch nach
Heiligkeit und mit der Begeisterung ihres Dienstes, um das Streben jedes
Christen nach Vollkommenheit zu fördern und zu unterstützen und die
solidarische Annahme des Nächsten, besonders des Bedürftigen, zu
stärken. So wird die lebendigmachende Gegenwart der Liebe Christi unter
den Menschen bezeugt«.5
In den Spuren Christi
2. Doch wie soll man im Spiegel der Geschichte und in jenem der
Gegenwart die Spuren und Zeichen des Geistes und die Samen des Wortes
deuten, die heute wie zu allen Zeiten im Leben und in der Kultur der
Menschen vorhanden sind?6 Wie sind die Zeichen der Zeit in
Verhältnissen wie den unsrigen zu deuten, die voller Schatten und
Geheimnisse sind? Der Herr selbst muß unser Weggefährte werden — wie
mit den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus — und uns seinen
Geist schenken. Er allein, der mitten unter uns ist, kann uns sein Wort
vollkommen verstehen und in die Tat umsetzen lassen; er vermag die
Geister zu erleuchten und die Herzen zu erwärmen.
»Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis ans Ende der Welt« (Mt 28, 20). Der
auferstandene Herr ist seinem Versprechen treu geblieben. Durch die 2000
Jahre Kirchengeschichte war er in ihr durch die Kraft seines Geistes
ständig präsent; er hat ihren Weg erleuchtet, hat ihr Gnade geschenkt, hat
ihr die Kraft eingeflößt, immer intensiver sein Wort zu leben und die
Heilssendung als ein Sakrament der Einheit der Menschen mit Gott und
untereinander zu erfüllen.7
Im ständigen Wechsel und Wachsen von immer neuen Formen ist das
geweihte Leben schon in sich selbst ein klarer Ausdruck seiner Gegenwart,
ist so etwas wie ein Evangelium, das sich durch die Jahrhunderte entfaltet.
Das geweihte Leben erscheint tatsächlich als die »Verlängerung einer
besonderen Gegenwart des auferstandenen Herrn in die Geschichte
hinein«.8 Aus dieser Gewißheit müssen die geweihten Personen einen
neuen Aufschwung nehmen und sie zur treibenden Kraft ihres
Lebensweges machen.9

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Die heutige Gesellschaft will in ihnen das konkrete Abbild des Handelns
Jesu sehen, seiner Liebe zu jeder Person, ungeachtet ihrer Unterschiede
und Eigenschaften. Sie will die Erfahrung machen, daß es möglich ist, mit
dem Apostel Paulus zu sagen »Soweit ich aber jetzt noch in dieser Welt
lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich
für mich hingegeben hat« (Gal 2, 20).
Fünf Jahre nach dem Apostolischen Schreiben Vita consecrata
3. Um eine Hilfe zu einer immer sichereren Entscheidungsfindung für
diese besondere Berufung zu geben und in der heutigen Zeit das mutige
Zeugnis für das Evangelium zu stärken, hat die Kongregation für die
Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen
Lebens vom 25.-28. September 2001 ihre Plenaria gehalten.
Die IX. Ordentliche Bischofsynode hat im Jahre 1994 bei der Behandlung
»der Besonderheiten, welche die von Christus für seine Kirche gewollten
Lebensstände auszeichnen«,10 und nach den Synoden, die sich mit den
Laien und mit den Priestern befaßten, das Thema Das geweihte Leben und
seine Sendung in der Kirche und in der Welt behandelt. Der hl. Vater
Johannes Paul II. hat die Überlegungen und Hoffnungen der Synode
aufgegriffen und der gesamten Kirche das Nachsynodale Apostolische
Schreiben Vita consecrata zum Geschenk gemacht.
Fünf Jahre nach dem Erscheinen dieses Grundsatzdokuments des
kirchlichen Lehramts hat unser Dikasterium in seiner Plenaria nach der
Wirksamkeit gefragt, mit der das Dokument in den Gemeinschaften, den
Instituten und in den Teilkirchen aufgenommen und umgesetzt worden ist.
Das Apostolische Schreiben Vita consecrata hat in Klarheit und Tiefe die
christologische und ekklesiologische Dimension des geweihten Lebens in
einer trinitarischen Perspektive dargestellt, die die Theologie der
Nachfolge und der Weihe, der Geschwisterlichkeit in Gemeinschaft und
der Sendung mit neuem Licht erhellte; es hat zur Schaffung eines neuen
Bewußtseins von dessen Sendung im Volk Gottes beigetragen; es hat den
geweihten Personen selbst geholfen, sich der Gnade ihrer Berufung
bewußter zu werden.
Dieses programmatische Dokument ist weiter zu vertiefen und
umzusetzen. Es bleibt der bedeutendste und unverzichtbare Bezugspunkt
für den Weg der Treue und der Erneuerung der Institute des geweihten
Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens, und bleibt
gleichzeitig offen, ernsthafte Perspektiven für neue Formen des geweihten
Lebens und des evangelischen Lebens zu erwecken.
Von der Hoffnung ausgehen
4. Das Große Jubiläum des Jahres 2000 hat das Leben der Kirche tief

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geprägt. Überall auf der Welt war das geweihte Leben zutiefst in das
Jubiläum einbezogen. Am 2. Februar 2000 wurde, nach angemessener
Vorbereitung, in allen Teilkirchen das Jubiläum des geweihten Lebens
gefeiert.
Um gemeinsam die Schwelle des neuen Jahrtausends zu überschreiten,
wollte der hl. Vater am Ende des Jubiläumsjahres das Vermächtnis der
Jubiläumsfeiern im Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte
zusammenfassen. In diesem Text finden sich in außerordentlicher, doch
keinesfalls überraschender Kontinuität einige Grundthemen, die bereits im
Schreiben Vita consecrata gewissermaßen vorweggenommen wurden:
Christus, das Zentrum des Lebens eines jeden Christen,11 die Pastoral und
die Pädagogik der Heiligkeit, ihr anspruchsvoller Charakter, ihr höchster
Maßstab im christlichen Alltag,12 das allgemeine Bedürfnis nach
Spiritualität und Gebet, das sich besonders in der Kontemplation und im
Hören des Gotteswortes ereignet,13 die durch nichts zu ersetzende
Wirkkraft des sakramentalen Lebens,14 die Spiritualität der
Gemeinschaft15 sowie das Zeugnis der Liebe, das in einer neuen
Phantasie der caritas gegenüber den Leidenden und gegenüber der
verwundeten und dem Haß ausgelieferten Welt im ökumenischen und
interreligiösen Dialog16 zum Ausdruck kommt.
Die Väter der Plenaria, die von den bereits im Apostolischen Schreiben
enthaltenen und angesichts der Notwendigkeit eines neuen Bemühens um
Heiligkeit durch die Erfahrung des Jubiläums bekräftigten Elementen
ausgingen, stellten jene Fragen und Hoffnungen fest, welche die
Menschen in den verschiedenen Erdteilen bewegen, und haben deren
wichtigste Aspekte aufgegriffen. Es war nicht ihre Absicht, ein neues
doktrinäres Dokument zu verfassen, sondern eher dem geweihten Leben
dabei zu helfen, sich auf die großen pastoralen Richtungsweisungen
einzulassen, die der hl. Vater mit dem Gewicht seiner Autorität und seines
charismatischen Dienstes an der Einheit und an der universalen Sendung
der Kirche gegeben hat; ein Geschenk, das durch Treue zur Nachfolge
Christi gemäß den evangelischen Räten und durch die Kraft einer Liebe
beantwortet wird, die Tag für Tag in geschwisterlicher Gemeinschaft und
in einer hochherzigen apostolischen Spiritualität gelebt wird.
Die besonderen Versammlungen nationalen Charakters der Bischofsynode,
die das Jubiläum vorbereitet haben, behandelten bereits die kirchliche und
kulturelle Einordnung der Wünsche und der Herausforderungen des
geweihten Lebens. Die Väter der Plenaria wollten keine Analyse der
Verhältnisse wiederholen. Im Blick auf die heutige Situation des
geweihten Lebens und gleichzeitig auch auf die Orientierungen des hl.
Vaters laden sie ganz einfach die geweihten Männer und Frauen in jedem
Lebens- und Kulturbereich ein, sich vor allem um Spiritualität zu
bemühen. Ihre Überlegungen in diesem Dokument gliedern sich in vier
Teile. Nach Anerkennung des Reichtums der Erfahrung, die das geweihte
Leben derzeit in der Kirche macht, wollte die Plenaria ihre Dankbarkeit
und ihre volle Anerkennung für das, was es ist und was es tut zum
Ausdruck bringen (Teil I). Dabei bleiben auch die Schwierigkeiten,
Prüfungen und Herausforderungen, denen die Geweihten ausgesetzt sind,

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nicht verborgen, doch wurden diese gesehen als eine neue Gelegenheit, die
Bedeutung und die Qualität des geweihten Lebens wieder tiefer zu
entdecken (Teil II). Der wichtigste Appell ist jener zu einem erneuerten
Aufbruch im geistlichen Leben, ausgehend von Christus in seiner
evangeliumsgemäßen Nachfolge und in einem Leben, das auf besondere
Weise die Spiritualität der Gemeinschaft verwirklicht (Teil III).
Schließlich wolltet die Plenaria die geweihten Personen auf den Straßen
der Welt begleiten, wo Christus unterwegs und heute gegenwärtig ist, wo
die Kirche ihn als den Heiland der Welt verkündet und wo die innere
Verbundenheit durch den trinitarischen Herzschlag der Liebe zu einer
erneuerten Sendung ausgeweitet wird (Teil IV).
Erster Teil
DAS GEWEIHTE LEBEN
PRÄSENZ DER LIEBE CHRISTI
INMITTEN DER MENSCHHEIT
5. Im Blick auf die Präsenz und auf die vielfältigen Bemühungen der
geweihten Männer und Frauen in allen Bereichen des kirchlichen und
sozialen Lebens wollten die Väter der Plenaria ihre aufrichtige
Wertschätzung, Anerkennung und Solidarität zum Ausdruck bringen. Es ist
dies das Empfinden der ganzen Kirche, das der Papst folgendermaßen
ausdrückt, wenn er sich an den Vater, den Ursprung alles Guten, wendet:
»Wir danken Dir für das Geschenk des geweihten Lebens, das im Glauben
Dich sucht, und in seiner universalen Sendung alle einlädt, Dir entgegen
zu gehen«.17 Durch ein verwandeltes Sein nimmt es Anteil am Leben der
Dreifaltigkeit und bekennt deren rettende Liebe.18
Die Personen des geweihten Lebens verdienen wirklich die Dankbarkeit
der kirchlichen Gemeinschaft: die Mönche und Nonnen, die
Kontemplativen, die Religiosen, die sich den Apostolatswerken widmen,
die Mitglieder der Säkularinstitute und der Gesellschaften des
apostolischen Lebens, die Einsiedler und die geweihten Jungfrauen. Ihre
Existenz gibt Zeugnis von der Liebe zu Christus, wenn sie gemäß der
Einladung des Evangeliums zu seiner Nachfolge aufbrechen und in tiefer
Freude jenen Lebensstil annehmen, den Er für sich gewählt hat.19
Wenngleich sie keine andere Anerkennung sucht als jene des Herrn, wird
diese lobenswerte Treue »auch eine lebendige Erinnerung der Seins- und
Handlungsweise Jesu als fleischgewordenes Wort vor dem Vater und vor
den Brüdern«.20
Ein Weg in der Zeit
6. Gerade in der Einfachheit des Alltäglichen wächst und reift das
geweihte Leben beständig, um zur Verkündigung eines Lebensstils zu
werden, der eine Alternative zu jenem der Welt und zur vorherrschenden

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Kultur darstellt. Durch seinen Lebensstil und durch die Suche nach dem
Absoluten ist es wie eine geistliche Therapie für die Übel unserer Zeit.
Darum ist es innerhalb der Kirche ein Segen und ein Grund zur Hoffnung
für das menschliche Leben und für das kirchliche Leben selbst.21
Neben der aktiven Präsenz neuer Generationen von geweihten Personen,
die die Präsenz Christi in der Welt und den Glanz der kirchlichen
Charismen lebendig machen, ist die verborgene und fruchtbare Präsenz
von geweihten Männern und Frauen, die Alter, Einsamkeit, Krankheit und
Leiden erfahren, gleichfalls bedeutsam. Ihrem bereits geleisteten Dienst
und der Weisheit, die sie anderen mitteilen können, fügen sie nun einen
eigenen, wertvollen Beitrag hinzu, indem sie sich mit der Hingabe Christi
vereinen, der für seinen Leib, der die Kirche ist, gelitten hat und
verherrlicht wurde (vgl. Kol 1, 24).
7. Das geweihte Leben ist in diesen Jahren auf dem Weg der Vertiefung,
der Läuterung, des Austauschs und der Sendung vorangeschritten. In den
Prozessen des Zusammenlebens wurden die persönlichen Beziehungen
intensiviert, und gemeinsam wurde der kulturelle Austausch verstärkt, der
als ein Gut und als ein Anreiz für die eigenen Einrichtungen anerkannt
wurde. Anerkennenswert sind die Bemühungen, um zu einer Ausübung der
Autorität und zu einem Gehorsam zu finden, die tiefer vom Evangelium
inspiriert sind, das bestärkt, erleuchtet, verbindet, ausgleicht und versöhnt.
Im Eingehen auf die Weisungen des Papstes wächst das Gespür für die
Bedürfnisse der Hirten, und es wächst die Zusammenarbeit in der
Ausbildung und im Apostolat unter den Instituten.
Die Beziehungen zur gesamten christlichen Gemeinschaft stellen sich
immer besser als Austausch der Gaben in Gegenseitigkeit und Ergänzung
zu den kirchlichen Berufungen dar.22 Die Ortskirchen sind tat sächlich der
Ort, wo diese konkreten programmatischen Leitlinien festgelegt werden
können, damit die Botschaft Christi die Menschen erreiche, die
Gemeinschaften forme und durch das Zeugnis für die Werte des
Evangeliums tief in die Gesellschaft und Kultur Christi einschneiden
kann.23
Von den einfachsten Beziehungen wechselt man gerne zu einer
Geschwisterlichkeit, die als gegenseitige charismatische Bereicherung
erlebt wird. Es handelt sich um ein Bemühen, das dem ganzen Gottesvolk
hilfreich sein kann, denn die Spiritualität der Gemeinschaft vermittelt dem
institutionellen Aspekt eine Seele mit einem Gefühl des Vertrauens und der
Öffnung, das ganz der Würde und der Verantwortung eines jeden
Getauften entspricht.24
Für die Heiligkeit des ganzen Gottesvolkes
8. Der Ruf, Christus durch eine besondere Weihe nachzufolgen, ist ein
Geschenk der Dreifaltigkeit an das ganze Volk der Erwählten. Die
geweihten Männer und Frauen erkennen in der Taufe den gemeinsamen

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sakramentalen Ursprung und teilen mit den anderen Gläubigen die
Berufung zur Heiligkeit und zum Apostolat. Indem sie Zeichen für diese
universale Berufung sind, machen sie die besondere Sendung des
geweihten Lebens sichtbar.25
Die geweihten Personen haben die Berufung zu einer »neuen und
besonderen Weihe«26 für das Wohl der Kirche erhalten, was dazu
verpflichtet, mit leidenschaftlicher Liebe die Lebensweise Christi, der
Jungfrau Maria und der Apostel zu leben.27 In der heutigen Welt ist ein
prophetisches Zeugnis gefordert, das «auf der Bekräftigung des Primats
Gottes und der künftigen Güter aufbaut, wie sie in der Nachfolge und
Nachahmung des keuschen, armen und gehorsamen Christus, der sich
ganz dem Ruhm des Vaters und der Liebe der Brüder und Schwestern
geweiht hat«,28 aufleuchtet.
Von den geweihten Personen ergeht an die Kirche eine überzeugende
Einladung, den Primat der Gnade zu bedenken und durch eine hochherzige
geistliche Anstrengung zu beantworten.29 Trotz der weitgreifenden
Säkularisationsprozesse spüren die Gläubigen ein gewisses Bedürfnis nach
Spiritualität, das sich oftmals durch ein erneuertes Bedürfnis nach Gebet
äußert.30 In ihrer Gewöhnlichkeit stellen die Ereignisse des Lebens sich
als Anfragen dar, die im Lichte der Umkehr zu deuten sind. Der Einsatz
der Geweihten im Dienst einer evangelischen Lebensqualität trägt dazu
bei, auf viele Weise die Praxis des geistlichen Lebens im christlichen Volk
wach zu halten. Die religiösen Gemeinschafen bemühen sich immer mehr,
Orte des Hörens und des Teilens des Wortes, der liturgischen Feier, der
Pädagogik des Gebets, der Begleitung und der geistlichen Leitung zu sein.
Ohne dies zu beabsichtigen wird so die Hilfe, die man anderen gibt, zum
gegenseitigen Nutzen.31
In Sendung für das Reich
9. Nach dem Vorbild Jesu sind jene, die Gott in seine Nachfolge ruft,
geweiht und in die Welt gesandt, um seine Sendung fortzuführen. Ja, das
geweihte Leben als solches wird unter dem Wirken des Heiligen Geistes
zur Sendung. Je mehr die Geweihten sich Christus gleichförmig machen
lassen, desto mehr vergegenwärtigen sie ihn in der Geschichte zum Heil
der Menschen und machen ihn wirksam.32 In Offenheit für das, was in den
Augen Gottes für die Welt notwendig ist, streben sie nach einer Zukunft,
die Auferweckung verheißt, und sind bereit, dem Beispiel Christi zu
folgen, der in unsere Mitte kam »um das Leben zu geben, und es in Fülle
zu geben« (Joh 10, 10).
Der Eifer für das Reich Gottes und das Heil der Brüder wird so zum besten
Beweis für eine Hingabe, die von den geweihten Personen authentisch
gelebt wird. Dies ist der Grund, weshalb jeder ihrer Versuche um
Erneuerung sich in einen neuen Aufbruch in der Sendung zur
Evangelisierung wandelt.33 Sie lernen auszuwählen, wobei ihnen eine
beständige Weiterbildung hilft, die sich durch tiefe geistliche und zu

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mutigen Entschlüssen führende Erfahrungen auszeichnet.
In den Beiträgen der Väter vor der Plenaria, wie auch in den vorgelegten
Berichten, erregte die bunte missionarische Tätigkeit der geweihten
Personen Bewunderung. Man wird sich besonders des Wertes der
apostolischen Arbeit bewußt, die mit der Hochherzigkeit und mit dem
besonderen Reichtum geleistet wird, der dem »weiblichen Genius« der
geweihten Frauen eigen ist. Dieser verdient die höchste Anerkennung
aller, der Hirten wie der Gläubigen. Doch der eingeschlagene Weg muß
vertieft und ausgeweitet werden. »Es bedarf daher dringend einiger
konkreter Schritte, davon ausgehend, daß den Frauen Räume zur
Mitwirkung in den verschiedenen Bereichen und auf allen Ebenen eröffnet
werden, auch in den Prozessen der Entscheidungsfindung«.34
Dank wird vor allem jenen gesagt, die sich in vorderster Linie befinden.
Die Bereitschaft für die Mission hat sich in einer mutigen Ausdehnung zu
jenen Völker hin durchgesetzt, die auf die Erstverkündigung des
Evangeliums warten. In diesen Jahren gab es mehr Neugründungen als je
zuvor, gerade in schweren Augenblicken des Mitgliedermangels, unter
dem die Institute leiden. Beim Bemühen, unter den Zeichen der
Geschichte eine Antwort auf die Erwartungen der Menschheit zu finden,
haben evangelischer Unternehmungsgeist und Wagemut geweihte Männer
und Frauen an schwierige Orte geführt, bis hin zum Risiko und zum
tatsächlichen Opfer ihres Lebens.35
Mit einem neuem Eifer begegnen viele geweihten Personen in der
Ausübung der Werke der Barmherzigkeit Kranken, die versorgt sein
wollen, Notleidenden jeder Art, Armen der alten und der neuen Armut.
Auch andere Dienste, wie jener der Erziehung, erfahren durch sie eine
unverzichtbare Unterstützung, die durch die Katechese den Glauben
wachsen läßt oder ein echtes intellektuelles Apostolat darstellt. Außerdem
versäumen sie es nicht, durch ihre Opfer und durch immer weitläufigere
Mitarbeit die Stimme der Kirche in jenen Kommunikationsmedien zu
unterstützen, die eine gesellschaftliche Umwandlung fördern.36 Eine
überzeugte und entschlossene Option führte zum Anwachsen der Zahl der
Geweihten, die unter den Emarginierten leben. In einer Menschheit, die in
Bewegung ist, wenn so viele sich zur Auswanderung gezwungen sehen,
drängen diese Männer und Frauen des Evangeliums sich aus Liebe zu
Christus an die »Frontlinien« vor und werden die Nächsten derer, die die
Letzten sind.
Bedeutend ist auch der höchst spirituelle Beitrag, den die
Klausurschwestern für die Evangelisierung leisten. Er ist »Seele und
Sauerteig der apostolischen Initiativen und überläßt den aktiven Einsatz
jenen, denen er von ihrer Berufung her zusteht«.37»So wird ihr Leben zu
einer geheimnisvollen Quelle der apostolischer Fruchtbarkeit und des
Segens für die christliche Gemeinschaft und für die gesamte Welt«.38
Schließlich ist auch daran zu erinnern, daß in diesen letzen Jahren das
Martyrologium der Zeugen des Glaubens und der Liebe im geweihten
Leben weiterhin beachtlich angewachsen ist. Die schwierigen Situationen

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haben von nicht wenigen die höchste Prüfung der Liebe in einer wahren
Treue zum Reich Gottes gefordert. Menschen, die Christus und dem
Dienst seines Reiches geweiht sind, haben die Treue in der Nachfolge bis
zum Kreuz bezeugt. Verschieden sind die Umstände, unterschiedlich sind
die Situationen, doch einer ist der Grund für das Martyrium: die Treue
zum Herrn und zu seinem Evangelium: »Denn nicht die Qual macht das
Martyrium, sondern der Beweggrund«.39
Fügsam dem Geist
10.Wir leben in einer Zeit, in die der Geist einbricht und neue
Möglichkeiten eröffnet. Obschon die charismatische Seite der
verschiedenen Formen des geweihten Lebens in ständiger Bewegung und
niemals vollendet ist, bereitet sie gemeinsam mit dem hl. Geist in der
Kirche das Kommen Dessen vor, der kommen muß, Dessen, der bereits
die Zukunft der voranschreitenden Menschheit ist. Wie die Aller seligste
Jungfrau Maria, die erste der Geweihten, durch die Kraft des Heiligen
Geistes und durch ihre restlose Hingabe Christus geboren hat, damit er die
Menschheit durch seine liebende Hingabe erlöse, so sind heute die
geweihten Personen gerufen, alles auf die Liebe zu setzen, indem sie für
den Schöpfergeist offen bleiben, in demütiger Bereitschaft auf ihn hören
und »ihre Lebensaufgabe durch eine tätige und konkrete Liebe zu jedem
Menschen verwirklichen«.40 Zwischen dem hl. Geist und den geweihten
Personen besteht eine besondere, lebendige und dynamische Verbindung,
weshalb die geweihten Personen in ihrer Fügsamkeit gegenüber dem
Schöpfergeist verharren müssen. Der Geist wirkt nach dem Willen des
Vaters zum Lob der Gnade, die ihnen in seinem geliebten Sohn geschenkt
ist. Und es ist derselbe Geist, der den Glanz des Geheimnisses über die
ganze Existenz strahlen läßt, die für das Reich Gottes und das Wohl so
vieler Armen und Verlassenen eingesetzt wird. Auch die Zukunft des
geweihten Lebens ist der Dynamik des Geistes anvertraut, der Quelle und
Spender der kirchlichen Charismen ist, die von ihm in den Dienst der
ganzen Fülle der Kenntnis und der Verwirklichung der Frohbotschaft Jesu
Christi gestellt wurden.
Zweiter Teil
MUT ZUR ANNAHME DER PRÜFUNGEN
UND HERAUSFORDERUNGEN
11. Ein realistischer Blick auf die Situation der Kirche und der Welt
verlangt, auch die Schwierigkeiten im Alltag des geweihten Lebens zu
sehen. Wir kennen alle die Prüfungen und Läuterungen, die es heute
durchlebt. Der große Schatz der Gabe Gottes wird in zerbrechlichen,
irdenen Gefäßen bewahrt (vgl. 2Kor 4, 7), und das Geheimnis des Bösen
verfolgt auch jene, die ihr ganzes Leben Gott weihen. Wenn wir nun
unsere Aufmerksamkeit auch den Leiden und Herausforderungen des
heutigen geweihten Lebens zuwenden, dann geschieht dies nicht, um

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2.1 Page 11

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dieses zu kritisieren oder zu verurteilen, sondern um aufs neue die ganze
Solidarität und liebevolle Nähe dessen zu zeigen, der nicht nur an den
Freuden, sondern auch an den Schmerzen Anteil nehmen möchte. Wir
wollen einige besondere Schwierigkeiten ins Auge fassen mit dem Blick
dessen, der weiß, daß die Geschichte der Kirche von Gott geleitet wird und
daß jenen, die ihn lieben, alles zum Guten gerät (vgl. Röm 8, 28). In dieser
Sicht des Glaubens vermag auch das Negative einen Neubeginn
auszulösen, wenn in ihm das gekreuzigte und verlassene Antlitz Christi
wieder erkannt wird, der sich mit unseren Grenzen verbunden hat bis
dahin, »unsere Sünden an seinem Leib zu tragen am Holz des Kreuzes« (
1Petr 2, 24).41 Die Gnade Gottes wird gerade in der Schwachheit
offenkundig (vgl. 2Kor 12, 9).
Den Sinn und die Qualität des geweihten Lebens wiederfinden
12. Die heutigen Schwierigkeiten der geweihten Personen haben viele
Gesichter, besonders wenn wir die unterschiedlichen kulturellen
Gegebenheiten berücksichtigen, in denen sie leben.
Der Rückgang der Mitgliederzahl in vielen Instituten und die
Überalterung, die in einigen Teilen der Welt unübersehbar sind, wecken
die Frage, ob das geweihte Leben noch ein sichtbaren Zeugnis darstellt,
das fähig ist, Jugendliche anzuziehen. Wenn, wie mancherorts behauptet
wird, das Dritte Jahrtausend die Zeit ist, in der die Laien, die Verbände und
die kirchlichen Bewegungen die Hauptakteure sind, dann können wir uns
fragen: welcher Platz wird den traditionellen Formen des geweihten
Lebens zugewiesen werden? Johannes Paul II. erinnert uns daran, daß es
eine große Geschichte aufzubauen hat, und dies gemeinsam mit allen
Gläubigen.42
Wir können jedoch nicht übersehen, daß das geweihte Leben zuweilen
nicht die gebührende Beachtung findet und man ihm manchmal sogar mit
einem gewissen Mißtrauen begegnet. Die geweihten Personen sind
angesichts der wachsenden religiösen Krise, die so viele Teile unserer
Gesellschaft betrifft, heute in besonderer Weise verpflichtet, neue Formen
der Präsenz zu suchen und sich nicht wenige Fragen über ihr
Selbstverständnis und ihre Zukunft zu stellen.
Neben seiner lebendigen Dynamik, die zu einem Zeugnis und zu einer
Hingabe bis zum Martyrium bereit ist, kennt das geweihte Leben auch die
Bedrohungen der Mittelmäßigkeit im geistlichen Leben, der wachsenden
Verspießerung und des Konsumdenkens. Die Komplexität der Führung
von Werken, die von neuen sozialen Anforderungen und von staatlichen
Normen verlangt sind, riskieren in Verbindung mit der Versuchung zu
Effektivität und Aktionismus eine Verdunkelung der evangelischen
Originalität und eine Schwächung der geistlichen Motivationen. Die
Dominanz der persönlichen Pläne über die der Gemeinschaft kann die
brüderliche Gemeinschaft zutiefst schädigen.
Es sind dies wirkliche Probleme, die man jedoch nicht verallgemeinern

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darf. Die geweihten Personen sind nicht die einzigen, die die Spannung
zwischen Säkualrismus und echtem Glaubensleben aushalten müssen,
zwischen der Gebrechlichkeit ihres eigenen Menschseins und der Kraft der
Gnade; dies ist die Befindlichkeit aller Mitglieder der Kirche.
13. Die Schwierigkeiten und die Infragestellungen, die das geweihte
Leben erfährt, können einen neuen kairòs herbeiführen, eine Zeit der
Gnade. In ihnen verbirgt sich ein echter Anruf des Heiligen Geistes, den
Reichtum und die Möglichkeiten dieser Lebensform neu zu entdekken.
So kann beispielsweise die Notwendigkeit, mit einer Gesellschaft
zusammenleben zu müssen, in der oft eine Kultur des Todes herrscht, zu
einer Herausforderung werden, mit größerer Überzeugungskraft Träger
und Diener des Lebens zu sein. Die evangelischen Räte der Keuschheit,
der Armut und des Gehorsams, die von Christus in der Fülle seiner
Menschennatur als Sohn Gottes gelebt wurden und die aus Liebe zu ihm
übernommen werden, erscheinen als ein Weg zur vollen Verwirklichung
der Person im Gegensatz zur Entmenschlichung; sie erscheinen als ein
wirkungsvolles Gegenmittel zur Trübung des Geistes, des Lebens und der
Kultur; sie verkünden die Freiheit der Kinder Gottes und die Freude an
einem Leben nach den Lobpreisungen des Evangeliums.
Der womöglich bei manchen entstehende Eindruck einer Abnahme der
Wertschätzung des geweihten Lebens in einigen Teilen der Kirche kann als
eine Einladung zur einer befreienden Reinigung verstanden werden. Das
geweihte Leben sucht weder menschliches Lob noch Anerkennung; es
findet seine Bestätigung in der Freude, weiterhin aktiv im Dienst am Reich
Gottes mitarbeiten zu können, um eine Keimzelle zu sein, die im
Geheimen wächst, ohne einen anderen Lohn zu empfangen als den,
welchen der Vater ihm am Ende geben wird (vgl. Mt 6, 6). Es findet seine
Identität im Ruf des Herrn, in seiner Nachfolge, seiner Liebe und im
bedingungslosen Dienst, die fähig sind, ein Leben zu begnaden und ihm
vollen Sinn zu geben.
Wenn mancherorts die geweihten Personen ihrer zahlenmäßigen
Konzentration wegen zu einer kleinen Herde werden, so kann diese
Tatsache als ein Zeichen der Vorsehung angesehen werden, das dazu
einlädt, die ureigene Aufgabe der Hefe, des Sauerteiges, des Zeichens und
der Prophetie wieder zu gewinnen. Je größer die Teigmasse ist, die
durchsäuert werden muß, desto anspruchsvoller muß der evangelische
Sauerteig sein, und desto ausgeprägter das Lebenszeugnis und der
charismatische Dienst der geweihten Personen.
Das wachsende Bewußtsein von der Berufung aller zur Heiligkeit,43 und
weit davon entfernt, die Zugehörigkeit zu einem Lebensstand, der für die
Erreichung der evangelischen Heiligkeit besonders geeignet ist, als
überflüssig zu erachten, kann ein weiterer Grund zu Freude für die
geweihten Personen sein; sie stehen nun den übrigen Mitgliedern des
Gottesvolkes näher, mit denen sie einen gemeinsamen Weg der Nachfolge
Christi teilen, in einer tieferen Gemeinschaft, in gegenseitigem Wetteifer,
in der gegenseitigen Hilfe einer kirchlichen Gemeinschaft, ohne
Überlegenheit oder Unterlegenheit. Gleichzeitig ist dieses Bewußtsein eine

2.3 Page 13

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Einladung, den Wert der Zeichenhaftigkeit zu erkennen, der dem
geweihten Leben gegenüber der Heiligkeit aller Glieder der Kirche
zukommt.
Denn wenn es wahr ist, daß alle Christen »zur Heiligkeit und zur
Vollkommenheit des eigenen Lebensstandes«44 gerufen sind, dann haben
die geweihten Personen dank einer »neuen und besonderen Weihe«45den
Auftrag, die Lebensweise Christi durch ihr Zeugnis der evangelischen
Räte aufleuchten zu lassen, zur Stärkung der Treue des ganzen Leibes
Christi. Dies ist keine Schwierigkeit, es ist vielmehr ein Anreiz zur
Originalität und zu einem spezifischen Beitrag der Charismen des
geweihten Lebens, die gleichzeitig Charismen einer gemeinsamen
Spiritualität und einer Sendung zur Heiligkeit der Kirche darstellen.
Letztlich können diese Herausforderungen einen mächtigen Appell
darstellen, die eigene Lebenskraft des geweihten Lebens zu vertiefen,
dessen Zeugnis heute mehr denn je notwendig ist. Es ist angebracht daran
zu erinnern, wie die heiligen Gründer und Gründerinnen es verstanden
haben, mit einer ursprünglichen charismatischen Kreativität auf die
Herausforderungen und auf die Schwierigkeiten der eigenen Zeit zu
antworten.
Die Aufgabe der Obern und Oberinnen
14. Bei der neuen Suche nach dem Sinn und der Qualität des geweihten
Lebens ist die Aufgabe der Obern und Oberinnen, denen der Dienst der
Autorität — eine anspruchsvolle und zuweilen angefochtene Aufgabe —
anvertraut ist, von grundlegender Bedeutung. Diese Aufgabe verlangt eine
ständige Anwesenheit, die zu Animation und Anregungen fähig ist, die die
Begründung des geweihten Lebens in Erinnerung ruft und den ihr
anvertrauten Personen zu einer stets neuen Treue zum Anruf des Geistes
verhilft. Kein Oberer kann auf seine Sendung der Animation, der
brüderlichen Hilfe, der Anregung, des Zuhörens, des Dialogs verzichten.
Nur so wird die ganze Gemeinschaft sich in voller Brüderlichkeit und im
apostolischen Dienst vereint wiederfinden. Die Anregungen, die das
Dokument unserer Kongregation Das geschwisterliche Leben in
Gemeinschaft gibt, bleiben von großer Aktualität, wo es von Aspekten der
Autorität spricht, die es heute aufzuwerten gilt, und an die Aufgabe einer
geistlichen Autorität erinnert, einer Autorität die Einheit schafft, einer
Autorität die letzte Entscheidungen zu treffen weiß und deren Ausführung
gewährleistet.46
Von jedem seiner Mitglieder wird eine überzeugende Teilnahme am Leben
und an der Sendung der eigenen Gemeinschaft erwartet. Auch wenn es in
letzter Instanz und nach dem Eigenrecht der Autorität zusteht,
Entscheidungen zu fällen und Wahlen zu treffen, verlangt der Alltag eines
brüderlichen Gemeinschaftslebens eine Mitbeteiligung, die Dialog und
Entscheidung ermöglichen. Jeder einzelne und die ganze Gemeinschaft
können so das eigene Leben mit dem Plan Gottes vergleichen und

2.4 Page 14

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gemeinsam dessen Willen erfüllen.47 Die Mitverantwortung und die
Mitbeteiligung werden auch in den verschiedenen Räten auf den
jeweiligen Ebenen ausgeübt, an Orten also, an denen vor allem eine volle
Einheit herrscht, damit die ständige Gegenwart des Herrn gesichert sei, der
erleuchtet und führt. Der hl. Vater zögerte nicht, an die alte Weisheit der
monastischen Tradition zu erinnern, die in der konkreten Verwirklichung
der Spiritualität der Gemeinschaft zur Anwendung kommt und die
tatsächliche Mitbeteiligung aller fördert und gewährleistet.48
Bei all dem wird eine ernsthafte ständige Weiterbildung, die in ein
grundlegendes neues Überdenken der Fragen der Ausbildung in den
Instituten des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen
Lebens eingebettet ist, für einen echten Weg der Erneuerung hilfreich sein:
dieser nämlich »hängt hauptsächlich von der Ausbildung ihrer Mitglieder
ab«.49
Die ständige Weiterbildung
15. Unsere Zeit verlangt nach einer generellen Überprüfung der
Ausbildung der Personen des geweihten Lebens, die nicht mehr an einen
bestimmten Lebensabschnitt gebunden ist. Nicht nur mit dem Ziel, sie
immer fähiger zu machen und sie in eine Realität einzubringen, die
oftmals hektischen Veränderungen unterworfen ist, sondern zuerst ist es
das geweihte Leben selbst, das von seinem Wesen her eine ständige
Bereitschaft in jenen verlangt, die zu ihm berufen sind. Denn wenn das
geweihte Leben in sich selbst tatsächlich »eine fortschreitende Aneignung
der Gesinnung Christ«50 ist, dann scheint es offenkundig, daß ein solcher
Weg die gesamte Lebenszeit fortdauern muß, um die ganze Person
einzubeziehen, mit Herz und Geist und allen Kräften (vgl. Mt 22, 37), und
sie dem Sohn gleich macht, der sich dem Vater für die Menschheit hingibt.
So verstanden ist die Ausbildung nicht mehr nur eine pädagogische Zeit
der Vorbereitung auf die Gelübde, sondern sie ist ein theologisches
Verständnis des geweihten Lebens selbst, das in sich eine nie vollendete
Ausbildung ist und eine »Teilhabe am Wirken des Vaters, der durch den
Geist im Herzen ... die Gesinnung des Sohnes Gestalt werden läßt«.51
Es wird also wichtig sein, daß jede geweihte Person zur Freiheit erzogen
werde, ein Leben lang zu lernen, in jedem Alter und jedem
Lebensabschnitt, in jedem Umfeld und menschlichen Milieu, von jeder
Person und Kultur, um sich auch vom kleinsten Splitter der Wahrheit und
Schönheit bilden zu lassen, den sie in ihrem Umfeld antrifft. Doch vor
allem muß sie lernen, sich vom Alltag formen zu lassen, von der eigenen
Gemeinschaft und ihren Mitbrüdern und Mitschwestern, von den
gewöhnlichen Dingen, den ordentlichen wie den außerordentlichen, vom
Gebet wie von der apostolischen Mühe, in Freud und Leid, bis zum
Augenblick des Todes.
Entscheidend werden dann die Öffnung auf den andern hin und die
Selbstlosigkeit, und besonders die Beziehung zur Zeit. Die Personen, die

2.5 Page 15

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sich in ständiger Weiterbildung befinden, gewinnen die Zeit wieder
zurück; sie wird ihnen nicht auferlegt, sie nehmen sie an als ein Geschenk
und lassen sich klug auf die verschiedenen Rhythmen des Lebens ein (Tag,
Woche, Monat, Jahr), wobei sie die Übereinstimmung zwischen ihnen und
dem von Gott unwandelbar und ewig bestimmten Rhythmus suchen, der
die Tage, die Jahrhunderte und die Zeiten festlegt. Auf ganz besondere
Weise lernt die geweihte Person, sich vom liturgischen Jahr durchdringen
zu lassen, in dessen Schule sie schrittweise die Geheimnisse des Lebens
des Sohnes Gottes in dessen Gesinnung durchlebt, um täglich von
Christus auszugehen und von seinem Ostern des Todes und der
Auferstehung.
Die Weckung von Berufungen
16. Zu den ersten Früchte eines Wegs der beständigen Weiterbildung
gehört die Fähigkeit, die Berufung täglich als ein neues Geschenk zu
leben, das von einem immer dankbarer werdenden Herzen angenommen
wird. Ein Geschenk, das durch ein verantwortungsvolles Verhalten
beantwortet wird, das mit Überzeugung und Ansteckungskraft bezeugt
werden muß, damit auch die anderen sich von Gott gerufen fühlen können,
sei es zu jener besonderen Berufung oder auf andere Wege. Der Geweihte
ist von seiner Natur her auch ein Animator der Berufung; wer selbst
gerufen ist, muß zwangsläufig zu einem Rufenden werden. Es besteht also
eine natürliche Verbindung von ständiger Weiterbildung und
Berufungsanimation.
Der Dienst an den Berufungen ist eine der weiteren, neuen und
anspruchsvollen Herausforderungen, der das geweihte Leben heute zu
begegnen hat. Auf der einen Seite machen die Globalisierung der Kultur
und die Komplexität der sozialen Beziehungen radikale und dauerhafte
Lebensentscheidungen schwierig; auf der anderen Seite erlebt die Welt
eine wachsende Erfahrung materieller und moralischer Leiden, die die
Würde des menschlichen Wesens selbst bedrohen und in einem
unterdrückten Hilferuf nach jemand rufen, der mit Entschlossenheit eine
Botschaft des Friedens und der Hoffnung bringt, nach jemandem, der das
Heil Christi bringt. In unserem Geist klingen die Worte Jesu an seine
Jünger nach: »Die Ernte ist groß, aber der Arbeiter sind wenige. Bittet den
Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende« (Mt 9, 37-38; Lk 10,
2). Die erste Aufgabe der Berufungspastoral bleibt immer das Gebet.
Besonders dort, wo wenige Eintritte in das Ordensleben zu verzeichnen
sind, wird ein erneuerter Glaube an Gott gefordert, der —wenn er mit
Vertrauen angerufen wird— auch aus Steinen Söhne Abrahams erwecken
(vgl. Mt 3, 9) und einen unfruchtbaren Schoß wieder fruchtbar machen
kann. Alle Gläubigen, und besonders die Jugendlichen, werden in diese
Bekundung des Glaubens an Gott einbezogen, der allein seine Arbeiter
rufen und aussenden kann. Die ganze Ortskirche, Bischöfe, Priester, Laien
und geweihte Personen sind gerufen, die Verantwortung für die
Berufungen zu einer besonderen Weihe zu übernehmen.
Der beste Weg der Förderung von Berufungen zum geweihten Leben ist

2.6 Page 16

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der, den der Herr selbst eingeschlagen hat, als er den Aposteln Johannes
und Andreas sagte: »Kommt und seht« (Joh 1, 39). Diese Begegnung, die
von einer Lebensgemeinschaft begleitet ist, verlangt von den geweihten
Personen, ihre Berufung in ihrer ganzer Tiefe zu leben, um zu einem
sichtbaren Zeichen jener Freude zu werden, die Gott denen schenkt, die
seinen Ruf hören. Daher kommt auch das Bedürfnis nach gastlichen
Gemeinschaften die fähig sind, ihr Lebensideal mit Jugendlichen zu teilen,
die sich nach ihrer Glaubwürdigkeit hinterfragen lassen und die bereit
sind, sich mit ihnen auf den Weg zu begeben.
Bevorzugtes Feld für diese berufungsorientierte Verkündigung ist die
Ortskirche. In ihr bringen alle Dienste und Charismen ihr gemeinsames
Zusammenwirken52 zum Ausdruck und verwirklichen miteinander die
Verbundenheit im einen Geist Christi und die Vielfalt seiner
Erscheinungsformen. Die aktive Präsenz der geweihten Personen wird den
christlichen Gemeinden helfen, Laboratorien des Glaubens53 zu werden,
Stätten der Suche, der Besinnung und der Begegnung, der Gemeinschaft
und des apostolischen Dienens, wo alle sich in die Auferbauung des
Reiches Gottes unter den Menschen einbezogen fühlen. So wird das Klima
geschaffen, das für die Kirche als Familie Gottes charakteristisch ist, eine
Familienatmosphäre, die das gegenseitiges Kennenlernen, den Austausch
und die Ansteckungskraft jener besonderen Werte erleichtert, die am
Ursprung der Entscheidung stehen, sein ganzes Leben der Sache des
Gottesreiches zu widmen.
17. Die Sorge um die Berufungen ist eine entscheidende Aufgabe für die
Zukunft des geweihten Lebens. Die Abnahme der Berufungen, besonders
in der westlichen Welt, und deren Anwachsen in Asien und Afrika zeichnet
eine neue Landkarte der Präsenz des geweihten Lebens in der Kirche und
führt zu neuen kulturellen Gleichgewichten in den Instituten. Dieser
Lebensstand, der »durch das Bekenntnis zu den evangelischen Räten den
Wesensmerkmalen Jesu eine typische und beständige Sichtbarkeit in der
Welt verleiht«,54 erlebt heute eine besondere Phase der Neubesinnung und
der Suche, mit neuen Formen und in neuen Kulturen. Dies ist sicherlich
ein vielversprechender Anfang für die Entwicklung noch unerforschter
Äußerungsmöglichkeiten seiner vielfältigen charismatischen
Möglichkeiten.
Die gegenwärtigen Umgestaltungen appellieren direkt an die einzelnen
Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen
Lebens, damit diese ihrer Präsenz in der Kirche und ihrem Dienst an der
Menschheit einen starken evangelischen Akzent verleihen. Die
Berufungspastoral verlangt die Entwicklung neuer und tieferer Fähigkeiten
der Begegnung; sie verlangt, durch das Zeugnis des Lebens
charakteristische Wege der Nachfolge Christi und der Heiligkeit
anzubieten; sie verlangt, kraftvoll und eindeutig die Freiheit zu verkünden,
die ein armes Leben schenkt, das als einzigen Schatz das Reich Gottes
kennt; sie verlangt nach der Tiefe der Liebe eines keuschen Lebens, das
nur ein einziges Herz zu kennen sucht, jenes Christi; sie verlangt nach der
Kraft der Heiligung und Erneuerung aus einem gehorsamen Leben, das als
einzigen Horizont die Erfüllung des Willens Gottes für das Heil der Welt
kennt.

2.7 Page 17

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Heute ist die Förderung der Berufungen eine Aufgabe, die nicht
ausschließlich den Spezialisten anvertraut werden darf; noch darf sie
losgelöst werden von einer echten und eigenständigen Jugendpastoral, die
vor allem die konkrete Liebe Christi zu den Jugendlichen spürbar werden
läßt. Jede Gemeinschaft und alle Mitglieder eines Instituts sind aufgerufen,
sich um Kontakte zu Jugendlichen, um eine evangelische Pädagogik der
Nachfolge Christi und der Weitergabe des Charismas zu bemühen; die
Jugendlichen warten auf jemanden, der echt evangelische Lebensstile und
eine Hinführung zu den großen geistlichen Werten des menschlichen und
christlichen Lebens anbieten kann. Es sind also die geweihten Personen,
welche die pädagogische Kunst der Weckung und Befreiung der tiefen, im
Herzen der Personen — besonders der Jugendlichen — viel zu oft
verborgenen Fragen wieder entdecken müssen. Auf dem Weg dieser
Berufungsentscheidung werden ihnen diese Fragen gestellt, damit sie die
Quelle ihrer Identität sichtbar machen. Die eigene Lebenserfahrung
mitzuteilen bedeutet stets, die Erinnerung an sie zu erneuern und erneut
jenes Licht zu betrachten, das die eigene Berufungsentscheidung erhellt
hat.
Die Ausbildungswege
18. Hinsichtlich der Ausbildung hat unser Dikasterium zwei Dokumente
verfaßt, Potissimum institutioni und Die Zusammenarbeit zwischen den
Instituten in der Ausbildung. Wir sind uns sehr wohl der immer neuen
Herausforderungen bewußt, denen sich die Institute in diesem Bereich zu
stellen haben.
Die neuen Berufungen, die an die Türe des geweihten Lebens klopfen,
sind von tiefen Unterschieden gekennzeichnet und verlangen persönliche
Aufmerksamkeit und geeignete Methoden, um ihre konkrete menschliche,
spirituelle und kulturelle Situation anzunehmen. Deshalb ist in aller Ruhe
eine Klärung vorzunehmen, die frei ist von der Versuchung der Anzahl
oder Effizienz, um im Licht des Glaubens und der möglichen
Kontraindikationen die Echtheit der Berufung und die Lauterkeit der
Motivation festzustellen. Die Jugendlichen müssen heute zu hohen Idealen
der radikalen Nachfolge Christi und zu den tiefen Erfordernissen der
Heiligkeit angeregt werden, im Blick auf eine Berufung, die sie überragt
und womöglich weit über die ursprüngliche Absicht, die sie in ein
bestimmtes Institut geführt hat, hinausgeht. Die Ausbildung sollte deshalb
die Charaktermerkmale einer Initiation in die radikale Nachfolge Christi
tragen. Da das Ziel des geweihten Lebens in der Gleichgestaltung mit dem
Herrn Jesus besteht ist es notwendig, einen Weg der fortschreitenden
Assimilierung der Gesinnung Christi an den Vater zu beginnen.55 Dies
wird helfen, theologische, humanistische und technische Kenntnisse mit
dem geistlichen und apostolischen Leben des Instituts zu integrieren und
wird immer die Merkmale einer Schule der Heiligkeit an sich tragen.
Die stärksten Herausforderungen für die Ausbildung kommen von seiten
der Werte, die die globalisierte Kultur unserer Tage beherrschen. Die
christliche Verkündigung des Lebens als einer Berufung, die einem

2.8 Page 18

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Liebesplan des Vaters entspringt und einer persönlichen und heilenden
Begegnung mit Christus in der Kirche bedarf, muß sich mit Vorstellungen
und Plänen vergleichen, die von höchst unterschiedlichen Kulturen und
sozialen Geschichten beherrscht werden. Die Gefahr besteht, daß
subjektive Entscheidungen, individuelle Pläne und ortsbedingte
Orientierungen Oberhand gewinnen über die Ordensregel, den
gemeinschaftlichen Lebensstil und die apostolische Ausrichtung des
Instituts. Deshalb ist ein formativer Dialog erforderlich, der fähig ist, die
menschlichen, sozialen und spirituellen Charaktermerkmale eines jeden
aufzugreifen, in ihnen die menschlichen Grenzen, die einer Überwindung
bedürfen, und die Provokationen des Geistes zu erkennen, die das Leben
des einzelnen und eines Instituts zu erneuern vermögen. In einer Zeit
tiefgehender Umwandlungen muß bei der Ausbildung darauf geachtet
werden, in die Herzen der jungen Geweihten jene menschlichen,
geistlichen und charismatischen Werte einzupflanzen, die für ihre spätere
kreative Treue56 unerläßlich sind, ganz in der Linie der geistlichen und
apostolischen Tradition des Instituts.
Die Vielfalt der Kulturen, die unterschiedlichen Lebensalter und die
Verschiedenheiten in der Lebensplanung kennzeichnen immer stärker die
Institute des geweihten Lebens. Die Ausbildung muß zum
gemeinschaftlichen Dialog in der Herzlichkeit und in der Liebe Christi
erziehen. Sie muß dazu anleiten, die Unterschiede als einen Reichtum
anzunehmen und die unterschiedlichen Gesichtspunkte und Gefühle zu
integrieren. So wird für die christlichen Gemeinschaften die ständige
Suche der Einheit in der Liebe zu einer Schule der comunio und ein
Angebot brüderlichen Zusammenlebens unter den Völkern.
Besondere Aufmerksamkeit wird dann der kulturellen Ausbildung im
Schritt mit der Zeit und im Dialog mit der Sinnsuche der heutigen
Menschen geschenkt werden müssen. Dazu wird eine bessere
philosophische, theologische und psycho-pädagogische Ausbildung
gefordert sowie eine tiefere Orientierung am geistlichen Leben, ferner
angemessenere Modelle für die Achtung der Kulturen, in denen die neuen
Berufungen entstehen, und klar umrissene Programme für die ständige
Weiterbildung; doch vor allem wird gewünscht, daß die besten Kräfte im
Ausbildungsbereich eingesetzt werden, auch wenn dies spürbare Opfer
verlangt. Der Einsatz qualifizierten Personals und dessen angemessene
Vorbereitung hat Vorrang vor allem.
Wir müssen äußerst großzügig sein wenn es darum geht, unsere Zeit und
unsere Kräfte in die Ausbildung zu investieren. Die geweihten Personen
gehören zum kostbarsten Gut der Kirche. Ohne sie bleiben alle
Ausbildungs- und Apostolatspläne Theorie und fromme Wünsche. Dabei
darf nicht vergessen werden, daß in einer hektischen Zeit, wie der
unsrigen, weit mehr Zeit, Ausdauer und Geduld erforderlich ist, um die
Ziele der Ausbildung zu erreichen. In Umständen, in denen Schnelligkeit
und Oberflächlichkeit dominieren, brauchen wir Gelassenheit und
Tiefgang, da die Person sich nur sehr langsam entwickelt.

2.9 Page 19

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Einige besondere Herausforderungen
19.Wenn wir hier die Notwendigkeit der Lebensqualität und die
Aufmerksamkeit auf die Erfordernisse der Ausbildung hervorgehoben
haben, dann deshalb, weil diese die vordringlichsten Aspekte zu sein
scheinen. Die Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die
Gesellschaften des apostolischen Lebens möchte jedenfalls den geweihten
Personen in allen Problemen nahestehen und einen immer offeneren und
konstruktiveren Dialog fortsetzten.
Die Väter der Plenaria wissen um diese Notwendigkeit und haben den
Wunsch nach einer besseren Kenntnis und Zusammenarbeit mit den
Instituten des geweihten Lebens und den Gesellschaften des apostolischen
Lebens geäußert. Ihre Präsenz in der Ortskirche, besonders jene der
Institute diözesanen Rechts, der geweihten Jungfrauen und der Eremiten
verlangen eine besondere Aufmerksamkeit des Bischofs und seines
Presbyteriums.
Gleichzeitig sind sie auch hellhörig für die Fragen, die sich die
Ordensleute im Blick auf ihre großen Werke stellen, die es ihnen bisher
ermöglicht haben, im Geiste ihrer spezifischen Charismen zu dienen:
Krankenhäuser, Kollegien, Schulen und die verschiedensten Heime. In
einigen Teilen der Welt werden sie mit großer Dringlichkeit verlangt, in
anderen wird ihr Unterhalt schwierig. Um dafür Lösungen zu finden ist
Kreativität, Umsicht, Dialog unter den Mitgliedern des Instituts, mit
Instituten mit ähnlichen Werken sowie mit den Verantwortlichen der
Teilkirche gefordert.
Hochaktuell ist auch das Thema der Inkulturation. Es betrifft die Art und
Weise, wie das geweihte Leben verwirklicht wird, die Anpassung der
Formen der Spiritualität und des Apostolats, die Leitungsstile, die
Ausbildung, die Verwaltung der Einkünfte und der wirtschaftlichen Güter,
die Erfüllung der Sendung. Die Appelle, die der Papst an die ganze Kirche
gerichtet hat, gelten auch für das geweihte Leben: »Das Christentum des
dritten Jahrtausends wird immer auf diese Notwendigkeit der Inkulturation
eingehen müssen. Es bewahrt voll seine eigene Identität in totaler Treue
zur Verkündigung des Evangeliums und zur Tradition der Kirche und trägt
auch das Angesicht der vielen Kulturen und Völker, in die es
hineingegeben und verwurzelt wird«.57 Von einer wahren Inkulturation
wird für das geweihte Leben wie für die gesamte Kirche eine beachtliche
Bereicherung und eine neue Epoche geistlichen und apostolischen
Aufschwungs erwartet.
Wir könnten noch viele andere Erwartungen des geweihten Lebens in
diesem dritten Jahrtausend erwähnen und kämen damit an keine Ende,
denn der Geist drängt immer vorwärts und immer weiter. Es ist das Wort
des Meisters, das in allen, die ihm nachfolgen, eine große Begeisterung
wecken muß, um dankbar der Vergangenheit zu gedenken, leidenschaftlich
die Gegenwart zu leben und sich vertrauensvoll der Zukunft zu öffnen.58
Wenn wir die Einladung hören, die Johannes Paul II. an die ganze Kirche
gerichtet hat, dann muß das geweihte Leben ganz entschieden wieder von

2.10 Page 20

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Christus ausgehen, indem es dessen Angesicht betrachtet und die Wege der
Spiritualität als Wege des Lebens, der Pädagogik und der Pastoral
bevorzugt: »Die Kirche wartet auch auf euren Beitrag, Brüder und
Schwestern des geweihten Lebens, um auf dieser langen Wegstrecke
gemäß den Richtungsweisungen voranzugehen, die ich im Apostolischen
Schreiben Novo millennio ineunte aufgezeigt habe: das Antlitz Jesu
betrachten, von ihm neu ausgehen, seine Liebe bezeugen«.59 Nur dann
wird das geweihte Leben neue Lebenskraft finden, um sich in den Dienst
der ganzen Kirche und der ganzen Menschheit zu stellen.
Dritter Teil
DAS GEISTLICHE LEBEN AN ERSTER STELLE
20. Das geweihte Leben ist, wie jede christliche Lebensform, von seiner
Natur her dynamisch, und wer vom Geist gerufen ist, es für sich zu
übernehmen, bedarf einer ständigen Erneuerung in seinem Wachsen zur
vollkommenen Gestalt des Leibes Christi (vgl. Eph 4, 13). Es ist aus dem
schöpferischen Impuls des Geistes hervorgegangen, der die Gründer und
Gründerinnen auf den Weg des Evangeliums gewiesen und eine
wunderbare Vielfalt von Charismen hervorgerufen hat. Sie waren es, die
sich in wacher Verfügbarkeit führen ließen und Christus aus größerer Nähe
gefolgt sind; sie sind in seine innerste Vertrautheit vorgedrungen und
haben seine Sendung in vollem Maße geteilt.
Ihre Erfahrung des Geistes will nicht nur von denen bewahrt werden, die
ihnen nachgefolgt sind, sondern will weiter vertieft und entfaltet werden.60
Auch heute fordert der Heilige Geist Verfügbarkeit und Fügsamkeit für
sein stets neues und kreatives Wirken. Er allein vermag die Frische und die
Ursprünglichkeit der Anfänge zu bewahren und kann gleichzeitig
Unternehmungsmut und Erfindungsmut einflößen, um auf die Zeichen der
Zeit zu antworten.
Man muß sich also vom Geist zur immer wieder neuen Entdeckung Gottes
und seines Wortes hinführen lassen, zu einer brennenden Liebe zu ihm und
zur Menschheit, zu einem neuen Verständnis des geschenkten Charismas.
Es geht darum, nach einer im tiefsten Sinn des Wortes verstandenen
Spiritualität zu streben, d.h. nach einem Leben aus dem Geist. Das
geweihte Leben braucht heute vor allem einen spirituellen Auftrieb, der
dazu hilft, im konkreten Alltag den evangelischen und geistlichen Sinn der
Taufweihe und seiner neuen und besonderen Weihe wirksam werden zu
lassen.
»Das geistliche Leben muß also im Programm der Familien des geweihten
Lebens an erster Stelle stehen, so daß jedes Institut und jede Kommunität
sich als Schule einer echten evangeliumsgemäßen Spiritualität
darstellen«.61 Wir müssen zulassen, daß der Geist die Quellen lebendigen
Wassers, die in Christus entspringen, in Überfülle erschließe. Der Geist ist
es, der uns in Jesus von Nazareth den Herrn erkennen läßt (vgl. 1Kor 12,
3), der in seine Nachfolge ruft und bewirkt, daß wir uns mit ihm

3 Pages 21-30

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3.1 Page 21

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identifizieren: »Wer aber den Geist Christi nicht hat, der gehört nicht zu
ihm« (Röm 8, 9). Er ist es, der uns zu Söhnen im Sohne macht. Er ist es,
der die Vaterschaft Gottes bezeugt, der uns unserer Sohnschaft bewußt
werden und uns rufen läßt »Abba, Vater« (Röm 8, 15). Er ist es, der Liebe
einflößt und Gemeinschaft schafft. Letztlich verlangt das geweihte Leben
nach einem neuen Streben nach einer Heiligkeit, die in der Schlichtheit des
Lebensalltags den Radikalismus der Bergpredigt62 und eine
anspruchsvolle Liebe im Auge hat, die in einer persönlichen Beziehung
zum Herrn, in geschwisterlicher Gemeinschaft und im Dienst an jedem
Menschen gelebt wird. Eine solche innere Erneuerung, die ganz von der
Kraft des Geistes durchdrungen und auf den Vater in der Suche nach
dessen Reich ausgerichtet ist, wird es den geweihten Personen
ermöglichen, neu von Christus auszugehen und Zeugen seiner Liebe zu
sein.
Der Ruf, in der Spiritualität die eigenen Wurzeln und
Lebensentscheidungen neu zu finden, öffnet auf die Zukunft hin. Es geht
vor allem darum, die Theologie der Evangelischen Räte, ausgehend vom
Vorbild des trinitarischen Lebens in ganzer Fülle und gemäß den
Richtungsweisungen von Vita consecrata63 zu leben, verbunden mit einer
neuen Gelegenheit, sich an den Quellen der eigenen Charismen und den
eigenen Konstitutionstexten zu messen, immer bereit für neue und
anspruchsvollere Auslegungen. Die dynamische Bedeutung der
Spiritualität bietet einen Anlaß, in dieser Zeit der Kirche eine stärker
kirchen- und gemeinschaftsbezogene Spiritualität zu vertiefen, die
anspruchsvoller und reifer ist in der gegenseitigen Hilfe zur Erreichung der
Heiligkeit, und viel hochherziger in der Wahl der apostolischen
Tätigkeiten. Letztlich ist es eine offenere Spiritualität, die innerhalb des
geweihten Lebens und in dessen Ausstrahlung zu einer Pädagogik und zu
einer Pastoral der Heiligkeitwerden kann, zum Wohl des ganzen
Gottesvolkes. Der Heilige Geist ist die Seele und der Animator der
christlichen Spiritualität, weshalb man sich seinem Wirken anheimgeben
muß, das in den Herzen beginnt, in der Gemeinschaft offenbar wird und
sich in der Sendung ausbreitet.
Von Christus ausgehen
21. Man muß wieder kraftvoll einen Weg der Umkehr und der Erneuerung
einschlagen, wie es in der Ursprungserfahrung der Apostel vor und nach
der Auferstehung einen Neuaufbruch von Christus aus gab. Ja, man muß
wieder bei Christus beginnen, denn von ihm sind die ersten Jünger in
Galiläa ausgegangen; von ihm sind auf den Wegen der Geschichte die
Männer und Frauen jeder Schicht und Kultur ausgegangen, die — vom
Geist durch die Berufung geweiht — seinetwegen Familie und Heimat
verlassen haben, ihm bedingungslos gefolgt sind und zur Verkündigung
des Reiches und zum Einsatz für das Wohl aller bereit waren (vgl. Apg 10,
28).
Das Bewußtsein der eigenen Begrenztheit und Schwäche und gleichzeitig
der Größe der Berufung führte oft dazu, mit Petrus zu sagen; »Herr, geh

3.2 Page 22

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weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch« (Lk 5, 8). Und dennoch
war die Gabe Gottes stärker als das menschliche Unvermögen. Christus
selbst ist in den Gemeinschaften jener gegenwärtig, die sich im Laufe der
Jahrhunderte in seinem Namen versammelt haben, er hat sie nach sich und
nach dem Geist geformt, hat sie auf den Vater hin ausgerichtet, sie durch
die Straßen der Welt zu den Brüdern und Schwestern geführt, hat sie zu
Werkzeugen seiner Liebe und zu Baumeistern des Reiches gemacht,
zusammen mit allen anderen Berufungen in der Kirche.
Die geweihten Personen können und müssen von Christus ausgehen, denn
er selbst ist als erster auf sie zugekommen und begleitet sie auf ihrem Weg
(vgl. Lk 42, 13-22). Ihr Leben ist Verkündigung des Primats der Gnade,64
ohne Christus vermögen sie nichts (vgl. Joh 15, 5); alles aber können sie
in dem, der sie stärkt (vgl. Phil 3, 14).
22. Neu von Christus ausgehen bedeutet zu bekennen, daß das geweihte
Leben eine besondere Nachfolge Christi ist, »lebendige Erinnerung an die
Lebens- und Handlungsweise Jesu als Fleischgewordenes Wort gegenüber
dem Vater und gegenüber den Brüdern und Schwestern«.65 Dies bedingt
eine besondere Liebesgemeinschaft mit dem, der die Mitte des Lebens und
die ständige Quelle jeder Initiative ist. Es ist — wie das Apostolische
Schreiben Vita consecrata sagt — Erfahrung von Austausch, »besondere
Gnade innerer Verbundenheit«,66»Identifizierung mit Ihm, bis zur
Annahme seiner Gesinnung und seiner Lebensweise«;67 es ist ein »von
Christus ergriffenes Leben«,68 ist »ein von der Hand Christi berührtes
Leben, von seiner Stimme erreicht und von seiner Gnade unterstützt«.69
Das ganze Leben der Weihe kann nur von diesem Ansatz her verstanden
werden: die evangelischen Räte machen Sinn, sofern sie dabei helfen, die
Liebe zum Herrn in voller Fügsamkeit in seinen Willen zu bewahren und
zu festigen; das brüderliche Leben begründet sich von jenem her, der um
sich versammelt, und es ist auf die Freude seiner ständigen Gegenwart hin
ausgerichtet; die Sendung ist sein Auftrag und bewegt dazu, sein Antlitz
im Antlitz jener zu suchen, zu denen man gesandt ist, um mit ihnen die
Erfahrung Christi zu tauschen.
Dies waren die Ziele der Gründer der verschiedenen Gemeinschaften und
Institute des geweihten Lebens. Dies waren die Ideale, die Generationen
von geweihten Männern und Frauen bewegt haben.
Neu von Christus ausgehen heißt also, die erste Liebe wiederfinden, den
zündenden Funken, der zur Nachfolge entfacht hat. Ihm kommt der Primat
der Liebe zu. Die Nachfolge ist nur Antwort der Liebe auf die Liebe
Gottes. Wenn »wir lieben«, dann deshalb, »weil er uns zuerst geliebt hat« (
1Joh 4, 10.19). Dies heißt seine persönliche Liebe mit jenem tiefen
Bewußtsein erkennen, das den Apostel Paulus sagen ließ: »Christus hat
mich geliebt und hat sein Leben für mich gegeben« (Gal 2, 20).
Nur das Bewußtsein, selbst Objekt einer unendlichen Liebe zu sein, kann
helfen, jede persönliche Schwierigkeit und die Schwierigkeiten des
Instituts zu überwinden. Die geweihten Personen werden nicht kreativ sein

3.3 Page 23

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können, nicht fähig das Institut zu erneuern und neue pastorale Wege
einzuschlagen, wenn sie sich nicht von dieser Liebe erfüllt sehen. Diese
Liebe ist es, die stark macht und mutig, die Kühnheit einflößt und alles
wagen läßt.
Die Gelübde, durch welche die Geweihten sich zum Leben der
evangelischen Räte verpflichten, konzentrieren ihre ganze Radikalität auf
die Antwort der Liebe. Die Jungfräulichkeit weitet das Herz auf das Maß
des Herzens Christi und befähigt zu einer Liebe, wie er geliebt hat. Die
Armut macht frei von der Sklaverei der Dinge und der künstlichen
Bedürfnisse, zu denen die Konsumgesellschaft verleitet, und läßt Christus
neu entdecken, den einzigen Schatz, für den sich die Mühsal des Lebens
wirklich lohnt. Der Gehorsam legt das Leben völlig in seine Hände, damit
er es gelingen lasse nach dem Plane Gottes und ein Meisterwerk aus ihm
mache. Dazu ist der Mut einer hochherzigen und frohen Nachfolge
erforderlich.
Die »Gesichter« Christi betrachten
23. Der Weg, auf den das geweihte Leben am Beginn des neuen
Jahrtausends gerufen ist, wird von der Betrachtung Christi angeleitet, mit
dem Blick »der mehr denn je auf das Antlitz des Herrn gerichtet ist«.70
Doch wo soll das Antlitz des Herrn konkret betrachtet werden? Es gibt
eine Vielzahl von Formen seiner Gegenwart, die auf immer wieder neue
Weise zu entdecken sind.
Er ist wirklich gegenwärtig in seinem Wort und in den Sakramenten,
vornehmlich in der Eucharistie. Er lebt in seiner Kirche, wird gegenwärtig
in der Gemeinschaft jener, die in seinem Namen versammelt sind. In
jedem Menschen tritt er uns gegenüber und identifiziert sich besonders mit
den Kleinen, den Armen, den Leidenden, den Bedürftigen. In jedem
Ereignis kommt er uns entgegen, sei es froh oder traurig, in Prüfung und
Freude, in Schmerz und Krankheit.
Die Heiligkeit ist die Frucht der Begegnung mit ihm in den vielen Formen
seiner Gegenwart, in denen wir sein Antlitz als Sohn Gottes entdecken
können, ein leidendes Antlitz, und gleichzeitig das Antlitz des
Auferstandenen. So wie er sich im Lebensalltag präsent machte, so ist er
auch heute noch im Alltag gegenwärtig, in dem er weiterhin sein Antlitz
zeigt. Man braucht den Blick des Glaubens, um ihn zu erkennen, einen
Blick, dem das Wort Gottes, das eucharistische Leben, das Gebet und vor
allem die Werke der Liebe vertraut sind, denn nur die Liebe läßt uns das
Geheimnis ganz erkennen.
Wir können an einige privilegierte Orte erinnern, an denen man das Antlitz
Christi betrachten kann für ein erneuertes Bemühen im Leben des Geistes.
Es sind dies die Wege gelebter Spiritualität. Sie sind eine vorrangige
Aufgabe in dieser Zeit, eine Gelegenheit, im Leben und in der täglichen
Erfahrung den geistlichen Reichtum des eigenen Charismas neu zu
verstehen, und zwar in einem neuen Kontakt mit jenen Quellen, die aus

3.4 Page 24

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der Erfahrung des Geistes der Gründer und Gründerinnen den Funken des
neuen Lebens und der neuen Werke als eine besondere neue Deutung des
Evangeliums entspringen ließen, das in jedem Charisma enthalten ist.
Das Wort Gottes
24. Die Spiritualität zu leben heißt vor allem, von der Person Christi
ausgehen, der wahrer Gott und wahrer Mensch ist, der in seinem Wort,
»der ersten Quelle jeder Spiritualität«, gegenwärtig ist, woran Johannes
Paul II. die Geweihten erinnert.71 Die Heiligkeit ist unverständlich, wenn
man nicht von einem neuen Horchen auf das Wort Gottes ausgeht. In Novo
millennio ineunte lesen wir: »Besonders notwendig ist es, daß das Hören
des Wortes zu einer lebendigen Begegnung wird ... die im biblischen Text
das lebendige Wort erfassen läßt, das Fragen an uns stellt, Orientierung
gibt und unser Dasein gestaltet«.72 Gerade dort offenbart sich der Meister
und bildet Herz und Geist. Dort reift die Sicht des Glaubens, und man lernt
die Wirklichkeit und die Ereignisse mit dem Blick Gottes selbst zu sehen,
bis dahin, »den Geist Christi« zu haben (1Kor 2, 16).
Es war der Heilige Geist, der die Gründer und Gründerinnen das Wort
Gottes in einem neuen Licht sehen ließ. Diesem Wort entspringt jedes
Charisma, und jede Ordensregel will sein Ausdruck sein. In Kontinuität
mit den Gründern und Gründerinnen sind deren Schüler auch heute
aufgerufen, das Wort Gottes zur Hand zu nehmen, damit es weiterhin
Leuchte für ihre Schritte und Licht für ihren Weg sei (vgl. Ps118, 105).
Der Heilige Geist wird sie dann in die ganze Wahrheit einführen können
(vgl. Joh 16, 13).
Das Wort Gottes ist Nahrung für das Leben, für das Gebet und für die
tägliche Weihe. Es ist der Anfang der Einigung der Gemeinschaft in der
Einheit des Denkens, ist die Inspiration für die ständige Erneuerung und
für die apostolische Kreativität. Das II. Vatikanische Konzil hat bereits in
der Rückkehr zum Evangelium den ersten großen Beginn der Erneuerung
gesehen.73
Wie in der ganzen Kirche, so hat sich in diesen Jahren auch in den
Gemeinschaften und Gruppen der geweihten Personen ein lebendigerer
und unmittelbarerer Kontakt zum Wort Gottes entwickelt. Dies ist ein
Weg, der weiterhin mit immer neuer Intensität beschritten werden muß.
Der Papst sagte: »Es ist notwendig, daß Ihr nicht müde werdet, in der
Betrachtung der Heilige Schrift, und besonders der heiligen Evangelien zu
verweilen, da sie es sind, die in euch das Fleischgewordene Wort
einprägen«.74
Das geschwisterliche Leben in Gemeinschaft erleichtert auch die
Neuentdeckung der ekklesialen Dimension des Wortes: es anzunehmen, es
zu betrachten, es gemeinsam zu leben, die mit ihm gemachten Erfahrungen
auszutauschen und so voranzuschreiten in einer wirklichen Spiritualität der
Gemeinschaft.

3.5 Page 25

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In diesem Zusammenhang muß an die Notwendigkeit eines ständigen
Bezugs auf die Ordensregel erinnert werden, der verlangt wird, weil in ihr
und in den Konstitutionen »ein Weg der Nachfolge enthalten ist, der von
einem eigenen, von der Kirche beglaubigten Charisma gekennzeichnet
ist«.75 Die Regel übersetzt die spezifische, von den Gründern und
Gründerinnen gegebene Deutung des Evangeliums nicht ohne einen
besonderen Antrieb des Geistes und hilft den Mitgliedern des Instituts,
tatsächlich gemäß dem Wort Gottes zu leben.
Vom Wort genährt, zu neuen Männern und Frauen geworden, frei und
evangelisch, werden die Geweihten im Einsatz für die Evangelisierung
echte Diener des Wortes werden können. So erfüllen sie eine vorrangige
Aufgabe für die Kirche am Beginn des neuen Millenniums: »Es ist
unbedingt nötig, in uns wieder den Schwung des Anfangs dadurch zu
entzünden, daß wir uns von dem glühenden Eifer der apostolischen
Verkündigung, die auf Pfingsten folgte, mitreißen lassen«.76
Gebet und Kontemplation
25. Gebet und Kontemplation sind der Ort, an dem das Wort Gottes
angenommen wird, und gehen gleichzeitig aus dem Hören des Wortes
hervor. Ohne ein inneres Leben der Liebe, das das Wort, den Vater, den
Geist (vgl. Joh 14, 23) an sich zieht, kann es keine Sicht des Glaubens
geben; folglich verliert das eigene Leben schrittweise an Sinn, das Antlitz
der Brüder wird fahl und es ist unmöglich, das Antlitz Christi zu
entdecken; die Ereignisse der Geschichte bleiben unverstädnlich, wenn
nicht gar hoffnungslos, die apostolische und karitative Sendung verkommt
zu Zerstreuung und Aktivismus.
Jede Berufung zum geweihten Leben ist aus der Kontemplation
entstanden, aus Augenblicken intensiv empfundener Gemeinschaft, aus
einer tiefen Freundschaft mit Christus, aus der Schönheit und dem Licht,
das man auf seinem Antlitz leuchten sah. Von hier ausgehend reifte der
Wunsch, immer beim Herrn zu sein — »Herr, es ist gut, daß wir hier sind«
(Mt 17, 4) — und ihm nachzufolgen. Jede Berufung muß in dieser
Intimität mit Christus ständig reifen. Johannes Paul II. erinnert daran und
sagt: »Eure erste Aufgabe liegt deshalb zwangsläufig auf der Linie der
Kontemplation. Jede Wirklichkeit des geweihten Lebens entsteht hier und
erneuert sich täglich in der beständigen Kontemplation des Antlitzes
Christi«.77
Die Mönche und Nonnen, wie auch auf ihre eigene Weise die Eremiten,
widmen dem gemeinsamen Gotteslob als einem fortwährenden Gebet des
Schweigens einen größeren Raum. Die Mitglieder der Säkularinstitute, wie
auch die geweihten Jungfrauen in der Welt, bieten Gott die Freuden und
Leiden, die Hoffnungen und Fürbitten aller Menschen an und betrachten
das Antlitz Christi in der Geschichte, im Apostolat und in der täglichen
Arbeit. Die Ordensleute widmen sich dem Unterricht, den Kranken, den
Armen und begegnen dort dem Antlitz des Herrn. Für die Missionare und
die Mitglieder der Apostolischen Gesellschaften wird die Verkündigung

3.6 Page 26

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des Evangeliums nach dem Vorbild des Apostels Paulus als ein echter
Gottesdienst (vgl. Röm 1, 6) gelebt. Die ganze Kirche freut sich am Segen
der vielfältigen Gebetsformen und an der Vielfalt der Möglichkeiten, das
eine Antlitz Christi zu betrachten.
Gleichzeitig kann man feststellen, daß das Stundengebet und die Feier der
Eucharistie seit Jahren einen zentralen Platz in jeder Form von
geschwisterlicher Gemeinschaft erhalten haben und diesen biblische und
ekklesiale Kraft schenken. Sie fördern auch die gegenseitige Erbauung und
können zu einem Zeugnis dafür werden, daß sie auch vor Gott, und mit
ihm, »ein Haus und eine Schule der Gemeinschaft« sind.78 Ein wahres
geistliches Leben verlangt, daß alle — gleich welcher Form der Berufung
— regelmäßig täglich eine geeignete Zeit dem tiefen und stillen Gespräch
mit Jenem widmen, von dem sie sich geliebt wissen, um mit ihm ihr Leben
auszutauschen und Licht zu empfangen für den weiteren Alltag. Es ist dies
eine Übung, der man treu sein muß, denn ständig sind wir von der
Entfremdung und Zerstreuung der heutigen Gesellschaft bedroht, ganz
besonders von den Kommunikationsmitteln. Zuweilen wird die Treue zum
persönlichen und liturgischen Beten eine echte Anstrengung erfordern, um
nicht im Strudel des Aktivismus unterzugehen. Anders können wir keine
Frucht bringen: »Wie die Rebe nicht von sich aus Frucht bringen kann,
wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in
mir bleibt« (Joh 15, 4).
Die Eucharistie als der bevorzugte Ort der Begegnung mit dem Herrn
26. Der Spiritualität einen bevorzugten Platz einräumen heißt, von der
wiedergefundenen Zentralität der Feier der Eucharistie auszugehen, dem
privilegierten Ort der Begegnung mit dem Herrn. Dort wird er aufs neue
inmitten seiner Jünger gegenwärtig, erklärt die Schrift, erwärmt das Herz,
erleuchtet den Geist, öffnet die Augen und gibt sich zu erkennen (vgl. Lk
24, 13-35). Die Einladung Johannes Pauls II. an die Geweihten ist
besonders eindringlich: »Meine Lieben, begegnet ihm und betrachtet ihn
auf ganz besondere Weise in der täglich gefeierten und angebeteten
Eucharistie als der Quelle und dem Höhepunkt des Lebens und des
apostolischen Wirkens«.79 Im Apostolischen Schreiben Vita consecrata
ruft er zur täglichen Teilnahme am Sakrament der Eucharistie und zu deren
beständigen und anhaltenden Anbetung auf.80 Als Gedächtnis des
Opfertodes des Herrn und als Herz im Leben der Kirche und jeder
Gemeinschaft gestaltet die Eucharistie von innen her die erneuerte
Hingabe der eigenen Existenz, den gemeinschaftlichen Lebensplan und die
apostolische Sendung. Wir alle brauchen diese tägliche Wegzehrung der
Begegnung mit dem Herrn, um unsere Alltäglichkeit in die Zeit Gottes
einzufügen, der durch die Gedächtnisfeier der österlichen memoria des
Herrn gegenwärtig wird.
Hier kann die Intimität mit Christus in Fülle gelebt werden, das
Gleichwerden mit ihm, die vollständige Gleichförmigkeit mit ihm, zu der
die Geweihten berufen sind.81 In der Eucharistie verbindet Christus uns

3.7 Page 27

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tatsächlich mit sich selbst in seiner österlichen Hingabe an den Vater: wir
opfern und sind selbst Geopferte. Die Weihe zum Ordensleben selbst
nimmt eucharistische Züge an: sie ist eine völlige Hingabe seiner selbst
und ist aufs engste mit dem eucharistischen Opfer verbunden.
Hier treffen alle Formen des Gebets zusammen, hier wird das Wort Gottes
verkündet und angenommen, hier sind wir aufgerufen zu einer Beziehung
zu Gott, mit den Brüdern und mit allen Menschen: es ist das Sakrament
der Kindschaft, der Geschwisterlichkeit und der Sendung.
Als Sakrament der Einheit in Christus ist die Eucharistie gleichzeitig
Sakrament der kirchlichen Einheit und der Einheit der Geweihten.
Letztlich erscheint sie als die »Quelle der Spiritualität für den einzelnen
und für das Institut«.82
Damit die Eucharistie aber die erhofften Früchte der Gemeinschaft und der
Erneuerung in Fülle erbringe, dürfen die wesentlichen Voraussetzungen
nicht fehlen, vor allem die gegenseitige Vergebung und die gegenseitige
Liebe. Bevor wir die Opfergabe zum Altar bringen, ist nach der Weisung
des Herrn die völlige Aussöhnung mit dem Bruder gefordert (vgl. Mt 5,
23). Man kann nicht das Sakrament der Einheit feiern und dabei sich
gegenseitig gleichgültig bleiben. Man muß ferner auch bedenken, daß
diese wesentlichen Voraussetzungen auch die Frucht und das Zeichen für
eine würdig gefeierte Eucharistie sind. Denn vor allem aus der
Gemeinschaft mit dem eucharistischen Herrn schöpfen wir die Fähigkeit,
unseren Einsatz für unsere Verlebendigung in der gegenseitigen Annahme
und im Dienst zu erneuern. Dann gilt für die Feier der Eucharistie
tatsächlich und auf hervorragende Weise die Verheißung Christi: »Wo zwei
oder drei in meinem Namen beisammen sind, bin ich mitten unter ihnen«
(Mt 18, 20), und in Verbindung mit ihr erneuert sich die Gemeinschaft Tag
für Tag.
Unter solchen Bedingungen wird die Gemeinschaft der Geweihten, die das
in der Eucharistie täglich erneuerte Ostergeheimnis feiert, zum Zeugnis für
Gemeinschaft und zum prophetischen Zeichen der Geschwisterlichkeit
angesichts einer gespaltenen und verwundeten Gesellschaft. Aus der
Eucharistie entsteht jene Spiritualität der Gemeinschaft, die notwendig ist
für die Durchführung des Dialogs der Liebe, dessen die Welt so sehr
bedarf.83
Das Antlitz Christi in der Prüfung
27. Die Spiritualität in einem ständigen Neubeginn von Christus aus zu
leben bedeutet, immer vom Höhepunkt seiner Liebe auszugehen — und
die Eucharistie bewahrt deren Geheimnis — wenn er am Kreuz sein Leben
in einer höchsten Hingabe darbringt. Die durch Gelübde Geweihten
können gar nicht anders, als die Kontemplation des Antlitzes des
Gekreuzigten zu pflegen.84 Es ist das Buch, in dem sie lernen, was Liebe
ist und wie Gott und die Menschheit zu lieben sind, die Quelle aller

3.8 Page 28

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Charismen und die Synthese aller Berufungen.85 Die Weihe als
Ganzhingabe und vollkommenes Opfer ist die vom Geist angeregte Weise
der Neubelebung des Geheimnisses vom gekreuzigten Christus, der in die
Welt kam, um sein Leben als Lösegeld für viele zu geben (vgl.Mt 20, 28;
Mk 10, 45), und um auf dessen unendliche Liebe zu antworten.
Die Geschichte des geweihten Lebens hat diese Angleichung an Christus
in vielerlei asketischen Formen ausgedrückt, »die eine wahre Hilfe für
einen echten Weg der Heiligkeit waren und sind. Die Askese ... ist für die
Personen des geweihten Lebens wirklich unentbehrlich, um ihrer Berufung
treu zu bleiben und Jesus auf dem Kreuzweg zu folgen«86 Heute bewahren
die geweihten Personen zwar die Erfahrung der Jahrhunderte, aber sie sind
gerufen, zeitgemäße Formen zu finden, die unserer Zeit angemessen sind.
In erster Linie jene, die die Mühe der apostolischen Arbeit begleiten und
die Hochherzigkeit des Einsatzes gewährleisten. Heute kann das Kreuz,
das täglich anzunehmen ist (vgl. Lk 9, 23), auch eine
gemeinschaftsbezogene Wertigkeit erhalten, wie Überalterung des
Instituts, unzureichende Strukturen, unsichere Zukunft.
Angesichts all dieser schmerzlichen persönlichen wie
gemeinschaftsbezogenen und sozialen Situationen kann der Schrei Jesu am
Kreuz im Herzen der einzelnen Personen oder in jenem ganzer
Gemeinschaften vernommen werden: »Warum hast du mich verlassen?«
(Mk 15, 34). In diesem an den Vater gerichteten Schrei gibt Jesus zu
verstehen, daß seine Solidarität mit der Menschheit derart radikal
geworden ist, daß sie alles Negative, bis hin zu Sünde und Tod,
durchdringt, teilt und selbst annimmt, bis hin zum Tod, der die Frucht der
Sünde ist.. »Um den Menschen das Angesicht des Vaters zurückzugeben,
mußte Jesus nicht nur das Gesicht des Menschen annehmen, sondern sich
sogar das »Gesicht« der Sünde aufladen«.87
Neu von Christus ausgehenbedeutet anerkennen, daß die Sünde noch
immer im Herzen und im Leben aller radikal gegenwärtig ist, und es
bedeutet, im leidenden Antlitz Christi jene Hingabe zu erkennen, die die
Menschheit mit Gott versöhnt hat.
Auf dem Weg der Geschichte der Kirche verstanden es die Geweihten, das
leidende Antlitz des Herrn auch außerhalb ihrer selbst zu betrachten. Sie
erkannten es in den Kranken, den Gefangenen, den Armen, den Sündern.
Ihr Kampf war vor allem gegen die Sünde und deren verheerende Folgen
gerichtet. Die Verkündigung Jesu: »Bekehrt euch und glaubt dem
Evangelium« (Mk 1, 15) hat ihre Schritte auf die Straßen der Menschen
gelenkt und dort Hoffnung auf neues Leben geschenkt, wo Mutlosigkeit
und Tod herrschen. Ihr Dienst hat so viele Männer und Frauen dazu
gebracht, im Bußsakrament die Erfahrung der barmherzigen Umarmung
des Vaters zu machen. Auch heute muß man diesen Dienst der Versöhnung
(vgl. 2Kor 5, 18), den Jesus Christus seiner Kirche anvertraut hat, mit
Nachdruck neu anbieten. Es ist das mysterium pietatis,88 dessen häufige
Erfahrung die Geweihten im Sakrament der Buße zu machen eingeladen
sind.

3.9 Page 29

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Neue Gesichter zeigen sich heute, in denen das Antlitz Christi dort
wiedererkannt, geliebt und gepflegt sein will, wo er heute anwesend ist: es
sind die neuen Formen materieller, moralischer und spiritueller Armut, die
die heutige Gesellschaft hervorbringt. Der Schrei Jesu am Kreuz verrät,
wie er all dieses Leid auf sich genommen hat, um es zu erlösen. Die
Berufung der geweihten Personen ist eine Fortführung der Berufung Jesu,
und wie er nehmen sie das Leid und die Sünde der Welt auf sich und
vollenden sie in der Liebe.
Die Spiritualität der communio
28. Wenn »das geistliche Leben im Plan der Familien des geweihten
Lebens an erster Stelle stehen muß«,89 dann wird es vor allem eine
Spiritualität der communio sein müssen, wie es dem gegenwärtigen
Zeitpunkt angemessen ist: »Die Kirche zum Haus und zur Schule der
communio machen, darin liegt die große Herausforderung, die in
dem beginnenden Jahrtausend vor uns steht, wenn wir dem Plan Gottes
treu sein und auch den tiefgreifenden Erwartungen der Welt entsprechen
wollen«.90
Auf diesem Weg der ganzen Kirche wird vom geweihten Leben, kraft
dessen spezifischer Berufung zu einem Leben der Gemeinschaft in der
Liebe, ein entscheidender Beitrag erwartet. So sagt Vita consecrata: »Von
den Personen des geweihten Lebens wird erwartet, daß sie tatsächlich
Experten der Gemeinschaft sind und deren Spiritualität leben als Zeugen
und Baumeister jenes Planes von Gemeinschaft, der nach Gottes Willen
am Höhepunkt der Geschichte des Menschen steht«.91
Es sei auch daran erinnert, daß es eine Aufgabe der heutigen
Gemeinschaften des geweihten Lebens ist, »die Spiritualität vor allem
innerhalb der eigenen Gemeinschaft, und dann auch in der kirchlichen
Gemeinschaft und über deren Grenzen hinaus dadurch zu stärken, daß es
vor allem dort, wo die heutige Welt von Rassenhaß oder mörderischem
Wahn zerrissen ist, den Dialog der Liebe eröffnet bzw. immer wieder
aufnimmt«.92 Eine Aufgabe, die spirituelle Persönlichkeiten voraussetzt,
die innerlich vom Gott der liebevollen und barmherzigen Gemeinschaft
geprägt sind, sowie reife Gemeinschaften, in denen die Spiritualität der
communio Lebensnorm ist.
29.Doch was ist Spiritualität der communio? Mit einprägsamen Worten,
die fähig sind, Beziehungen und Programme zu erneuern, sagt Johannes
Paul II.: »Spiritualität der Gemeinschaft bedeutet vor allem, den Blick des
Herzens auf das Geheimnis der Dreifaltigkeit zu lenken, das in uns wohnt
und dessen Licht auch auf dem Angesicht der Brüder und Schwestern
neben uns wahrgenommen werden muß.« Und Weiter: »Spiritualität der
Gemeinschaft bedeutet zudem die Fähigkeit, den Bruder und die
Schwester im Glauben in der tiefen Einheit des mystischen Leibes
erkennen, d.h.: es geht um einen der zu mir gehört...« Aus diesem Prinzip
folgen mit zwingender Logik einige Folgerungen betreffs des Fühlens und

3.10 Page 30

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Handelns: die Freuden und Leiden des Bruders teilen; seine tiefen
Wünsche erahnen und sich seiner Bedürfnisse annehmen; eine echte und
tiefe Freundschaft anbieten. Spiritualität der Gemeinschaft ist auch die
Fähigkeit, vor allem das Positive im anderen zu sehen, um es als
Gottesgeschenk anzunehmen und zu schätzen; heißt schließlich, dem
Bruder Raum geben können, indem einer des anderen Last trägt. Ohne
diesen geistlichen Weg würden die äußeren Mittel der Gemeinschaft recht
wenig nützen.93
Die Spiritualität der Gemeinschaft stellt sich auch als ein spirituelles
Klima der Kirche am Beginn des dritten Jahrtausends dar, als eine aktive
und beispielhafte Aufgabe des geweihten Lebens auf allen Ebenen. Es ist
der wichtigste Weg in eine Zukunft, die Leben und Zeugnis bedeutet. Die
Heiligkeit und die Sendung führen über die Gemeinschaft, weil Christus in
ihr und durch sie gegenwärtig wird. Der Bruder und die Schwester werden
zum Sakrament Christi und der Begegnung mit Gott, werden zur
konkreten Möglichkeit und, mehr noch, zur unverzichtbaren
Notwendigkeit, um das Gebot der gegenseitigen Liebe und somit der
trinitarischen Liebe zu leben.
In diesen Jahren werden die Gemeinschaften und die verschiedenen
Formen der Fraternitäten der Geweihten immer mehr als Stätten der
Gemeinschaft verstanden, an denen die Beziehungen weniger formal und
die gegenseitige Annahme und das Verständnis leichter sind. Man entdeckt
auch wieder den göttlichen und menschlichen Wert des Beisammensein als
Geschenk, wie die Jünger bei Christus waren, dem Meister, in
Freundschaft, und wo auch Augenblicke der Entspannung und der
Unterhaltung gemeinsam sind.
Eine intensivere Gemeinschaft wird auch unter den verschiedenen
Gemeinschaften innerhalb der Institute festgestellt. Die multikulturellen
und internationalen Gemeinschaften, die »berufen sind den Sinn für die
Gemeinschaft unter den Völkern, Rassen und Kulturen zu bezeugen«,94
sind vielerorts bereits positive Wirklichkeit, wo gegenseitige Kenntnis,
Respekt, Wertschätzung und Bereicherung erlebt wird. Es gibt Orte der
Einübung der Integration und der Inkulturation und gleichzeitig des
Zeugnisses der Universalität der christlichen Botschaft.
Das Apostolische Schreiben Vita consecrata stellt diese Lebensform als
ein Zeichen der Gemeinschaft innerhalb der Kirche vor und weist auf den
ganzen Reichtum und die Erfordernisse des brüderlichen Lebens hin.
Zuvor hatte unser Dikasterium das Dokument Congregavit nos in unum
Christi amor über das Geschwisterliche Leben in Gemeinschaft
verabschiedet. Auf diese Dokumente sollte jede Gemeinschaft regelmäßig
zurückgreifen, um den eigenen Glaubensweg und den Fortschritt in der
Brüderlichkeit zu überprüfen.
Communio zwischen den alten und neuen Charismen
30.Die Communio, welche die geweihten Männer und Frauen zu leben

4 Pages 31-40

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4.1 Page 31

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gerufen sind, greift weit über die eigene Ordensfamilie oder das eigene
Institut hinaus. Wenn sie sich der Communio mit anderen
Instituten und anderen Formen der Weihe öffnen, können sie die
Gemeinschaft ausweiten, die gemeinsamen evangelischen Wurzeln neu
entdecken und miteinander mit größerer Klarheit die Schönheit der
eigenen Identität innerhalb der Verschiedenheit der Charismen als Zweige
des einen Rebstocks erkennen. Sie müßten eigentlich wetteifern in der
gegenseitigen Wertschätzung (vgl. Röm 12, 10), um das beste Charisma zu
erreichen, die Liebe (vgl. 1Kor 12, 31).
Begegnung und Solidarität unter den Instituten des geweihten Lebens sind
also zu fördern im Bewußtsein, daß die Gemeinschaft »eng verbunden ist
mit der Fähigkeit der christlichen Gemeinschaft, allen Gaben des Geistes
Raum zu geben. Die Einheit der Kirche bedeutet nicht Einförmigkeit,
sondern organische Integration der legitimen Verschiedenheiten. Es geht
um die Wirklichkeit, daß die vielen Glieder in einem Leib verbunden sind,
dem einzigen Leib Christi (vgl. 1Kor 12, 12)«.95
Dies kann der Beginn einer solidarischen Suche nach gemeinsamen Wegen
für den Dienst der Kirche sein. Äußere Faktoren, wie die Notwendigkeit
der Anpassung an die Bedingungen der Staaten, und institutsinterne
Gründe, wie der Rückgang der Mitglieder, führen im Bereich der
Ausbildung, der Güterverwaltung, der Erziehung, der Evangelisierung
bereits zu einer Koordination der Anstrengungen. Auch in solchen
Situationen können wir die Einladung des Geistes zu einer intensiveren
Gemeinschaft erkennen. Bei dieser Arbeit werden die Konferenzen der
Höheren Oberen und Oberinnen und die Konferenzen der Säkularinstitute
auf allen Ebenen unterstützt.
Man kann die Zukunft nicht mehr von der Zerstreuung aus angehen. Man
muß Kirche sein, gemeinsam das Abenteuer des Geistes und der
Nachfolge Christi leben, die Erfahrungen des Evangeliums austauschen,
die Gemeinschaft und die Ordensfamilie des anderen lieben lernen wie die
eigene. Die Freuden und Leiden, die Sorgen und Erfolge können geteilt
werden und gehören allen.
Auch angesichts der neuen Formen des evangelischen Lebens sind Dialog
und Austausch gefordert. Vita consecrata erinnert daran, daß diese neuen
Vereinigungen eines Lebens nach dem Evangelium »keine Alternativen
(sind) zu den früheren Institutionen, die weiter einen hervorragenden Platz
einnehmen, den die Überlieferung ihnen eingeräumt hat. (...) Die alten
Institute, von denen viele zwar härteste Prüfungen durchgemacht, aber
sich Jahrhunderte lang tapfer gehalten haben, können eine Bereicherung
erfahren, wenn sie mit den in unserer Zeit anstehenden Gründungen den
Dialog aufnehmen und Gaben austauschen«.96
Begegnung und Gemeinschaft mit den Charismen der ekklesialen
Bewegungen können schließlich eine gegenseitige Bereicherung bewirken.
Die Bewegungen können oft ein Beispiel für evangelische und
charismatische Frische sowie einen hochherzigen und kreativen Impuls zur
Evangelisierung geben. Wie die neuen Formen evangelischen Lebens, so

4.2 Page 32

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können auch sie viel vom frohen, treuen und charismatischen Zeugnis des
geweihten Lebens lernen, das ein reiches geistliches Erbe, vielfältige
Schätze an Weisheit und Erfahrung sowie eine große Vielfalt von
Möglichkeiten des Apostolats und der Mission bewahrt.
Unser Dikasterium hat bereits Kriterien und Richtlinien angeboten, die für
die Einbindung der Ordensleute in die kirchlichen Bewegungen heute
noch Gültigkeit besitzen.97 Was wie hier betonen möchten betrifft die
Kenntnis und Zusammenarbeit, die gegenseitige Anregung und den
Austausch, die nicht nur zwischen einzelnen Personen, sondern auch
zwischen den Instituten, den kirchlichen Bewegungen und den neuen
Formen geweihten Lebens im Blick auf ein Wachsen im Geiste und auf die
Erfüllung der einen Sendung der Kirche gepflegt werden können. Es
handelt sich um Charismen, die aus dem Impuls des Geistes selbst
entsprungen und auf die Fülle des evangelischen Lebens in der Welt
ausgerichtet sind, um gemeinsam den Plan Gottes zum Heil der
Menschheit zu erfüllen. Die Spiritualität der Gemeinschaft realisiert sich
gerade auch in diesem weiten Dialog der evangelischen Brüderlichkeit
zwischen allen Teilen des Gottesvolkes.98
Communio mit den Laien
31. Die Erfahrung der Communio unter den Geweihten führt zu einer noch
größeren Öffnung, nämlich jener auf alle übrigen Glieder der Kirche hin.
Das Gebot der gegenseitigen Liebe, das innerhalb der Gemeinschaft
erfahren wird, will von der persönlichen Ebene auf jene der verschiedenen
kirchlichen Realitäten übertragen werden. Nur in einer ganzheitlichen
Ekklesiologie, in der die verschiedenen Berufungen innerhalb des einen
Volkes von Berufenen entstehen, kann die Berufung zum geweihten Leben
ihre spezifische Identität als Zeichen und als Zeugnis wiederfinden. Immer
mehr wird heute die Tatsache entdeckt, daß die Charismen der Gründer
und Gründerinnen, die vom Geist für das Wohl aller erweckt wurden, aufs
neue in den Mittelpunkt der Kirche gebracht werden müssen, in Offenheit
für die communio und für die Mitbeteiligung aller Glieder des
Gottesvolkes.
Auf dieser Linie können wir auch das Entstehen einer neuen Form von
communio und Zusammenarbeit innerhalb der verschiedenen Berufungen
und Lebensstände feststellen, besonders zwischen Geweihten und Laien.99
Die Mönchsorden und die Kontemplativen können den Laien einen
vorwiegend spirituellen Kontakt und die nötigen Räume des Schweigens
und des Gebets anbieten. Die apostolisch tätigen Institute können sie in
verschiedene Formen pastoraler Aktivität einbeziehen. Die Mitglieder von
Säkularinstituten, seien sie Laien oder Kleriker, treten mit den übrigen
Gläubigen in den gewöhnlichen Formen des Alltags in Beziehung.100
Neu ist in diesen Jahren vor allen die Bitte einiger Laien, an den
charismatischen Idealen der Institute teilzuhaben. Daraus sind interessante
Initiativen und neue institutionelle Formen von Vereinigungen der Institute

4.3 Page 33

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entstanden. Wir erleben einen echten Frühling althergebrachter
Institutionen wie Säkularorden oder Dritte Orden, sowie das Entstehen
neuer laikaler Verbände und Bewegungen im Umfeld der Ordensfamilien
und der Säkularinstitute. Wenn, wie in der Vergangenheit, die
Zusammenarbeit zuweilen auf der Linie des Ersatzes für den Mangel an
den für ein Apostolat notwendigen Ordensleuten geschah, so entsteht nun
das Bedürfnis, die Verantwortungen nicht nur hinsichtlich der Führung der
Werke des Instituts zu teilen, sondern vor allem mit dem Ziel, Aspekte und
Zeiten zu leben, die zur Besonderheit der Spiritualität und der Sendung des
Instituts gehören. Für eine gegenseitige und bereichernde Zusammenarbeit
ist also eine angemessene Ausbildung der Geweihten wie der Laien
wünschenswert.
Wenn es zu anderen Zeiten vor allem die Ordensleute waren, die neue
Formen von Laienverbänden geschaffen, geistlich genährt und geleitet
haben, kann heute dank der immer besseren Ausbildung der Laien eine
gegenseitige Hilfe bereitgestellt werden, die das Verständnis der
Besonderheit und der Schönheit eines jeden Lebensstandes fördert.
Gemeinschaft und Gegenseitigkeit sind in der Kirche nie eine
Einbahnstraße. Weit davon entfernt, sich gegenseitig zu ignorieren oder
sich lediglich im Blick auf gemeinsame Aktivitäten zu organisieren,
können Priester und Ordensleute in diesem neuen Klima kirchlicher
Communio die rechte Beziehung von Gemeinschaft und eine neue
Erfahrung evangelischer Brüderlichkeit und gegenseitigen charismatischen
Wetteifers wiederfinden, und dies in einer gegenseitigen Ergänzung, die
die Unterschiede achtet.
Eine solche ekklesiale Dynamik wird in vollem Umfang auch zum Nutzen
der Erneuerung und der Identität des geweihten Lebens sein. Wenn sich
das Verständnis des Charismas vertieft, finden sich immer neue
Möglichkeiten der Verwirklichung.
Communio mit den Hirten
32. In dieser Beziehung kirchlicher communio mit allen Berufungen und
Lebensständen ist ein ganz besonderer Aspekt jener der Einheit mit den
Hirten. Ohne eine wirksame und emotionale Verbindung mit den Hirten,
vor allem mit dem Papst als dem Zentrum der Kirche, und mit dessen
Lehramt, würde man vergeblich behaupten, eine Spiritualität der
Gemeinschaft zu pflegen.
Gerade die konkrete Verwirklichung des sentire cum Ecclesia, das ein
Wesenzug aller Gläubigen ist,101 leuchtet besonders in den Gründern und
Gründerinnen des geweihten Lebens auf und wird zu einer
charismatischen Aufgabe für die Institute. Man kann das Antlitz Christi
nicht betrachten, wenn man es nicht auch in seiner Kirche strahlen sieht.
Christus lieben heißt: die Kirche in ihren Personen und Einrichtungen
lieben.
Angesichts der üblichen zerstreuenden Kräfte, die fundamentale Prinzipien

4.4 Page 34

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des Glaubens und der katholischen Moral in Zweifel ziehen, sind die
Personen des geweihten Lebens und deren Institutionen heute mehr denn
je aufgerufen, die nahtlose Einheit mit dem Magisterium unter Beweis zu
stellen und sich vor allem überzeugt und freudig zu ihr zu bekennen.
Es ist angebracht zu betonen, was bereits der Papst im Apostolischen
Schreiben Vita consecrata sagte: »Ein Wesensmerkmal dieser kirchlichen
comunio ist das Festhalten mit Herz und Verstand am Lehramt der
Bischöfe, das von allen Personen des geweihten Lebens, besonders jenen,
die in der theologischen Forschung, in der Lehre, im Publikationswesen, in
der Katechese, im Bereich der sozialen Kommunikationsmittel tätig sind,
treu gelebt und vor dem Volk Gottes klar und deutlich bezeugt werden
muß«.102 Gleichzeitig anerkennen sie, daß viele Theologen Ordensleute
sind, und daß viele Forschungseinrichtungen von Instituten des geweihten
Lebens geleitet werden. Sie tragen diese Verantwortung in der Welt der
Kultur auf lobenswerte Weise. Die Kirche blickt mit vertrauensvoller
Aufmerksamkeit auf deren intellektuellen Einsatz angesichts der
Schwierigkeiten und des Affronts, dem das Magisterium heute
gegenübersteht.103
Die kirchlichen Dokumente der vergangenen Jahrzehnte haben ständig den
Auftrag des Konzils aufgegriffen, das die Hirten einlud, die besonderen
Charismen in einer ganzheitlichen Pastoral aufzuwerten. Gleichzeitig
ermutigen sie die Personen des geweihten Lebens, klar und zuversichtlich
die eigenen Vorschläge bezüglich ihrer Präsenz und Arbeit in
Übereinstimmung mit der besonderen Berufung bekannt zu machen und
vorzustellen.
Dies gilt ähnlich auch in der Beziehung zum Diözesanklerus. Der Großteil
der Ordensleute arbeitet täglich mit den Priestern in der Pastoral
zusammen. Es ist also unverzichtbar, alle möglichen Initiativen zu
ergreifen, die zu einer immer besseren Kenntnis und gegenseitigen
Achtung führen.
Nur im Einklang mit der Spiritualität der Gemeinschaft und mit einer
Pädagogik, wie sie in Novo millennio ineunte aufgezeigt ist, wird das
Geschenk, das der Heilige Geist, der durch die Charismen des geweihten
Lebens seiner Kirche macht, erkannt werden. Besonders für das geweihte
Leben gilt auch jene »Wesensgemeinschaft« im Leben der Kirche, die
zwischen dem charismatischen und dem hierarchischen Element besteht
und die Johannes Paul II. wiederholt angesprochen hat, wenn er zu den
neuen ekklesialen Bewegungen sprach.104 Die Liebe und der Dienst in der
Kirche verlangen immer, im Austausch einer gegenseitigen Liebe gelebt
zu werden.
Vierter Teil
ZEUGEN DER LIEBE
Christus erkennen und ihm dienen

4.5 Page 35

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33. Eine durch die evangelischen Räte verwandelte Existenz wird zu
einem prophetischen und stillen Zeugnis, gleichzeitig aber auch zu einem
offenen Protest gegen eine unmenschliche Welt. Sie verpflichtet zur
Entfaltung der Person und weckt eine neue Phantasie der Liebe. Wir
haben dies bei den heiligen Gründergestalten gesehen. Sie äußert sich
nicht nur in der Effektivität des Dienstes, sondern vor allem in der
Fähigkeit, mit den Leidenden solidarisch zu werden, so daß die hilfreiche
Tat als eine Mitteilung der Brüderlichkeit empfunden wird. Diese Form
der Evangelisierung, die sich in der Liebe und in der Hingabe an die
Werke erfüllt, sichert den Worten der Liebe eine unmißverständliche
Zeugniskraft.105
Seinerseits stellt das Leben in Gemeinschaft die erste Verkündigung des
geweihten Lebens dar, denn es ist ein wirksames Zeichen und eine
überzeugende Kraft, die zum Glauben an Christus führt. Die Gemeinschaft
also wird selbst zur Mission, ja »die Gemeinschaft erzeugt communio und
stellt sich wesentlich als missionarische Gemeinschaft«106 dar. Die
Gemeinschaften wollen wieder Christus auf den Wegen der Geschichte des
Menschen nachfolgen,107 mit einem apostolischen Einsatz und einem
Lebenszeugnis, das dem eigenen Charisma entspricht.108»Wer Christus
wirklich begegnet ist, kann ihn nicht für sich behalten, er muß ihn
verkündigen. Ein neuer apostolischer Aufbruch tut not, der als tägliche
Aufgabe der christlichen Gemeinden und Gruppen gelebt werden soll«.109
34. Wenn man von Christus ausgeht wird die Spiritualität der
Gemeinschaft zu einer kraftvollen und gediegenen Spiritualität des
Wirkens der Jünger und Apostel seines Reiches. Für das geweihte Leben
bedeutet dies, sich in den Dienst an den Brüdern einzubringen, in denen
man das Antlitz Christi sieht. In der Ausübung dieser apostolischen
Sendung sind Sein und Tun untrennbar miteinander verbunden, da das
Geheimnis Christi das einzige Fundament jeder pastoralen Tätigkeit
darstellt.110 Der Beitrag der Geweihten zur Evangelisierung »besteht vor
allem im Zeugnis eines Lebens der vollständigen Hingabe an Gott und an
die Brüder und Schwestern in der Nachfolge des Erlösers, der sich aus
Menschenliebe zum Knecht gemacht hat«.111 In der Teilhabe an der
Sendung der Kirche beschränken sich die geweihten Personen nicht
darauf, nur einen Teil ihrer Zeit einzusetzen, sondern das ganze Leben.
In Novo millennio ineunte scheint der Papst in der konkreten Liebe zu den
Armen noch weiter vorwärts drängen zu wollen: »Das Jahrhundert und das
Jahrtausend, die im Anbruch begriffen sind, werden noch sehen müssen —
und es ist wünschenswert, daß sie dies möglichst nachhaltig tun — zu
welcher Hingabe die Liebe zu den Ärmsten fähig ist. Wenn wir wirklich
von der Betrachtung Christi ausgegangen sind, werden wir in der Lage
sein, ihn vor allem im Antlitz derer zu erkennen, mit denen er sich selbst
gern identifiziert hat: »Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben;
ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und
obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt
mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war
im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen« (Mt 25, 35-36). Diese
Aussage ist nicht nur eine Aufforderung zur Nächstenliebe; sie ist ein

4.6 Page 36

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Stück Christologie, das einen Lichtstrahl auf das Geheimnis Christ wirft.
Daran mißt die Kirche ihre Treue als Braut Christi nicht weniger, als wenn
es um die Rechtgläubigkeit geht«.112 Der Papst gibt auch einen konkreten
spirituellen Hinweis, wenn er dazu einlädt, in der Person der Armen eine
besondere Gegenwart Christi zu sehen, die der Kirche eine vorrangige
Entscheidung für sie auferlegt. Durch eine solche vorrangige
Entscheidung müssen auch die Geweihten113 den »Stil der Liebe Gottes,
seine Vorsehung und seine Barmherzigkeit«114bezeugen.
35. Das Feld, auf welches der hl. Vater zur Arbeit einlädt, ist weit wie die
Welt. Indem das geweihte Leben sich diesem Schauplatz nähert »muß es
lernen, seinen Glauben an Christus auf solche Weise zu bekennen, daß er
den Appell, den Christus von dieser Welt der Armut aussendet,
entschlüsselt«.115 Erste Aufgabe jeder apostolischen Tätigkeit wird es sein,
den universalen Atem einer missionarischen Berufung mit der konkreten
Einbindung in einen bestimmten Zusammenhang und in eine Teilkirche in
Einklang zu bringen.
Zu den alten Formen der Armut sind neue hinzugetreten: sinnlose
Verzweiflung, Drogensucht, Verlassenheit in Alter oder Krankheit,
Ausgrenzung und soziale Diskriminierung.116 In ihren alten und neuen
Formen ist die Sendung vor allem ein Dienst an der Würde der Person in
einer entmenschlichten Gesellschaft, denn die erste und größte Armut
unserer Zeit ist die verächtliche Gleichgültigkeit gegenüber den Rechten
der menschlichen Person. Mit der Dynamik der Liebe, der Vergebung und
der Aussöhnung setzten sich die Geweihten für die Erbauung einer
gerechten Welt ein, die neue und bessere Chancen für das Leben und die
Entfaltung der Person bietet. Damit dieser Einsatz wirksam sei, wird die
Haltung eines Armen verlangt, gereinigt von egoistischen Interessen,
bereit zu einem gewaltlosen Friedensdienst, in Solidarität und voller
Anteilnahme am Leid anderer. Eine Art und Weise, die Worte Gottes zu
verkünden und seine Werke so zu tun, wie Jesus es begonnen und wie die
Urkirche es gelebt hat, was mit dem Abschluß des heiligen Jahres oder mit
dem Jahrhundertwechsel (vgl. Lk 4, 15-21) nicht vergessen werden darf,
sondern was mit größerer Eindringlichkeit danach drängt, eine andere
Zukunft in der Liebe zu verwirklichen. Man muß bereit sein, den Preis der
Verfolgung zu bezahlen, denn in unserer Zeit ist der Kampf für
Gerechtigkeit in Über einstimmung mit dem Evangelium die häufigste
Ursache des Martyriums. Johannes Paul II. bekräftigt, daß dieses Zeugnis
»auch in jüngster Zeit in verschiedenen Erdteilen zum Martyrium einiger
eurer Brüder und Schwestern geführt hat«.117
In der Phantasie der Liebe
36. Durch die Jahrhunderte hindurch war die Caritas für die Geweihten
stets jener Bereich, in dem das Evangelium konkret gelebt wurde.
In ihr haben sie die prophetische Kraft ihrer Charismen und den Reichtum
ihrer Spiritualität in der Kirche und in der Welt zur Entfaltung gebracht.118

4.7 Page 37

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Sie verstanden sich ja als dazu gerufen, »Sichtbarwerden der Liebe
Gottes«119 zu sein. Diese Dynamik muß weiterhin in kreativer Treue
wirksam bleiben, denn in der Pastoralarbeit der Kirche ist sie eine durch
nichts zu ersetzende Kraft. In einem Augenblick, da nach einer neuen
Phantasie der Liebe und nach einem echten und glaubwürdigen Beweis
der Liebe des Wortes durch jene der Werke gerufen wird,120 blickt das
geweihte Leben mit Bewunderung auf die apostolische Kreativität, die die
tausenderlei Gesichter der Liebe und der Heiligkeit in ganz spezifischen
Formen erblühen ließ; dennoch ist die Dringlichkeit unverkennbar, mit der
Kreativität des Geistes die Welt weiterhin mit neuen Formen tätiger
evangelischer Liebe für die Bedürfnisse unserer Zeit zu überraschen.
Das geweihte Leben will seine Charismen und Traditionen neu bedenken,
um sie in den Dienst der neuen Fronten der Evangelisation zu stellen. Es
geht darum, den Armen nahe zu sein, den Alten, den Drogenabhängigen,
den Aidskranken, den Vertriebenen und jenen, die besonderer Umstände
wegen jede Form von Leid erfahren. Mit einer Aufmerksamkeit, die auf
die veränderten Modelle achtet — denn eine Betreuung allein genügt nicht
mehr — muß man schauen, die Ursachen dieser Nöte auszurotten. Die
Armut der Völker ist durch die Ambitionen und die Gleichgültigkeit vieler
und durch Strukturen der Sünde verursacht, die auch durch einen
ernsthaften Einsatz im Bereich der Erziehung beseitigt werden müssen.
So viele alte und neue Gründungen führen die Geweihten an Orte, zu
denen andere nicht vordringen können. In diesen Jahren sind Ordensleute
fähig gewesen, die Sicherheiten des schon bekannten zu verlassen und sich
auf unbekannte Gebiete und Betätigungen hin auszurichten. Dank ihrer
völligen Weihe sind sie ja frei, um überall dort einzugreifen, wo die
Situation kritisch ist, wie es die jüngsten Gründungen in den neuen
Ländern, die besondere Herausforderungen stellen, beweisen, wobei
gleichzeitig mehrere Ordensprovinzen einbezogen und internationale
Gemeinschaften eingerichtet werden. Mit aufmerksamem Blick und einem
großem Herzen121 haben sie den Ruf so vielen Leids in eine konkrete
Diakonie der Liebe aufgenommen. Überall haben sie ein Band zwischen
der Kirche und Randgruppen, die von der ordentlichen Pastoral nicht
erreicht werden, hergestellt.
Selbst einige Charismen, die längst vergangenen Zeiten zu entsprechen
schienen, erhalten neue Bedeutung in dieser Welt, die Frauenhandel und
Handel mit Kindersklaven kennt, während die Kinder oft Opfer von
Mißbrauch werden und Gefahr laufen, auf der Straße zu enden und in
Kindermilizen rekrutiert zu werden.
Heute herrscht in der Ausübung des Apostolats eine größere Freiheit, eine
bewußtere Ausstrahlung, eine Solidarität, die es versteht, sich durch
Menschennähe auszudrücken, sich ihrer Probleme anzunehmen um dann
in großer Wachheit für die Zeichen der Zeit auf ihre Bedürfnisse zu
antworten. Diese Vermehrung der Initiativen hat bewiesen, wie wichtig
eine gute Planung in der Mission ist, wenn man nicht nur improvisieren,
sondern organisch und effektiv wirken möchte.

4.8 Page 38

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Das Evangelium verkünden
37. Die erste Aufgabe, die mit Energie angegangen werden muß, ist die
Verkündigung Christi an die Heiden. Diese hängt vor allem von den
Geweihten ab, die sich dafür einsetzen, daß die Botschaft des Evangeliums
zur wachsenden Zahl jener gelangt, die es noch nicht kennen. Diese
Sendung steht noch in den Anfängen, und es ist unsere Aufgabe, sie mit
aller Kraft zu verwirklichen.122 Der mutige und von Vertrauen getragene
Einsatz der Missionare und Missionarinnen muß immer besser den
Anforderungen der Inkulturation entsprechen, damit die spezifischen
Werte eines jeden Volkes nicht verdrängt, sondern geläutert und zu ihrer
Vollendung geführt werden.123 In totaler Treue zur Verkündigung des
Evangeliums wird das Christentum des dritten Jahrtausends auch vom
Antlitz so vieler Kulturen und so vieler Völker geprägt sein, in denen es
angenommen und eingewurzelt ist.124
Dem Leben dienen
38. In einer ruhmreichen Tradition üben Geweihte in großer Zahl, vor
allem Frauen, das Apostolat in den Bereichen des Gesundheitswesens aus
und führen dort den barmherzigen Dienst Christi aus. Nach seinem
Beispiel, dem Beispiel des Göttlichen Samariters, sind sie den Leidenden
nahe, um deren Schmerz zu lindern. Ihre Professionalität, die sehr darauf
bedacht ist, die Medizin zu vermenschlichen, öffnet einen Raum für das
Evangelium, das auch die bittersten Erfahrungen des menschlichen Lebens
und Sterbens mit Vertrauen und Güte erfüllt. Darum werden die ärmsten
und verlassensten Patienten in ihrer liebevollen Sorge bevorzugt sein.125
Für die Wirksamkeit des christlichen Zeugnisses ist es wichtig, vor allem
in einigen besonders delikaten und umstrittenen Bereichen die Gründe der
Positionen der Kirche erläutern zu können und vor allem hervorzuheben,
daß es dabei nicht darum geht, den Nichtgläubigen eine bestimmte Sicht
des Glaubens aufzudrängen, sondern darum, die Werte, die in jedem
menschlichen Wesen verwurzelt sind, zu deuten und zu verteidigen.126
Besonders in den Geweihten, die auf diesem Sektor arbeiten, wird die
Liebe dann zu einem Dienst der Aufklärung, damit allerorts jene
Prinzipien beachtet werden, von denen eine menschenwürdige Zivilisation
abhängt.
Die Wahrheit verbreiten
39. Auch die Welt der Erziehung verlangt eine qualifizierte Präsenz der
Geweihten. Im Geheimnis der Menschwerdung liegen die Fundamente
einer Anthropologie, die die eigenen Grenzen und Widersprüchlichkeiten
überschreitet, auf Jesus hin, »den neuen Menschen« (Eph 4, 24; vgl. Kol3,
10). Da der Sohn Gottes wirklicher Mensch geworden ist, kann der
Mensch, in ihm und durch ihn, wirklich Sohn Gottes werden.127

4.9 Page 39

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Dank der besonderen Erfahrung der Gaben des Geistes im ständigen
Hören auf das Wort und in der wachen Unterscheidung, wie auch dank des
reichen Schatzes an erzieherischen Traditionen, die im Laufe der Zeit vom
eigenen Institut angesammelt wurden, sind die Geweihten in der Lage,
eine besonders wirksame Tätigkeit zu entfalten. Dieses Charisma vermag
den Bereichen, die vom evangelischen Geist der Freiheit, Gerechtigkeit
und Liebe durchdrungen sind und in denen die Jugendlichen in ihrem
Reifen in der Menschlichkeit unter der Führung des Geistes gefördert
werden, Lebendigkeit zu verleihen, indem die Heiligkeit gleichzeitig als
erzieherisches Ziel für alle dargestellt wird, für Erzieher wie für
Schüler.128
Innerhalb des geweihten Lebens ist ein neuer kultureller Einsatz zu
fördern, der es gestattet, das Niveau der persönlichen Vorbereitung
anzuheben und zum Dialog zwischen moderner Mentalität und Glaube
vorzubereiten, um auch durch die eigenen akademischen Institutionen eine
Evangelisierung der Kultur zu fördern, die als Dienst an der Wahrheit
verstanden wird.129 In dieser Perspektive erscheint die Präsenz in den
sozialen Kommunikationsmedien mehr als wünschenswert.130 Jede
Anstrengung auf diesem neuen und strategischem Apostolat ist zu
ermutigen, damit die Initiativen in diesem Bereich besser koordiniert und
zu einer höheren Qualität und Effektivität geführt werden.
Die Öffnung für die grossen Dialoge
40. Von Christus aus neu beginnen bedeutet schließlich, ihm dorthin zu
folgen, wohin er selbst mit seinem Heilswirken gegangen ist, und in der
Vielfalt der von ihm eröffneten Horizonte zu leben. Das geweihte Leben
kann sich nicht damit begnügen, in der Kirche und für die Kirche zu leben.
Es erstreckt sich mit Christus auf andere christliche Kirchen hin, auf
andere Religionen, auf alle Menschen, die sich zu keinerlei religiöser
Überzeugung bekennen.
Das geweihte Leben ist also ein Anruf, den eigenen, besonderen Beitrag in
alle großen Dialoge einzubringen, für welche das II. Vatikanische Konzil
die ganze Kirche geöffnet hat. »Engagiert im Dialog mit allen« ist der
bezeichnende Titel des letzten Kapitels von Vita consecrata, gleichsam als
logische Folge des ganzen Apostolischen Schreibens.
41. Das Dokument erinnert vor allem daran, wie die Synode über das
geweihte Leben die tiefe Verbindung von geweihtem Leben und
Ökumenismus ins Licht gerückt hat. »Wenn nämlich die Seele der
Ökumene das Gebet und die Umkehr sind, besteht kein Zweifel, daß die
Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen
Lebens eine besondere Verpflichtung haben, sich dieser Aufgabe zu
widmen.«131 Im Leben der geweihten Personen muß dem ökumenischen
Beten und dem Zeugnis dringend größerer Raum gewidmet werden, damit
die Mauern der Spaltungen und Vorurteile mit der Kraft des Heiligen
Geistes abgebaut werden können. Kein Institut des geweihten Lebens kann

4.10 Page 40

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sich von der Arbeit in diesem Anliegen ausgenommen fühlen.
Wenn Vita consecrata von den Formen des ökumenischen Dialogs spricht,
dann weist es auf die gemeinsame lectio divina, auf die Teilnahme am
gemeinsamen Gebet, in dem der Herr uns seine Gegenwart zusichert (vgl.
Mt 18, 20), als auf eine Möglichkeit hin, die für die Mitglieder von
Ordensgemeinschaften besonders geeignet ist. Freundschaft, Liebe und
Zusammenarbeit in gemeinsamen Unternehmungen des Dienstes und des
Zeugnisses werden die lebendige Erfahrung ermöglichen, wie schön es ist,
wenn Brüder in Eintracht beisammen sind (vgl. Ps 133/132). Nicht
weniger wichtig ist die Kenntnis der Geschichte, der Lehre, der Liturgie,
der karitativen und apostolischen Werke der anderen Christen.132
42. Für den Dialog zwischen den Religionen nennt Vita consecrata zwei
grundlegende Voraussetzungen: das evangelische Zeugnis und die Freiheit
des Geistes. Ferner regt es zu besonderen Hilfen an, wie gegenseitige
Kenntnis, gegenseitigen Respekt, herzliche Freundschaft und gegenseitige
Ehrlichkeit gegenüber den monastischen Bereichen anderer Religionen.133
Ein weiterer Bereich der Zusammenarbeit liegt in der gemeinsamen Sorge
um das menschliche Leben, die sich von Mitleid mit dem physischen und
geistlichen Leid bis zum Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und
Bewahrung der Schöpfung erstreckt.134 Schließlich erinnert Johannes Paul
II. an das Bemühen um die Förderung der Würde der Frau, zu der alle, und
besonders die geweihten Frauen, beitragen müssen als einem besonderen
Bereich der Begegnung mit anderen religiösen Traditionen.135
43. Ferner ist an den Dialog mit jenen zu denken, die keinem besonderen
Glaubensbekenntnis angehören. Die geweihten Personen bieten sich
aufgrund ihrer Lebensentscheidung als bevorzugte Mittler in jener Suche
nach Gott an, die seit jeher das Herz des Menschen umtreibt und ihn zu
den verschiedensten Formen der Spiritualität hinführt. Ihr Gespür für die
Werte (vgl. Phil 4, 8) und die Verfügbarkeit für die Begegnung bezeugen
die Wesensmerkmale einer echten Suche nach Gott. »Darum haben die
Personen des geweihten Lebens die Pflicht, all jenen großzügig Aufnahme
und geistliche Begleitung anzubieten, die vom Durst nach Gott bewegt
sind und sich mit dem Wunsch, die Anforderungen des Glaubens zu leben,
an sie wenden«.136
44.Dieser Dialog öffnet sich notwendigerweise auf die Verkündigung
Christi. In der Gemeinschaft liegt ja die Gegenseitigkeit des Geschenks.
Wenn das Hören auf den anderen echt ist, dann bietet es eine gute
Möglichkeit, die eigene geistliche Erfahrung und die Inhalte der
Frohbotschaft anzubieten, die das geweihte Leben nähren. Man bezeugt so
die Hoffnung, die in uns ist (vgl. Petr. 3, 15). Wir müssen nicht fürchten,
daß das Sprechen über den eigenen Glauben jene beleidigen könne, die
anderen Glaubensüberzeugungen folgen. Es ist dagegen eine Möglichkeit
zur frohen Verkündigung der Gabe, die für alle bestimmt ist und allen
angeboten wird, wenngleich mit dem höchsten Respekt der Freiheit eines
jeden: das Geschenk der Offenbarung des Gottes, der Liebe ist, der »so
sehr die Welt geliebt hat, daß er seinen eingeborenen Sohn hingab« (Joh 3,

5 Pages 41-50

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5.1 Page 41

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16).
Die missionarische Pflicht hindert uns andererseits nicht daran, diesen
Dialog mit einer tiefen inneren Bereitschaft zu beginnen, auch selbst zu
empfangen, denn unter den Schätzen und Grenzen jeder Kultur können die
Geweihten die Samen des Wortes sammeln, in denen sie kostbare Werte
für ihr eigenes Lebens und ihre Sendung erhalten. »Nicht selten erweckt
der Geist, der weht wo er will (Joh 3, 8), in der allgemeinen menschlichen
Erfahrung trotz ihrer vielen Widersprüchlichkeiten Zeichen einer
Gegenwart, die selbst den Jüngern Christi helfen, die Botschaft, deren
Überbringer sie sind, vollkommener zu verstehen«.137
Die heutigen Herausforderungen
45.Angesichts der großen und beunruhigenden Probleme, die die gesamte
Menschheit bei der Vorstellung eines ökologischen Kollapses, der weite
Gebiete des Planeten unwirtlich und menschenfeindlich macht,
beklemmen, kann man unmöglich im Abseits stehen. Die reichen Länder
verbrauchen die Ressourcen in einem Rhythmus, den das System nicht
ausgleichen kann, und bewirken dadurch, daß die armen Länder immer
ärmer werden. Gleichfalls können die Probleme des Friedens nicht
ignoriert werden, der oft vom Schrecken katastrophaler Kriege bedroht
wird.138
Habgier, Vergnügungssucht und Kult der Macht, also jene dreifache
Versuchung, von der die Geschichte gezeichnet ist, stehen am Ursprung
auch der Übel unserer Zeit und können nur überwunden werden, wenn die
evangelischen Werte der Armut, der Keuschheit und des Dienens neu
entdeckt werden.139 Die Ordensleute müssen in Wort und Tat die
Schönheit der Armut im Geiste und der Reinheit des Herzens verkünden
können, die zum Dienst an den Brüdern frei machen, und die Schönheit
des Gehorsams, die den Früchten der Liebe Dauer verleiht.
Wie kann man schließlich der Verachtung der Menschenrechte gegenüber
untätig bleiben?140 Besonderes Gewicht muß einigen Aspekten der
Radikalität des Evangeliums geschenkt werden, die oftmals nicht
verstanden werden, deshalb aber nicht weniger im kirchlichen Programm
der Caritas enthalten sein müssen. Vor allem anderen betrifft dies die
Achtung des Lebens eines jeden Menschenwesens von der Empfängnis bis
zu dessen natürlichem Ende.
In dieser Öffnung auf eine Welt, die so auf Christus hinzuordnen ist, daß
alle Gegebenheiten in IHM ihre ureigenste Bedeutung erhalten, nehmen
die geweihten Laien der Säkularinstitute einen bevorzugten Platz ein: sie
nehmen in den besonderen Gegebenheiten der Welt an der sozialen und
politischen Dynamik teil und flößen ihr kraft ihrer Nachfolge Christi
neuen Wert ein; so wirken sie effektiv für das Reich Gottes. Gerade kraft
ihrer Weihe, die sie ohne äußere Kennzeichen als Laien unter Laien leben,
können sie Salz und Licht auch in solchen Situationen sein, in denen eine

5.2 Page 42

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Erkennbarkeit ihrer Weihe ein Hindernis oder gar eine Ablehnung
bewirken würde.
Vorwärts und nach oben gewandt
46. Auch unter den Geweihten finden sich Wächter des Morgens: die
jungen Männer und Frauen.141 Wir brauchen wirklich mutige Jugendliche,
die sich in der Kraft des Geistes vom Vater gestalten lassen, die zu
Personen werden, die »Christus gleichförmig sind«,142 allen ein klares und
frohes Zeugnis ihrer »besonderen Annahme des Geheimnisses
Christi«143und der besonderen Spiritualität ihres Instituts144 anbieten.
Mögen sie also noch entschiedener als wahre Protagonisten ihrer
Ausbildung anerkannt werden.145 Da sie aus Gründen des
Generationenwechsels die Erneuerung ihrer Institute werden vorantreiben
müssen ist es angebracht, daß sie nach angemessener Vorbereitung
schrittweise Aufgaben der Animation und der Leitung übernehmen. Vor
allem in der Kraft ihrer drängenden Ideale mögen sie gediegene Zeugen
des Strebens nach Heiligkeit werden als dem »höchsten Maßstab« des
christlichen Seins.146
Auf die Unbedingtheit dieses Glaubens, auf die Haltungen, die sie froh an
den Tag legen sowie auf dem, was der Geist ihnen eingeben möchte,
gründet zum guten Teil die Zukunft des geweihten Lebens und seiner
Sendung.
Blicken wir auf Maria, der Mutter und Lehrerin eines jeden von uns. Sie,
die erste der Geweihten, hat die Fülle der Liebe gelebt. Eifrig im Geiste
diente sie dem Herrn; froh in der Hoffnung, stark in der Bedrängnis,
beharrlich im Gebet; besorgt um die Nöte der Brüder (vgl.Röm 12, 11-13).
In ihr spiegeln und erneuern sich alle Seiten des Evangeliums, alle
Charismen des geweihten Lebens. Sie steht uns bei im alltäglichen
Einsatz, damit aus ihm ein leuchtendes Zeugnis der Liebe werde, ganz
nach der Aufforderung des hl. Paulus: »Wandelt würdig der Berufung mit
der ihr gerufen wurdet!« (Eph 4, 1).
Als Bekräftigung dieser Richtungsweisungen wollen wir die Worte von
Johannes Paul II. noch einmal aufgreifen, denn in ihnen finden wir die
Ermutigung und das Vertrauen, deren wir bedürfen, wenn wir eine
Aufgabe angehen, die unsere Kräfte zu übersteigen scheint: »Ein neues
Jahrhundert, ein neues Jahrtausend öffnen sich im Lichte Christi. Doch
nicht alle sehen das Licht. Wir haben die wunderbare und anspruchsvolle
Aufgabe, sein Widerschein zu sein... Das ist eine Aufgabe, die uns bangen
läßt, wenn wir auf die Schwachheit blicken, die uns so oft glanzlos macht
und Schatten auf uns wirft. Doch die Aufgabe ist lösbar, wenn wir uns dem
Licht Christi aussetzen und es fertig bringen, uns der Gnade zu öffnen, die
uns zu neuen Menschen macht«.147 Dies ist die Hoffnung, die von den
Geweihten in der Kirche verkündet wird, während sie zusammen mit ihren
Brüdern und Schwestern dem auferstandenen Christus entgegen gehen.

5.3 Page 43

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Am 16. Mai 2002 hat der hl. Vater das vorliegende Dokument der
Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die
Gesellschaften des apostolischen Lebens approbiert.
Rom, am 19. Mai, dem Pfingstfest des Jahres 2002.
Eduardo Kardinal Martínez Somalo
Präfekt
Piergiorgio Silvano Nesti, CP
Sekretär
1Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Vita consecrata, Rom 25.
März 1996, 14.
2Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte, 6.
Januar 2001, Nr. 9.
3Johannes Paul II., Ansprache an die Italienische Caritas (24. November
2001): L'Osservatore Romano, 25. November 2001, Nr. 4, S. 5.
4Johannes Paul II., Botschaft an die Plenaria der Kongregation für die
Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen
Lebens (21. September 2001): L'Osservatore Romano, 28. September
2001 S. 9.
5Ebd.
6Vgl. Ad gentes, 11.
7Vgl. Lumen gentium, 1.
8Vita consecrata, 19.
9Vgl. Novo millennio ineunte, 29.
10Vita consecrata, 4.
11Vgl. Novo millennio ineunte, 29.
12Vgl. Novo millennio ineunte, 30-31.
13Vgl. Novo millennio ineunte, 32-34.35-39.
14Vgl. Novo millennio ineunte, 35-37.

5.4 Page 44

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15Vgl. Novo millennio ineunte, 43-44.
16Vgl. Novo millennio ineunte, 49.57.
17Vita consecrata, 111.
18Vgl. Vita consecrata, 16.
19Vgl. Lumen gentium, 44.
20Vita consecrata, 22.
21Vgl. Vita consecrata, 87.
22Vgl. Lumen gentium,13; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches
Schreiben Christifideles laici, 30. Dezember 1988, 20; Vita consecrata, 31.
23Vgl. Novo millennio ineunte, 29.
24Vgl. Novo millennio ineunte, 45.
25Vgl. Vita consecrata, 32.
26Vgl. Vita consecrata, 31.
27Vgl. Vita consecrata, 28. 94.
28Vita consecrata, 85.
29Vgl. Novo millennio ineunte, 38.
30Vgl. Novo millennio ineunte, 33.
31Vgl. Vita consecrata, 103.
32Vgl. Vita consecrata, 72.
33Vgl. Novo millennio ineunte, 2.
34Vita consecrata, 58.
35Vgl. Evangelii nuntiandi, 69; Novo millennio ineunte, 7.
36Vgl. Vita consecrata, 99.
37Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die
Gesellschaften des Apostolischen Lebens Verbi sponsa, Richtlinien für das
kontemplative Leben und die Klausur der Nonnen, Vatikanstadt, 13. Mai

5.5 Page 45

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1999, Nr. 7.
38Ebd.; Vgl. Perfectae caritatis, 7; Vgl. Vita consecrata, 8.59.
39Hl. Augustinus, Sermo 331, 2: PL 38, 1460.
40Novo millennio ineunte, 49.
41Vgl. Novo millennio ineunte, 25-26.
42Vgl. Vita consecrata, 110.
43Vgl. Lumen gentium, V.
44Lumen gentium, 42.
45Vita consecrata, 31; Novo millennio ineunte, 46.
46Vgl. Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die
Gesellschaften des Apostolischen Lebens, Das geschwisterliche Leben in
Gemeinschaft. »Congregavit nos in unum Christi amor«, Rom, 2. Februar
1994, 50.
47Vgl. Vita consecrata, 92.
48Vgl. Novo millennio ineunte, 45.
49Vgl. Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die
Gesellschaften des Apostolischen Lebens, Richtlinien für die Ausbildung
in den Ordensinstituten. Potissimum Institutioni, Rom 2. Februar 1990, 1.
50Vita consecrata, 65.
51Vita consecrata, 66.
52Vgl. Christifideles laici, 55.
53Vgl. Johannes Paul II., Homilie bei der Vigil von Torvergata (20. August
2000): L'Osservatore Romano, 21.-22. August 2000, Nr.3, S.4.
54Vgl. Vita consecrata, 1.
55Vgl. Vita consecrata, 65.
56Vita consecrata, 37.
57Novo millennio ineunte, 40.

5.6 Page 46

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58Vgl. Novo millennio ineunte, 1.
59Johannes Paul II., Homilie (2. Februar 2001); L'Osservatore Romano, 4.
Februar 2001.
60Vgl. Mutuae relationes, 11; vgl. Vita consecrata, 37.
61Vita consecrata, 93.
62Vgl. Novo millennio ineunte, 31.
63Vgl. Vita consecrata, 20-21.
64Vgl. Novo millennio ineunte, 38.
65Vita consecrata, 22.
66Vita consecrata, 16.
67Vita consecrata, 18.
68Vita consecrata, 25.
69Vita consecrata, 40.
70Novo millennio ineunte, 16.
71Vita consecrata, 94.
72Novo millennio ineunte, 39.
73Vgl. Perfectae caritatis, 2.
74Johannes Paul II., Homilie (2. Februar 2001): L'Osservatore Romano, 4.
Februar 2001.
75Vita consecrata, 37.
76Novo millennio ineunte, 40.
77Johannes Paul II., Homilie (2. Februar 2001): L'Osservatore Romano, 4.
Februar 2001.
78Novo millennio ineunte, 43.
79Johannes Paul II., Homilie (2. Februar 2001): L'Osservatore Romano, 4.
Februar 2001.

5.7 Page 47

▲back to top
80Vgl. Vita consecrata, 95.
81Vita consecrata, 18.
82Vita consecrata, 95.
83Vgl. Vita consecrata, 51.
84Vgl. Novo millennio ineunte, 25-27.
85Vgl. Vita consecrata, 23.
86Vita consecrata,38.
87Novo millennio ineunte, 25.
88Vgl. Novo millennio ineunte, 37.
89Vita consecrata, 93.
90Novo millennio ineunte, 43.
91Vita consecrata, 46.
92Vita consecrata, 51.
93Vgl. Novo millennio ineunte, 43.
94Vita consecrata, 51.
95Novo millennio ineunte, 46.
96Vita consecrata, 62.
97Vgl. Geschwisterliches Leben in Gemeinschaft, 62; vgl. Vita consecrata,
56.
98Vgl. Novo millennio ineunte, 45.
99Vgl. Geschwisterliches Leben in Gemeinschaft, 70.
100Vgl. Vita consecrata, 54.
101Vgl. Lumen gentium, 12; vgl. Vita consecrata, 46.
102Vita consecrata, 46.

5.8 Page 48

▲back to top
103Vgl. Vita consecrata, 98.
104Johannes Paul II., in Die Bewegungen in der Kirche. Akten des II.
Internationalen Kolloquiums, Mailand 1987, S.24-25: Die Bewegungen in
der Kirche, Vatikanstadt 1999, S.18.
105Vgl. Novo millennio ineunte, 50.
106 Christifideles laici, 31-32.
107Vgl. Vita consecrata, 46.
108Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben, Ecclesia in Africa,
Yaundé, 14. September 1995, Nr. 94.
109Novo millennio ineunte, 40.
110Vgl. Novo millennio ineunte, 15.
111Vita consecrata, 76.
112Novo millennio ineunte, 49.
113Vgl. Vita consecrata, 82.
114Novo millennio ineunte, 49.
115Novo millennio ineunte, 50.
116Vgl. Novo millennio ineunte, 50.
117Johannes Paul II., Homilie (2. Februar 2001): L'Osservatore Romano, 4.
Februar 2001.
118Vgl. Vita consecrata, 84.
119Vita consecrata, Titel zu Kapitel III.
120Vgl. Novo millennio ineunte, 50.
121Vgl. Novo millennio ineunte, 58.
122Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris Missio, Rom, 7.
Dezember 1990, 1.
123Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Ecclesia in Asia, Neu
Delhi, 6.November 1999, 22.

5.9 Page 49

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124Vgl. Novo millennio ineunte, 40.
125Vgl. Vita consecrata, 83.
126Vgl. Novo millennio ineunte, 51.
127Vgl. Novo millennio ineunte, 23.
128Vgl. Vita consecrata, 96.
129Vgl. Vita consecrata, 98.
130Vgl. Vita consecrata, 99.
131Vita consecrata, 100.
132Vgl. Vita consecrata, 101.
133Vgl. Ecclesia in Asia, 31.34.
134Vgl. Ecclesia in Asia, 44.
135Vgl. Vita consecrata, 102.
136Vita consecrata, 103.
137Novo millennio ineunte, 56.
138Vgl. Novo millennio ineunte, 51.
139Vgl. Vita consecrata, 88-91.
140Vgl. Novo millennio ineunte, 51.
141Vgl. Novo millennio ineunte, 9.
142Vita consecrata, 19.
143Vita consecrata, 16.
144Vgl. Vita consecrata, 93.
145Vgl. Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die
Gesellschaften des Apostolischen Leben, Potissimum institutioni, Rom, 2.
Februar 1990, 29.
146Vgl. Novo millennio ineunte, 31.

5.10 Page 50

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147Novo millennio ineunte, 54.